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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.07.1999
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 5.99
Rechtsgebiete: WaffG
Vorschriften:
WaffG § 28 Abs. 1 | |
WaffG § 30 Abs. 1 | |
WaffG § 32 |
1. Die Vorschrift des § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist auf Repetiergewehre entsprechend anzuwenden.
2. Ein Vereinssportschütze, der bereits eine ihrer Art nach für die auszuübende Sportdisziplin erforderliche Waffe besitzt, benötigt im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG eine weitere Waffe dieser Art nur, wenn dies aus der Sicht des Schießsports notwendig ist.
Urteil des 1. Senat vom 13. Juli 1999 - BVerwG 1 C 5.99 -
I. VG Koblenz vom 09.06.1998 - Az.: VG 2 K 629/98.KO - II. OVG Koblenz vom 26.02.1999 - Az.: OVG 2 A 12037/98 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 1 C 5.99 OVG 2 A 12037/98
Verkündet am 13. Juli 1999
Wichmann Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Gielen, Dr. Mallmann, Dr. Hahn und Dr. Gerhardt
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Februar 1999 wird geändert.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Mitglied im Bund der Militär- und Polizeischützen e.V. (BDMP). Neben anderen Waffen besitzt er drei Karabiner (Kaliber 8 x 57 IS, .308 Winchester, 6,5 x 55) und eine Selbstladebüchse der Firma SAFN (Kaliber 8 x 57 IS). Mit diesen Waffen kann er an den Sportdisziplinen ZG 1 und DG 3 teilnehmen.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18. August 1997, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 1998, den Antrag des Klägers ab, ihm eine Waffenbesitzkarte für ein Repetiergewehr und ein Selbstladegewehr, jeweils Kaliber .308 Winchester, zu erteilen. Zur Begründung berief sich der Beklagte darauf, daß der Kläger die Waffen zur Ausübung der von ihm gewünschten Sportdisziplinen nicht benötige, weil er mit entsprechenden Waffen bereits ausreichend versorgt sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die beantragte Waffenbesitzkarte zu erteilen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Befreiung vom Nachweis eines Bedürfnisses gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG gelte auch für Repetiergewehre. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Der Kläger benötige als Mitglied eines Schießsportvereins die beantragten Waffen zur Teilnahme an ordentlichen Schießwettbewerben. Art und Zahl der bedürfnisnachweisfrei erwerbbaren Waffen orientierten sich an dem im professionellen Schießsport Üblichen. Daraus folge grundsätzlich keine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Waffen, vielmehr wirke dieses Tatbestandsmerkmal nur der mißbräuchlichen Anhäufung von Schußwaffen entgegen. Die vorgelegten Bescheinigungen des BDMP genügten den gesetzlichen Anforderungen. Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG brauche der Antragsteller nicht nachzuweisen, daß er wegen Fehlens einer entsprechenden Waffe die begehrte Waffe zur Teilnahme an der gewünschten Disziplin benötige. Dies folge aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Gesetzessystematik, namentlich der in § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 WaffG vorgesehenen Beschränkung des Privilegierungstatbestandes für den Erwerb von Kurzwaffen.
Der Beklagte begehrt mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und führt zur Begründung aus: Die Regelung des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG lasse die Prüfung der Erwerbsnotwendigkeit für die konkrete Waffe nicht entfallen, sondern erleichtere lediglich deren Nachweis. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts benötige der Kläger die beantragten Waffen nicht. Der Kläger hält das Berufungsurteil für zutreffend und bittet um Zurückweisung der Revision.
Der Oberbundesanwalt hält die Revision für begründet.
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht nicht in Einklang. Das erstinstanzliche Urteil ist wiederherzustellen, weil der Kläger die begehrte Waffenbesitzkarte nicht beanspruchen kann. Er benötigt die beantragten Waffen nicht zur Teilnahme an ordentlichen Schießwettbewerben im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG.
Wer Schußwaffen erwerben und die tatsächliche Gewalt über sie ausüben will, bedarf grundsätzlich der Erlaubnis in Gestalt einer Waffenbesitzkarte (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG). Die Waffenbesitzkarte ist u.a. zu versagen, wenn ein Bedürfnis nicht nachgewiesen ist (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG). § 32 WaffG regelt das Bedürfnis und bestimmt in Abs. 2 Nr. 3 Satz 1, daß ein Bedürfnis nicht nachzuweisen braucht, wer als Mitglied eines Schießsportvereins die Waffe zur Teilnahme an ordentlichen Schießwettbewerben benötigt, sofern es sich um eine Waffe von nicht mehr als 60 cm oder um eine Selbstladewaffe mit einer Länge von mehr als 60 cm handelt, und er durch eine Bescheinigung des Vereins nachweist, daß er an den Übungsschießen des Vereins mindestens sechs Monate regelmäßig und erfolgreich teilgenommen hat und welche Waffenart für die auszuübende Sportdisziplin erforderlich ist. Für Schußwaffen mit einer Länge von weniger als 60 cm gilt dies nicht, wenn der Antragsteller schon zwei Waffen dieser Art besitzt (§ 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG).
Das Klagebegehren scheitert hinsichtlich des Repetiergewehrs nicht bereits daran, daß diese Waffenart in § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG nicht ausdrücklich erwähnt ist. Die Beteiligten gehen in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen davon aus, daß die Regelung des § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG insoweit ebenfalls gilt (in diesem Sinne auch OVG Hamburg, GewArch 1998, 119; Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl., § 32 WaffG Rn. 28; Kurth/Lehle/Schirm, Aktuelles Waffenrecht, § 32 WaffG Rn. 28; vgl. aber BTDrucks 11/1556, S. 38 und 57). Diese Ansicht gibt zu revisionsgerichtlichen Bedenken keinen Anlaß. Repetiergewehre sind nach ihrer Schießtechnik weniger gefährlich als die nach der genannten Vorschrift privilegierten Selbstladewaffen (vgl. § 1 Abs. 5 WaffG) und werden zu sportlichen Zwecken verwendet. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung des § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auf Repetiergewehre.
Indes kann der Kläger die Waffenbesitzkarte nicht nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG beanspruchen, weil er nicht nachgewiesen hat, daß er die beantragten Waffen zur Teilnahme an ordentlichen Schießwettbewerben benötigt. Mit den vorhandenen Waffen kann er an den von ihm gewünschten Sportdisziplinen teilnehmen. Für einen Bedarf an weiteren Waffen ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Im Gegensatz zur Ansicht des Oberverwaltungsgerichts beschränkt das Tatbestandsmerkmal "benötigt" die Zahl der Schußwaffen, die ihrer Art nach für die auszuübende Sportdisziplin erforderlich sind, nicht nur im Sinne einer Mißbrauchsgrenze, sondern nach Maßgabe schießsportlicher Notwendigkeit (zum Meinungsstand vgl. OVG Hamburg, Steindorf, Kurth/Lehle/Schirm, jeweils a.a.O.; ferner BTDrucks 11/1556, S. 38).
Der Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig. Die einleitenden Worte des § 32 Abs. 2 WaffG ("Ein Bedürfnis braucht nicht nachzuweisen, wer...") müssen nämlich damit in Einklang gebracht werden, daß diese Privilegierung gemäß Nr. 3 Satz 1 der Vorschrift nur dem zugute kommt, der "als Mitglied eines Schießsportvereins die Waffe zur Teilnahme an ordentlichen Schießwettbewerben benötigt". Der erkennende Senat geht davon aus, daß die Verwendung des Singulars ("die Waffe") lediglich sprachliche Gründe hat und daher die Möglichkeit des privilegierten Erwerbs und Besitzes von mehr als einer Sportwaffe je Disziplin vom Wortlaut her nicht ausgeschlossen ist.
Andererseits schließt die Gegenüberstellung der Regelungen in § 32 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG in der hier erörterten Fallgruppe nicht eine Prüfung aus, ob ein bereits Sportwaffen besitzender Antragsteller für die Teilnahme an Schießwettbewerben weitere Waffen benötigt. In § 32 Abs. 1 WaffG werden Fälle benannt, in denen "insbesondere" ein Bedürfnis vorliegt, wenn der Antragsteller näher bestimmte Voraussetzungen nachweist (glaubhaft macht). Demgegenüber bedarf es eines solchen Nachweises gemäß § 32 Abs. 2 WaffG nicht, vielmehr wird das Vorliegen eines Bedürfnisses unwiderleglich vermutet, wenn die dort abschließend aufgezählten Tatbestände erfüllt sind. Die Vorschrift besagt aber nichts darüber, was die Behörde in den Fällen des § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 WaffG jeweils zu prüfen hat.
Die Bestimmung des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 WaffG, derzufolge die Regelung des Satzes 1 für Schußwaffen mit einer Länge von weniger als 60 cm nicht gilt, wenn der Antragsteller schon zwei Waffen dieser Art besitzt, beschränkt den Anwendungsbereich des Satzes 1, läßt aber keinen Rückschluß auf seinen Regelungsgehalt zu. Die Bestimmung stützt daher nicht die verbreitete Auffassung, ein Sportschütze dürfe im Rahmen des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG andere Waffen als Kurzwaffen (zum Begriff "Waffen dieser Art" vgl. Urteil vom 27. November 1997 - BVerwG 1 C 16.97 - Buchhholz 402.5 WaffG Nr. 79 = GewArch 1998, 117 = NVwZ-RR 1998, 234) in beliebiger Anzahl erwerben und besitzen (vgl. BTDrucks 11/1556, S. 38).
Die im Ausgangspunkt dem Berufungsurteil zugrundeliegende Auffassung, daß die beantragten Waffen ihrer Art nach für die auszuübende Sportdisziplin erforderlich zu sein hätten, aber grundsätzlich keiner Begrenzung der Zahl nach unterlägen, überzeugt nicht. Dem Tatbestandsmerkmal "benötigt" käme bei dieser Auslegung keine selbständige Bedeutung zu. Der Antragsteller hat, wie die weitere Regelung des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG zeigt, durch eine Bescheinigung des Vereins u.a. nachzuweisen, welche Waffenart für die auszuübende Sportdisziplin erforderlich ist. Damit ist nicht nur die Art des Nachweises, sondern auch eine sachliche Voraussetzung des Bedürfnisses geregelt. Es ist nicht erkennbar, welchen Anlaß der Gesetzgeber gehabt haben könnte, diese Voraussetzung zweimal und zudem in verschiedenen Wendungen in den Gesetzestext aufzunehmen.
Die gebotene eigenständige Bedeutung kommt dem Tatbestandsmerkmal "benötigt" in § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 WaffG nach alledem nur zu, wenn es als besondere, auf den Schießsport zugeschnittene Ausprägung des allgemeinen waffenrechtlichen Bedürfnisses verstanden wird. Zu den Zielen des Waffengesetzes gehört, die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schußwaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken (stRspr; vgl. Urteile vom 24. Juni 1975 - BVerwG 1 C 25.73 - BVerwGE 49, 1, vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 5.92 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 66 = GewArch 1993, 325 sowie zuletzt vom 23. März 1999 - BVerwG 1 C 21.98 - DokBerA 1999, 177). Die gebotene Abwägung zwischen den berechtigten privaten Interessen und dem öffentlichen Interesse, daß möglichst wenige Waffen "ins Volk" kommen, hat der Gesetzgeber für Sportschützen in § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zwar konkretisiert (vgl. Urteil vom 27. November 1997, a.a.O.). Die tatbestandliche Ausgestaltung ("benötigt") öffnet die Vorschrift insoweit aber wieder Erwägungen, die auch die allgemeine waffenrechtliche Bedürfnisprüfung kennzeichnen. Demnach benötigt ein Vereinssportschütze, der bereits eine ihrer Art nach für die auszuübende Sportdisziplin erforderliche Waffe besitzt, eine weitere Waffe dieser Art nur, wenn dies aus der Sicht des Schießsports notwendig ist. In diesem Sinne kann eine Waffe u.U. etwa als Reservewaffe oder zum Zweck der Leistungssteigerung nötig sein, wobei in Fällen dieser Art zu bedenken ist, ob der Antragsteller außer der erstrebten Waffe die bereits in seinem Besitz befindliche Waffe weiterhin benötigt (vgl. Urteil vom 27. November 1997, a.a.O.). Hingegen gibt das Gesetz für die vom Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung nichts her, der "quantitative Aspekt des Tatbestandsmerkmals" (sc. "benötigt") sei "nur als im Wege der Evidenzkontrolle zu ermittelnde Mißbrauchsgrenze der Privilegierung zu verstehen".
Schießsportliche Gesichtspunkte, die den begehrten Waffenerwerb im Sinne von § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG rechtfertigen könnten, hat der Kläger zu keiner Zeit vorgetragen und auch nicht aufgrund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats im Wege vorsorglicher Gegenrüge vorgebracht. Diesbezüglicher weiterer Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bedarf es nicht, so daß in der Sache selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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