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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.09.2001
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 7.01
Rechtsgebiete: VwGO, AsylVfG, AuslG


Vorschriften:

VwGO § 121
AsylVfG § 73 Abs. 3
AuslG § 53
1. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils nach § 121 VwGO endet, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den damals gegebenen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eine erneute Sachentscheidung gerechtfertigt ist.

2. Der Zeitablauf allein stellt keine wesentliche Änderung der Sachlage dar. Mit zunehmender Dauer der seit dem rechtskräftigen Urteil verstrichenen Zeit besteht jedenfalls in asylrechtlichen Streitigkeiten Grund für die Annahme, dass sich die entscheidungserhebliche Sachlage geändert haben könnte.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 7.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eichberger

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der 1969 geborene Kläger ist togoischer Staatsangehöriger. Er reiste 1992 nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 27. Juni 1994 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte ihm die Abschiebung nach Togo an.

Das Verwaltungsgericht hob mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 29. November 1995 den Bescheid des Bundesamts auf, soweit dem Kläger darin die Abschiebung nach Togo angedroht wurde, und verpflichtete die Beklagte, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich Togos festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, abgeschobene Asylbewerber seien in besonders hohem Maße der Gefahr ausgesetzt, ins Blickfeld der togoischen Sicherheitskräfte zu geraten und von ihnen misshandelt oder ermordet zu werden. In Befolgung des Urteils stellte das Bundesamt durch Bescheid vom 17. April 1996 zu Gunsten des Klägers fest, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich Togos vorliegen.

Mit Bescheid vom 23. April 1998 widerrief das Bundesamt diese Feststellung und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Togo an. Den auf § 73 Abs. 3 AsylVfG gestützten Widerruf begründete es damit, dass die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf Grund der derzeitigen Asylrechtsprechung sowie neuerer Auskünfte nicht mehr vorlägen.

Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid des Bundesamts aufgehoben. Nach Togo abgeschobene Asylbewerber müssten nach wie vor eine unmenschliche Behandlung durch die staatlichen Behörden befürchten. Die Lage in Togo habe sich, was die Achtung der Menschenrechte betreffe, in letzter Zeit jedenfalls nicht verbessert.

Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Widerruf der Feststellung eines Abschiebungshindernisses stehe die Rechtskraft des Verpflichtungsurteils durch das Verwaltungsgericht vom 29. November 1995 entgegen. Die für dieses Urteil maßgebliche Sach- und Rechtslage habe sich seit dessen Ergehen nicht geändert. Die Gefährdung abgelehnter Asylbewerber bei ihrer Rückkehr nach Togo werde heute vom Auswärtigen Amt und anderen Auskunftstellen gleichermaßen uneinheitlich eingeschätzt wie im November 1995. Im Ergebnis begründe die Stellung eines Asylantrags in Deutschland und der Auslandsaufenthalt für einen in seinen Heimatstaat zurückkehrenden Togoer heute ebenso wenig wie damals das ernsthafte Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten. Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (§ 101 Abs. 2 VwGO).

II.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Gegenstand der Revision ist nur der Widerruf der Feststellung über das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 4 AuslG in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt). Gegen die Aufhebung der Abschiebungsandrohung in diesem Bescheid hat die Beklagte keine Revision eingelegt.

Das Berufungsgericht hat die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Bundesamts durch das Verwaltungsgericht zu Recht im Ergebnis bestätigt, weil dem Widerruf die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 29. November 1995 entgegensteht.

Nach § 73 Abs. 3 AsylVfG ist die Entscheidung, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1, 2, 4 oder 6 AuslG vorliegt, zurückzunehmen, wenn sie fehlerhaft ist, und zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Beruht die Feststellung eines solchen Abschiebungshindernisses durch das Bundesamt auf einem rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteil, hindert die Rechtskraft dieser Entscheidung bei unveränderter Sachlage die Aufhebung der Feststellung durch das Bundesamt. Dies folgt jedenfalls aus § 121 VwGO, wonach rechtskräftige Urteile die Beteiligten binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. § 73 Abs. 3 AsylVfG, auf den sich das Bundesamt hier beruft, befreit nicht von dieser Rechtskraftbindung, sondern setzt vielmehr voraus, dass die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung der Rücknahme oder dem Widerruf der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nicht entgegensteht. Dies hat der früher für das Asylrecht zuständige 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts bereits grundsätzlich für den Fall einer rechtskräftigen Verpflichtung zur Asylanerkennung und deren Rücknahme nach § 73 Abs. 2 AsylVfG entschieden (Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <33 f.>; vgl. auch Urteil vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258> m.w.N.). Nichts anderes gilt hier für das Verhältnis zwischen der rechtskräftigen Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 AuslG und der nachfolgenden behördlichen Aufhebung der in Befolgung des Urteils getroffenen Feststellung gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG.

Das Bundesamt durfte die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich Togos auch nicht mit Rücksicht auf eine nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. November 1995 erfolgte Veränderung der Verhältnisse in Togo aufheben, wie sie die Beklagte geltend macht. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils endet allerdings, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich verändert - sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft - (stRspr; Urteil vom 23. November 1999 - BVerwG 9 C 16.99 - BVerwGE 110, 111 <116>; Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>; Urteil vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <258>; Urteil vom 4. Juni 1970 - BVerwG 2 C 39.68 - BVerwGE 35, 234 <236>; Beschluss vom 18. Februar 1982 - BVerwG 1 WB 41.81 - BVerwGE 73, 348 <349>; Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362 f.>). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

Es liegt auf der Hand, dass nicht jegliche nachträgliche Änderung der Verhältnisse die Rechtskraftwirkung eines Urteils entfallen lässt (Beschluss vom 3. November 1993 - BVerwG 4 NB 33.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 66 = NVwZ-RR 1994, 236; vgl. auch Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 121 Rn. 72). Gerade im Asylrecht liefe ansonsten die Rechtskraftwirkung nach § 121 VwGO weitgehend leer, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist. Sofern es nämlich auf die allgemeinen politischen Verhältnisse im Heimatland des Asylbewerbers ankommt, sind diese naturgemäß ständigen Änderungen unterworfen. Eine Lösung der Bindung an ein rechtskräftiges Urteil kann daher nur eintreten, wenn die nachträgliche Änderung der - hier allein infrage stehenden - Sachlage entscheidungserheblich ist (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992, a.a.O., S. 258; Urteil vom 23. November 1999, a.a.O., S. 116; Beschluss vom 3. November 1993, a.a.O.; Urteil vom 4. Juni 1970, a.a.O., S. 236). Dies ist jedenfalls im Asylrecht nur dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992, a.a.O., S. 259). Zweck des § 121 VwGO ist es, zu verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch Urteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- oder Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998, a.a.O., S. 33). Eine von der Rechtskraftbindung des früheren Urteils befreiende entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage liegt danach dann vor, wenn es für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält.

Der Zeitablauf allein stellt allerdings grundsätzlich keine erhebliche Änderung der Sachlage dar. Die Rechtskraftwirkung ist zeitlich nicht begrenzt (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1992, a.a.O., S. 259). Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass gerade die Gefahrenprognose im Asylrecht, insbesondere soweit sie von den allgemeinen politischen Verhältnissen im Heimatland des Asylbewerbers abhängt, in besonderem Maße durch die weitere Entwicklung dieser Verhältnisse berührt sein kann. Je länger der Zeitraum ist, der seit dem rechtskräftigen Urteil verstrichen ist, desto eher kann - je nach Art der dem Urteil zugrunde liegenden Gefahrenprognose - die Annahme gerechtfertigt sein, dass die Entwicklung im Heimatland zu einer Änderung der tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose geführt hat, die vom Geltungsanspruch des rechtskräftigen Urteils nicht mehr erfasst wird. Dies ist bei der Beurteilung der Frage, ob neue Tatsachen zu einer entscheidungserheblichen Sachlagenänderung führen, zu berücksichtigen.

Die Erheblichkeit der Sachlagenänderung hängt hingegen nicht notwendig davon ab, ob die Behörde oder das Gericht, welche die mögliche Rechtskraftbindung zu prüfen haben, auf der Grundlage des neuen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis kommen als das rechtskräftige Urteil (so bereits BVerwG, Urteil vom 23. November 1999, a.a.O., S. 116: bei einer erheblichen Sachlagenänderung steht die Rechtskraft des Urteils "dann einer erneuten - gleichen oder abweichenden - Sachentscheidung auf der Grundlage der veränderten Sachlage nicht entgegen"). Ergibt sich allerdings eine solche Ergebnisabweichung wegen der geänderten Sachlage, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Rechtskraft des alten Urteils nicht mehr bindet. Andererseits kann die Rechtskraft des früheren Urteils auch enden, wenn eine nachträgliche wesentliche Änderung der Sachlage, etwa ein politischer Umsturz im Heimatland des Asylbewerbers, die im rechtskräftigen Urteil getroffene Entscheidung im Ergebnis bestätigt. Hätte schließlich bereits das rechtskräftige Urteil nach der damaligen Sachlage zu dem anderen, auf Grundlage der jetzigen Verhältnisse gewonnenen Ergebnis kommen müssen, indiziert diese Ergebnisabweichung für sich genommen keine wesentliche Sachverhaltsänderung, schließt sie allerdings auch nicht aus, sondern zeigt lediglich, dass das rechtskräftige Urteil aus der Sicht des nunmehr entscheidenden Gerichts falsch ist. Es ist anerkannt, dass die Rechtskraftwirkung unabhängig davon besteht, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998, a.a.O., S. 33; Urteil vom 8. Dezember 1992, a.a.O., S. 259 f.; vgl. auch Clausing, a.a.O.; § 121 Rn. 69). Auch unrichtige Urteile entfalten also Rechtskraftwirkung. Ob dies ausnahmsweise dann nicht gilt, wenn die Aufrechterhaltung des durch die Vorentscheidung geschaffenen Zustands "schlechthin unerträglich" wäre (in Erwägung gezogen im Urteil des BVerwG vom 8. Dezember 1992, a.a.O., S. 260), bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung, da ein solcher Fall offensichtlich nicht gegeben ist. Eine Befreiung von der Rechtskraftwirkung tritt demzufolge nicht allein deshalb ein, weil sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen ergeben, das Gericht nunmehr eine andere Würdigung des alten Sachverhalts vornimmt oder mittlerweile eine neue oder geänderte ober- oder höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt (ebenso zu der insoweit vergleichbaren Frage einer Änderung der Sachlage als Voraussetzung des Widerrufs einer Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 sowie Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 69).

Von diesem rechtlichen Maßstab zur Bestimmung der zeitlichen Grenzen der Rechtskraft geht im Kern auch das angefochtene Urteil aus. Das Berufungsgericht stellt letztlich entscheidend darauf ab, ob sich die "für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von Verfolgungsmaßnahmen wesentlichen Faktoren, wie die allgemeine politische Lage in Togo, die Herrschaft des Präsidenten Eyadèma und seiner Partei RPT über Togo, die allgemeine Menschenrechtslage und in erster Linie die Verhaltensweise des Regimes gegenüber nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union abgeschobenen Togoern," nachhaltig geändert haben (UA S. 8 f.).

Eine entscheidungserhebliche Änderung der für die Gefahrenprognose wesentlichen Merkmale verneint das Berufungsgericht. Es stellt fest, dass die Erkenntnismittel, auf die sich die richterliche Gefahrenprognose stützt, im November 1995 ebenso uneinheitliche Aussagen enthielten wie im Februar 2001 zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Urteils. Auch die zwischenzeitliche politische Entwicklung in Togo, wie etwa die "zu Gunsten Eyadèma's manipulierten Präsidentschaftswahlen vom Juni 1998" (UA S. 12), führen nach Auffassung des Berufungsgerichts zu keiner veränderten Beurteilung der entscheidenden Frage, ob nach Togo zurückkehrende Asylbewerber allein wegen des Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung durch das Regime zu befürchten haben.

Dies ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden. An die der Gefahrenprognose zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht mangels hiergegen vorgebrachter Revisionsgründe gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auch soweit die Gefahrenprognose auf der tatrichterlichen Würdigung dieser Feststellungen beruht, ist sie der revisionsrichterlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (Urteil vom 19. September 2000, a.a.O., <UA S. 11 f.> - BVerwGE 112, 80). Verletzungen revisiblen Rechts bei der Anwendung des rechtlichen Maßstabs für die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft lässt das Urteil auch im Übrigen nicht erkennen. Insbesondere hat das Berufungsgericht bei seiner Gefahrenprognose nicht die besondere Bedeutung der Zahl zurückgeführter erfolgloser Asylbewerber auf der einen und belegter erheblicher Übergriffe gegen diese auf der anderen Seite verkannt (UA S. 10 f.). Es hat jedoch, anders als die Revision, auch insofern keine wesentliche Änderung der Verhältnisse seit November 1995 feststellen können. Auch dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf die Aussage im Urteil des 9. Senats vom 19. September 2000 (a.a.O., <UA S. 7> - BVerwGE 112, 80), wonach aus dem Ablauf einer längeren Zeitspanne auch ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat eine erhebliche, die Pflicht zum Widerruf begründende Veränderung der Verhältnisse folgen könne. Zum einen ist sie auf den Widerruf einer Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG bezogen und ungeachtet einer im Grundsatz vergleichbaren Problemlage nicht ohne weiteres auf die Frage nach den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft übertragbar. Zum anderen hatte diese Aussage des 9. Senats in dem Urteil vom 19. September 2000 ersichtlich lediglich die Fallkonstellation vor Augen, dass die Asylanerkennung zunächst auf unsicherer Tatsachengrundlage wegen einer allgemeinen Rückkehrgefährdung zumindest vertretbar erfolgt ist, sich später aber eine andere Gefahrenprognose aufdrängt, weil trotz zahlreicher Rückführungen keine Verfolgungsfälle festgestellt werden. Auch insoweit taugt sie nicht als Einwand gegen das angefochtene Urteil, da diesem eine andere Fallgestaltung zugrunde liegt. Allerdings kann nach den oben dargelegten Grundsätzen - insoweit zielt der Einwand der Revision im Grundsatz in die richtige Richtung - gerade in asylrechtlichen Streitigkeiten der Zeitablauf als Indiz für eine mögliche erhebliche Sachlagenänderung für die Rechtskraftwirkung durchaus von Bedeutung sein. In Anbetracht der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und seiner tatrichterlichen Würdigung zu der im Wesentlichen unverändert gebliebenen Gefährdungslage kann hier indes auch unter dem Gesichtspunkt des Zeitablaufs die Rechtskraftbindung an das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht verneint werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert folgt aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

Ende der Entscheidung

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