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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.02.2006
Aktenzeichen: BVerwG 1 DB 5.05
Rechtsgebiete: BDO, BDG, StGB


Vorschriften:

BDO § 77
BDO § 79
BDO § 110 Abs. 2
BDO § 110 Abs. 6
BDG § 85 Abs. 3 Satz 1
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 1 DB 5.05

In dem Verfahren

hat der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts am 10. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Heeren und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der früheren Beamtin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 24. Oktober 2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2003 - BVerwG 1 D 26.02 - wurde die frühere Beamtin wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt. Gleichzeitig wurde ihr auf die Dauer von zwölf Monaten ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts bewilligt. Das Verwaltungsgericht ... bewilligte durch Beschluss vom 14. Februar 2005 der früheren Beamtin mit Wirkung vom 1. August 2004 auf die Dauer von weiteren zwölf Monaten einen Unterhaltsbeitrag in derselben Höhe.

Mit Schreiben vom 26. August 2005 beantragte die frühere Beamtin erneut die Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags und machte im Wesentlichen geltend, sich erfolglos um eine Arbeit bemüht zu haben. Während des Verfahrens hat sie u.a. mitgeteilt, sie werde voraussichtlich ab Oktober 2005 Arbeitslosengeld II in geschätzter Höhe von 1 200 € beziehen. Zusätzlich erhalte sie Kindergeld in Höhe von 999 €; ihr Sohn Sven beziehe im zweiten Lehrjahr 514 € netto und ihre Tochter Julia erhalte als Verkäuferin 900 € brutto.

Durch Beschluss vom 24. Oktober 2005 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf erneute Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags ab und führte zur Begründung u.a. aus, die frühere Beamtin habe trotz gerichtlicher Aufforderung eine Bedürftigkeit nicht nachgewiesen. Es könne dahinstehen, ob sie angesichts des von ihr geltend gemachten Familieneinkommens wirtschaftlich überhaupt bedürftig sei. Jedenfalls habe sie trotz der im Beschluss vom 14. Februar 2005 enthaltenen ausführlichen Belehrung sowie der Aufforderung und Fristsetzung im vorliegenden Verfahren Belege für ein ausreichendes Bemühen um Arbeit nicht vorgelegt.

Gegen den ihr am 29. Oktober 2005 zugestellten Beschluss hat die frühere Beamtin mit einem am 15. November 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt.

Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. In der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses hat es ausgeführt, die Fristversäumnis sehe das Gericht als unverschuldet an, weil die Beschwerde ausweislich des Poststempels auf dem Briefumschlag bereits am 11. November 2005 zur Post gegeben worden sei.

Während des Beschwerdeverfahrens hat die frühere Beamtin eine Auflistung von zwölf in D. ansässigen Firmen vorgelegt, bei denen sie sich erfolglos telefonisch um eine Beschäftigungsstelle bemüht haben will. Außerdem hat sie Fotokopien von 42 handschriftlichen Bewerbungen bei D. Firmen eingereicht, die die Daten 24. Februar (zweimal) 3., 5., 6., 12., 14. (zweimal) und 21. März, 1., 5., 10., 13., 15., 18., 22., 25. und 30. April, 5., 11., 17., 23., 27. (zweimal) Mai, 1., 5., 12., 19., 24., 28. (zweimal) und 30. Juni, 3., 10., 13. (zweimal), 17., 21., 23., 25. und 28. Juli sowie 2. September 2005 tragen.

Nachdem die Beteiligte die Richtigkeit dieses Vortrags nach stichprobenartigen Überprüfungen bei den angeblich angeschriebenen Firmen bezweifelt und auch der Senat die betreffenden Firmen um Auskunft nach einer schriftlichen Bewerbung der früheren Beamtin gebeten hat, hat diese ihren Vortrag korrigiert und nunmehr behauptet, sie habe die Umschläge ihrem fünfzehnjährigen Sohn mit Geld für die Briefmarken mitgegeben, da dieser auf seinem Schulweg täglich an einem Postamt vorbeigehe. Nachdem sie misstrauisch geworden sei, habe der von ihr zur Rede gestellte Sohn "gebeichtet", er habe das Geld "für andere Sachen" verwendet und die Umschläge vernichtet. Ihr Sohn erhalte 16 € Taschengeld und habe dieses mit dem Geld für die Briefmarken aufbessern wollen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 110 Abs. 6 i.V.m. § 79 BDO zulässig.

Das Verfahren auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO fällt nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 als Annexverfahren zum abgeschlossenen förmlichen Disziplinarverfahren, welches hinsichtlich des Ausspruchs zum Unterhaltsbeitrag der Sache nach fortgesetzt wird, unter die Fortführungsklausel des § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG (Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - ZBR 2002, 436 = DÖD 2002, 97 = DokBer B 2002, 95). Dies hat zur Folge, dass das Neubewilligungsverfahren im Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht der Bundesdisziplinarordnung "fortzuführen" ist.

Der früheren Beamtin ist gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; denn die Fristversäumnis des § 79 Abs. 2 BDO ist unverschuldet. Bei einem ausweislich des Briefumschlags am 11. November 2005 zur Post gegebenen Schreiben durfte die frühere Beamtin damit rechnen, dass ihre Beschwerdeschrift vor Ablauf des 14. November 2005 und somit rechtzeitig bei Gericht eingehen werde.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Der früheren Beamtin steht ab dem 1. August 2005 kein weiterer Unterhaltsbeitrag mehr zu.

Die Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags richtet sich nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes auch materiellrechtlich zwar weiterhin nach den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (§§ 110, 77), wenn - wie hier - die Erstbewilligung auf § 77 BDO beruht (vgl. Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - a.a.O.). Nach § 110 Abs. 2 Satz 2 BDO kann ein Unterhaltsbeitrag aber nur erneut bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO vorliegen, wenn also die frühere Beamtin nach ihrer wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und ihrer nicht unwürdig ist. Von einer Würdigkeit der früheren Beamtin kann im vorliegenden Verfahren keine Rede mehr sein.

Im Beschluss vom 14. Februar 2005 im Verfahren - 20 K 2621/04.BDG - hat das Verwaltungsgericht die frühere Beamtin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ebenso verständlich wie eindringlich darüber belehrt, welche Anforderungen an ein Bemühen um eine neue Beschäftigungsstelle zu erfüllen und nachzuweisen sind, wenn die Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags begehrt wird. Dass die dem Gericht vorgelegten Bewerbungen der Wahrheit entsprechen müssen, ist selbstverständlich und bedarf keiner ausdrücklichen Belehrung. Wer sich als Empfänger von Leistungen hieran nicht hält und falsche Angaben macht, kann sich möglicherweise eines versuchten Betrugs nach § 263 StGB strafbar machen.

Die von der früheren Beamtin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bewerbungsunterlagen sind nicht geeignet, einen Anspruch auf Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags zu begründen. Im Streit ist die Weiterbewilligung ab dem 1. August 2005. Die von der früheren Beamtin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen decken dem Datum nach zwar den davor liegenden Zeitraum ab; der Senat hält sie aber für unglaubhaft. Ihrem Antrag auf Weiterbewilligung vom 26. August 2005 an das Verwaltungsgericht war kein einziger Beleg beigefügt, was sie auf Anfrage des Gerichts damit zu erklären versuchte, ihr fehle das Geld, um Fotokopien anfertigen zu können. Es hätte zunächst keiner mit Kosten verbundenen Fotokopien bedurft, um dem Gericht handschriftlich die Anschriften und das Datum der von ihr behaupteten Bewerbungen vorzutragen. Im Übrigen ist der früheren Beamtin nach Mitteilung der Behörde in der Vergangenheit ein monatlicher Unterhaltsbeitrag (einschließlich Kindergeld) in Höhe von mindestens 2 000 € zugeflossen. Die Beamtin hätte daher Fotokopien oder aber Durchschriften ihrer Bewerbungen von Ende Februar bis Anfang September anfertigen können, um sie als Beleg gegebenenfalls bei Gericht vorzulegen. Die dafür anfallenden Kosten hätten sie nicht übermäßig belastet. Darüber hinaus hat sie im Nachhinein durchaus Fotokopien als Duplikate ihrer angeblichen Bewerbungen vorlegen können. Sie hat ausdrücklich in Abrede gestellt, diese nachträglich - als Kopieersatz - angefertigt zu haben. Dann aber hätten diese Fotokopien bereits vor der Absendung des Originals angefertigt worden sein müssen; so wäre es auch möglich gewesen, diese dem Gericht sogleich - ohne Anfertigung weiterer Zweitschriften der Fotokopien - vorzulegen.

Die im Beschwerdeverfahren vorgetragene Version, ihr fünfzehnjähriger Sohn habe das ihm mitgegebene Geld zweckentfremdet verwendet, um sein Taschengeld aufzubessern, nimmt der Senat der früheren Beamtin nicht ab. Bei einer von ihr vorhersehbar größeren Anzahl von Bewerbungen ist es schlechterdings unvorstellbar, dass sie bei keinem Fall Briefmarken zur Hand gehabt haben will und der fünfzehnjährige Sohn sämtliche Bewerbungen vernichtet haben soll. Wenn es der früheren Beamtin um ernsthafte Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit gegangen wäre, hätte es überdies nahe gelegen, dem Sohn die besondere Bedeutung der Briefe klar zu machen. Da die ersten Bewerbungen bereits in den Monaten Februar, März und April 2005 abgeschickt bzw. vernichtet worden sein sollen, hätte es der früheren Beamtin auffallen müssen, dass in keinem einzigen Fall eine Antwort der angeschriebenen Firma kam. In einem solchen Fall hätte es nahe gelegen, sich zumindest telefonisch bei der angeblich angeschriebenen Firma zu erkundigen. Die frühere Beamtin hat nichts dergleichen getan, sondern die Angelegenheit einfach auf sich beruhen lassen. Auch waren die Bewerbungsschreiben ihrem Inhalt nach derart nachlässig und interesselos verfasst, dass sie beim Empfänger die Vorstellung, hier von einer dringend oder doch zumindest ernsthaft Arbeit suchenden Person angesprochen zu werden, kaum hervorrufen konnten. Selbst wenn also die frühere Beamtin zum jeweils angegebenen Zeitpunkt derartige Bewerbungen tatsächlich geschrieben und stets ihrem Sohn mit entsprechendem Portogeld mit auf den Weg gegeben haben sollte, könnte das Gesamtverhalten der früheren Beamtin nicht als ein ernsthaftes - geschweige denn intensives - Bemühen um eine Erwerbstätigkeit angesehen werden.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die frühere Beamtin erst im Beschwerdeverfahren auf den Vorhalt der Behörde und auf Grund der Anfrage des Senats begonnen hat, für den davor liegenden Zeitraum Bewerbungen im Nachhinein zu konstruieren. Nach alledem ist sie unwürdig, weitere Unterhaltsbeiträge zu erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BDO.

Ende der Entscheidung

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