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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.07.1999
Aktenzeichen: BVerwG 1 KSt 2.99
Rechtsgebiete: BGB, GKG
Vorschriften:
BGB § 54 Satz 2 | |
GKG § 54 Nr. 3 | |
GKG § 58 Abs. 2 |
Der Vorstand eines nichtrechtsfähigen Vereins haftet nicht für Gerichtskosten, die der Verein schuldet.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 1 KSt 2.99 (1 A 1.93) und 3.99 (1 ER 300.93)
In den Kostensachen
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Dr. Mallmann und Dr. Gerhardt
beschlossen:
Tenor:
Die Kostenrechnungen vom 13. April 1999 und 28. April 1999 werden aufgehoben.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Erinnerungsführer war Vorsitzender der N. Er beauftragte einen Rechtsanwalt gegen deren Verbot Klage zu erheben und vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluß vom 31. März 1993 abgelehnt, die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Juni 1996 abgewiesen; der Klägerin und Antragstellerin wurden jeweils die Kosten auferlegt. Das Bundesverwaltungsamt teilte mit Schreiben vom 5. März 1997 mit, daß im eingezogenen Vermögen der Klägerin und Antragstellerin keine verwertbaren Gegenstände vorhanden seien und die Gerichtskosten daher nicht erstattet werden könnten. Mit Kostenrechnungen vom 13. April 1999 und 28. April 1999 wurde der Erinnerungsführer gemäß § 54 Nr. 3, § 58 Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 8 KostVfg als Zweitschuldner in Anspruch genommen. Dagegen richtet sich die Erinnerung.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Der Erinnerungsführer kann nicht als Zweitschuldner gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG in Anspruch genommen werden, weil er für die Kostenschuld der Klägerin und Antragstellerin nicht im Sinne von § 54 Nr. 3 GKG haftet.
Gemäß § 54 Nr. 3 GKG ist Schuldner der Gerichtskosten auch derjenige, der für die Kostenschuld eines anderen kraft Gesetzes haftet. Als eine solche haftungsbegründende Vorschrift kommt hier nur § 54 Satz 2 1. Halbsatz BGB in Betracht. Danach haftet aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines nichtrechtsfähigen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, der Handelnde persönlich. § 54 Satz 2 BGB ist hier indes nicht anwendbar, weil Gerichtskosten nicht auf ein Rechtsgeschäft zurückzuführen sind, sondern auf die Inanspruchnahme eines Gerichts durch eine Prozeßhandlung wie die Erhebung einer Klage oder den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Der Begriff des Rechtsgeschäfts umfaßt nach herkömmlichem Verständnis Prozeßhandlungen nicht (vgl. Dilcher, in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., Einl. zu §§ 104 - 185 Rn. 33 m.w.N.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., S. 346 f.). Es besteht kein Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber in § 54 Satz 2 BGB etwas anderes im Auge gehabt haben könnte. Dies bestätigt der Vergleich mit anderen Haftungsvorschriften, in denen weitergehend von "Ansprüchen" (§ 419 BGB a.F.) oder "Verbindlichkeiten" (vgl. § 1967 BGB; § 25 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 128 Satz 1 HGB) gesprochen wird.
Auch der Zweck der Haftungsnorm des § 54 Satz 2 BGB spricht gegen die Erstreckung auf Prozeßhandlungen. Sie soll im Interesse des Wirtschaftsverkehrs dem Geschäftspartner - nicht auch sonstigen Gläubigern - eines nicht eingetragenen Vereins außer dem Vereinsvermögen, dessen Aufbringung und Erhaltung nicht gesetzlich gesichert ist, das Privatvermögen des Handelnden als Haftungsmasse zugänglich machen (vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 54 Rn. 26; Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., S. 755). Mit Prozeßhandlungen nimmt der nichtrechtsfähige Verein aber nicht am Wirtschaftsverkehr teil, sondern begründet oder gestaltet ein öffentlich-rechtliches Verhältnis u.a. zum Gericht als staatlicher Einrichtung, für deren Inanspruchnahme Abgaben (Gebühren) erhoben werden. Da das Prozeßrechtsverhältnis ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Vereins begründet oder gestaltet wird, kommt der genannte Zweck der Haftung nach § 54 Satz 2 BGB - wie bei anderen gesetzlichen Schuldverhältnissen - nicht zum Tragen.
Etwas anderes läßt sich nicht für den Fall herleiten, daß die Prozeßhandlung durch einen Prozeßbevollmächtigten aufgrund eines entsprechenden Auftrags des für den Verein Handelnden vorgenommen wird (so aber VGH Mannheim, DVBl 1999, 108). Für die Frage, ob sich die Haftung nach § 54 Satz 2 BGB auf Gerichtskosten erstreckt, kann es nur auf die Begründung oder Gestaltung des Prozeßrechtsverhältnisses selbst ankommen.
Unerörtert bleiben kann nach alledem, ob eine Kostenhaftung gemäß § 54 Nr. 3 GKG i.V.m. § 54 Satz 2 BGB in Fällen wie dem vorliegenden den Zugang des nichtrechtsfähigen, aber gemäß § 61 Nr. 2 VwGO parteifähigen Vereins zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGE 69, 381 <385>; 74, 228 <234>) erschweren könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 6 GKG.
Ende der Entscheidung
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