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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: BVerwG 10 C 21.08
Rechtsgebiete: AufenthG, Richtlinie 2004/83/EG, AsylVfG
Vorschriften:
AufenthG § 60 Abs. 1 | |
Richtlinie 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4 | |
Richtlinie 2004/83/EG Art. 8 Abs. 1 | |
Richtlinie 2004/83/EG 3 Art. 9 Abs. 1a | |
Richtlinie 2004/83/EG 3 Art. 9 Abs. 2a | |
AsylVfG § 3 Abs. 1 | |
AsylVfG § 3 Abs. 4 | |
AsylVfG § 26 Abs. 1 | |
AsylVfG § 26 Abs. 4 |
2. a) Der unanfechtbaren Anerkennung des Stammberechtigten, die nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG für die Gewährung von Familienasyl und Familienflüchtlingsschutz an den Ehegatten erforderlich ist (vgl. § 26 Abs. 4 AsylVfG), steht eine rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zur Anerkennung des Stammberechtigten gleich.
b) Dieser Anforderung ist im Revisionsverfahren ausnahmsweise auch dann Genüge getan, wenn das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig abschließend über die Asylanträge der Ehegatten entscheidet und die Verpflichtung zur Anerkennung des Stammberechtigten zugleich mit der Entscheidung über den Asylantrag des Ehegatten rechtskräftig wird.
In der Verwaltungsstreitsache hat
der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen der Beklagten und des Bundesbeauftragten gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. April 2008 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte und der Bundesbeauftragte tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.
Gründe:
I
Die Kläger, aus Tschetschenien stammende Eheleute russischer Staatsangehörigkeit, erstreben ihre Anerkennung als Flüchtlinge.
Der 1975 geborene Kläger ist armenischer Volks- und christlicher Religionszugehörigkeit; seine 1979 geborene Ehefrau ist tschetschenische Volkszugehörige. Sie reisten im August 2001 nach Deutschland ein und stellten Asylanträge.
Ihr Asylbegehren begründeten sie wie folgt: Zusammen mit dem Bruder des Klägers seien sie bereits im Februar 2000 von russischen Militärs festgenommen und schwer misshandelt worden. Die schwangere Klägerin habe daraufhin eine Fehlgeburt erlitten. Im April 2001 hätten Angehörige der russischen Sicherheitskräfte den Kläger und seinen Bruder als Terroristen beschuldigt und in ein "Filtrationslager" gebracht, in dem sie misshandelt worden seien. Durch Bestechung hätten der Kläger und sein Bruder fliehen können.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - lehnte mit Bescheid vom 24. Juni 2002 die Anerkennung als Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und drohte den Klägern die Abschiebung in die Russische Föderation an.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Urteil vom 2. Juni 2004 verpflichtet, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsschutz zu gewähren. Es hat seine Entscheidung auf eine in Tschetschenien herrschende Gruppenverfolgung der Tschetschenen gestützt; eine inländische Fluchtalternative in den übrigen Regionen der Russischen Föderation bestehe nicht.
Dagegen haben die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten - Bundesbeauftragter - Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren haben die Kläger ihre Klage zurückgenommen, soweit sie auf die Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a GG gerichtet war.
Mit Beschluss vom 9. April 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist, und die Berufungen im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kläger als Flüchtlinge anzuerkennen seien. Ihr Leben und ihre Freiheit seien im Zeitpunkt der Ausreise allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier unmittelbar bedroht gewesen. Zusätzlich seien die Kläger aber auch aus individuellen Gründen vorverfolgt. Die von ihnen erlittenen Maßnahmen seien nicht als legitime Terrorismusbekämpfung gerechtfertigt. Unter Geltung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG komme es auf die zusätzliche Prüfung einer internen Schutzmöglichkeit zum Ausreisezeitpunkt nicht mehr an. Zur Überzeugung des Senats stehe fest, dass die Kläger jetzt weder nach Tschetschenien noch in andere Gebiete der Russischen Föderation zurückkehren könnten, da keine stichhaltigen Gründe dagegen sprächen, dass sie nicht erneut von einer solchen Verfolgung bedroht wären. Bei dem nur durch Bestechung freigekommenen Kläger sei davon auszugehen, dass er von den russischen Sicherheitskräften als Terrorist gesucht und verhaftet werden könne; gleiches gelte für die Klägerin. Bei einer Festsetzung durch den Inlandsgeheimdienst wegen des Terrorismusverdachts könnten erneute Übergriffe der Sicherheitsbehörden nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.
Mit ihren vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revisionen machen das Bundesamt und der Bundesbeauftragte geltend, auch unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie komme es auf das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative zum Zeitpunkt der Ausreise an. Die Beklagte beanstandet ferner, das Berufungsgericht habe den Prognosemaßstab und damit die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG auch auf den internen Schutz erstreckt; damit würden beide Elemente der Flüchtlingsanerkennung in unzulässiger Weise vermengt. Der Bundesbeauftragte trägt vor, die Rückkehrprognose des Berufungsgerichts beruhe auf Unterstellungen; er rügt in diesem Zusammenhang sowohl die Verletzung materiellen Rechts als auch Verfahrensmängel.
Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist der Auffassung, dass das Prüfprogramm in der angefochtenen Entscheidung nicht zu beanstanden sei. Das Berufungsgericht habe jedoch die Regelungen in Art. 4 Abs. 4 und Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG nicht hinreichend klar voneinander abgegrenzt. Drohe den Klägern landesweit individuelle staatliche Verfolgung, komme eine inländische Fluchtalternative nicht in Betracht.
II
Die Revisionen der Beklagten und des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten - Bundesbeauftragten - bleiben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Kläger auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bejaht. Seine Würdigung, bei dem aus individuellen Gründen als vorverfolgt anzusehenden Kläger sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei Rückkehr nach Tschetschenien nicht erneut von solcher Verfolgung bedroht werde und auch keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation bestehe, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (1.). Für die Klägerin ergibt sich die Flüchtlingsanerkennung in diesem Stadium des Verfahrens bereits aus § 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 AsylVfG (2.).
1.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Begehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 und 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) sowie § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162). Die in diesen Bekanntmachungen berücksichtigten Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz -, die am 28. August 2007 in Kraft getreten sind, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylVfG zu Recht der am 9. April 2008 ergangenen Berufungsentscheidung zugrunde gelegt.
Das Berufungsgericht hat dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft u.a. deshalb zugesprochen, weil er in Tschetschenien zweimal von russischen Sicherheitskräften verhaftet und misshandelt worden ist. Bei ihm als Vorverfolgtem könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass er bei einer Rückkehr infolge andauernder Registrierung als (potentieller) Tschetschenienkämpfer wegen des Terrorismusverdachts festgesetzt werde und es dabei erneut zu Übergriffen der Sicherheitskräfte komme. Ihm stehe im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung auch keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation offen. Diese Begründung, die die angefochtene Entscheidung unabhängig von den Ausführungen zur Gruppenverfolgung trägt, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.
Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EG Nr. 1 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
a)
Nach den von den Revisionsklägern nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), wurde der Kläger zweimal verhaftet und dabei Opfer schwerster körperlicher Übergriffe der russischen Sicherheitskräfte. Die Anwendung physischer Gewalt in so gravierender Form stellt sich als schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte - hier des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK - dar und erfüllt damit den Tatbestand einer Verfolgungshandlung (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG). Die Verfolgung ging dabei von russischen Sicherheitskräften und somit unmittelbar vom Staat aus (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a AufenthG i.V.m. Art. 6 Buchst. a der Richtlinie). Das Vorliegen von Exzesstaten der Amtsträger hat das Berufungsgericht angesichts der großen Zahl von Übergriffen, die nicht geahndet wurden, zu Recht ausgeschlossen.
b)
§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG setzt des Weiteren voraus, dass die geschützten Rechtsgüter wegen der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sind. Auch gemeinschaftsrechtlich ist eine Verfolgungshandlung für die Flüchtlingsanerkennung nur dann relevant, wenn sie an einen der in Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG genannten Verfolgungsgründe anknüpft (Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie). Dabei umfasst der Begriff der Rasse insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie). Der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Ursprünge oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird (Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie); das ist bei der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Begriffs der "Staatsangehörigkeit" in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Art. 6 der Richtlinie genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (Art. 10 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Antragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts knüpfte die von dem Kläger erlittene individuelle Verfolgung allein an sein "kaukasisches Aussehen" (Bezeichnung als "Schwarze" oder "Dunkelhäutige", BA S. 24) bzw. seine kaukasische Gruppenzugehörigkeit an (BA S. 33). Das löste bei den russischen Sicherheitskräften - ohne konkrete Anhaltspunkte oder einen Tatvorwurf - pauschal den Verdacht aus, der Kläger sei tschetschenischer Kämpfer. Aus der für die Feststellung von Verfolgungsgründen maßgeblichen Sicht des Verfolgers - hier: der russischen Sicherheitskräfte - kommt in der vom Berufungsgericht zusätzlich festgestellten Diffamierung der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier (Tschetschenen, Armenier, u.a.) als "Schwarzärsche" deren an die Hautfarbe anknüpfende Herabwürdigung deutlich zum Ausdruck. Ob auf der Grundlage dieser Feststellungen - wie vom Berufungsgericht angenommen - das Merkmal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfüllt wird, kann dahinstehen. Denn jedenfalls liegt eine Kombination der Verfolgungsgründe der Rasse und der politischen Überzeugung vor.
Die Maßnahmen der Sicherheitskräfte haben eine legitime Terrorismus- und Separatismusbekämpfung bei Weitem überschritten. Die Schwere der vom Kläger erlittenen körperlichen Übergriffe lässt sich nicht mit der Verfolgung angemessener Sicherheitsinteressen des Staates und dem Rechtsgüterschutz rechtfertigen (vgl. Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 28.99 - BVerwGE 111, 334 <340 f.> ).
c)
Die vom Berufungsgericht für den Kläger gestellte Verfolgungsprognose ist als in erster Linie tatrichterliche Würdigung revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Da der Kläger individuell verfolgt worden ist und sein Heimatland kurz darauf verlassen hat, kommt ihm - ohne dass es auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Gruppenverfolgung der aus Tschetschenien stammenden Kaukasier ankäme - die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG zugute. Nach dieser Bestimmung ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Entgegen der Auffassung der Revisionskläger kann nach dieser Vorschrift eine Vorverfolgung nicht mehr wegen einer zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Fluchtalternative in einem anderen Teil des Herkunftsstaates verneint werden; das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. Januar 2009 - BVerwG 10 C 52.07 - [...] Rn. 29 (zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE bestimmt) entschieden. Mit anderen Worten greift im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung die Beweiserleichterung auch dann, wenn im Zeitpunkt der Ausreise keine landesweit ausweglose Lage bestand.
Zur Überzeugung des Berufungsgerichts sprechen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass der Kläger bei Rückkehr nach Tschetschenien erneut von staatlicher Verfolgung durch die russischen Sicherheitskräfte bedroht wird. Dieser Prognose liegt die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde, dass der Kläger aufgrund seiner nur durch Bestechung bewirkten Flucht aus einem "Filtrationslager" nach wie vor als potentieller Tschetschenienkämpfer bei den russischen Sicherheitskräften erfasst ist. Die in diesem Zusammenhang vom Bundesbeauftragten im Schriftsatz vom 29. April 2009 und damit nach Ablauf der Frist zur Begründung der Revision (§ 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO) erstmals erhobenen Verfahrensrügen sind verspätet und demzufolge unzulässig. Das Berufungsgericht hat insoweit auch nicht auf zu schmaler Tatsachengrundlage entschieden. Zwar ist in seiner Entscheidung von "zu unterstellenden Registrierungen als terrorverdächtige Person" (BA S. 37) die Rede, aber aus dem Zusammenhang der Ausführungen wird hinreichend deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass der Kläger von den Sicherheitsbehörden registriert worden ist (vgl. BA S. 35). Damit gründet die Prognose des Berufungsgerichts auf einer den Anforderungen des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch genügenden Tatsachenfeststellung. Die darauf aufbauende tatrichterliche Einschätzung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger nach wie vor unter dem Terrorismusvorwurf erfasst sei, bei einer Rückkehr von russischen Sicherheitskräften aufgegriffen und dann misshandelt werde, erscheint nicht spekulativ, sondern nachvollziehbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Würdigung auf mehrere Quellen gestützt und ausreichend begründet; revisionsgerichtlich ist dagegen nichts zu erinnern.
Da der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Verfolgung durch russische Sicherheitskräfte erlitten und bei einer Rückkehr erneut zu befürchten hat, braucht hier nicht entschieden zu werden, ob Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG mit der Formulierung "solche Verfolgung" einen inneren Zusammenhang zwischen festgestellter Vorverfolgung und drohender Verfolgung voraussetzt (vgl. dazu Vorlagebeschluss des Senats vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 19 Rn. 41).
d)
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass dem Kläger keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation offen steht. Da er als einmal registrierte terrorverdächtige Person zu den besonders gefährdeten Gruppen gehöre, könne nicht mit der gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass er bei Rückkehr in sein Heimatland, unabhängig davon, ob er sich nach Tschetschenien oder in andere Regionen der Russischen Föderation begebe, nicht erneut von solcher Verfolgung bedroht sei. Auch diese Annahme hält revisionsgerichtlicher Prüfung stand.
Die Bundesrepublik Deutschland hat in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG von der den Mitgliedstaaten in Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, internen Schutz im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung zu berücksichtigen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Absatz 2 verlangt von den Mitgliedstaaten bei Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag.
Ob in dem vorliegenden Fall, in dem das Berufungsgericht von einer dem Kläger landesweit drohenden Verfolgung durch den Staat ausgegangen ist, überhaupt interner Schutz zu prüfen ist, kann dahinstehen. Das Berufungsgericht hat bereits die erste Voraussetzung des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie, derzufolge in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bestehen darf, verneint. Es hat den Kläger dabei von der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG profitieren lassen. Dagegen wendet die Beklagte ein, diese Vorgehensweise vermenge die Elemente der Flüchtlingsanerkennung in unzulässiger Weise. Dem folgt der Senat nicht.
Gegen eine unterschiedliche Handhabung der Maßstäbe spricht bereits der insoweit übereinstimmende Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG, der in beiden Vorschriften von begründeter Verfolgungsfurcht spricht. Dieser Prognosemaßstab bleibt auch in Fällen der Vorverfolgung unverändert; denn die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie enthaltene Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung soll erkennbar beweisrechtlich diejenigen privilegieren, die in ihrem Heimatland tatsächlich bereits persönlich Verfolgung erfahren haben, weil sie diese entweder selbst erlitten haben oder von ihr unmittelbar bedroht waren (Urteil vom 19. Januar 2009 - BVerwG 10 C 52.07 - a.a.O. Rn. 29). Mit Blick auf den Normzweck der Beweiserleichterung erscheint es nicht nachvollziehbar, der Prüfung internen Schutzes als Ausdruck der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes einen strengeren Maßstab zugrunde zu legen als der systematisch vorgelagerten Stellung der Verfolgungsprognose. Die hinter der Beweiserleichterung stehende Teleologie - der humanitäre Charakter des Asyls - verbietet es, einem Schutzsuchenden, der das Schicksal der Verfolgung bereits einmal erlitten hat, das Risiko einer Wiederholung solcher Verfolgung aufzubürden.
2.
Die Flüchtlingsanerkennung der Klägerin folgt in diesem Stadium des Verfahrens bereits aus § 26 Abs. 1 und Abs. 4 AsylVfG.
Nach dieser Vorschrift wird dem Ehegatten eines Ausländers die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn die Flüchtlingsanerkennung des Stammberechtigten unanfechtbar ist, die Ehe schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Flüchtling politisch verfolgt wird, der Ehegatte einen Asylantrag vor oder gleichzeitig mit dem anerkannten Flüchtling oder unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Das gilt nicht für Ehegatten, die die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Familienflüchtlingsschutz liegen im Hinblick auf die Klägerin bis auf die in § 26 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 AsylVfG geforderten Unanfechtbarkeit der Flüchtlingsanerkennung ihres Ehemannes ohne Weiteres vor. Nach der früheren Fassung der Vorschrift konnten Bundesamt und Gerichte das Familienasyl gleichzeitig mit der Rechtsstellung des Stammberechtigten zuerkennen (Urteil vom 21. Januar 1992 - BVerwG 9 C 66.91 - BVerwGE 89, 315 <317> ). Durch die Einfügung des Wortes "unanfechtbar" durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584) wurde die Vorschrift verschärft, um Statusdifferenzen innerhalb der Familie zu vermeiden, die durch unterschiedliche Entscheidungen der Instanzen hinsichtlich des Stammberechtigten auftreten konnten. Diesem Ziel hat der Gesetzgeber nunmehr Vorrang eingeräumt gegenüber der Erleichterung für Behörden und Gerichte, im Falle der Anerkennung zumindest eines Ehegatten zugleich auch über die Asylanträge u.a. des anderen Ehegatten positiv entscheiden zu können, ohne dessen Asylgründe nachprüfen zu müssen (vgl. Urteil vom 29. September 1998 - BVerwG 9 C 31.97 - BVerwGE 107, 231 <233 f.> ).
Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck steht der unanfechtbaren Anerkennung des Stammberechtigten nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 AsylVfG eine rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung des Bundesamts zur Anerkennung des Stammberechtigten gleich. Darüber hinaus ist dieser Anforderung nach Sinn und Zweck der Regelung sowie aus prozessökonomischen Gründen im Revisionsverfahren ausnahmsweise auch dann Genüge getan, wenn das Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig abschließend über die Asylanträge der Ehegatten entscheidet und die Verpflichtung zur Anerkennung des Stammberechtigten zugleich mit der Entscheidung über den Asylantrag des Ehegatten rechtskräftig wird. Aus der Identität der durch § 26 Abs. 1 bzw. 4 AsylVfG vermittelten Rechtsstellung mit dem originären Status folgt auch in diesen Fällen, dass der abgeleitet Berechtigte keine Prüfung seiner geltend gemachten individuellen Verfolgungsgefahr beanspruchen kann (Urteile vom 25. Juni 1991 - BVerwG 9 C 48.91 - BVerwGE 88, 326 , vom 28. April 1998 - BVerwG 9 C 1.97 - BVerwGE 106, 339 <343> und vom 13. November 2000 - BVerwG 9 C 10.00 - Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG Nr. 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Ende der Entscheidung
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