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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.02.1999
Aktenzeichen: BVerwG 11 A 21.98
Rechtsgebiete: GG, VerkPlBG, VwGO, VwVfG, 2. VwVfÄndG, 4. VwGOÄndG
Vorschriften:
GG Art. 19 Abs. 4 | |
VerkPlBG § 5 | |
VwGO § 44 a | |
VwVfG § 73 Abs. 2 | |
VwVfG § 4 | |
VwVfG § 6 | |
VwVfG § 8 | |
VwVfG § 97 | |
2. VwVfÄndG Art. 1 Nr. 7 | |
4. VwGOÄndG Art. 22 |
§ 44 a VwGO ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften nicht aufgehoben worden.
Urteil des 11. Senats vom 10. Februar 1999 - BVerwG 11 A 21.98 -
I. VG P.····· vom 15.07.1998 - Az.: 10 K 1397/98 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 11 A 21.98
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 1999 durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost als Vorsitzenden und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Czapski, Vallendar, Prof. Dr. Rubel und Dr. Gerhardt
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt vom Beklagten, ihn gemäß § 73 Abs. 2 VwVfG als eine in ihrem Aufgabenbereich berührte Behörde am Planfeststellungsverfahren betreffend den Abschnitt III des Bauvorhabens "Wiederaufbau und Elektrifizierung der Dresdener Bahn" zu beteiligen. Der Planfeststellungsabschnitt befindet sich auf dem Gebiet des beklagten Landes und endet in B.··········-M.···· an der Grenze zum Gebiet des Klägers (Ortsteil Lichtenrade). Der Beklagte führt das Anhörungsverfahren durch. Die Planunterlagen wurden u.a. in B.·····-·····-M.···· ausgelegt. Nach der Auslegungsbekanntmachung konnten Einwendungen bis 6. April 1998 erhoben werden.
Der Beklagte lehnte den entsprechenden Antrag des Klägers ab, veranlaßte aber, daß dem Kläger die Planunterlagen durch den Vorhabenträger informatorisch zugeleitet wurden. Mit einem am selben Tage bei der Anhörungsbehörde eingegangenen Schreiben vom 2. April 1998 erhob der Kläger gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG Einwendungen.
Am 16. April 1998 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht P. ···· Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat sich mit Beschluß vom 15. Juli 1998 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen.
Der Kläger macht geltend: Durch die geplante Trassenführung im Planfeststellungsabschnitt III werde der Streckenverlauf im künftigen Abschnitt L.········· in erheblichem Umfang präjudiziert. Er wünsche für den Ortsteil L.········· eine "Troglösung" für die Bahntrasse, weil anderenfalls das Stadtbild durch die Lärmschutzwände gestört werde. Einer solchen "Troglösung" stehe aber die Planung des Abschnitts III insofern entgegen, als sie bis zur Landesgrenze eine ebenerdige Höhenlage des Gleiskörpers vorsehe. Durch diesen "Zwangspunkt" werde seine Planungshoheit und damit sein Aufgabenbereich berührt. Außerdem sehe die derzeitige Planung für den Abschnitt III vor, den Baustellenverkehr durch den Ortsteil L.········· zu leiten. Es gehe ihm darum, als Behörde im Sinne des § 73 Abs. 2 VwVfG unabhängig von der Einwendungsfrist am Verfahren laufend beteiligt zu werden, insbesondere von Amts wegen vom Fortgang des Verfahrens, von Erörterungsterminen und Änderungen der Planung unterrichtet zu werden. Die Übersendung der Planunterlagen habe daher den Rechtsstreit nicht erledigt. Weil ihm die Beteiligung am Verfahren gemäß § 73 Abs. 2 VwVfG vom Beklagten verwehrt werde, sei § 44 a VwGO nicht anwendbar. Als eine schon im Vorfeld der Planung zu beteiligende Behörde könne er nicht in die Rolle des Einwenders verwiesen werden. Daß er wegen der Verweigerung einer Beteiligung durch den Beklagten vorsorglich auch Einwendungen gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG erhoben habe, könne ihm nicht entgegengehalten werden. Im übrigen sei § 44 a VwGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2022) mit Wirkung vom 14. August 1998 aufgehoben worden und stehe mithin der Klage nicht entgegen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Kläger im Rahmen des 3. Planfeststellungsabschnittes (PFA III) des Bauvorhabens "Wiederaufbau und Elektrifizierung der Dresdener Bahn" als eine der "in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden" im Sinne des § 73 Abs. 2 VwVfG zu beteiligen, insbesondere ihm alle Planungsunterlagen von Amts wegen vorzulegen, seine Stellungnahme gemäß § 73 Abs. 2 VwVfG einzuholen und ihn auch im weiteren Verlauf des Planfeststellungsverfahrens als "in ihrem Aufgabenbereich berührte Behörde" im Sinne des § 73 Abs. 2 VwVfG zu beteiligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage nach § 44 a VwGO für unzulässig. Der Kläger könne auch nicht geltend machen, durch einen Verstoß gegen § 73 Abs. 2 VwVfG in eigenen Rechten verletzt zu sein. Zudem sei ein solcher Verstoß nicht gegeben, da der Planfeststellungsabschnitt, auf den sich das Anhörungsverfahren beziehe, ausschließlich im Land B.········· liege. Im übrigen sei der Kläger über das Vorhaben informiert und könne sich jederzeit dazu äußern.
II.
Der Beschluß, mit dem das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen hat, ist für den Senat bindend (§ 83 VwGO, § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG). Er entspricht zudem der Senatsrechtsprechung über die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 5 VerkPlBG (vgl. Beschluß vom 21. März 1997 - BVerwG 11 VR 2.97 - Buchholz 310 § 44 a VwGO Nr. 7).
Die Klage ist gemäß § 44 a Satz 1 VwGO unzulässig.
Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger einen "Rechtsbehelf gegen eine behördliche Verfahrenshandlung" im Sinne von § 44 a VwGO, weil er seine vom Beklagten abgelehnte Beteiligung als Behörde in einem laufenden, auf den Erlaß einer Sachentscheidung in Form eines Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Verwaltungsverfahren und für dieses begehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 1978 - BVerwG 8 C 7.77 - Buchholz 310 § 44 a VwGO Nr. 1).
Ein Ausnahmefall nach § 44 a Satz 2 VwGO liegt nicht vor. Die Verweigerung einer Beteiligung nach § 73 Abs. 2 VwVfG ist keine "vollstreckbare" Verfahrenshandlung. Der Kläger ist auch kein "Nichtbeteiligter" im Sinne der Vorschrift. Er ist nämlich jedenfalls aufgrund seiner Einwendungsberechtigung (§ 73 Abs. 4 VwVfG) am Planfeststellungsverfahren beteiligt (vgl. dazu Beschluß vom 21. März 1997 a.a.O.) und nach Maßgabe des § 73 Abs. 6 und 8 VwVfG vom Erörterungstermin und von Änderungen zu benachrichtigen. Er fällt auch als Behörde nicht unter die Ausnahmeregelung des § 44 a Satz 2 VwGO. Dies ergibt sich aus dem Sinn der Regelung, Nichtbeteiligten, denen ein Anfechtungsrecht gegen die Sachentscheidung nicht zusteht, den Zugang zu Gericht für den Fall zu erhalten, daß die behördliche Verfahrenshandlung sie als solche in ihren Rechten verletzen kann. Soweit dagegen der Betroffene seine Rechte durch Klage gegen die das Verfahren abschließende Sachentscheidung wahren kann, soll ein isolierter gerichtlicher Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen ausscheiden, um die Sachentscheidung nicht durch Rechtsstreitigkeiten über Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 7/910 S. 97 f.). Dieser Gesichtspunkt trifft hier zu: Der Kläger stützt sein Begehren, gemäß § 73 Abs. 2 VwVfG am Anhörungsverfahren beteiligt zu werden, darauf, daß er einer Beeinträchtigung seiner Planungshoheit entgegenwirken müsse. Das richtige und vom Kläger auch eingesetzte Mittel zu diesem Zweck ist die fristgerechte Erhebung von Einwendungen gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG; auf diese Weise - und nur auf diese Weise - kann er sich die Möglichkeit offenhalten, den genannten Belang, falls nötig, im Klageweg gegenüber der künftigen Entscheidung, den Planfeststellungsbeschluß, geltend zu machen (vgl. dazu Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 1995 - BVerwG 11 A 24.95 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 4). Aus § 73 Abs. 2 VwVfG kann der Kläger für einen weitergehenden Rechtsschutz nichts herleiten: Diese Vorschrift räumt ihm im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens kein subjektives formelles oder materielles Recht ein. Deshalb führt der Ausschluß einer unmittelbaren gerichtlichen Überprüfung der vom Kläger beanstandeten Verfahrensgestaltung für ihn auch nicht zu unzumutbaren Nachteilen, die im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich bedenklich sein könnten (vgl. BVerfG, NJW 1991, 415 <416>).
Die mithin der Zulässigkeit der Klage entgegenstehende Vorschrift des § 44 a VwGO ist entgegen der Auffassung des Klägers (vgl. auch Tiedemann, NJW 1998, 3475) nach wie vor geltendes Recht. Sie ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (2. VwVfÄndG) vom 6. August 1998 (BGBl I S. 2022) nicht außer Kraft gesetzt worden. Zwar wurde durch Art. 1 Nr. 7 des 2. VwVfÄndG u.a. § 97 VwVfG gestrichen, durch den § 44 a VwGO seinerzeit in die VwGO eingefügt worden ist (BGBl 1976 I S. 1253). Wie sich aus dem Gesetzeszusammenhang, nämlich dem Katalog der durch Art. 1 Nr. 7 des 2. VwVfÄndG im einzelnen gestrichenen Vorschriften der §§ 97 bis 99 und 102 VwVfG, sowie aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 13/8884, S. 5) zweifelsfrei ergibt, zielt Art. 1 Nr. 7 des 2. VwVfÄndG nicht auf eine materielle Änderung der Rechtslage, sondern ausschließlich auf eine Bereinigung des Verwaltungsverfahrensgesetzes: nicht § 44 a VwGO sollte gestrichen, sondern allein der in § 97 VwVfG enthaltene Änderungsbefehl beseitigt werden. Hierdurch ist § 44 a VwGO auch nicht etwa "ungewollt" (Tiedemann, a.a.O., S. 3476) aufgehoben worden. Die Vorgehensweise des Gesetzgebers führt zwar dazu, daß aus dem Bestand der geltenden Rechtsnormen die Entstehung der durch den Änderungsbefehl eingefügten Vorschrift - hier § 44 a VwGO - nicht mehr nachgewiesen werden kann. Das ist aber - auch in Ansehung der Publikations- und Dokumentationsfunktion des Bundesgesetzblattes und der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit - jedenfalls dann unschädlich, wenn der Gesetzgeber zwischenzeitlich das Gesetz auf eine neue formelle Grundlage gestellt hat. Das ist hier durch die § 44 a VwGO einschließende Neubekanntmachung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 19. März 1991 (BGBl I S. 686) geschehen. Auch wenn Neubekanntmachungen von Gesetzen durch das Bundesministerium der Justiz erfolgen, sind sie dem Gesetzgeber dennoch zuzurechnen: Sie beruhen auf einer gesetzlichen Ermächtigung (hier: Art. 22 des 4. Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990, BGBl I S. 2809) und bilden nach ständiger Staatspraxis die maßgebliche Gesetzesfassung, an die der Gesetzgeber bei Änderungsgesetzen selbst anknüpft (vgl. auch H. Schneider, Gesetzgebungslehre, 2. Aufl. 1991, Rn. 684 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluß
Der Wert des Steitgegenstandes wird auf 8 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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