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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.10.1998
Aktenzeichen: BVerwG 11 A 3.98
Rechtsgebiete: GG, BImSchG, 16. BImSchV, AEG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 14 Abs. 1
BImSchG § 41
BImSchG § 42
BImSchG § 43
16. BImSchV § 1 Abs. 2
AEG § 18 Abs. 1 Satz 2
AEG § 20 Abs. 7 Satz 1
Leitsätze:

Die Wiederherstellung des in den Nachkriegsjahren abgebauten zweiten Gleises eines Schienenweges ist nur dann eine im Sinne des § 41 BImSchG wesentliche Änderung dieses Schienenweges, wenn es sich bei der nach dem Abbau des Gleises betriebenen Bahnlinie nicht nur tatsächlich, sondern auch planungsrechtlich nur noch um eine eingleisige Strecke handelte.

Aus der gesetzlich vorgeschriebenen Notwendigkeit einer Planfeststellung ergibt sich die rechtliche Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, in eine neue Abwägung einzutreten, die tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen nicht von vornherein ausblendet, sondern in den Blick nimmt und bewertend berücksichtigt. Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der von solchen Vorbelastungen betroffenen Belange sind jedoch grundsätzlich geringer als bei nicht derart vorbelasteten Belangen.

Führt bei der Beurteilung von Lärmimmissionen eine tatsächliche Vorbelastung der Umgebung dazu, daß von dem Vorhaben selbst keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen ausgehen, dann besteht mangels Schutzwürdigkeit des Interesses am Unterbleiben des Vorhabens kein Anlaß, Schutzvorkehrungen zu treffen oder einen Ausgleich in Geld zu gewähren.

Fehlt eine solche tatsächliche Vorbelastung, dann kann dem zum notwendigen Abwägungsmaterial gehörenden Interesse von Anwohnern an der Vermeidung einer tatsächlichen Zunahme der Umgebungsbelastung die Schutzwürdigkeit nicht stets schon allein deshalb abgesprochen werden, weil sich diese Zunahme im Rahmen der bereits bisher bestehenden planungsrechtlichen Situation hält. Vielmehr ergibt sich die Grenze der Berücksichtigung der bisherigen planungsrechtlichen Situation als schutzmindernde Vorbelastung jedenfalls dort, wo die zu erwartenden Einwirkungen Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen.

Urteil des 11. Senats vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 3.98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 11 A 3.98

Verkündet am 28. Oktober 1998

Kettlitz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bonk, Dr. Storost, Kipp und Prof. Dr. Rubel

für Recht erkannt:

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Auf die Hilfsanträge der Kläger wird die Beklagte verpflichtet, hinsichtlich des Grundstücks B. Nr. 1 über die von den Klägern geforderten aktiven Schallschutzmaßnahmen zum Schutz ihres Eigentums und ihrer Gesundheit und dem Grunde nach über die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den bis zum 23. Oktober 1998 entstandenen Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen tragen die Kläger je 5/16 sowie die Beklagte und die Beigeladene je 3/16. Von den bis zum 23. Oktober 1998 entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen tragen die Kläger je 5/16.

Von den nach dem 23. Oktober 1998 entstandenen Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen tragen die Beteiligten je ein Viertel. Von den nach dem 23. Oktober 1998 entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen tragen die Kläger je ein Viertel.

Im übrigen tragen die Beklagte und die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

I.

1. Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke B. Nr. 1 und Nr. 26 in Sch. . Die Grundstücke sind jeweils mit einem Wohnhaus und landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut. Das Wohnhaus B. 1, in dem die Kläger selbst wohnen, liegt im Außenbereich ca. 30 bis 35 m südlich des Streckenabschnitts Nienbergen - Wieren der hier auf einem Damm verlaufenden alten Eisenbahntrasse Stendal Salzwedel - Wieren - Uelzen.

Diese Trasse wurde aufgrund einer landesherrlichen Genehmigung vom 12. Juni 1867 im hier in Rede stehenden Abschnitt zunächst im Jahre 1873 als eingleisige Bahnstrecke in Dienst gestellt und sodann aufgrund einer vorläufigen Planfeststellung vom 5. November 1906 noch vor dem 1. Weltkrieg als zweigleisige Hauptbahn in Betrieb genommen. Bis 1945 stellte sie die kürzeste Verbindung zwischen dem mitteldeutschen Raum und den Nordseehäfen dar. Auf ihr verkehrten vor dem Zweiten Weltkrieg pro Tag 14 Züge im Fernreiseverkehr, 18 Züge im Regionalverkehr und sechs bis acht Güterzüge. Im Juli 1945 wurde der Bahnbetrieb über die östlich von Nienbergen gelegene Demarkationslinie zwischen der britischen und der sowjetischen Besatzungszone eingestellt. In den folgenden Jahren wurden die Gleisanlagen zwischen Salzwedel und Nienbergen auf einer Länge von etwa 14 km bis auf den Schotterkörper vollständig, in den übrigen Streckenabschnitten eingleisig demontiert. Im Abschnitt Wieren Nienbergen erfolgte diese Demontage in den Jahren 1948 bis 1951. Im Bereich der damaligen Grenzsicherungsanlagen wurde zusätzlich der gesamte hier in Dammlage verlaufende Bahnkörper auf ca. 200 m Länge beseitigt. Signaltechnische Anlagen für den Zugbetrieb fehlen auf 36 km Länge. Der Streckenabschnitt Nienbergen - Wieren wurde nach vollständiger Übernahme des Personenverkehrs durch Bahnbuslinien im Jahre 1974 auf die niedrigste Stufe des vereinfachten Nebenbahnbetriebes (ohne Signaltechnik und mit 30 km/h Höchstgeschwindigkeit) umgestellt. Bis 1992 fand dort geringfügiger Güterverkehr statt. Danach wurde die Strecke aus Gründen der Betriebssicherheit für den Eisenbahnverkehr gesperrt. 1994 wurde das dortige Gleis wieder als Baugleis zugelassen.

2. Im Juni 1995 beantragte die Beigeladene bei der Beklagten die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für den Ausbau der Strecke Stendal - Uelzen im Teilabschnitt Nienbergen Soltendieck. Der Ausbau dieser Strecke, die in § 1 Nr. 3 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom 3. Juni 1992 (BGBl I S. 1014) als Fernverkehrsweg im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes bestimmt ist, wird im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege (Tz. 1 Buchst. b Nr. 2 der Anlage 1 zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes) als vordringlicher Bedarf bezeichnet. Er soll der Verbindung des mitteldeutschen und des Berliner Raums mit den deutschen Nordseehäfen dienen. Vorgesehen ist ein zweigleisiger Ausbau für eine Entwurfsgeschwindigkeit von 160 km/h mit Elektrifizierung und modernen Signal- und Telekommunikationseinrichtungen. Nach dem dem Antrag beigefügten Erläuterungsbericht liegt dem Ausbau eine langfristige Prognose zugrunde, wonach im Zeitraum nach 2010 täglich mit 26 Zügen des Personenfernverkehrs, 36 Zügen des Personennah- und Regionalverkehrs und 55 Zügen des Güterverkehrs zu rechnen sei.

Der Plan sieht im Bereich der Grundstücke der Kläger insbesondere die Sanierung des Bahndamms vor. Dazu sei für die Herstellung der Tragfähigkeit entsprechend den Erfordernissen der Ausbaustrecke der Damm von altem Bewuchs zu befreien, der Boden entsprechend den Aussagen eines - den eingereichten Unterlagen nicht beigefügten - Baugrundgutachtens zu behandeln, der anstehende Boden zu verdichten sowie der aufzutragende Erdstoff vorschriftsmäßig einzubauen. Das gelte auch für die Böschungen des Dammes. Auf der nördlichen Dammseite ist der Bau eines Stützbauwerks vorgesehen. Geplant ist weiterhin die Sanierung des Oberbaus durch Rückbau des bestehenden Gleises und Wiederherstellung der zwei Streckengleise. Bei alledem handele es sich nur um Instandsetzungsmaßnahmen, die nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens seien. Außerdem solle die Strecke mit Signal- und Telekommunikationsanlagen ausgerüstet werden, wobei die Installierung elektronischer Signaltechnik vorgesehen ist. Ferner werde eine Regeloberleitung mit Stromführungsleitungen auf den Mastköpfen errichtet. Schallschutzmaßnahmen wurden nicht geplant, obwohl wegen der Dammlage der Trasse insbesondere für die Ortschaft B. mit einer erheblichen Beeinträchtigung durch die Schallauswirkungen des Eisenbahnverkehrs zu rechnen ist. So wurden nach einer den eingereichten Unterlagen beigefügten schalltechnischen Untersuchung vom Mai 1995 für die Hofanlage B. 1 der Kläger bei einem im Jahre 1993 für das Jahr 2010 prognostizierten Zugmengengerüst von täglich 195 Zügen folgende Beurteilungspegel berechnet:

Erdgeschoß tags 68,3/nachts 71,4 dB(A) 1. Obergeschoß tags 69,2/nachts 72,3 dB(A)

Die Beklagte übersandte den eingereichten Plan im November 1995 der Bezirksregierung Lüneburg zur Durchführung des Anhörungsverfahrens. Am 24. Januar 1996 machte die Samtgemeinde C. , zu der die Gemeinde Sch. gehört, ortsüblich bekannt, daß der Plan in der Zeit vom 5. Februar bis 5. März 1996 in ihrem Bauamt zur Einsichtnahme ausliege, daß Einwendungen bis zum 19. März 1996 bei der Samtgemeinde oder der Bezirksregierung erhoben werden könnten und daß Einwendungen, die nach Ablauf dieser Frist erhoben würden, ausgeschlossen seien. Anschließend wurde der Plan wie angekündigt zur Einsicht ausgelegt.

3. Mit Schreiben vom 15. März 1996, das am selben Tag bei der Anhörungsbehörde einging, machten die Kläger u.a. geltend, aktive Lärmschutzmaßnahmen seien dringend erforderlich. Vor dem Wegfall der innerdeutschen Grenze habe sich ein Zustand schutzwürdigen Interesses aller Anwohner gebildet. In der festen Gewißheit, daß die Bahn sich auf dem konsequenten Stillegungsweg befunden habe, hätten alle Menschen ihre Baumaßnahmen und Planungen an der Realität orientiert. Durch den Lärm würde der Wert ihrer Grundstücke gemindert. Qualifizierter aktiver und passiver Schallschutz auf Kosten der Beigeladenen könnte für die Zukunft den Wert der Grundstücke absichern und die Entwicklung und das Leben in den Dörfern erhalten. Nach der Planung werde sich im Gegensatz zu früher die zeitliche Verteilung des Lärms durch den Güterverkehr in die Nacht verschieben. Als Landwirte hätten sie - die Kläger - durch die im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich längeren Arbeitszeiten auch einen erhöhten Regenerationsbedarf in der Nacht. Deshalb sei der nächtliche Güterverkehr eine besondere Härte. Alternativ zum Schallschutz könnten sie nur eine völlige Verlegung der Trasse fordern, da die Nähe zur Bahn sie mit großen gesundheitlichen Risiken belaste.

4. Am 20. und 21. Mai 1996 wurden die rechtzeitig erhobenen Einwendungen gegen den Plan und die Stellungnahmen der Behörden und Verbände zu dem Plan von der Anhörungsbehörde mit der Beigeladenen, den Behörden, den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben hatten, erörtert. Dabei forderten die Kläger ausdrücklich die Berücksichtigung von Lärmschutzmaßnahmen. Da die Strecke Uelzen - Stendal lediglich eingleisig vorhanden sei, stelle die Neuerrichtung des zweiten Gleises eine wesentliche Änderung der bestehenden Bahnanlage dar. Bei den in der schalltechnischen Untersuchung genannten Beurteilungspegeln von bis zu 72,3 dB(A) sei die Bewohnbarkeit ihres Wohnhauses nicht mehr gegeben, so daß der Ausbau einen enteignungsgleichen Eingriff darstelle. Jedenfalls bei einem solchen extremen Ausnahmefall müsse aktiver Lärmschutz berücksichtigt werden.

Bei einem anschließenden Abstimmungsgespräch zwischen Vertretern der Beigeladenen und den Klägern am 17. Juni 1996 wurde über den geforderten Schallschutz keine Einigung erzielt. Dabei wurde festgestellt, daß eine 3 m hohe und ca. 400 m lange Schallschutzwand den zu erwartenden Schalldruckpegel von ca. 72 dB(A) auf ca. 66 dB(A) reduzieren würde, sich dafür jedoch vorläufige Baukosten von ca. 1 Million DM ergäben. Die Beigeladene könne aus Gleichheitsgründen hier ebensowenig Schallschutz anbieten wie an den Bahnstrecken am Rhein; das Eisenbahn-Bundesamt könne jedoch Schallschutzmaßnahmen im Planfeststellungsbeschluß festschreiben.

Aufgrund der im Planfeststellungsverfahren erhobenen Einwendungen entschloß sich die Beigeladene, Änderungen des Plans vorzusehen. In dem daraufhin durchgeführten Planänderungsverfahren erhielten die Kläger ihre Einwendungen ausdrücklich aufrecht.

5. Durch Beschluß vom 10. Dezember 1997 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für das Vorhaben in der Weise fest, daß nur im einzelnen aufgeführte Teile des Vorhabens genehmigt wurden. Dazu gehörten u.a. die vorgesehene Anpassung der Signal- und Telekommunikationsanlagen, die Erstellung einer Regeloberleitung mit Stromführungsmasten sowie im Bereich der Grundstücke der Kläger die "Sanierung" eines ursprünglich zur Beseitigung vorgesehenen Fußwegdurchlasses sowie die "Sanierung und teilweise Neuanlegung" des Bahndamms, wobei die darin liegende Änderung und Ergänzung der Planunterlagen nicht näher erläutert wurde. Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Kläger wurden nicht angeordnet. Der Beigeladenen wurde aufgegeben, die für die technische Ausführungsplanung erforderlichen Unterlagen rechtzeitig vor Baubeginn dem Eisenbahn-Bundesamt zur bauaufsichtlichen Prüfung vorzulegen.

In der Begründung dieses Beschlusses wurde folgendes ausgeführt:

Da eine Entwidmung der Strecke nicht erfolgt sei, bestehe sie rechtlich in ihrem ursprünglichen Zustand als zweigleisige Hauptbahn fort. Der Wiederaufbau stelle für sich keine wesentliche Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV dar. Für die Sanierungsmaßnahmen, die nicht als Gegenstand der Genehmigung aufgeführt seien, sei keine Planfeststellung erforderlich, weil die bloße Wiederherstellung der Strecke mit der anschließenden Weiterführung des unterbrochenen Eisenbahnbetriebs weder den Bau noch eine Änderung der Strecke im Sinne des Fachplanungsrechts darstelle. Eine Entwidmung des Streckenabschnitts sei nicht anzunehmen. Eine formelle Entwidmung setze einen in geeigneter Weise bekanntgemachten hoheitlichen Akt voraus, der für jedermann klare Verhältnisse in Bezug darauf schaffe, daß bestimmte, bisher als Bahnanlagen dienende Flächen künftig wieder für andere Nutzungsarten offenständen. Anhaltspunkte dafür, daß ein solcher Hoheitsakt für den hier zu behandelnden Streckenabschnitt vorliege, gebe es nicht. Ebensowenig sei eine faktische Entwidmung anzunehmen; denn die Bahntrasse sei keiner anderen Nutzung zugeführt worden. Der ursprüngliche Zustand der Strecke lasse sich auch durch Entfernung von Bewuchs und Sanierung der Erd- und Kunstbauwerke ohne weiteres wieder herstellen und der ursprüngliche Nutzungszweck damit unproblematisch weiterverfolgen.

Soweit der Vorhabenträger lediglich den bestehenden Bahnkörper entsprechend den heutigen betrieblichen Anforderungen wieder herstelle und das zweite Gleis wiedererrichte, liege weder eine bauliche Erweiterung noch ein den Beurteilungspegel erhöhender erheblicher baulicher Eingriff im Sinne des § 1 der 16. BImSchV vor. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 41 BImSchG sei insoweit daher nicht gegeben, so daß die Beigeladene insoweit keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung treffe, aufgrund derer die Planfeststellungsbehörde befugt wäre, dem Vorhabenträger Schallschutzmaßnahmen aufzuerlegen. Daran, daß der Vorhabenträger den Eisenbahnbetrieb ohne Einholung einer planungsrechtlichen Genehmigung nach Sanierung der Bahnanlagen weiterführen könnte, werde deutlich, daß die Weiterführung des Eisenbahnbetriebes in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Planfeststellungsbeschluß stehe. Deshalb wären die sich aus der Weiterführung des Betriebs als solche möglicherweise ergebenden Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen mit der Beigeladenen im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses direkt zu klären. Die Planfeststellungsbehörde sei insoweit als Aufsichtsbehörde in lediglich öffentlich-rechtlicher Hinsicht nicht regelungsbefugt.

6. Gegen den ihnen am 22. Dezember 1997 zugestellten Planfeststellungsbeschluß haben die Kläger am 19. Januar 1998 Klage erhoben, mit der sie aktiven, hilfsweise passiven Schallschutz begehren. Zur Begründung tragen sie im wesentlichen folgendes vor:

Ihr Anspruch auf Schallschutz folge daraus, daß die Strecke teilentwidmet sei. Dies ergebe sich daraus, daß der Abschnitt Uelzen - Wieren durch einen im Amtsblatt der Bundesbahndirektion Hannover bekanntgemachten Hoheitsakt am 21. März 1985 vom zwei- auf dauernd eingleisigen Betrieb umgestellt worden sei. Diese Umstellung habe auch rechtliche Auswirkungen auf den sich östlich anschließenden Streckenabschnitt. Eine Umstellung auf den eingleisigen Betrieb lediglich für die Strecke zwischen Uelzen und Wieren ergebe keinen Sinn. Vielmehr spreche eine Vermutung dafür, daß entweder ein entsprechendes formelles Verfahren auch für den hier in Rede stehenden Streckenabschnitt stattgefunden habe oder sich der Entwidmungscharakter des Verfahrens für die Strecke Uelzen - Wieren konkludent auch auf den vorliegenden Streckenabschnitt erstrecke, der gegenüber der Verbindung Uelzen Wieren keine eigenständige Bedeutung habe. Unabhängig davon ergäben sich Schranken der Duldungspflicht der Kläger daraus, daß ihr Wohngebäude B. 1 bereits um die Jahrhundertwende, also vor dem Bau des früheren zweiten Gleises, errichtet worden sei und daß die Strecke nach dem Zweiten Weltkrieg unter Abbau des zweiten Gleises stillgelegt worden sei. Hierin liege eine endgültige Aufgabe der Strecke, so daß die dafür früher erteilten Genehmigungen und Planfeststellungsbeschlüsse entsprechend § 77 VwVfG aufzuheben seien.

Selbst wenn man nicht von einer Entwidmung ausginge, würde es sich bei dem vorgesehenen Bau des zweiten Gleises nicht mehr um eine Instandsetzung, sondern um die bauliche Erweiterung des Schienenweges um ein Gleis im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 der 16. BImSchV handeln. Der Rückbau des Gleises stelle nämlich eine Änderung bzw. Teilaufhebung der früheren Konzession dar, deren Rechtswirkungen insoweit entfallen seien.

Die Planfeststellung beinhalte zudem verschiedene Baumaßnahmen, die über Instandsetzungs- und Unterhaltsmaßnahmen hinausgingen. Insbesondere zählten dazu die Ausrüstung und Anpassung der Gleise für den elektrischen Zugbetrieb mit Oberleitungsmasten und -anlagen, die Errichtung moderner Eisenbahnsignalanlagen und niveaugleicher Bahnübergänge mit zugbedienten Schrankenanlagen sowie die Verbreiterung des Bahnkörpers. Dabei handele es sich um erhebliche bauliche Eingriffe im Rahmen eines einheitlichen Änderungsvorhabens, welches eine Gesamtbetrachtung erfordere. Dieses Vorhaben werde die Lärmsituation für die Streckenanlieger nachhaltig verändern. Es würden sowohl die zulässige Streckengeschwindigkeit als auch die Streckenkapazität erhöht. Ohne die planfeststellungsbedürftigen und planfestgestellten Änderungen wäre die nun geschaffene Kapazität der Strecke, insbesondere die möglichen Zugzahlen, nicht zu erreichen. Damit handele es sich um eine wesentliche Änderung im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV.

Jedenfalls hätten die Kläger Anspruch auf Schallschutz aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, weil für ihre Wohnhäuser die Grenze zur Gesundheitsgefährdung und zur Enteignung überschritten sei. Im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens, dessen Gegenstand derartige Lärmbeeinträchtigungen seien, müßten Schutzauflagen zur Verhinderung von Grundrechtsverletzungen vorgesehen werden. Denn der Staat dürfe durch seine Entscheidungen keine verkehrlichen Maßnahmen zulassen, die im Ergebnis einen nicht rechtfertigungsfähigen Eingriff in Leben, Gesundheit oder Eigentum auslösten. Lärmbeeinträchtigungen von bereits enteignender Wirkung könnten auch im vorliegenden Fall nicht zu Lasten der Lärmbetroffenen als vorgegeben in Ansatz gebracht werden. Die Grenze zur Eigentumsbeeinträchtigung bzw. zur enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle verlaufe für Dorfgebiete etwa bei 72 dB(A) tags und 62 dB(A) nachts. Mit 72,3 dB(A) nachts werde hier die Grenze zum Eingriff in Gesundheit und Eigentum bei weitem überschritten. Maßgebend dafür, was den Klägern als Vorbelastung zuzumuten sei, seien allenfalls die Zugzahlen und Verhältnisse vor dem Zweiten Weltkrieg, die wesentlich unter den jetzigen Prognosen lägen.

Nachdem die Kläger zunächst Schallschutz für beide Grundstücke begehrt hatten, beantragen sie unter Zurücknahme der Klage im übrigen nur noch,

die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 10. Dezember 1997 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen - Stendal, Teilabschnitt Nienbergen - Soltendieck, Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen werden, die verhindern, daß der Beurteilungspegel im Bereich des Wohnhauses B. Nr. 1 der Kläger den Immissionsgrenzwert von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts überschreitet, und den Planfeststellungsbeschluß insoweit aufzuheben,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 10. Dezember 1997 durch Anordnungen insoweit zu ergänzen, daß entlang der Eisenbahnstrecke Uelzen - Stendal, Teilabschnitt Nienbergen - Soltendieck, Lärmschutzmaßnahmen vorgesehen werden, die einen Eingriff in das Eigentum und die Gesundheit der Kläger verhindern, und daß die Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen auf dem Grundstück B. Nr. 1 haben,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluß vom 10. Dezember 1997 durch eine Anordnung insoweit zu ergänzen, daß die Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen auf dem Grundstück B. Nr. 1 gemäß § 42 BImSchG i.V.m. der 24. BImSchV haben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Planfeststellungsbeschluß. Ergänzend trägt sie vor, sie sei nicht verpflichtet, einen anläßlich einer Planfeststellung vorgefundenen Zustand zu verbessern, wenn dieser Zustand infolge der mit der Planfeststellung genehmigten Baumaßnahmen nicht verschlechtert werde. Im Bereich des Wohnhauses der Kläger sei mit dem angefochtenen Beschluß keine bauliche Maßnahme an der Eisenbahnstrecke genehmigt worden, die den Schienenverkehrslärm steigern würde. Der von den Klägern geltend gemachte Lärmsanierungsanspruch wäre vor den ordentlichen Gerichten gegenüber der Beigeladenen geltend zu machen. Die Beklagte sei insoweit nicht regelungsbefugt.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, der Teilabschnitt der Strecke Uelzen - Stendal in den vorliegenden Planfeststellungsabschnitten sei entgegen der Annahme der Kläger nicht teilentwidmet. An der Widmung dieser Strecke, die von Anfang an mit zwei Gleisen geplant und genehmigt worden sei, seien keine ernsthaften Zweifel möglich. Auf eine Entscheidung zum Streckenabschnitt Uelzen Wieren könnten sich die Kläger für den vorliegenden Streckenabschnitt nicht berufen. Die von ihnen herangezogene Umstellung vom zweigleisigen auf eingleisigen Betrieb habe zudem allein Bedeutung für die Betriebsabwicklung. Außerdem diene der Streckenabschnitt Uelzen - Wieren der Verbindung zwischen Uelzen und Braunschweig über Gifhorn.

Die Kläger hätten 1981 in unmittelbarer Nachbarschaft zur bestehenden Bahnanlage, auf der damals noch Betrieb stattgefunden habe, Wohnsitz und Arbeitsstätte genommen. Sie seien mithin bezüglich der Schallimmissionen vorbelastet. Erst in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1990 seien sie Eigentümer der Grundstücke geworden. Wegen der deutschen Wiedervereinigung habe sich ihnen aufdrängen müssen, daß die in Rede stehende Strecke zweigleisig wieder in Betrieb genommen werde.

Abgesehen davon habe die schalltechnische Untersuchung vom Mai 1995 auf einer der theoretischen Vollauslastung der Strecke entsprechenden Zugzahl beruht. Das aktuelle Betriebsprogramm sehe für 2010 jedoch nur eine wesentlich geringere Zugzahl vor. Bei Zugrundelegung des unverändert geltenden Zugmengengerüsts der Beigeladenen vom Juli 1994, das für die Strecke Salzwedel Wieren im Jahre 2010 täglich nur 112 Züge prognostiziere, ergäben sich für das Wohnhaus B. Nr. 1 folgende Beurteilungspegel:

Erdgeschoß tags 64/nachts 66 dB(A) Dachgeschoß tags 65/nachts 67 dB(A)

Damit sei die Annahme eines enteignungsgleichen Eingriffs oder einer Gesundheitsgefährdung durch die Planfeststellung nicht gerechtfertigt.

Hierzu replizierend vertreten die Kläger die Ansicht, maßgebend seien die Zugzahlen, die der schalltechnischen Untersuchung vom Mai 1995 zugrunde gelegen hätten. Denn gemäß Tz. 4 der Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen Ausgabe 1990 Schall 03 sei bei Neu- und Ausbaustrecken mit den Zugzahlen zu rechnen, die der Vollauslastung der Strecke entsprächen. Das derzeitige Betriebsprogramm der Beigeladenen sei dafür unerheblich.

II.

Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, ist das Verfahren einzustellen (vgl. § 92 Abs. 3 VwGO). Soweit die Klage aufrechterhalten worden ist, ist sie zulässig und auch teilweise begründet. Zwar ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Beklagte es abgelehnt hat, den Klägern den von ihnen mit dem Hauptantrag begehrten aktiven Schallschutz nach Maßgabe der Verkehrslärmschutzverordnung zu gewähren (1.). Jedoch ist die im Planfeststellungsbeschluß getroffene Entscheidung der Beklagten, der Beigeladenen auch keine aktiven oder passiven Schallschutzmaßnahmen zum Schutze des Eigentums und der Gesundheit der Kläger aufzuerlegen, rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (2.).

1. Maßgeblich dafür, ob die Kläger den von ihnen mit dem Hauptantrag begehrten aktiven Schallschutz beanspruchen können, ist die Regelung der §§ 41, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 der 16. BImSchV. Nach dieser Regelung ist bei der wesentlichen Änderung eines Schienenweges grundsätzlich sicherzustellen, daß der nach § 3 der 16. BImSchV berechnete Beurteilungspegel auf den in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücken bestimmte Immissionsgrenzwerte nicht überschreitet; dies gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden.

a) Daß es sich bei dem planfestgestellten Vorhaben um eine im immissionsschutzrechtlichen Sinne wesentliche Änderung des vorhandenen Schienenweges handelt, folgt entgegen der Ansicht der Kläger nicht schon aus § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV. Die Wiederherstellung des in den Nachkriegsjahren abgebauten zweiten Gleises, die nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist, aber durch das planfestgestellte Vorhaben bezweckt und ermöglicht wird und damit diesem Vorhaben immissionsschutzrechtlich zugerechnet werden muß, wäre eine solche - planfeststellungsbedürftige - Änderung nur dann, wenn es sich bei der nach dem Abbau des Gleises betriebenen Bahnlinie nicht nur tatsächlich, sondern auch planungsrechtlich nur noch um eine eingleisige Strecke gehandelt hätte (vgl. BVerwGE 99, 166 <168>). So verhielt es sich jedoch nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verliert eine Betriebsanlage der Eisenbahn ihre planungsrechtliche Zweckbestimmung nur durch einen eindeutigen Hoheitsakt, der für jedermann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche Flächen künftig wieder für andere Nutzungen offenstehen (BVerwGE 81, 111 <118>; 99, 166 <168 f.>; 102, 269 <272>; Beschluß vom 26. Februar 1996 - BVerwG 11 VR 33.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 12 S. 42). Möglich ist allerdings auch, daß die bestehende Fachplanung einer Fläche als Bahnanlage infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos und damit rechtlich obsolet wird (BVerwGE 81, 111 <116>; 99, 166 <169>; Beschluß vom 26. Februar 1996, a.a.O.). Des Rückgriffs auf eine entsprechende Anwendung des § 77 VwVfG bedarf es dafür nicht.

Hiervon ausgehend läßt sich feststellen, daß der in Rede stehende Schienenweg, dessen Widmung als zweigleisige Eisenbahnstrecke durch die Planfeststellung vom 5. November 1906 belegt wird, im vorliegenden Abschnitt rechtlich fortbestanden hat. Auf diesem Streckenabschnitt ist nach Kriegsende bis zur vorläufigen Betriebseinstellung im Jahre 1992 ein eingleisiger Schienenverkehr aufrechterhalten worden. Anzeichen für eine endgültige Stillegung liegen auf diesem Streckenabschnitt auch hinsichtlich des zweiten Gleises nicht vor. Dieses ist zwar nach Kriegsende abgebaut worden. Eine endgültige Streckenstillegung durch einen eindeutigen, in einer für die Publizität gegenüber jedermann geeigneten Weise bekanntgemachten Hoheitsakt wurde aber auch insoweit nicht angeordnet. Der gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 10, § 14 Abs. 3 Buchst. b, § 44 Buchst. a des Bundesbahngesetzes im Jahre 1985 vollzogene dauernde Übergang vom zweigleisigen zum eingleisigen Betrieb im Abschnitt Uelzen - Wieren reicht hierfür schon deshalb nicht aus, weil er nicht den vorliegenden Streckenabschnitt betraf und sich zudem lediglich auf den B e t r i e b der Bahnstrecke, nicht aber auf ihre planungsrechtliche Qualität bezog (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 26. August 1998 BVerwG 11 VR 4.98 , S. 9 f.). Andere Anhaltspunkte für eine den genannten Anforderungen entsprechende förmliche Teilentwidmung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so daß es insoweit keiner weiteren Aufklärung bedarf.

Ebensowenig kommt eine zwischenzeitliche Entwidmung des zweiten Gleises infolge Funktionslosigkeit in Betracht. Eine solche könnte nur angenommen werden, wenn die Verhältnisse wegen der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hätten, der die Verwirklichung der bestehenden Planung, hier: die Aufnahme des zweigleisigen Streckenbetriebs, auf unabsehbare Zeit ausschloß (BVerwGE 99, 166 <170>). Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Weder hat hinsichtlich der für das zweite Gleis benötigten Trasse im vorliegenden Abschnitt ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden, noch wurde eine dauerhafte anderweitige Nutzung zugelassen. Der Zeitablauf seit der Entfernung des zweiten Gleises und die dadurch bedingte, ohne weiteres behebbare Änderung der Erdoberfläche durch Unkrautbewuchs und Verwitterung können allein nicht die Annahme rechtfertigen, die Wiederaufnahme der ursprünglichen Nutzung sei durch die vorgegebene tatsächliche Situation ausgeschlossen und daher planungsrechtlich nicht mehr gedeckt (vgl. BVerwGE 99, 166 <170>).

b) Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV ist die Änderung eines Schienenweges auch dann wesentlich, wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms auf mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird; dasselbe gilt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV dann, wenn der Beurteilungspegel außerhalb von Gewerbegebieten schon vorher mindestens 60 dB(A) in der Nacht beträgt und durch einen erheblichen baulichen Eingriff weiter erhöht wird. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften ergibt, ist ein baulicher Eingriff nur dann erheblich, wenn in die Substanz des Schienenweges, d.h. der Gleisanlage mit ihrem Unter- und Überbau einschließlich einer Oberleitung (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Mai 1998 BVerwG 11 C 3.97 , S. 12), eingegriffen wird, soweit es sich nicht lediglich um Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen oder um kleinere Baumaßnahmen handelt.

Welche der im Bereich des Grundstücks B. Nr. 1 planfestgestellten Maßnahmen erhebliche bauliche Eingriffe in diesem Sinne sind, kann offenbleiben. Denn durch die insoweit in Betracht kommenden Teile des Vorhabens die Errichtung der Oberleitung sowie die Sanierung und teilweise Neuanlegung des Bahndamms wird der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms jedenfalls nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV erhöht. Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung unter substantiierter Beschreibung der am Bahndamm im betreffenden Bereich vorgesehenen Arbeiten, die sich auf den Einbau einer Planumsschutzschicht und die teilweise Neuprofilierung von Dammkrone und -böschungen ohne Änderung der Gleislage beschränken, nachvollziehbar dargelegt, daß auch ohne diese Arbeiten und die Errichtung der Oberleitung der Beurteilungspegel auf dem Grundstück B. 1 im Prognosejahr 2010 voraussichtlich ebenso hoch wäre, weil die Strecke mit Dieseltraktion auf dem bestehenden Bahnkörper dieselben Betriebsgeschwindigkeiten ermöglichen würde. Die Kläger sind diesem Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten.

2. a) Maßgeblich dafür, ob die Kläger den von ihnen mit dem ersten Teil des ersten Hilfsantrags begehrten aktiven Schallschutz zum Schutz ihres Eigentums und ihrer Gesundheit beanspruchen können, ist das in § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG bestimmte Gebot, unter Beachtung gesetzlicher Wertungen alle von dem planfestgestellten Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange gerecht gegen- und untereinander abzuwägen. Dem hieraus folgenden Anspruch der Kläger auf eine gerechte Abwägung ihrer Belange mit entgegenstehenden anderen Belangen trägt der angefochtene Planfeststellungsbeschluß nicht ausreichend Rechnung. Zwar ergibt sich aus seiner Begründung, daß eine Abwägung stattgefunden hat. In diese wurden jedoch die Belange der Kläger, auf ihren nur in geringer Entfernung von der Eisenbahnstrecke gelegenen Grundstücken vor Lärm durch den zu erwartenden Schienenverkehr geschützt zu sein, nicht eingestellt, da die Weiterführung des Eisenbahnbetriebs in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Planfeststellungsbeschluß stehe, die sich aus dieser Weiterführung möglicherweise ergebenden Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen deshalb mit der Beigeladenen im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses direkt zu klären seien und die Planfeststellungsbehörde insoweit als Aufsichtsbehörde in lediglich öffentlich-rechtlicher Hinsicht nicht regelungsbefugt sei. Die Beklagte hielt sich also für rechtlich gehindert, der Beigeladenen in diesem Planfeststellungsverfahren Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Kläger aufzuerlegen (S. 31 des Planfeststellungsbeschlusses). Diese Auffassung entspricht nicht der Rechtslage. Aus der gesetzlich vorgeschriebenen Notwendigkeit einer Planfeststellung, also auch bei planfeststellungsbedürftigen Änderungen von Betriebsanlagen der Eisenbahn, die keine wesentlichen Änderungen im Sinne des § 41 BImSchG sind, ergibt sich die rechtliche Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, in eine neue Abwägung einzutreten, die tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen nicht von vornherein ausblendet, sondern in den Blick nimmt und bewertend berücksichtigt (BVerwGE 56, 110 <129>; 59, 253 <264>; Beschluß vom 26. Februar 1996, a.a.O., S. 45). Dieser Pflicht hat die Planfeststellungsbehörde hier nicht genügt.

Der darin liegende Mangel bei der Abwägung ist offensichtlich im Sinne des § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG; denn er betrifft die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials und ergibt sich ohne weiteres aus der Planbegründung (vgl. BVerwGE 64, 33 <38>). Er war auch von Einfluß auf das Abwägungsergebnis; denn nach den Umständen des vorliegenden Falles besteht die konkrete Möglichkeit, daß ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (dazu vgl. BVerwGE 64, 33 <38>; 100, 370 <379 f.>; Urteil vom 27. November 1996 BVerwG 11 A 100.95 Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 18 S. 73 f.). Dabei kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nur ein solches anderes Abwägungsergebnis erheblich sein, das im Wege der Planergänzung verwirklicht werden kann.

Die Pflicht, auch die von der zu ändernden Anlage in ihrem bisherigen tatsächlichen oder plangegebenen Zustand ausgehenden Einwirkungen in die Abwägung einzubeziehen, führt zu der davon zu unterscheidenden Frage, welche Bedeutung den von solchen Vorbelastungen betroffenen Belangen in der Abwägung zuzuerkennen ist und welche objektive Gewichtigkeit diesen Belangen im Verhältnis zu entgegenstehenden anderen Belangen zukommt. Insoweit ist anerkannt, daß Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der von solchen Vorbelastungen betroffenen Belange grundsätzlich geringer sind als bei nicht derart vorbelasteten Belangen (vgl. BVerwGE 56, 110 <131>; 59, 253 <264>). Führt eine tatsächliche Vorbelastung der Umgebung dazu, daß von dem Vorhaben selbst keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen ausgehen, dann besteht mangels Schutzwürdigkeit des Interesses am Unterbleiben des Vorhabens kein Anlaß, Schutzvorkehrungen zu treffen oder einen Ausgleich in Geld zu gewähren (vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. Juni 1989 BVerwG 4 B 100.89 Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 8 S. 13). Anders ist es jedoch dann, wenn wie hier eine solche tatsächliche Vorbelastung fehlt. In diesem Fall kann dem zum notwendigen Abwägungsmaterial gehörenden Interesse von Anwohnern an der Vermeidung einer tatsächlichen Zunahme der Umgebungsbelastung hier: einer Zunahme des Verkehrs und des damit verbundenen Lärms die Schutzwürdigkeit nicht stets schon allein deshalb abgesprochen werden, weil sich diese Zunahme im Rahmen der bereits bestehenden planungsrechtlichen Situation hält. Vielmehr ergibt sich die Grenze der Berücksichtigung der bisherigen planungsrechtlichen Situation als schutzmindernde Vorbelastung jedenfalls dort, wo die zu erwartenden Einwirkungen Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen. Aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der davon betroffenen Grundrechte (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG) folgt nämlich die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die entsprechenden Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 56, 54 <73> m.w.N.). Diese Pflicht würden sie verletzen, wenn sie durch die Planfeststellung an der Herstellung oder Fortsetzung solcher rechtswidrigen Eingriffe mitwirkten (vgl. BVerwGE 101, 1 <9 f.>; ferner BVerwGE 56, 110 <132>; 59, 253 <265 ff.>). Die von der Beklagten im angefochtenen Beschluß vertretene Auffassung, die Planfeststellungsbehörde sei insoweit nicht regelungsbefugt, so daß sie derart Betroffene darauf verweisen müsse, sich mit der Beigeladenen im Rahmen des bürgerlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnisses auseinanderzusetzen, ist damit unvereinbar.

Im vorliegenden Fall bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger auf ihrem Wohngrundstück B. Nr. 1 nach Ausführung des planfestgestellten Vorhabens Eigentums- und Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Schienenverkehrslärm ausgesetzt sein werden, die durch ihre gegenüber dem vorhandenen Schienenweg prinzipiell bestehende Duldungspflicht nicht mehr gedeckt sind. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bestimmung der enteignungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle darf dabei die Bewertung nicht schematisch von der Erreichung bestimmter Immissionswerte abhängig gemacht werden. Vielmehr läßt sich die Grenze nur aufgrund wertender Beurteilung des Einzelfalles ziehen (vgl. BGHZ 122, 76 <80/81> mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dabei kann dem Betroffenen im Außenbereich um den es sich bei dem Grundstück B. Nr. 1 handelt dem Gebietscharakter entsprechend im allgemeinen ein höheres Maß an Verkehrsimmissionen zugemutet werden als in einem Wohngebiet. Allerdings ist innerhalb des Außenbereichs nach den jeweils gegebenen tatsächlichen Verhältnissen zu differenzieren. Werden hier entsprechend diesen Maßstäben die vom Bundesgerichtshof für Mischgebiete entwickelten Annäherungswerte von 72/62 dB(A) bei Tag/Nacht (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1987 III ZR 204/86 BauR 1988, S. 204 <206>; BGHZ 122, 76 <82/83>) herangezogen, ergibt sich für das Grundstück B. Nr. 1 selbst dann noch eine Überschreitung, wenn der Nachtwert wegen der Außenbereichslage zusätzlich um einen Wert von 2 oder 3 dB(A) erhöht wird. Dies gilt auch dann, wenn man nicht die im Planfeststellungsverfahren vorgelegte schalltechnische Untersuchung vom Mai 1995, sondern die Pegelangaben der Beigeladenen im Klageverfahren heranzieht, obwohl diesen eine geringere Zugzahl für 2010 zugrunde liegt als dem Planfeststellungsbeschluß. Die Beigeladene selbst ging im Laufe des Planfeststellungsverfahrens davon aus, daß diese hohe Lärmbelastung durch eine 3 m hohe und ca. 400 m lange Schallschutzwand erheblich reduziert werden könne, was auch den übrigen Einwohnern der wegen der dortigen Dammlage der Trasse besonders lärmbetroffenen Ortschaft B. zugute gekommen wäre, und hielt eine entsprechende Anordnung des Eisenbahn-Bundesamtes für möglich. Unter diesen Umständen erscheint es naheliegend, daß das Eisenbahn-Bundesamt entsprechende Maßnahmen des aktiven Schallschutzes auch angeordnet hätte, wenn es seine Abwägungspflicht zutreffend erkannt hätte. Daß die Kläger sich erst 1981 an der damals noch eingleisig betriebenen Strecke angesiedelt und erst 1990 das Eigentum an dem betroffenen Grundstück erworben haben mögen, ändert daran nichts.

Dieser Mangel kann auch nachträglich im Wege der Planergänzung geheilt werden. Allerdings kommt die mit dem ersten Teil des ersten Hilfsantrags beantragte, gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung zur Vornahme dieser Planergänzung durch Anordnung entsprechender Maßnahmen aktiven Schallschutzes nicht in Betracht, da es sich dabei nicht um die einzig rechtmäßige Möglichkeit planerischer Problembewältigung handelt. Insbesondere ist neben oder anstelle der Anordnung aktiven Schallschutzes auch die Festsetzung eines Entschädigungsanspruchs für ausreichenden passiven Schallschutz in Betracht zu ziehen. Da die Auswahl der konkreten Schutzmaßnahmen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Planfeststellungsbehörde steht, ist das Gericht lediglich gehalten, die Beklagte insoweit zur Neubescheidung zu verpflichten (vgl. BVerwGE 87, 332 <345, 367>; 104, 123 <140>).

b) Mit dem zweiten Teil des ersten Hilfsantrags und mit dem zweiten Hilfsantrag begehren die Kläger die Verurteilung der Beklagten, im Wege einer Planergänzung festzusetzen, daß sie dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für die Vornahme passiver Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen auf dem Grundstück B. Nr. 1 haben. Insoweit ist die Klage als Verpflichtungsklage zulässig, da die Beklagte eine derartige Festsetzung im Planfeststellungsbeschluß abgelehnt hat.

Auch dieses Klagebegehren ist teilweise begründet. Zwar haben die Kläger keinen Anspruch auf eine Planergänzung gerade dieses Inhalts. Jedoch war die im Planfeststellungsbeschluß getroffene Entscheidung, ihnen Entschädigungsleistungen für passive Schallschutzmaßnahmen vorzuenthalten, weil die Planfeststellungsbehörde rechtlich gehindert sei, der Beigeladenen solche Maßnahmen aufzuerlegen, rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Maßgeblich für den passiven Schallschutz, den die Kläger beanspruchen können, ist allerdings nicht die Regelung der §§ 42, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG i.V.m. der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung vom 4. Februar 1997 (BGBl I S. 172, ber. S. 1253) 24. BImSchV . Danach hat dann, wenn im Falle des § 41 BImSchG die in der Verkehrslärmschutzverordnung festgesetzten Immissionsgrenzwerte überschritten werden, der Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage gegen den Träger der Baulast einen Anspruch auf angemessene Geldentschädigung für Schallschutzmaßnahmen an der baulichen Anlage in Höhe der erbrachten notwendigen Aufwendungen, es sei denn, daß die Beeinträchtigung wegen der besonderen Benutzung der Anlage zumutbar ist. Wie bereits dargelegt, liegt jedoch mangels wesentlicher Änderung im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV kein Fall des § 41 BImSchG vor.

Ob den Klägern bei Beachtung des Abwägungsgebots eine Entschädigung für passive Schallschutzmaßnahmen zusteht, hängt zunächst untrennbar davon ab, ob und in welchem Umfang die auf den ersten Teil des ersten Hilfsantrags nachzuholende fehlerfreie Abwägung ihrer vom Schienenverkehrslärm betroffenen Gesundheits- und Eigentumsbelange zu einer Planergänzung um Maßnahmen des aktiven Schallschutzes führt, so daß die Sache auch hinsichtlich des Antrags der Kläger auf passiven Schallschutz noch nicht spruchreif ist. Gleichsam als Kehrseite der Entscheidung über den aktiven Schallschutz teilt die Entscheidung über den passiven Schallschutz damit auch prozessual deren Schicksal und muß ebenso erneut getroffen werden wie jene (vgl. BVerwGE 104, 123 <141>). Werden bei jener Entscheidung aktive Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Kläger nicht festgesetzt, muß die Beklagte abschließend prüfen, ob den vom Verkehrslärm betroffenen Gesundheits- und Eigentumsbelangen der Kläger bei fehlerfreier Abwägung nicht durch eine Planergänzung um die Festsetzung von Entschädigungsansprüchen für passive Schallschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen ist.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Dabei wird die Bedeutung des von den Klägern erstrittenen Bescheidungsurteils mit der Hälfte der Gesamtbedeutung ihres im Streit verbliebenen Begehrens berücksichtigt.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Zeit bis zum 23. Oktober 1998 auf 80 000 DM, für die Zeit danach auf 60 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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