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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.07.1998
Aktenzeichen: BVerwG 11 A 53.97
Rechtsgebiete: VerkPBG, LuftVG, PlVereinfG
Vorschriften:
VerkPBG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 | |
VerkPBG § 5 Abs. 1 | |
LuftVG § 8 Abs. 1 | |
LuftVG § 10 Abs. 1, 4, 8 n.F. | |
PlVereinfG Art. 10 Satz 1 |
1. Die Übergangsregelung des Art. 10 Satz 1 PlVereinfG erfaßt nur weitere, bei Inkrafttreten des Planungsvereinfachungsgesetzes noch nicht erledigte Verfahrensschritte; sie erstreckt sich aber nicht auch auf bis dahin bereits abgeschlossene selbständige Verfahrenshandlungen (hier: die ortsübliche Bekanntmachung einer Planauslegung).
2. Die von der Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Grundsätze der Überprüfung eines luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses unter dem Gesichtspunkt der Planrechtfertigung gelten auch für den Ausbau von Verkehrsflughäfen in den neuen Ländern (hier: Flughafen Erfurt).
3. Zur Erheblichkeit eines Abwägungsmangels nach § 10 Abs. 8 LuftVG n.F.
Urteil des 11. Senats vom 8. Juli 1998 - BVerwG 11 A 53.97 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 11 A 53.97
Verkündet am 8. Juli 1998
Kettlitz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bonk, Dr. Storost, Vallendar und Prof. Dr. Rubel
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe:
I.
Die Klägerin betreibt in unmittelbarer südlicher Nähe des Flughafens Erfurt aufgrund einer am 4. April 1991 erteilten Genehmigung der Staatlichen Umweltinspektion Erfurt auf einer etwa 10 000 qm großen Teilfläche der im Grundbuch Erfurt-Bindersleben eingetragenen, insgesamt etwa 55 000 qm großen Flurstücke 67/6 und 41/21 ein Asphalt-Mischwerk. Ihr ist durch Erbbaurechtsvertrag vom 7. Februar 1992 auf dort näher bezeichneten Flächen ein zunächst auf die Dauer von 50 Jahren befristetes Erbbaurecht eingeräumt worden. Eine entsprechende Vormerkung wurde zugunsten der Klägerin am 10. Februar 1993 in das Grundbuch eingetragen.
Der Flughafen Erfurt war in den 30er Jahren zunächst als Militärflughafen eingerichtet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der zivile Flugbetrieb Mitte der 50er Jahre auf das heutige Gelände des Flughafens verlagert. In der Folgezeit erteilten die damals zuständigen Behörden der DDR für diesen Flugbetrieb eine Reihe von Genehmigungen. Am 20. September 1990 genehmigte sodann der Ministerrat der DDR "zeitlich unbefristet" den Flugbetrieb "für den nationalen und internationalen Luftverkehr"; die Genehmigung wurde in der Folgezeit durch mehrere - zuletzt am 23. November 1995 Lärmschutzauflagen betreffende - Nachträge geändert und ergänzt.
Im Jahre 1993 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Änderung der Genehmigung und die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens für einen von ihr geplanten Ausbau des Flughafens. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, der Flughafen werde in seinem bisherigen Zustand weder seiner volkswirtschaftlichen Rolle noch den betrieblichen und technischen Anforderungen zur Bewältigung des prognostizierten erhöhten Luftverkehrsbedarfs gerecht. Zu diesem Zwecke sei insbesondere eine Verlängerung der Start- und Landebahn um etwa 400 m auf eine Gesamtlänge von 2 600 m erforderlich, um einen Flugbetrieb auch mit größeren Flugzeugen und höheren maximalen Abfluggewichten zu ermöglichen.
Auf Veranlassung des Thüringer Landesverwaltungsamts wurde der Plan für den Ausbau nach einer Bekanntmachung der Stadt Erfurt vom 26. November 1993 in der Zeit vom 6. Dezember 1993 bis 6. Januar 1994 öffentlich ausgelegt.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 1993, eingegangen beim Thüringer Landesverwaltungsamt am 5. Januar 1994, erhob die Klägerin gegen das Planvorhaben Einwendungen und machte im wesentlichen geltend, ihr Betriebsgelände werde durch die geplanten Ausbaumaßnahmen "vollständig überplant". In dem nachfolgenden Erörterungstermin vom 2. - 6. Mai 1994 bezweifelte sie unter Hinweis auf die Erreichbarkeit anderer Flughäfen - insbesondere in Leipzig und Frankfurt/Main - die Notwendigkeit des Ausbaus des Flughafens Erfurt insgesamt und rügte, die Einbeziehung ihrer Betriebsflächen sei wegen der zu großen Dimensionierung der geplanten Ausbaumaßnahmen nicht erforderlich.
Der Plan wurde in dem "Planfeststellungsbeschluß zur Erweiterung des internationalen Verkehrsflughafens Erfurt" vom 22. Dezember 1995 des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur mit zahlreichen Maßgaben festgestellt. Die Einwendung der Klägerin wurde im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, zwar werde die Klägerin durch den vorgesehenen Flughafenausbau nachhaltig betroffen. Die Inanspruchnahme ihrer an das derzeitige Flughafengelände angrenzenden Betriebsflächen sei aber für den Ausbau notwendig, insbesondere für Zwecke des Hallenbaus, zur Vorfelderweiterung sowie zur Erschließung der Hallen; nur Teilbereiche der Grundstücke seien ohne konkrete Nutzungsangabe als Erweiterungsfläche ausgewiesen. Da der vorgesehene Ausbau der Flughafenanlage unter Aussparung der entsprechenden Flächen nicht möglich sei, sei die Inanspruchnahme der Betriebsflächen der Klägerin gerechtfertigt.
Die Klägerin hat mit einem am 29. Februar 1996 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, sie sei als Erbbauberechtigte und Betreiberin eines genehmigten Gewerbebetriebes, der der unmittelbaren Versorgung der ortsansässigen Bauwirtschaft diene, durch den Planfeststellungsbeschluß in ihren Rechten verletzt. Der Plan sei nicht gerechtfertigt und weise erhebliche Abwägungsdefizite aus. Eine Notwendigkeit zur Erweiterung des Flughafens Erfurt, insbesondere zur Einbeziehung der sie betreffenden Teile der Flurstücke 67/6 und 41/21, sei nicht ersichtlich. Die dem Planfeststellungsbeschluß zugrundeliegende Prognose über die Steigerung des Ausmaßes des Flugbetriebes halte vor allem zum Charterflugverkehr einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Insbesondere die in unmittelbarer Nähe von Erfurt liegenden internationalen Verkehrsflughäfen Frankfurt/Main und Leipzig mit ihren hinreichenden Kapazitäten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten mit einer etwa 20 %igen Arbeitslosigkeit in Thüringen bedürfe es einer sorgsamen Abwägung zwischen enteignenden Eingriffen in bestehende Gewerbebetriebe und einem möglichst ungestörten Urlaubsflugverkehr als Ergebnis falsch verstandener Daseinsvorsorge. Der Planfeststellungsbeschluß lasse nachvollziehbare Gründe vermissen, weshalb es einer Verlängerung der Start- und Landebahn bedürfe, zumindest aus welchen Gründen deshalb auch eine Erweiterung der übrigen Flughafenanlagen erforderlich sei.
Insbesondere die Prognosen der Passagier- und Flugbewegungszahlen seien fehlerhaft. Der Planfeststellungsbeschluß gehe von einem Passagieraufkommen von 1 Million Fluggästen im Jahre 2010 aus, während die Plandaten des Lufthafenkonzepts aus dem Jahr 1992, des Luftfahrtkonzepts 2000 des Bundesministeriums für Verkehr aus dem Jahr 1994 sowie Prognosen von Eurocontrol von einer Gesamtpassagierzahl unter 500 000 ausgingen. Die Planung gehe damit um mehr als das Doppelte über die tatsächlich zu erwartende Zahl von Fluggästen und Flugbewegungen hinaus. Daher werde auch nur die Hälfte der geplanten Nebenanlagen des Flughafens benötigt. Mithin sei die Einbeziehung ihrer Betriebsgrundstücke in die Flughafenerweiterung nicht geboten. Das Planungsziel könne auch dadurch erreicht werden, daß die Errichtung von Hangars und anderer Gebäude unter Aussparung ihrer Betriebsflächen um 40 m nach Norden oder aber weiter nach Westen oder Osten verschoben werde.
Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluß des Beklagten vom 22. Dezember 1995 aufzuheben, soweit das Betriebsgrundstück der Klägerin einbezogen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, die Rügen gegen die Planrechtfertigung und die Abwägungsentscheidung seien unbegründet. Das Vorbringen der Klägerin stelle die bisherigen Prognosedaten und die gewählte Prognosemethode nicht ernsthaft in Frage; insbesondere die hier gewählte 60-Minuten-Isochrone mit 0,66 Fluggästen pro Jahr und Einwohner im thüringischen Einzugsbereich und die darin enthaltene deutliche Absenkung der Zuwachszahlen um etwa zwei Drittel gegenüber der prognostizierten Inanspruchnahme von vergleichbaren Flughäfen in den alten Bundesländern seien nicht zu beanstanden. Daher sei auch die Dimensionierung der geplanten Erweiterung des Flughafens und seiner Nebenanlagen nicht unangemessen großzügig erfolgt. Eine Verweisung der Fluggäste des Erfurter Flughafens auf andere Flughäfen sei nicht gerechtfertigt.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, die Klägerin sei mit Einwendungen zur Planrechtfertigung, zur Dimensionierung der Anlage und zu Planungsalternativen ausgeschlossen, weil sie in ihrem Einwendungsschreiben nur auf eine mögliche Eigentumsbetroffenheit hingewiesen habe. Auch die Rügen gegen die Planrechtfertigung griffen nicht durch. Insbesondere das Prognoseverfahren sei nicht zu beanstanden; die dem Planfeststellungsbeschluß zugrundeliegenden Prognosenahlen seien im übrigen durch die zwischenzeitliche Entwicklung nicht erschüttert, denn auch in den Jahren 1995 - 1997 sei der Flughafen Erfurt mit weiter steigender Tendenz in Anspruch genommen worden. Entgegen der Meinung der Klägerin lägen auch keine Abwägungsfehler vor. Die von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses erfaßten Flächen des Betriebs der Klägerin seien überwiegend für den Bau von Hangars, für die Feuerwehr, den Winterdienst und die Nutzung als Vorfeld notwendig. Eine Verlagerung dieser Ausbauten nach Norden, Osten oder Westen unter Aussparung der Betriebsflächen der Klägerin sei nicht möglich. Die Behauptung der Klägerin, die Erbbaurechtsfläche sei vorwiegend nur als Vorhaltefläche ausgewiesen, sei unzutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten einschließlich der Planunterlagen vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
1. Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 VerkPBG zu entscheiden hat, ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin die erforderliche Klagebefugnis, weil für sie im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses des Beklagten vom 22. Dezember 1995 eine Vormerkung für das ihr vertraglich eingeräumte Erbbaurecht im Grundbuch eingetragen war. Das reicht für die Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO aus (Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 9.91 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 94, S. 109 m.w.N.).
2. Die Klage ist aber nicht begründet.
Die Klägerin ist allerdings entgegen der Meinung der Beigeladenen mit Einwendungen gegen die Planrechtfertigung und die Planabwägung nicht ausgeschlossen.
Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG n.F. sind Einwendungen gegen den Plan, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen. Diese durch Art. 4 Nr. 3 Buchst. d des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1993 (BGBl I S. 2123) in das Luftverkehrsgesetz eingeführte Vorschrift enthält - ebenso wie Parallelregelungen in anderen Fachplanungsgesetzen (etwa § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG, § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG) - eine auch das gerichtliche Verfahren erfassende materiellrechtliche Präklusion (ebenso Hofmann/Grabherr, LuftVG, § 10 Rnrn. 16, 19; a.A. Giemulla/Schmidt, LuftVG, § 10 Rn. 19). § 10 Abs. 4 Satz 1 LuftVG n.F. kommt jedoch im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zur Anwendung, weil diese Regelung nach Art. 12 PlVereinfG erst am 24. Dezember 1993 in Kraft getreten ist. Hier ist die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung des Plans durch die Stadt Erfurt bereits am 26. November 1993 erfolgt, also noch unter der Geltung der alten Rechtslage. Für den in dieser Bekanntmachung enthaltenen Hinweis auf eine materielle Präklusion fehlt damit eine Rechtsgrundlage. Die Übergangsregelung in Art. 10 Satz 1 PlVereinfG, wonach vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnene Planungsverfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes weiterzuführen sind, erfaßt nur weitere, bis dahin noch nicht erledigte Verfahrensschritte; sie erstreckt sich aber nicht auch auf bis dahin abgeschlossene selbständige Verfahrenshandlungen, hier die ortsübliche Bekanntmachung einer Planauslegung.
Die Einwendungen der Klägerin gegen die Planrechtfertigung (a) und gegen die Planabwägung (b) greifen jedoch in der Sache nicht durch.
a) Eine Flughafenplanung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht, die geplante Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist; das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwGE 56, 110 <118 f.>; 71, 166 <168>; 72, 282 <285>; 75, 214 <233>). Insbesondere kann die Erweiterung und wesentliche Änderung eines Flughafens wegen eines geänderten Verkehrsbedürfnisses erforderlich sein (BVerwGE 56, 110 <120>; 75, 214 <233>). Die Dringlichkeit der auf der Ebene der Planrechtfertigung zugrunde gelegten Zielvorstellungen kann gleichzeitig auch das Gewicht der in die Abwägung einzustellenden öffentlichen Belange bestimmen (Beschluß vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6). Diese Grundsätze gelten auch und gerade für Flughafenplanungen in den neuen Ländern, in denen ein Nachhol- und Anpassungsbedarf an die veränderten Verhältnisse nach der Herstellung der Einheit Deutschlands im Interesse der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland besteht.
Es ist Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, den erforderlichen Ausbaubedarf prognostisch zu bestimmen. Sie muß in diese Prognose nicht nur die reinen Zahlen zukünftig erwarteter Fluggäste für den in Betracht kommenden Linien- und Charterflugverkehr einschließlich eines eventuellen Frachtverkehrsaufkommens einbeziehen, sondern auch den Bedarf an dazugehörenden Gebäuden und Nebenanlagen, mit denen der erhöhte Flugverkehr reibungslos sicherheitstechnisch abgewickelt werden kann. Das Gericht hat insoweit - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwGE 56, 110 <121>) - nur zu prüfen, ob die Prognose mit den zu jener Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist (BVerwGE 72, 282 <286>; 75, 214 <234>; 87, 332 <355>). Es überprüft insoweit die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode; die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrundeliegenden Sachverhalts und ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewißheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen. Es ist hingegen nicht Aufgabe der Gerichte, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw. größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann, ferner nicht darauf, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist (BVerwGE 56, 110 <121, 122>). Mit der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte ist es ferner nicht vereinbar, wenn das Verwaltungsgericht auf der Grundlage einer "Aktualisierung" der Vorgaben eine eigene Prognose entwickelt (BVerwGE 87, 332 <354>). Dementsprechend hat das Gericht nicht die Befugnis, insoweit seine Einschätzung an die Stelle derjenigen der zuständigen Behörden zu setzen. Eine Überschreitung des planerischen Gestaltungsspielraums liegt insbesondere nicht allein darin, daß die Planfeststellungsbehörde die Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens optimistischer beurteilt als betroffene Anlieger des Flughafens (BVerwGE 75, 214 <234>; Beschluß vom 5. Oktober 1990, a.a.O.).
Eine an diesen Grundsätzen zu messende eingeschränkte Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses des Beklagten vom 22. Dezember 1995 läßt Rechtsfehler auf der Ebene der Planrechtfertigung nicht erkennen:
Der Planfeststellungsbeschluß (S. 56, 57) geht davon aus, daß mit dem Ausbau des Flughafens Erfurt insbesondere folgende Ziele erreicht werden sollen: Eine direkte Anbindung Thüringens an das nationale und intereuropäische Luftverkehrsnetz für den Personen- und Frachtverkehr durch möglichst vielfältige Verbindungen im Linienflugverkehr zu den Wirtschaftszentren Deutschlands und Europas; die indirekte Anbindung Thüringens an das interkontinentale Luftverkehrsnetz durch Zubringerflugdienste zu den Flughäfen mit interkontinentalem Luftverkehr; die Befriedigung der Nachfrage der Bürger nach Flügen zu den europäischen Urlaubszentren (inklusive Nordafrika und Kanaren) im Charterverkehr; die Befriedigung der Nachfrage der Wirtschaft nach einem allwetterfähigen Flugplatz für den Geschäftsreise- und Werksflugverkehr; die Befriedigung der Nachfrage im innerdeutschen Luftpostverkehr und im intereuropäischen Luftfrachtverkehr; die Bereitstellung der Infrastruktur für Luftfahrtunternehmen und zur Ansiedlung von Luftfahrtindustrie sowie die Bereitstellung der Infrastruktur für die Luftrettungsdienste, Polizei und Katastrophenschutz.
Der Planfeststellungsbeschluß (S. 57) geht davon aus, daß der Flughafen zur Erfüllung dieser Funktionen für Flüge im Liniendienst mit Flugzeugen mit einer Sitzplatzkapazität bis 150 Sitzen und im Charterverkehr mit Flugzeugen mit einer Sitzplatzkapazität bis 300 Sitzen ausgelegt wird. Für die Berechnung von Art und Umfang der dazu notwendigen Baumaßnahmen sieht der Planfeststellungsbeschluß (S. 56) dementsprechend die Verlängerung der Start- und Landebahn um ca. 400 m auf 2 600 m Gesamtlänge vor. Er legt dabei folgendes bisheriges Verkehrsaufkommen zugrunde: 1990 = 10 404 Passagiere mit 2 088 Flugbewegungen; 1991 = 27 948 Passagiere mit 10 656 Flugbewegungen; 1992 = 72 582 Passagiere mit 16 219 Flugbewegungen; 1993 = 175 997 Passagiere mit 23 372 Flugbewegungen und 1994 = 278 305 Passagiere mit 27 049 Flugbewegungen.
Ausgehend von dieser bisherigen Entwicklung prognostiziert der Planfeststellungsbeschluß (S. 57) bei einem zügigen, bedarfsgerechten Ausbau des Flughafens ein erwartetes Verkehrsaufkommen im Jahre 2000 von 560 000 Passagiere mit 35 700 Flugbewegungen und im Jahre 2010 von 1 Million Passagieren mit 65 000 Flugbewegungen. Er legt dabei eine sog. 60-Minuten-Isochrone und einen Multiplikationsfaktor von 0,66 Flugreisen pro Einwohner und Jahr aus einem Einzugsbereich mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern in Thüringen zugrunde (a.a.O.), S. 67, 68), berücksichtigt dabei aber zugleich mangels "gesicherten Zahlenmaterials" und wegen "großer Unsicherheiten" über die "nicht präzise voraussagbare wirtschaftliche Entwicklung in Thüringen" die "verkehrsgeographische Lage des Flughafens auch in bezug zu den Nachbarflughäfen sowie die zu erwartende Verbesserung des Angebots mit bodengebundenen Verkehrsmitteln" und eine "Abwanderung von ca. 30 % der Linienpassagiere auf die Schiene" (a.a.O., S. 67, 68).
Insbesondere die Ausgangszahl von 0,66 Flugreisen pro Einwohner und Jahr aus dem Einzugsbereich von etwa 1,5 Millionen Einwohnern in Thüringen im Planfeststellungsbeschluß geht ersichtlich auf eine Analyse der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung der Verkehrsflughäfen in Deutschland und speziell in Erfurt im sog. "Masterplan Flughafen Erfurt - März 1993" der Fa. Weidleplan zurück, der als Anlage A 7.1 den Planunterlagen der Beigeladenen (Beiakte 4 der Verwaltungsvorgänge) beigefügt war. Darin ist die Prognosemethode nach der sog. 60-Minuten-Isochrone Straßenverkehr als die geeignetste erachtet worden (a.a.O., S. 13 - 18). Sie ermittelt das spezifische Fluggastaufkommen pro Einwohner des Einzugsbereichs und projiziert die dabei gewonnenen Bestandswerte entsprechend dem Trendverlauf für die gesamte Bundesrepublik in die Zukunft.
Diese Prognosemethode ist nachprüfbar und nachvollziehbar und hält sich innerhalb des der Planfeststellungsbehörde eingeräumten Beurteilungsspielraums. Sie ist nach den vorgenannten Maßstäben gerichtlich nicht zu beanstanden. Die damit gewonnenen Annahmen werden durch die von der Klägerin eingereichten Unterlagen des Bundesverkehrswegeplans 2000, des Luftverkehrskonzepts 2000 des Bundesministeriums für Verkehr und die Angaben von Eurocontrol nicht widerlegt. Die Prognosezahlen sind auch durch die bisherige Inanspruchnahme des Flughafens Erfurt nicht nachhaltig erschüttert; denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beigeladenen sind die Fluggastzahlen in Erfurt im Jahr 1995 auf 312 159, im Jahr 1996 auf 312 837 und im Jahr 1997 auf 353 018 Passagiere angestiegen. Die Erreichung der Prognosezahlen ist damit derzeit jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Im übrigen legt der Planfeststellungsbeschluß selbst fest, daß der in Aussicht genommene Ausbau des Flughafens nur in zwei Stufen vorgenommen werden darf, nämlich in der ersten Ausbaustufe von der Erreichung einer Passagierzahl von 300 000, in der zweiten Ausbaustufe von einer Richtzahl von 500 000 Passagieren (a.a.O.), S. 8, 9 unter II.1.6.). Unter dem Gesichtspunkt der Planrechtfertigung hält der angefochtene Planfeststellungsbeschluß des Beklagten nach alledem einer gerichtlichen Überprüfung stand.
b) Der Planfeststellungsbeschluß leidet ferner nicht an einem Abwägungsmangel, der zu der mit der Klage begehrten Aufhebung in bezug auf das Betriebsgrundstück führen könnte. Nach § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG n.F., der gemäß Art. 10 Satz 2 PlVereinfG auch im vorliegenden Verfahren Anwendung findet, sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß sind.
Ein solcher rechtserheblicher Abwägungsmangel liegt hier nicht vor. Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot kann zwar auch darin liegen, daß die Planfeststellungsbehörde eine von der Sache her naheliegende Alternativlösung verworfen hat, durch die die mit der Planung angestrebten Ziele unter geringeren Opfern entgegenstehender öffentlicher und privater Belange hätten verwirklicht werden können (BVerwGE 71, 166 <171 f.>). Ein Abwägungsmangel kann allerdings nicht darin gesehen werden, daß die Planfeststellungsbehörde eine kleinräumige Veränderung oder Verschiebung außer Betracht läßt oder ablehnt, durch die zwar das Grundstück eines einzelnen Grundstückseigentümers verschont bleibt, durch die dann erforderlichen Folgeänderungen aber Abstriche an den Planungszielen entständen, die das Gesamtkonzept des Planvorhabens berühren oder in Frage stellen (BVerwGE 71, 166 <172>; Urteil vom 28. Februar 1996 - BVerwG 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110). Die Behörde ist ferner nicht verpflichtet, alle von ihr erwogenen Alternativen gleichermaßen umfassend zu untersuchen, sondern kann Alternativen, die ihr aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, schon in einem früheren Verfahrensstadium ausscheiden. Ein Abwägungsfehler liegt erst dann vor, wenn sich die nicht näher untersuchte Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (Beschluß vom 5. Oktober 1990 a.a.O.; BVerwGE 100, 238 <250>; 101, 166 <173 f.>). Das ist hier nicht der Fall.
Sowohl die von der Klägerin für möglich gehaltene gänzliche Aussparung ihrer Betriebsflächen als auch die Verlagerung der für den Flughafenausbau notwendigen (weiteren) Hangars und sonstigen Nebengebäude entweder nach Norden um etwa 40 m oder nach Westen in den Bereich des Rettungsdienstes bzw. nach Osten in das Gebiet der vorgesehenen Hallen für Postfrachtgut sind nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nach der Überzeugung des erkennenden Senats keine Alternativen, die - sofern sie nach den örtlichen Gegebenheiten überhaupt realisierbar wären - sich der Planfeststellungsbehörde hätten aufdrängen müssen; sie sind daher i.S. von § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG n.F. jedenfalls keine offensichtlichen Abwägungsmängel. Aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hat sich ferner zur Überzeugung des erkennenden Senats ergeben, daß die in Anspruch genommenen Betriebsflächen der Klägerin überwiegend für Hangars, die Feuerwehr, den Winterdienst, das Vorfeld und als öffentlicher Parkplatz benötigt werden; nur ein geringer Streifen liegt innerhalb der im Planfeststellungsbeschluß als "Erweiterung" gekennzeichneten Fläche. Die Angabe der Klägerin, die Erbbaurechtsfläche sei vorwiegend als Vorhaltefläche ausgewiesen und nicht für die Erweiterung von baulichen Anlagen, trifft demnach nicht zu.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Ende der Entscheidung
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