Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.06.1998
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 19.98
Rechtsgebiete: LuftVG, VwVfG, GG, VwGO, EG-VO, EGV, Internationales Zivilluftfahrtabkommen


Vorschriften:

LuftVG § 6 Abs. 2 Satz 1
VwVfG § 28
VwVfG § 46
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 133 Abs. 3 Satz 3
EG-VO Nr. 2408/92 Art. 2 Buchst. f
EG-VO Nr. 2408/92 Art. 3 Abs. 1
EG-VO Nr. 2408/92 Art. 8 Abs. 2
EG-VO Nr. 2408/92 Art. 9 Abs. 1
EGV Art. 30
EGV Art. 59 ff.
Internationales Zivilluftfahrtabkommen, Anhang 16
Leitsatz

§ 6 Abs. 2 Satz 1 LuftVG gestattet es, zum Schutz der Flughafenanwohner vor einer Gesundheitsgefährdung durch Fluglärm eine Nachtflugregelung zu erlassen, die bestimmten Strahlflugzeugen mit Lärmzertifikation nach Anhang 16, Band 1, Teil II, Kapitel 3 zum ICAO-Abkommen Starts und Landungen verbietet. Ob Nachtflugbeschränkungen auf der Grundlage der Bonusliste des Bundesministeriums für Verkehr generell ICAO-konform und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar wären, bleibt offen.

Beschluß des 11. Senats vom 12. Juni 1998 - BVerwG 11 B 19.98 -

I. VGH München vom 25.02.1998 - Az.: VGH 20 A 97.40017 VGH 20 A 97.40018


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 B 19.98 VGH 20 A 97.40017 VGH 20 A 97.40018

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. Juni 1998

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel

beschlossen:

Die Beschwerden der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 1998 werden zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1; etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 Millionen DM festgesetzt.

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Die Sache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf: "Kann eine Feststellungsklage, mit der die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (hier der neuen Nachtflugbeschränkungen für den Verkehrsflughafen Nürnberg) geltend gemacht wird, mangels Klagebefugnis allein aus dem Grund als unzulässig zurückgewiesen werden, daß der Drittbetroffene - nach unzutreffender Auffassung des Senats - gegenwärtig noch keine Nachteile erleidet, obwohl sich der konkrete Inhalt des Verwaltungsakts durch eine dynamische Verweisung auf eine dritte Quelle (hier die Bonusliste des Bundesministeriums für Verkehr) jederzeit ändern kann."

Eine grundsätzliche Bedeutung dieser Fragestellung hat der Senat bereits in seinem - den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnenden - Beschluß vom 7. April 1998 - BVerwG 11 VR 3.98 - mit folgender Begründung verneint:

"Diese Frage würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie setzt nämlich voraus, daß die Antragstellerinnen von jeder Änderung der Bonusliste, die während der Gültigkeitsdauer der angefochtenen Verfügung vom 24. März 1997 eintritt, betroffen werden. Dies ist nach der Regelung in Abschnitt I, Ziff. 2.2, letzter Satz, der Verfügung nicht der Fall. Danach wirken sich nachträgliche Streichungen in der Bonusliste nicht auf Luftfahrtunternehmen aus, die - wie die Antragstellerinnen - zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung bereits am Flughafen Nürnberg operieren. Diese Unternehmen werden bis zum Auslaufen der in Abschnitt I festgelegten Beschränkungen am 31. März 2007 (vgl. Abschnitt II der Verfügung) von der "Dynamik" der Regelung nicht erfaßt."

Daran ist festzuhalten, zumal die Klägerinnen in ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 12. Mai 1998 gegen diese Erwägungen nichts eingewandt haben.

2. Die zweite Frage der Beschwerde lautet: "Sind die unterbliebene Anhörung einer Klägerin ... und der daraus resultierende Verstoß gegen § 28 VwVfG (bzw. die entsprechenden Ländervorschriften, hier Art. 28 BayVwVfG) unbeachtlich, wenn diese von einer anderen Klägerin über die Absichten der Behörde in Kenntnis gesetzt wurde? Darf ein Gericht von einer solchen Unterrichtung ohne weiteres ausgehen? Darf ein Gericht ohne nähere Begründung insbesondere davon ausgehen, daß eine nicht angehörte Klägerin keine weitergehenden Einwendungen hätte erheben können als diejenigen, die von der angehörten Klägerin vorgebracht worden sind?"

Der Senat hat in seinem Beschluß vom 7. April 1998 dazu folgendes ausgeführt:

"Die Frage nach der Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen § 28 VwVfG beantwortet sich - was keiner revisionsgerichtlichen Klärung bedarf - unter anderem nach § 46 VwVfG. Danach ist der Verfahrensfehler dann unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat. Davon ist die Vorinstanz (UA S. 15) sinngemäß ausgegangen, Ob zu Recht oder zu Unrecht, ist eine Einzelfallfrage, die nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen kann."

In ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 12. Mai 1998 weisen die Klägerinnen darauf hin, der Verwaltungsgerichtshof sei, ungeachtet der Tatsache, daß die Klägerin zu 2 nicht angehört worden sei, davon ausgegangen, ein Verstoß gegen Art. 28 BayVwVfG liege nicht vor; der Verwaltungsgerichtshof sei also der Ansicht, daß die Vorgehensweise des Beklagten mit Art. 28 BayVwVfG in Einklang stehe. Angesichts dessen gehe es hier nicht so sehr um die Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen Art. 28 BayVwVfG unbeachtlich sei; vorrangig sei vielmehr die Frage zu klären, ob es mit Art. 28 BayVwVfG vereinbar sei, wenn die Verwaltungsbehörde zukünftig nicht mehr alle Betroffenen anhöre, sondern schlicht davon ausgehe, daß bestimmte Betroffene - hier die Klägerin zu 2 - durch andere Verfahrensbeteiligte - hier die Klägerin zu 1 - über die Absichten der Behörde informiert würden. Einer Klärung bedürfe ferner die Frage, unter welchen Voraussetzungen Behörden und Gerichte in tatsächlicher Hinsicht von einer Unterrichtung des Betroffenen durch Dritte ausgehen dürften. Im vorliegenden Fall sei eine solche Unterrichtung nämlich in Wirklichkeit nicht erfolgt.

Auch dieses weitere Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Es enthält im Kern einen Angriff gegen die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichtshofs; die Klägerinnen wenden sich gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, die Klägerin zu 2 sei "von der Klägerin zu 1 wegen der engen gesellschaftlichen/vertraglichen Verflechtung von den Absichten des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden" (UA S. 15). Auch mit Blick auf die Kritik, die in diesem Zusammenhang an den Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichtshofs anklingt, läßt sich daraus eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht herleiten. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof eine gegenüber der Klägerin zu 2 im Verwaltungsverfahren bestehende Anhörungspflicht verkannt haben sollte, würden sich die von den Klägerinnen genannten Fragen im Revisionsverfahren nämlich nicht stellen, weil das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig erweisen würde (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO).

Nach Art 46 BayVwVfG ebenso wie in Anwendung fachplanungsrechtlicher Grundsätze führt die Nichteinhaltung von Verfahrensbestimmungen für sich genommen nicht zur Aufhebung einer Planungsentscheidung; vielmehr muß hinzukommen, daß sich der formelle Verstoß in der Sache ausgewirkt hat (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 23. Februar 1994 - BVerwG 4 B 35.94 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97). Danach wäre ein Verstoß gegen Art. 28 BayVwVfG im vorliegenden Fall unbeachtlich. Der im Sinne der Rechtsprechung erforderliche Kausalzusammenhang ist nämlich nur dann gegeben, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, daß die zuständige Behörde ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte (vgl. z.B. BVerwGE 100, 238 <252>j. Hierfür bietet der vom Verwaltungsgerichtshof festgestellte Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

3. Die Beschwerde möchte weiterhin die Frage grundsätzlich geklärt sehen: "Darf ein bestimmtes Flugzeugmuster (Boeing 727-100 hk - 727-200 hk) aus Gründen des Lärmschutzes vom Nachtflugbetrieb ausgeschlossen werden, obgleich diverse andere lautere Flugzeugtypen (Boeing 767-300, 737-300, 747-400, McDonnell Douglas DC 10-30) weiterhin eingesetzt werden dürfen? Liegt schon deshalb kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil sich die aus den neuen Nachtflugbeschränkungen folgenden Ungleichbehandlungen in der Praxis gegenwärtig (nur) deshalb nicht auswirken, weil die lauteren Flugzeuge in der Vergangenheit nicht eingesetzt worden sind?"

In seinem Beschluß vom 7. April 1998 hat der Senat insoweit einen Bedarf für eine Klärung in einem Revisionsverfahren mit folgenden Erwägungen verneint:

"Ein Verbot nächtlicher Starts und Landungen eines bestimmten lauten Flugzeugmusters auf einem Flughafen verstößt nicht schon deswegen gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 3 (richtig: Abs. 1) GG, weil das Verbot sich nicht auf einen Flugzeugtyp erstreckt, der zwar noch lauter ist, der aber auf dem betreffenden Flughafen nicht vorkommt. Anders verhielte es sich freilich, wenn der Einsatz des lauteren Flugzeugtyps künftig zu erwarten wäre und für dessen uneingeschränkte Zulassung auf dem Flughafen keine die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Gründe bestünden.

Die Erläuterungen, die in der Beschwerdebegründung zu der oben zitierten Frage gegeben werden, deuten allerdings darauf hin, daß es den Antragstellerinnen im Grunde um die Frage geht, ob die Bonusliste den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes genügt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine grundsätzliche Rechtsfrage. Die Bonusliste ist nämlich keine Rechtsnorm, sondern eine vom Bundesministerium für Verkehr erarbeitete sachverständige Bewertung von Flugzeugtypen unter Lärmschutzgesichtspunkten. Ob diese Bewertung plausibel ist, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung."

In ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 12. Mai 1998 führen die Klägerinnen aus, die in dem Senatsbeschluß vom 7. April 1998 geäußerte Rechtsauffassung überzeuge nicht. Die - bereits genannten - lauteren Flugzeugtypen der Bonusliste - mit Ausnahme der Boeing 747 - seien in der Vergangenheit vereinzelt am Flughafen Nürnberg zum Einsatz gekommen. Darüber hinaus stehe angesichts der Marktlage und der - auch von der Beigeladenen selbst erhofften - Zunahme des Flugverkehrs ohne weiteres zu erwarten, daß diverse lautere Flugzeugtypen - mit Ausnahme der Boeing 747 - noch vor dem 31. März 2007 dort zum Einsatz kämen. Die Zulassung der Revision könne nicht davon abhängen, daß die lauteren Flugzeugtypen in der Vergangenheit entweder nicht oder nur sporadisch zum Einsatz gekommen seien. Denn der Gleichheitsgrundsatz verlange einen Vergleich zweier Sachverhalte, die im Hinblick auf den Regelungsgehalt der betreffenden Verwaltungsentscheidung - hier der neuen Nachtflugbeschränkungen - zu bestimmen seien. Diese Nachtflugbeschränkungen unterschieden jedoch zwischen "Bonusflugzeugen" und "sonstigen Flugzeugen nach Kapitel 3". Der Vergleich führe dann - wie näher begründet worden sei - zu einer Ungleichbehandlung beim Nachtflugbetrieb, die sich unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt des Lärmschutzes nicht rechtfertigen lasse und daher willkürlich sei. Für die Verfassungswidrigkeit spiele die Zahl der mit bestimmten Flugzeugmustern bisher registrierten Flugbewegungen keine Rolle. Es sei widerspüchlich, wenn mit der Nichtzulassung der Revision die Nachtflugbeschränkung bestandskräftig und damit die Möglichkeit perpetuiert werde, den Flughafen Nürnberg mit lauteren Bonusflugzeugen anzufliegen, während die leiseren Flugzeugtypen der Klägerin zu 2 ausgeschlossen blieben.

Der beschließende Senat folgt diesen Erwägungen nicht und hält die im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG aufgeworfenen Fragen weiterhin nicht für klärungsbedürftig. Den Klägerinnen ist zuzugeben, daß es mißverständlich ist, wenn der Verwaltungsgerichtshof ihnen entgegenhält, sie könnten "lediglich eine Ungleichbehandlung ihrer konkret eingesetzten Flugzeugmuster gegenüber bisher am Flughafen Nürnberg im Nachtflugbetrieb verkehrenden Frachtflugzeugen (anderer Fluggesellschaften)" rügen (UA S. 18). Denn diese Argumentation würde sich möglicherweise - wie im Senatsbeschluß vom 7. April 1998 bereits angedeutet - dem Einwand aussetzen, daß es zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung führen müßte, wenn schon jetzt zu erwarten sei, daß andere Luftfahrtunternehmen den Flughafen Nürnberg verstärkt mit lauteren Bonusflugzeugen anfliegen würden. Von einer solchen Entwicklung ist nach dem vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten und nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Sachverhalt jedoch nicht auszugehen. Dazu ist folgendes zu bemerken:

Die Entscheidung des Beklagten, nächtliche Starts und Landungen von Strahlflugzeugen mit Lärmzertifikation nach Anhang 16, Band 1, Teil II, Kapitel 3 zum ICAO-Abkommen zu verbieten, soweit diese Flugzeuge nicht zugleich in der Bonusliste des Bundesministeriums für Verkehr aufgeführt sind, beruht auf einer Lärmprognose. Diese geht zunächst von der Annahme aus, daß bei einem weiteren deutlichen Anstieg der nächtlichen Flugbewegungen unter Beibehaltung des gegenwärtigen Flugzeugmixes eine Gesundheitsgefährdung der Flughafenanwohner durch die Lärmbelastung nicht auszuschließen ist. Dabei hat der Beklagte angenommen, daß die von der Klägerin zu 2 vorwiegend eingesetzten Flugzeugtypen Boeing 727100 hk - 727-200 hk gegenwärtig und - ohne eine Änderung der Nachtflugregelung - auch zukünftig die lautesten Flugzeuge sind bzw. sein werden, die mit einem erheblichen Anteil an den nächtlichen Flugbewegungen am Flughafen Nürnberg verkehren, während die von den Klägerinnen genannten Flugzeugmuster, die lauter sind, bei der Prognose aus dem Grunde vernachlässigt werden können Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 3. Dezember 1997, S. 9), weil ihre nächtlichen Starts und Landungen - wie die Klägerinnen einräumen - sporadisch geblieben sind.

Der Beklagte sieht die Lösung des damit sich für die Zukunft abzeichnenden Lärmschutzproblems darin, daß er - formal unter Begünstigung aller Bonusflugzeuge - die genannten Flugzeuge der Klägerin zu 2 vom Nachtflugbetrieb ausschließt. Dabei ist die in der Nachtflugregelung gewählte Anknüpfung an die Bonusliste nur ein verwaltungstechnisches Instrument, um für den nächtlichen Lärmschutz ein bestimmtes Ziel zu erreichen, nämlich trotz einer Steigerung der Flugbewegungen durch eine Veränderung des Flugzeugmixes eine Reduzierung der nächtlichen Lärmbelästigung im Wohnumfeld des Flughafens Nürnberg zu gewährleisten. Die Annahme, daß dieses Ziel erreichbar ist, beruht wiederum auf einer Prognose. Der Beklagte geht insoweit davon aus, daß nach dem Wegfall der von der Klägerin zu 2 vorwiegend eingesetzten Flugzeugtypen Boeing 727-100 hk - 727-200 hk sich des Nachts ein Flugzeugmix herausbilden wird, der insgesamt weniger lärmträchtig ist, weil daran die lauteren Flugzeuge nach Kapitel 3 (weiterhin) keinen nennenswerten Anteil haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese aus dem Gutachten Meyer vom 10. Juni 1996 hergeleitete Schlußfolgerung überprüft und für tragfähig erachtet. Er gelangt auf dieser Grundlage nämlich zu der Feststellung, der nächtliche Fluglärm werde (geringfügig) abnehmen; keinesfalls werde es aber noch lauter werden (UA S. 17).

An diese Feststellung wäre der Senat als Revisionsgericht gebunden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Er könnte auch nicht von einer abweichenden Prognose des Flugzeugmixes ausgehen, wie sie nunmehr von den Klägerinnen vorgestellt wird. Aus diesem Grunde würden sich die von den Klägerinnen im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß die behördliche Prognose des Flugzeugmixes sich noch als falsch erweisen kann, wenn der Flugverkehr sich tatsächlich anders als erwartet entwickelt. Die Klägerinnen weisen zutreffend darauf hin, daß eine an die Bonusliste anknüpfende Nachtflugregelung nicht geeignet ist, eine solche Entwicklung völlig auszuschließen. Unzulänglichkeiten des insoweit eingesetzten verwaltungstechnischen Instrumentariums wären aber ebenso wie ein etwaiger Fehlschlag der behördlichen Prognose nicht unter den rechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG zu würdigen; sie würden den Beklagten nur dazu zwingen, die von ihm getroffene Nachtflugregelung unter dem Aspekt von § 6 Abs. 2 Satz 1 LuftVG erneut zu überdenken. Eine solche Überprüfung ist in dem Bescheid vom 24. März 1997 ausdrücklich vorbehalten worden (S. 21).

4. Die Klägerinnen erstreben eine Revisionszulassung ferner mit der Frage: "Dürfen lautere Flugzeugtypen aus Gründen des Lärmschutzes vom Nachtflugbetrieb ausgeschlossen werden, um auf diese Weise eine größere Zahl vor Flugbewegungen mit leiseren Flugzeugmustern zu ermöglichen, wenn es sich bei den ausgeschlossenen Flugzeugmustern um solche mit einer Lärmzulassung nach ICAO Kapitel 3 handelt, d.h. die ausgeschlossenen Flugzeuge den strengsten international gültigen Lärmvorschriften entsprechen?"

In seinem Beschluß vom 7. April 1998 hat der Senat die Möglichkeit einer Revisionszulassung insoweit aus folgenden Gründen verneint:

"Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 16 f.) hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, bei der planerischen Entscheidung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LuftVG sei als öffentlicher Belang der Schutz der Bevölkerung vor übermäßigen nächtlichen Lärmeinwirkungen, aber auch die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht erforderliche Aufrechterhaltung eines Nachtflugbetriebs am Flughafen Nürnberg zu berücksichtigen. Die neuen Nachtbetriebsbeschränkungen schlössen laute stahlgetriebene Flugzeuge aus. Die betreffenden nächtlichen Flugbewegungen (18 %) würden allerdings voraussichtlich zur einen Hälfte durch den nächtlichen Einsatz leiserer Strahlflugzeuge und zur anderen Hälfte durch Propellerflugzeuge ersetzt werden. Dies sei aber nicht zu beanstanden, denn diese Planung beachte die Interessen des Nachtflugverkehrs und begünstige zugleich tendenziell die Interessen der anwohnenden Bevölkerung, wie ein Vergleich der beiden 75 dB (A)-Linien des physikalisch-technischen Gutachtens zeige. Der nächtliche Fluglärm werde (geringfügig) abnehmen, keinesfalls jedoch - trotz der zu erwartenden Verkehrszunahme - lauter werden.

Diese Erwägungen zeigen, daß hier - entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen (Beschwerdebegründung S. 12) - nicht etwa "Bestimmungen üben den Lärmschutz ... mißbraucht werden", die Neuregelung dient vielmehr nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs unter Berücksichtigung der absehbaren Verkehrsentwicklung dem Lärmschutz der Bevölkerung. Daß sich dies im Rahmen des § 6 Abs. 2 Satz 1 LuftVG hält, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß es sich bei den ausgeschlossenen lauten Flugzeugmustern um solche mit einer Lärmzulassung nach ICAO Kapitel 3 handelt; denn es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, daß solche Flugzeuge auf jedem Flughafen auch zur Nachtzeit starten und landen dürften."

An dieser Auffassung hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest, zumal die Klägerinnen in ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 12. Mai 1998 insoweit keine neuen Aspekte aufgezeigt haben.

5. Ferner stellt die Beschwerde die Frage: "Müssen sich Luftfahrtgesellschaften bei der Berechnung von Übergangsfristen bei der Einführung neuer Nachtflugbeschränkungen entgegenhalten lassen, sie hätten sich nicht erst seit Erlaß des Bescheides auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen können, sondern aufgrund von Gesprächen mit den zuständigen Ministerien bereits Jahre zuvor, obwohl in dem späteren Anhörungsverfahren verschiedene Modelle zur Neuregelung zur Diskussion gestellt worden sind?"

Einen Klärungsbedarf hinsichtlich dieser Frage hat der Senat in seinem Beschluß vom 7. April 1998 mit folgenden Erwägungen verneint:

"Diese Frage entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung. Sie betrifft die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes auf die Verhältnisse des Einzelfalls. Es ist ohne weiteres möglich, daß ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen schon vor Erlaß einer belastenden Nachtflugregelung deswegen entfällt, weil der Betroffene aufgrund von Vorgesprächen mit dem Ausschluß seiner Flugzeugmuster vom Nachtbetrieb langfristig rechnen mußte. Ob dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen ab, die das Tatsachengericht zu würdigen hat."

In ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 12. Mai 1998 geben die Klägerinnen insoweit zu bedenken, daß die Schaffung einer neuen Flugzeugklasse der "Bonusflugzeuge" im Widerspruch zu zahlreichen internationalen Übereinkünften stehe. Vor diesem Hintergrund bedürfe es der revisionsgerichtlichen Klärung, ob es zulässig sei, aus Gründen des Lärmschutzes Betriebsbeschränkungen zu erlassen, die Flugzeugmuster einer bestimmten (Lärmzertifizierungs-)Klasse unterschiedlich beträfen. Sie - die Klägerinnen - hätten darauf vertrauen dürfen, daß Neuregelungen immer nur alle Flugzeugmuster einer Flugzeugklasse - hier Kapitel 3 - betreffen würden, weil bis dato immer so verfahren worden sei.

Der Senat ist der Auffassung, daß die von den Klägerinnen aufgeworfene Frage sich auch unter dem jetzt von ihnen zur Sprache gebrachten Aspekt in einem Revisionsverfahren nicht einer weiteren Klärung zuführen lassen würde. Zunächst ist klarzustellen, daß der Verwaltungsgerichtshof nicht darüber entschieden hat, ob Nachtflugbeschränkungen auf der Grundlage der Bonusliste generell ICAO-konform wären. Ebensowenig ist der Nichtzulassung der Revision durch den beschließenden Senat eine entsprechende Aussage zu entnehmen. In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgerichtshof hält es der Senat vielmehr für streitentscheidend, ob die Klägerinnen, obwohl sie im Nachtflugverkehr am Flughafen Nürnberg seit Jahren die im dortigen Flugzeugmix lautesten Flugzeugtypen einsetzten (UA S. 18), darauf vertrauen konnten, dies auch zukünftig tun zu dürfen. In dem angefochten Urteil wird diese Frage in Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles verneint (UA S. 21). Die Frage, ob das ICAO-Abkommen (vgl. Beitrittsgesetz vom 7. April 1956 - BGBl II S. 411 -) einen Vertrauensschutz der Klägerinnen begründen kann, wird darin zwar nicht angesprochen, weil ihr damaliger Klagevortrag nicht in diese Richtung zielte. Einen Rechtssatz des Inhalts, daß Luftfahrtunternehmen, die Flugzeuge nach Kapitel 3 einsetzen, nicht vom Nachtflugbetrieb eines Flughafens ausgeschlossen werden dürfen, solange dort andere Flugzeuge dieser Klassifizierung nachts starten und landen dürfen, gibt es aber nicht. Dementsprechend ist eine Änderung der bisherigen Praxis, sämtliche Flugzeuge nach Kapitel 3 nachts starten und landen zu lassen, unter Beachtung der rechtsstaatlichen Erfordernisse des Vertrauensschutzes zulässig. Die Frage, ob diesen Erfordernissen genügt worden ist, hängt wiederum von einer Würdigung derjenigen Umstände des Einzelfalles ab, mit denen sich das angefochtene Urteil befaßt hat. Welche weitergehende Klärung insoweit die Zulassung der Revision ermöglichen soll, zeigen die Klägerinnen nicht auf.

6. Schließlich messen die Klägerinnen der Frage grundsätzliche Bedeutung bei: "Verstoßen die Nachtflugbestimmungen, die die Bonusliste in Bezug nehmen, gegen EG-rechtliche Bestimmungen, hier gegen die EG-Verordnung Nr. 2408/92 des Rates vom 23.07.1992 über den Zugang zu Strecken in der Gemeinschaft im Linienflug- und im Gelegenheitsflugverkehr sowie gegen Bestimmungen des freien Warenverkehrs (Art. 30 ff. EG-Vertrag) sowie des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 59 ff. EG-Vertrag)?"

In seinem Beschluß vom 7. April 1998 hat der Senat den Klägerinnen insoweit entgegengehalten, es fehle an einer substantiierten Darlegung, inwiefern die bloße Nachtbetriebsbeschränkung eines Flughafens den zitierten Vorschriften des EG-Rechts widersprechen solle. Die Klägerinnen haben daraufhin in ihrer ergänzenden Beschwerdebegründung vom 12. Mai 1998 Ausführungen gemacht, die im wesentlichen Gedanken wieder aufgreifen, die in der Klagebegründung der Klägerin zu 2 vom 31. Juli 1997 enthalten waren. Es mag dahinstehen, ob damit den Erfordernissen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt worden ist. Jedenfalls vermag auch dieser Vortrag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu rechtfertigen.

Was die Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 (ABl Nr. L 240 vom 24. August 1992) angeht, ist zweifelhaft, ob der darin geregelte Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs von einer Nachtflugregelung, wie sie in dem Bescheid vom 24. März 1997 getroffen worden ist, überhaupt berührt wird. Denn die Klägerin zu 2 behält weiterhin das Recht, auf einem Flugdienst Fracht und Post zwischen dem Flughafen Nürnberg und anderen Flughäfen der Gemeinschaft zu befördern (vgl. Art. 2 Buchst. f der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92), und zwar auch zur Nachtzeit. Zumindest kann - entgegen der Auffassung der Klägerinnen - von einer spezifischen Krisenmaßnahme im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 (vgl, dazu Basedow/Dolfen in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand: April 1997, Rn. L 315) nicht die Rede sein. Vielmehr ist hier Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 einschlägig, der klarstellt, daß die Ausübung von bestehenden Verkehrsrechten "den veröffentlichten gemeinschaftlichen, einzelstaatlichen, regionalen oder örtlichen Vorschriften in den Bereichen Sicherheit, Umweltschutz und Zuweisung von Start- und Landezeiten" unterliegt. Danach enthält die den Luftverkehrsunternehmen gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 erteilte Genehmigung, Verkehrsrechte auf Strecken in der Gemeinschaft auszuüben, keine Freistellung von dem innerstaatlichen Umweltschutzrecht. Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang meinen, der hier angeordnete Ausschluß bestimmter Flugzeugtypen vom Nachtbetrieb diene nicht der Durchsetzung des für Flughäfen geltenden Lärmschutzrechts, kann ihnen - aus den bereits dargelegten Gründen - nicht gefolgt werden.

Ein Verstoß gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs gemäß Art. 30 EGV liegt ersichtlich schon deswegen nicht vor, weil die Klägerinnen auf dem Verkehrssektor tätige Dienstleistungsunternehmen (vgl. Art. 61 Abs. 1 EGV) sind. Auch haben die Klägerinnen nicht dargelegt, warum eine "Maßnahme gleicher Wirkung", die im Sinne von Art. 30 EGV einer Einfuhrbeschränkung für Waren gleichkommt, gegeben sein sollte. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (vgl. Art. 59, 60 EGV) kommt ebenso nicht näher in Betracht, weil die beanstandete Nachtflugregelung keine Schlechterbehandlung von EG-Ausländern beinhaltet und nach den - für das Revisionsgericht bindenden - Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs aus Gründen des Lärmschutzes unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit notwendig ist.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 5 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück