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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.12.1997
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 3.97
Rechtsgebiete: AtG, StrlSchV, VwGO, ZPO


Vorschriften:

AtG § 6
AtG § 7 Abs. 2 Nr. 3
StrlSchV § 28 Abs. 1 Nr. 2
StrlSchV § 44
StrlSchV § 45
VwGO § 98
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:

1. Für die Frage, ob ein Kläger durch die Zulassung bestimmter Strahlendosen in seinen Rechten verletzt wird, kommt es sowohl im Rahmen des § 45 StrlSchV (vgl. BVerwGE 61, 256 <268>) wie auch im Rahmen des § 44 StrlSchV darauf an, ob die Dosisgrenzwerte an seinem Wohn-, Arbeits- oder Aufenthaltsort überschritten werden.

2. Ein Sachverständiger kann im Verwaltungsrechtsstreit nicht schon deshalb nach § 406 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO, § 54 Abs. 2 VwGO wegen Befangenheit abgelehnt werden, weil er bereits im vorausgehenden Verwaltungsverfahren eine gutachtliche Stellungnahme abgegeben hat. Dies gilt auch dann, wenn der Sachverständige als Bediensteter demselben Rechtsträger wie die am Rechtsstreit beteiligte Behörde angehört.

Beschluß des 11. Senats vom 30. Dezember 1997 - BVerwG 11 B 3.97

I. OVG Lüneburg vom 02.09.1996 - Az.: OVG 7 K 4357/95


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 B 3.97 OVG 7 K 4357/95

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. Dezember 1997 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Bonk und Dr. Storost

beschlossen:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. September 1996 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Rechtsgrundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dann zu, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine einzelfallübergreifende, bisher revisonsgerichtlich noch nicht geklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung in einem Revisionsverfahren erheblich wäre und deren Klärung im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

Die Beschwerde beanstandet die Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts, wonach es im Rahmen des § 44 StrlSchV für die Frage, ob die Kläger durch die Zulassung bestimmter Strahlendosen in ihren Rechten beeinträchtigt werden, nicht auf das Maß der Direktstrahlung am äußeren oder inneren Anlagenzaun, sondern auf die Strahlendosen ankommt, von denen sie an ihrem Wohnsitz oder an anderen Orten betroffen werden, an denen sie sich gewöhnlich aufhalten. Diese Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und bedarf daher keiner Prüfung in einem Revisionsverfahren. § 44 StrlSchV enthält wie § 45 StrlSchV normativ festgesetzte ortsbezogene Dosisgrenzwerte (vgl. Kramer/Zerlett, StrlSchV, 3. Aufl., 1990, Vorbem. II b) bb), zu §§ 44 bis 48, S. 187). Die Funktion solcher normativer Festlegungen besteht darin, das für die Einzeldosis höchstzulässige Maß einer Strahlenexposition und damit die Grenze festzulegen, jenseits derer das für die betroffene Einzelperson hinzunehmende Restrisiko beginnt (vgl. Urteil vom 22. Dezember 1980 - BVerwG 7 C 84.78 BVerwGE 61, 256 <267>). In eigenen Rechten werden die Kläger nur verletzt, wenn die Dosisgrenzwerte an einem für sie bedeutsamen Standort überschritten werden, also an ihrem "Wohn-, Arbeits- oder Aufenthaltsort" (vgl. BVerwGE 61, 256 <268>). Das gilt sowohl für die in § 45 wie für die in § 44 StrlSchV festgelegten Grenzwerte ungeachtet der Unterschiede, die im übrigen zwischen den beiden Normen bestehen.

Die Beschwerde wirft ferner sinngemäß die Frage auf, ob Dritte trotz des Minimierungsgebots des § 28 StrlSchV im Rahmen einer Änderungsgenehmigung eine drastische oder sogar willkürliche Erhöhung der Aktivitätsabgaben hinnehmen müssen. Diese Frage läßt sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres bereits jetzt dahin beantworten, daß das in § 28 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV enthaltene und in § 46 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV wiederholte Strahlenminimierungsgebot keinen Drittschutz vermittelt. Dritte werden nur vor einer die Dosisgrenzwerte überschreitenden Strahlenexposition geschützt, nicht vor Veränderungen im Bereich des Restrisikos (vgl. BVerwGE 61, 256 <267 f.>).

Auch die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen nach der Auslegung des § 6 AtG rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Die Frage, wie der Begriff des "Bedürfnisses" in § 6 Abs. 2 AtG auszulegen ist, ist dahin zu beantworten, daß ein Bedürfnis für ein externes Zwischenlager dann besteht, wenn dies unter den gegebenen tatsächlichen Umständen erforderlich, d.h. vernünftigerweise geboten ist. Das ist nach § 86 Satz 1 Halbsatz 1 StrlSchV der Fall, wenn nach § 81 StrlSchV abzuliefernde radioaktive Abfälle bis zur Inbetriebnahme von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und Endlagerung zwischenzulagern sind und ausreichende Kapazitäten für eine "interne" Zwischenlagerung in den Brennelementbecken der Kernkraftwerke so lange nicht gewährleistet erscheinen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis bejaht. Mit dem Vorbringen, bei den Kernkraftwerken seien genügend Lagerkapazitäten vorhanden, wendet sich die Beschwerde allein gegen die anderslautende tatsächliche Feststellung der Vorinstanz. Revisionsgerichtlich nachprüfbare Fehler sind hierzu nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise vorgebracht.

Die weitere Frage der Beschwerde, ob bei verfassungskonformer Auslegung des § 6 Abs. 1 AtG eine landesrechtliche Baugenehmigung für das Zwischenlager ausreicht, läßt sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls bereits jetzt ohne weiteres beantworten. Danach ist nach dem geltenden Recht für die Schaffung eines externen Zwischenlagers, in dem bestrahlte Brennelemente aus Kernkraftwerken vorübergehend außerhalb staatlicher Verwahrung aufbewahrt werden sollen, keine atomrechtliche Errichtungsgenehmigung erforderlich. Bundesrecht schließt es nicht aus, daß für ein Gebäude zur Lagerung von Kernbrennstoffen eine landesrechtlich geregelte Baugenehmigung erteilt wird, weil der Schutz Dritter vor den nuklearspezifischen Gefahren der Zwischenlagerung im Genehmigungsverfahren für den Betrieb des Zwischenlagers nach § 6 AtG ausreichend gewährleistet ist (vgl. Urteil vom 11. Mai 1989 - BVerwG 4 C 1.88 - BVerwGE 82, 61). Ein gegenteiliger Rechtssatz läßt sich entgegen der Meinung der Beschwerde dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 1988 - 1 BvR 1561/82 (BVerfGE 77, 381) nicht entnehmen.

Auch die Fragen der Beschwerde nach der Abgrenzung der Regelungsaufgaben der Genehmigungsbehörde und der Aufsichtsbehörde führen nicht auf einen Zulassungsgrund wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Im Urteil des beschließenden Senats vom 22. Januar 1997 - BVerwG 11 C 7.95 (Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 4) ist entschieden, daß das atomrechtliche Genehmigungs- und das Aufsichtsverfahren grundsätzlich getrennte Verfahren sind. In den Katalog der Genehmigungsvoraussetzungen kann hiernach kein ungeschriebener Tatbestand einer (zusätzlichen) "aufsichtlichen Vorsorge" hineingelesen werden; ebensowenig ist es zulässig, das Gebot der Schadensvorsorge nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG im Wege einer erweiternden Interpretation auf aufsichtliche Fragestellungen zu erstrecken; denn das Aufsichtsverfahren wird von speziellen Regelungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 bis 5, § 19 AtG) gesteuert, die vom Entscheidungsprogramm des Genehmigungsverfahrens abweichen (Urteil vom 22. Januar 1997, a.a.O. S. 33 f.). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, wo die Grenze zwischen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren verläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und läßt sich nicht abstrakt für alle denkbaren Fallkonstellationen beantworten.

Die Zulassung der Revision kommt ferner nicht zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage in Betracht, ob sich eine deutsche Aufsichtsbehörde zur Ausführung ihrer Kontrollaufgaben - in bezug auf die hier verwendeten Glaskokillen - auf "ausländische Kontrollinstanzen verlassen" darf. Die Beschwerde führt selbst aus, daß das Oberverwaltungsgericht diese Rechtsfrage "als solche gar nicht erkannt" habe; tatsächlich sind dem anzufechtenden Urteil insoweit auch keine Ausführungen von allgemeiner, d.h. über den Einzelfall hinausweisender Bedeutung zu entnehmen. Hinzu kommt, daß das Oberverwaltungsgericht unabhängig von jener Frage die entsprechenden Rügen der Kläger auch schon deshalb für unerheblich gehalten hat, weil es an einer plausiblen Darlegung von Ereignisabläufen fehle, die - Fehler des Glasprodukts unterstellt - zu einer Verletzung von Rechten der Kläger führen könnten. Unter diesen Umständen wäre die von den Klägern aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden.

Auf die von der Beschwerde sinngemäß für notwendig gehaltene Klärung der Frage, wie der Begriff der "Aktivitätsabgabe" in § 4 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 AtVfV zu verstehen ist und ob insoweit § 44 oder § 45 StrlSchV anzuwenden ist, kann die Zulassung der Revision schon deshalb nicht gestützt werden, weil das Oberverwaltungsgericht eine Aufhebung der Genehmigung wegen der insoweit streitigen Verletzung von Vorschriften über die (erneute) Öffentlichkeitsbeteiligung jedenfalls deshalb verneint hat, weil ein solcher Fehler allenfalls zu einer Erleichterung der Darlegungslast der Kläger führen könne. Gegen diese selbständig tragende Begründung haben die Kläger keinen Revisionszulassungsgrund vorgebracht.

Eine Zulassung der Revision ist schließlich nicht zur Klärung der Frage gerechtfertigt, unter welchen Bedingungen atomrechtliche Genehmigungen "für eine Übergangszeit nebeneinander wirksam sein dürfen". Ein solcher Fall liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat die hier streitige "Übergangsregelung" des Änderungsbescheids dahin ausgelegt, daß die frühere Genehmigung ihre Wirksamkeit verliert, sobald die neue Genehmigung bestandskräftig wird (UA S. 23), und daß seit dem Wirksamwerden der Vollzugsanordnung nur noch die neue Genehmigung Anwendung findet (UA S. 24). Diese Auslegung läßt einen revisionsgerichlich überprüfbaren Verstoß weder gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze (§ 133 BGB) noch gegen § 43 Abs. 2 VwVfG erkennen. Die damit getroffene Regelung ist im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG auch hinreichend bestimmt; denn dafür reicht es aus, wenn der Wille der Behörde für die Beteiligten des Verfahrens, in dem der Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen ergeht, unzweideutig erkennbar, einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht (mehr) zugänglich ist und der Vorhabenträger erkennen kann, was von ihm gefordert wird (vgl. Beschlüsse vom 27. Juli 1982 - BVerwG 7 B 122.81 - Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 1 und vom 22. April 1996 - BVerwG 11 B 123.95 - NVwZ-RR 1997, 278).

2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) besteht nicht.

Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten entscheidungserheblichen Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt ist (vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 und vom 30. März 1995 - BVerwG 11 B 29.95 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 196). Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in dieser Hinsicht, daß die sich widersprechenden Rechtssätze angegeben werden (vgl. Beschluß vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32; stRspr).

Die von der Beschwerde gerügte Abweichung von dem Urteil des beschließenden Senats vom 21. August 1996 - BVerwG 11 C 9.95 - (BVerwGE 101, 347) liegt nicht vor. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß ein Kläger auch dann klagebefugt ist, wenn er substantiiert geltend macht, er sei beim Normalbetrieb eines Kernkraftwerks einem unzumutbaren Risiko ausgesetzt, weil die Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV die Grenze der gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG erforderlichen Schadensvorsorge aufgrund neuerer Erkenntnisse nicht mehr zutreffend konkretisierten. Ein davon abweichender Rechtssatz läßt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, daß das Oberverwaltungsgericht die Klagebefugnis der Kläger insgesamt bejaht und die Begründetheit ihrer Klage vollinhaltlich geprüft hat. Eine Divergenz i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ferner auch deshalb nicht vor, weil sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 1996 (a.a.O.) auf eine aus § 45 StrlSchV abzuleitende Klagebefugnis bezieht, den von der Beschwerde für bedeutsam gehaltenen § 44 StrlSchV aber nicht erwähnt.

Entsprechendes gilt für den dem angezogenen Urteil entnommenen Rechtssatz, bei einem Änderungsvorhaben beziehe sich die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen auch auf diejenigen Anlagenteile und Verfahrensschritte der genehmigten Anlage, auf die sich die Änderung auswirkt. Einen dem widersprechenden Rechtssatz aus dem anzufechtenden Urteil hat die Beschwerde nicht angegeben. Die zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 AtG vom Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung, in dem dieser Vorschrift zu entnehmenden Fehlen einer atomrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit der Errichtung des Lagergebäudes liege kein Sicherheitsdefizit, weil die in bezug auf die baulichen Anlagen sicherheitsrelevanten Fragen auch in einem Baugenehmigungsverfahren geprüft werden könnten, hat mit dem Gegenstand des angezogenen Urteils offensichtlich nichts zu tun.

3. Auch die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.

Die Rüge der Beschwerde, der Vorsitzende des erkennenden Senats des Oberverwaltungsgerichts habe in der mündlichen Verhandlung die Beantwortung einer Frage des Sachbeistandes der Kläger an Dr. D. von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung zu Unrecht als nicht sachdienlich abgelehnt, greift nicht durch. Nach § 97 Satz 2 VwGO können die Beteiligten an Zeugen und Sachverständige Fragen stellen. Wird eine Frage vom Vorsitzenden beanstandet, so kann nach § 97 Satz 3 VwGO eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt werden. Davon haben die anwaltlich vertretenen Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts keinen Gebrauch gemacht. Sie haben damit ihr Rügerecht nach § 173 VwGO i.V.m. § 295 ZPO verloren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. August 1988 - BVerwG 4 B 153.88 - Buchholz 303 § 295 ZPO Nr. 8 und vom 8. Dezember 1988 - BVerwG 9 B 388.88 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 35; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, § 97 Rn. 5).

Die Beschwerde macht sodann geltend, das Oberverwaltungsgericht habe hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 8 gegen den Rechtssatz (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 11. Januar 1988 - BVerwG 4 B 256.87 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 20) verstoßen, daß Amtsträger, die bereits im Verwaltungsverfahren mitgewirkt hätten, keine amtliche Auskunft erteilen dürften, die einen Zeugenbeweis ersetzen solle; nach dem Beweisthema hätte das Oberverwaltungsgericht Dr. D. daher als Zeugen vernehmen müssen. Auch diese Rüge scheitert an § 295 ZPO. Der Beweisantrag Nr. 8 der Kläger war ausdrücklich auf die "Einholung einer Auskunft der Bundesanstalt für Materialprüfung" gerichtet. Zwar widersprachen die anwaltlich vertretenen Kläger in der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht der Anhörung des Dr. D. mit der Begründung, er sei bereits als Sachbeistand der Beklagten aufgetreten und außerdem als Sachverständiger im Genehmigungsverfahren tätig gewesen. Sie machten aber nicht geltend, daß seine Vernehmung als Zeuge geboten sei.

Die Beschwerde rügt ferner zu Unrecht, Dr. D. hätte vom Gericht nicht als Sachverständiger vernommen werden dürfen, weil er als Bediensteter der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung an gutachtlichen Stellungnahmen, die auch in dem hier streitigen Genehmigungs(änderungs)verfahren verwendet worden sind, bereits im Verwaltungsverfahren mitbeteiligt gewesen sei. Auch insoweit liegt ein Verfahrensfehler nicht vor.

Nach § 86 Abs. 1 VwGO ergibt sich für das Tatsachengericht eine Rechtspflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips bis zur Grenze des Zumutbaren zu versuchen (vgl. etwa BVerwGE 71, 38 <41>). Welche Beweiserhebungen es für seine Entscheidung im Einzelfall für erforderlich hält, richtet sich - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - nach den Umständen des Einzelfalls. Daher kann das Tatsachengericht nach §§ 96 ff. VwGO insbesondere Zeugen und sachverständige Zeugen vernehmen, Sachverständige anhören und von ihnen erstellte Gutachten gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO erläutern lassen. Im Rahmen von § 99 VwGO sind ferner alle Behörden zur Aktenvorlage und Erteilung von Auskünften verpflichtet. In welcher Eigenschaft eine Person vor Gericht aussagt, hängt von den jeweiligen Umständen und dem Inhalt der von ihr zu bekundenden Vorgänge ab. Aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts und dem Protokoll über seine mündliche Verhandlung ergibt sich, daß Dr. D. als Angehöriger der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung im Zusammenhang (auch) mit der Bauartzulassung der hier verwendeten Transportbehälter im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben nach § 9 Abs. 3 Nr. 3 der Gefahrgutverordnung Eisenbahn i.d.F. vom 10. Juni 1991 (BGBl I S. 1224) Prüfungen vorgenommen und gutachtliche Stellungnahmen (mit)verfaßt hat, die auch im hier streitigen Verfahren verwertet worden sind. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß sich ein Tatsachengericht ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht bei seiner Entscheidung grundsätzlich auch auf gutachtliche Stellungnahmen anderer Behörden stützen kann, und zwar auch dann, wenn sie von der federführenden Behörde bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden (vgl. BVerwGE 69, 70 <73>; 74, 222 <223 f.>; Beschluß vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268). Es steht ferner im Ermessen des Gerichts, sich solche gutachtlichen Stellungnahmen erläutern zu lassen und zusätzliche Fragen zu stellen (BVerwGE 18, 216 <217>). Die Regelung in § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO, § 54 Abs. 2 VwGO ist auf derartige gutachtliche Stellungnahmen nicht anwendbar. Ein Ablehnungsgrund besteht nur dann, wenn in der vernommenen Amtsperson individuelle Umstände vorliegen, die bei einem außerhalb der Behörde stehenden Sachverständigen Anlaß zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit geben würden (vgl. Beeschlüsse vom 22. Februar 198 - BVerwG 7 B 28.88 - Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 11 und vom 2. März 1995 - BVerwG 5 B 26.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 267; Kopp, VwGO, 10. Aufl. 1994, § 98 Rn. 15 a und 17; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., 1998, § 406 Rn. 3 und 35; Zöller, ZPO, 20. Aufl. 1997, § 406 Rn. 9). Das gilt auch dann, wenn der betreffende Bedienstete demselben Rechtsträger wie die am Rechtsstreit beteiligte Behörde angehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1991 - BVerwG 8 C 11.90 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 40; Beschluß vom 2. März 1995, a.a.O.). Solche auf spezielle Umstände gestützten Befangenheitsgründe in bezug auf Dr. D. sind von den Klägern weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Ein rechtserheblicher Verfahrensverstoß liegt entgegen der Meinung der Beschwerde schließlich nicht darin, daß Dr. D. zur mündlichen Verhandlung nicht vorher und schriftlich nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 377, 402 ZPO als Sachverständiger geladen worden ist. Wenn dies nach ihrer Auffassung unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs fehlerhaft war, hätten die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Kläger Vertagung der mündlichen Verhandlung oder Gewährung einer Schriftsatzfrist beantragen können. Das ist ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht geschehen. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn der Betroffene oder sein Vertreter von den ihm in der mündlichen Verhandlung zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, keinen Gebrauch macht (vgl. BVerwGE 19, 231 <237>; Beschlüsse vom 3. Dezember 1979 - BVerwG 2 B 16.78 - NJW 1980, 1972 und vom 31. August 1988 - BVerwG 4 B 153.88 - NJW 1989, 601; Kopp, a.a.O., § 138 Rn. 19).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 GKG (vgl. hierzu den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 1996 - , Abschnitt II Nr. 4.2 i.V.m. Nr. 1.2.2., NVwZ 1996, 563), § 5 ZPO.



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