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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.02.2000
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 39.99
Rechtsgebiete: BauGB
Vorschriften:
BauGB § 131 Abs. 3 |
Es ist den Gemeinden bundesrechtlich nicht verwehrt, bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes in unbeplanten bebauten Gebieten einen Artzuschlag für gewerblich genutzte Grundstücke an die vorhandene tatsächliche - und nicht an die zulässige - Nutzung zu knüpfen. Dies gilt auch dann, wenn die vorhandene tatsächliche Nutzung planungsrechtlich nicht mehr genehmigungsfähig wäre und nur noch Bestandsschutz genießt.
Es verstößt nicht gegen Bundesrecht, wenn eine Satzungsbestimmung ein nur zu einem kleinen Teil gewerblich genutztes und im übrigen ungenutztes Grundstück im vollen Umfang seiner innerhalb der satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung liegenden Fläche mit einem Artzuschlag für gewerbliche Nutzung belegt.
Beschluß des 11. Senats vom 4. Februar 2000 - BVerwG 11 B 39.99 -
I. VG Köln vom 11.11.1993 - Az.: VG 7 K 3983/92 - II. OVG Münster vom 21.04.1999 - Az.: OVG 3 A 954/94 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 11 B 39.99 OVG 3 A 954/94
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 4. Februar 2000 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Kipp und Vallendar
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. April 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 33 616,60 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet. Die für die Zulassung der Revision allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Diese Voraussetzung liegt nur dann vor, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Daran fehlt es hier.
1. Die von der Beschwerde zunächst als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob die gesamte Grundstücksfläche mit dem Artzuschlag für gewerbliche Nutzung belegt werden darf, wenn die vorhandene gewerbliche Nutzung planungsrechtlich unzulässig (geworden) ist und nur noch Bestandsschutz genießt, knüpft daran an, daß das Berufungsgericht der im vorliegenden Fall einschlägigen Erschließungsbeitragssatzung im Wege der Auslegung eine entsprechende Regelung entnommen und diese für mit den dem Ortsgesetzgeber durch § 131 Abs. 3 BauGB gezogenen Grenzen vereinbar gehalten hat. Im Revisionsverfahren könnte insoweit gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nur geprüft werden, ob das Berufungsurteil damit den Inhalt des § 131 Abs. 3 BauGB verkannt hat, weil eine so ausgelegte Verteilungsregelung der Satzung mit dieser Vorschrift des Bundesrechts unvereinbar wäre. Das rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich bereits ausreichend geklärt, daß es den Gemeinden bundesrechtlich nicht verwehrt ist, bei einem Artzuschlag für gewerblich genutzte Grundstücke in unbeplanten bebauten Gebieten auf die vorhandene tatsächliche - und nicht auf die zulässige - Nutzung abzustellen (vgl. BVerwGE 38, 147 <149>; 42, 17 <19>; 57, 240 <251 f.>; 62, 308 <312>; Urteil vom 14. Dezember 1979 - BVerwG 4 C 23.78 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 30 S. 56 f.). Das Beschwerdevorbringen gibt keine Veranlassung, diese ständige Rechtsprechung, die den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit berücksichtigt, in Frage zu stellen. Da der größere Erschließungsvorteil gewerblich genutzter Grundstücke überhaupt nur grob zu erfassen ist, wäre eine weitere Differenzierung nach dem Grund der Zulässigkeit der vorhandenen Gewerbenutzung eine Überspannung des Vorteilsprinzips, die Praktikabilität und Überschaubarkeit des Heranziehungsverfahrens unangemessen gefährden würde (vgl. BVerwGE 57, 240 <245 f.>).
2. Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage, ob die gewerbliche Nutzung schon dann "überwiegt", wenn sie die einzige Nutzung ist, auch wenn sie nur auf einer geringfügigen Teilfläche des Grundstücks stattfindet, könnte im Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil sie sich auf die Auslegung der einschlägigen Erschließungsbeitragssatzung durch das Berufungsgericht und damit auf irrevisibles Recht bezieht.
Versteht man die Beschwerde in diesem Zusammenhang dahin gehend, daß sie die Frage geklärt wissen will, ob es gegen Bundesrecht verstößt, daß aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung ein nur zu einem kleinen Teil gewerblich genutztes und im übrigen ungenutztes Grundstück im vollen Umfang seiner innerhalb der satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung liegenden Fläche mit einem Artzuschlag für gewerbliche Nutzung belegt werden darf, so rechtfertigt auch dies nicht die Zulassung der Revision. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Frage zu verneinen, so daß es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf.
§ 131 Abs. 3 BauGB räumt dem Ortsgesetzgeber für die Berücksichtigung der Nutzungsart im Verteilungsmaßstab ein weitgehendes Bewertungsermessen ein. Die Ausübung dieses Ermessens ist zwar durch die Grundsätze des Willkürverbots, der Verhältnismäßigkeit und des Vorteilsprinzips eingeschränkt (BVerwGE 62, 300 <302>). Die dadurch gezogenen Grenzen sind jedoch nicht überschritten, wenn eine Verteilungsregelung erhebliche, hinreichend abgrenzbare Unterschiede der baulichen oder sonstigen Nutzung in typischen Fallgruppen angemessen vorteilsgerecht und zugleich in der Weise erfaßt, daß das Heranziehungsverfahren praktikabel und überschaubar bleibt (BVerwGE 57, 240 <246>). Die ausschließliche Anknüpfung des Artzuschlags an tatsächlich verwirklichte Nutzungen unter Nichtberücksichtigung ungenutzter Grundstücksteile hält sich in diesem Rahmen. Denn durch die Einbeziehung ungenutzter Grundstücksteile, für die gerade keine Art der baulichen oder sonstigen Nutzung festgestellt werden kann und die daher auch für die Bewertung des größeren oder kleineren Erschließungsvorteils des betreffenden Grundstücks im Verhältnis zu anderen Grundstücken ohne eigene Aussagekraft sind, würde die Unterscheidung zwischen gewerblicher/industrieller und anderer Nutzung, die bei der durch § 131 Abs. 3 BauGB gebotenen Differenzierung nach der Art der Nutzung mindestens gegeben sein muß, erheblich relativiert. Da es in der Regel unmöglich ist, jene Grundstücksteile einer auf dem Grundstück verwirklichten Nutzungsart eindeutig zuzuordnen, käme es zudem in vielen Fällen zu unangemessenen Abgrenzungsschwierigkeiten, so daß auch insoweit die Praktikabilität und Überschaubarkeit des Heranziehungsverfahrens nicht mehr gewährleistet wäre.
3. Die von der Beschwerde schließlich gestellte Frage, ob der Artzuschlag für gewerbliche Nutzung (erst recht) unzulässig ist, wenn auf dem weit überwiegenden Teil des Grundstücks die gewerbliche Nutzung nie stattfinden wird, weil sie planungsrechtlich unzulässig ist, ist nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls ohne weiteres zu verneinen. Erlaubt es das Bundesrecht, typisierend auf die vorhandene tatsächliche - und nicht auf die zulässige - Nutzung abzustellen und dabei ungenutzte Grundstücksteile unberücksichtigt zu lassen, so kommt es auf die Frage, welche Nutzung auf diesen Grundstücksteilen zulässig wäre, unter keinem Gesichtspunkt an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 2, § 14 GKG.
Ende der Entscheidung
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