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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.04.1998
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 40.97
Rechtsgebiete: LuftVG
Vorschriften:
LuftVG § 15 | |
LuftVG § 17 |
Der unbestimmte Rechtsbegriff der "ähnlichen Bodenvertiefung" in § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ist unter dem Gesichtspunkt des Luftfahrthindernisses im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftVG zu interpretieren. Auch Ackerfurchen können darunter fallen.
Beschluß des 11. Senats vom 8. April 1998 - BVerwG 11 B 40.97 -
I. VG München vom 28.3.1996 - Az.: VG M 17 K 94.6187 - II. VGH München vom 12.8.1997 - Az.: VGH 20 B 96.1946 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 11 B 40.97 VGH 20 B 96.1946
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. April 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele und Kipp
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. August 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Sie wirft keine Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Eine solche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die vorinstanzliche Entscheidung eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (BVerwGE 13, 90 <91>). Dies ist nicht der Fall.
a) Zur Beantwortung der Fragen, ob "das Wort 'ähnlich' eine eigene Bedeutung als Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 1 Satz 2 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) (hat), nach welchen Kriterien bejahendenfalls diese Ähnlichkeit zu Gruben und Anlagen der Kanalisation zu bemessen (ist)" und ob "Kartoffelfurchen eine derartige ähnliche Bodenvertiefung und damit ein Luftfahrthindernis i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 LuftVG sein (können)", bedarf es keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens. Diese Fragen können ohne weiteres aufgrund des Luftverkehrsgesetzes beantwortet werden, und zwar im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts.
Nach § 17 Satz 2 LuftVG sind § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 und Abs. 4 sowie die §§ 13, 15 und 16 sinngemäß auf den in § 17 Satz 1 näher bezeichneten "beschränkten Bauschutzbereich" anzuwenden. Das bedeutet unter anderem, daß eine Baugenehmigung oder eine nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigung etwa für eine der in § 15 Abs. 1 LuftVG genannten Maßnahmen nur mit Zustimmung der Luftfahrtbehörde erteilt werden darf. Unterliegt eine Baumaßnahme weder einer baurechtlichen noch einer sonstigen Genehmigungspflicht, so ist eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung der Luftfahrtbehörde erforderlich (§ 15 Abs. 2 Satz 3 LuftVG). Dieser luftverkehrsrechtliche Zustimmungs- bzw. Genehmigungsvorbehalt dient ebenso wie die in § 16 Abs. 1 LuftVG geregelte Duldungspflicht der Eigentümer und anderer Berechtigter zur Wahrung der Sicherheit der Luftfahrt und zum Schutz der Allgemeinheit (vgl. § 12 Abs. 4 LuftVG). Das Luftverkehrsgesetz will sicherstellen, daß die für diese Rechtsgüter verantwortliche Fachbehörde die luftverkehrsrechtliche Entscheidung darüber trifft, ob Bauwerke oder andere Luftfahrthindernisse im Sinne des § 15 Abs. 1 LuftVG in bestimmten vom Luftverkehrsgesetz näher definierten Bereichen in der Umgebung des Flugplatzes zu genehmigen sind oder nicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht festgestellt hat, ist deshalb der unbestimmte Rechtsbegriff der "ähnlichen Bodenvertiefung" in § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftVG unter dem Gesichtspunkt des Luftfahrthindernisses zu interpretieren. Unter diesem Gesichtspunkt können aber auch Kartoffelfurchen eine "ähnliche Bodenvertiefung" wie etwa "Gruben" bilden (vgl. auch Hofmann/Grabherr, LuftVG, Stand November 1997, § 15 Rn. 2); denn sie sind nach den - den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) - tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zumindest dann, wenn sie nicht in Landerichtung verlaufen, geeignet, die "Gefahr des Überschlagens" des Flugzeugs bei verfrühtem Aufsetzen oder bei verspätetem Abheben herbeizuführen.
b) Auch die daneben als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Fragen, ob es der bei der Ermessensausübung von der Behörde zu beachtende Gleichheitsgrundsatz verbiete, das Gesetz in einzelnen Fällen mittels Duldungsbescheids durchzusetzen und gegen andere Luftfahrthindernisse ohne sachlichen Grund nicht einzuschreiten, und ob eine natürliche Bodenformation, etwa eine Senke, ein Luftfahrthindernis nach § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftVG sei, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Beide Fragen würden sich nämlich im Revisionsverfahren so nicht stellen.
Was die erste Frage betrifft, so ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die Behörde "ohne sachlichen Grund" gegen ein anderes Hindernis nicht eingeschritten wäre. Der Kläger nennt als solches Hindernis lediglich eine naturgegebene Bodensenke am östlichen Ende der Landebahn. Es liegt aber auf der Hand, daß es sich dabei um ein anders geartetes, schwerer zu beseitigendes Hindernis handelt, als es die streitige, für die Luftverkehrssicherheit abträgliche Ausrichtung der Ackerfurchen ist. Von einer willkürlichen Ungleichbehandlung, wie sie die zitierte Frage voraussetzt, könnte daher in einem Revisionsverfahren nicht ausgegangen werden: Es ist nicht sachwidrig, sondern im Sicherheitsinteresse angezeigt, wenn die Behörde wenigstens gegen den Gefahrenpunkt vorgeht, der sich leicht beseitigen läßt.
Aus diesem Grund käme es im Revisionsverfahren auch nicht auf die weitere Frage an, ob eine naturgegebene Bodensenke als Luftfahrthindernis im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftVG angesehen werden kann.
2. Die gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
a) Der Kläger meint zu Unrecht, die Berufungsentscheidung beruhe auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, daß die Gefährlichkeit der schräg zur Startbahn angelegten Kartoffelfurchen unter den Beteiligten unstreitig sei, und deshalb von einer Beweiserhebung über die Frage abgesehen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof nimmt Bezug auf seine im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Entscheidung und bezeichnet die Gefahr des Überschlagens eines Flugzeuges beim Aufsetzen auf quer oder diagonal verlaufende Ackerfurchen als sehr naheliegend, wobei die Verhältnisse sich gegenüber den im Eilverfahren zu beurteilenden Umständen noch ungünstiger darstellten. Davon ausgehend verzichtet die Vorinstanz auf die ihrer Auffassung nach kaum noch als notwendig anzusehende Beweisaufnahme zur Gefährlichkeit von Ackerfurchen, weil die Gefahr schräger Furchen unstreitig sei und der Kläger sogar parallele Furchen noch für gefährlich halte. Diese Würdigung des klägerischen Vortrags ist nicht zu beanstanden. Ein Verfahrensfehler kann deshalb nicht festgestellt werden:
In seiner Widerspruchsbegründung vom 15. Juli 1994 hat der Kläger ausgeführt:
"Es ist auch keineswegs so, daß eine Furchenausrichtung statt quer längs zur Landebahn eine Notlandung wesentlich sicherer machen würde. Bei einer angenommenen Furchentiefe von 50 cm müßte dafür gesorgt werden, daß die Furchen direkt auf Spurbreite der möglicherweise notlandenden Flugzeuge gebracht werden, da sonst bei Landung eine erhebliche Schräglage eintritt, die auch zum Überschlagen des Flugzeuges führen wird."
Das Berufungsgericht entnimmt dem als Position des Klägers, daß quer verlaufende Furchen eine Notlandung unsicher machten und daß dies sogar bei parallelen, 50 cm tiefen Furchen gelte. Es versteht den Vortrag zu Recht nicht dahin, daß der Kläger geltend machen wolle, die auf seinem Acker vorhandenen Furchen seien ungefährlich. Das Prozeßvorbringen des Klägers, das in der Beschwerdebegründung zitiert wird, steht dem nicht entgegen; denn es enthält nicht die Behauptung, die Kartoffelfurchen seien für landende Flugzeuge gefahrlos, sondern lediglich die These, sie seien weit weniger gefährlich als die in § 15 Abs. 1 Satz 2 LuftVG genannten Gruben und Kanalisationsanlagen. Auch die Beweisanregung auf Seite 15 der Berufungserwiderung ist nicht, wie die Beschwerdebegründung (S. 14) meint, darauf gerichtet, "ein Sachverständigengutachten zur Ungefährlichkeit der streitgegenständlichen Kartoffelfurchen einzuholen". Die betreffende Beweisanregung bezieht sich vielmehr auf die Umstände eines bestimmten Einzelfalls.
b) Schließlich sieht sich der Kläger in seinem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, weil der Verwaltungsgerichtshof entgegen seinem Vortrag unberücksichtigt gelassen habe, daß nur ein kleiner Teil seines Grundstücks in direkter Verlängerung zur Start- und Landebahn liege und deshalb die Forderung nach Beseitigung der Bodenvertiefungen auch auf der restlichen Grundstücksfläche unverhältnismäßig sei.
Auch dieser Verfahrensfehler liegt nicht vor. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs läßt sich in dieser Hinsicht nur feststellen, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, daß ein Vorbringen eines Beteiligten bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. z.B. BVerfGE 86, 133 <145 f.>). An solchen Umständen fehlt es hier. Das Berufungsgericht (BA S. 10) hat allgemein festgestellt, der Kläger werde - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend - nur insoweit in seiner Grundstücksnutzung beschränkt, als dies für die Sicherheit des Luftverkehrs unumgänglich sei. Diese Aussage dürfte sich auch auf den vom Kläger angesprochenen Aspekt der flächenmäßigen Ausdehnung der Beschränkung beziehen; denn das Berufungsgericht bezeichnet das Grundstück des Klägers als "klein", und die vom Kläger genannten Maße ("bis zu 45 m seitlich versetzt") lassen die Annahme, das Gericht habe die Nutzungsbeschränkung für das ganze Grundstück billigen wollen, auch nicht als abwegig erscheinen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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