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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 53.98
Rechtsgebiete: GG, FlurbG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
FlurbG § 44
Leitsätze:

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zunahme der Waldrandlagen gesondert durch eine Mehrung der Landabfindung oder andere Vorteile ausgeglichen werden muß.

2. Im Flurbereinigungsverfahren wird der Gleichbehandlungsgrundsatz durch den jedem Teilnehmer zustehenden Anspruch auf wertgleiche Abfindung gewährleistet (wie Urteil vom 16. Dezember 1992 - BVerwG 11 C 3.92 Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72). Ist dieser Anspruch erfüllt, so ist in Anbetracht der Verschiedenheit der Verhältnisse die überhaupt mögliche gleiche Behandlung erreicht.

Beschluß des 11. Senats vom 19. November 1998 - BVerwG 11 B 53.98 -

I. VGH München vom 21.07.1998 - Az.: VGH 13 A 96.748 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 B 53.98 VGH 13 A 96.748

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 19. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel

beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Flurbereinigungsgericht) vom 21. Juli 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO (i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

1. Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung der Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

a) Die Beschwerde beanstandet in diesem Zusammenhang zunächst, das Flurbereinigungsgericht habe "die Grundsatzfrage, ob einem Einleger, der keine Waldrandgrundstücke in Besitz hatte, ... eine großflächige Waldgrundstücksfläche (richtig wohl: Waldrandgrundstücksfläche) überhaupt zugeteilt werden durfte," unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes unzutreffend beantwortet. Hieraus ergebe sich folgende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung: "Liegt es noch im planerischen Gestaltungsermessen und der dabei zu beachtenden gesetzlichen Grundsätze im Sinne der §§ 114 VwGO, 146 Nr. 2 FlurbG, wenn unter Behauptung der Einhaltung der Grundsätze der Wertgleichheit, des Abwägungsgebots, der Gestaltungsrichtlinien und des Entsprechungsgebots im Sinne von § 44 Abs. 1 bis 4 FlurbG, insbesondere des Absatzes 4, ein Teilnehmer wie die Person des Klägers, im Rahmen der Zuteilung ... eine große Grundstücksfläche in unmittelbarer Waldrandlage in Form von Wiesen zugeteilt erhält, obwohl der Teilnehmer, der Kläger, zuvor so gut wie überhaupt keine Grundstücksfläche in Waldrandlage besessen hatte und diese Wiesengrundstücke auch nicht für seinen Betrieb grundsätzlich nutzbar sind, da er keine Viehwirtschaft mehr betreibt?"

Die damit aufgeworfene Frage würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen und rechtfertigt schon aus diesem Grunde die Zulassung der Revision nicht. Das Bundesverwaltungsgericht müßte aufgrund der - nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge angegriffenen und daher bindenden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) - tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts von einem anderen Sachverhalt ausgehen, als er mit der Beschwerde vorgetragen wird. Die Beschwerde macht geltend, der Kläger habe "vor Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens ... überhaupt kein Grundstück, welches an den Waldrand angrenzte," besessen. Das Flurbereinigungsgericht hat demgegenüber - in Übereinstimmung mit dem von ihm verwendeten Kartenmaterial - nur eine "Mehrung an Waldrandlagen" festgestellt, weil auch die Einlage des Klägers bereits Waldrandlagen aufwies. Hiervon ausgehend hat das Flurbereinigungsgericht die Waldrandlagen der Einlage und der Abfindung in der Weise saldiert, daß es nur noch zu prüfen hatte, ob die Mehrung der Waldrandlage im Osten des neuen Flurstücks 364 geeignet ist, die betriebliche Leistungsfähigkeit des klägerischen Hofes zu stören (UA S. 7 f.). Dies hat das Flurbereinigungsgericht mit Blick auf die Größe der insgesamt vom Kläger bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzfläche verneint. In Relation hierzu hat es die Zunahme der Waldrandlagen insgesamt als einen geringfügigen betriebswirtschaftlichen Nachteil eingestuft, der nicht gesondert durch eine Mehrung der Landabfindung oder andere Vorteile ausgeglichen werden mußte (vgl. BVerwG, Beschluß vom 27. November 1961 - BVerwG 1 B 127.61 - RdL 1962, 243 <244>; Urteil vom 26. März 1962 BVerwG 1 C 24.61 - RdL 1962, 217 <218 f.> zur Mehrung von Hangflächen).

In diesem Zusammenhang hat das Flurbereinigungsgericht - zutreffend - darauf hingewiesen, daß der vom Kläger für sein Begehren angeführte Gleichbehandlungsgrundsatz nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 16. Dezember 1992 - BVerwG 11 C 3.92 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72) durch den jedem Teilnehmer zustehenden Anspruch auf wertgleiche Abfindung gewährleistet wird. Ist dieser Anspruch erfüllt, so ist damit in Anbetracht der Verschiedenheit der Verhältnisse die überhaupt mögliche gleiche Behandlung erreicht (vgl. Beschluß vom 27. November 1961 - BVerwG 1 B 127.61 - a.a.O., S. 244). Kein Teilnehmer kann sich darauf berufen, daß andere Teilnehmer bei der Landzuteilung vermeintlich besser abgeschnitten haben (vgl. Beschluß vom 29. März 1974 - BVerwG 5 B 67.72 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 26). Selbst dann, wenn - bei im übrigen wertgleicher Abfindung - einzelne Teilnehmer größere Vorteile erhalten als andere, liegt allein deshalb eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor. Dies gilt auch dann, wenn ein Teilnehmer bestimmte Flächen abgeben muß, während andere Teilnehmer entsprechende Flächen behalten können, oder wenn andere Teilnehmer bestimmte, von einem Teilnehmer beanspruchte Flächen erhalten haben (vgl. Beschluß vom 26. Juni 1974 - BVerwG 5 B 88.72 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 28). Auch der vorliegende Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, daß einem Teilnehmer zu Lasten eines anderen Teilnehmers eine Abfindung mit verminderter Waldrandlage zugewiesen wird, beinhaltet keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn den Anforderungen an eine im Sinne von § 44 FlurbG wertgleiche Abfindung genügt ist. Ob letzteres zutrifft, ist eine Frage der Abwägung im Einzelfall und entzieht sich rechtsgrundsätzlicher Klärung. Das gilt nicht zuletzt auch für die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob es für den Teilnehmer hinnehmbar ist, wenn er wegen einer zugeteilten Waldrandlage auf der angrenzenden Fläche auf Ackerbau verzichten muß.

b) Die Beschwerde rügt ferner die Erwägungen als fehlerhaft, mit denen das Flurbereinigungsgericht es gebilligt hat, daß dem Kläger das Einlageflurstück 55 nicht wunschgemäß wieder zugeteilt worden ist. Insofern stelle sich folgende Frage von grundsätzlicher Bedeutung: "Darf einem Teilnehmer ein ortsnahes Grundstück 'weggenommen' werden ..., obwohl sich dieses Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Hofanwesen des Klägers befindet?"

Auch dies ist keine Frage, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden müßte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, daß grundsätzlich kein Teilnehmer auf der Grundlage von § 44 FlurbG Anspruch darauf hat, daß ihm Einlagegrundstücke wieder zugeteilt werden (vgl. z.B. Beschluß vom 24. Juni 1970 - BVerwG 4 B 241.68 - RzF § 44 I S. 113 <114>). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Einlagegrundstücke wegen ihrer Ortsnähe für den Teilnehmer betriebswirtschaftliche oder andere Vorteile aufweisen. Das ergibt sich daraus, daß es keinen Anspruch auf Abfindung in Ortsnähe gibt (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1978 - BVerwG 5 C 16.76 - RdL 1983, 15 <16>). Zwar können dennoch besondere Umstände des Einzelfalls geeignet sein, das Planungsermessen der Flurbereinigungsbehörde in der Weise zu binden, daß nur die Zuweisung einer dem Altbesitz entsprechenden Fläche als abwägungsfehlerfrei anzusehen ist (zuletzt Senatsbeschluß vom 13. Juni 1997 - BVerwG 11 B 20.97 - n.v.). Ob ein entsprechender Planwunsch des Teilnehmers mit dem ihm zukommenden Gewicht in die planerische Abwägung der Flurbereinigungsbehörde eingestellt worden ist, läßt sich aber nur anhand der Besonderheiten des jeweiligen Falles beurteilen und entzieht sich somit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren. Das gilt auch für die Frage, inwieweit - nicht rechtsverbindliche - "Zusicherungen", wie sie hier nach dem Vortrag der Beschwerde erteilt worden sein sollen, im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigen sind.

2. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von der Rechtsprechung sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Beschwerde legt nicht ausreichend dar (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), durch welche Aussage sich das Flurbereinigungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat.

a) Die Beschwerde meint zum einen, das Flurbereinigungsgericht verweise zwar auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Februar 1960 - BVerwG 1 CB 135.59 - (RdL 1960, 189 f.), gehe aber - obwohl die Ausgangslage dies zwingend erfordere - nicht darauf ein, daß in dem Beschluß vom 19. August 1958 - BVerwG 1 B 3.58 - (RdL 1959, 26) der Grundsatz aufgestellt worden sei, daß die Flurbereinigungsbehörde bei der Landzuteilung nicht willkürlich von der bestehenden Nutzungs- oder Bodenart abweichen dürfe. Das angefochtene Urteil beruht indessen nicht etwa auf dem gegenteiligen Grundsatz, daß ein willkürliches Abweichen von der bestehenden Nutzungs- oder Bodenart erlaubt sei; es rechtfertigt die Mehrung der Waldrandlage vielmehr mit dem gesetzlichen Ziel der "großzügigen Zusammenlegung" (§ 44 Abs. 4 FlurbG). Im übrigen übersieht die Beschwerde, daß der Beschluß vom 19. August 1958 in Anwendung von § 48 Abs. 3 der Reichsumlegungsordnung vom 16. Juni 1937 - RGBl I S. 629 - (RUO) ergangen ist. Der dort geregelte sog. Entsprechungsgrundsatz ist nicht unverändert in den nunmehr anwendbaren § 44 Abs. 4 FlurbG übernommen worden, so daß die zu § 48 Abs. 3 RUO ergangene Rechtsprechung als überholt anzusehen ist.

b) Die Beschwerde rügt zum anderen, das Flurbereinigungsgericht habe sich mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1961 - BVerwG 1 C 127.59 - (RdL 1961, 239 f.) befassen müssen, nämlich mit der Frage, ob das in unmittelbarer Hofnähe gelegene Einlageflurstück 55 aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht uneingeschränkt dem Kläger hätte belassen werden müssen. Die damit verbundene Abweichungsrüge ist aber unsubstantiiert. Es wird von der Beschwerde insbesondere nicht derjenige Rechtssatz in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeitet, zu dem sich das Flurbereinigungsgericht in Widerspruch gesetzt haben soll.

3. Eine Zulassung kommt auch nicht in Betracht, soweit die Beschwerde eine Verfahrensrüge erhebt. Die Beschwerde macht insoweit eine Verletzung rechtlichen Gehörs und einen wesentlichen Verfahrensmangel im Verwaltungsvorverfahren durch die fehlende Verbescheidung des mit Anwaltsschreiben vom 17. August 1993 eingelegten Widerspruchs geltend. Sie muß sich aber entgegenhalten lassen, daß etwaige Fehler des behördlichen Verfahrens von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht erfaßt werden (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 25. Juli 1991 BVerwG 5 B 46.91 - Buchholz 424.01 § 134 FlurbG Nr. 16; zuletzt Senatsbeschluß vom 11. Januar 1995 - BVerwG 11 B 2.95 - n.v.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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