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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 59.00
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 131 Abs. 1 Satz 1
Leitsatz:

Ist ein Teil eines insgesamt von einem Bebauungsplan erfassten Grundstücks als Schutzstreifen für eine vorhandene 20-kV-Leitung zwar einer besonderen Nutzungsbeschränkung unterworfen, jedoch einer einheitlichen Nutzung mit der bebaubaren Restfläche weiterhin zugänglich, so hat dies keinen Einfluss auf den Umfang der im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Fläche des Grundstücks.

Beschluss des 9. Senats vom 8. Januar 2001 - BVerwG 11 B 59.00 -

I. VG Köln vom 03.12.1996 - Az.: VG 17 K 1545/94 - II. OVG Münster vom 18.05.2000 - Az.: OVG 3 A 1434/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 B 59.00 OVG 3 A 1434/97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Januar 2001 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und Dr. Gerhardt

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 488,72 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

1. Der Kläger macht als Verfahrensmangel geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es auf seinen Vortrag, dass mehr als ein Drittel der Gesamtfläche seines Grundstücks wegen eines Schutzstreifens für eine 20-kV-Leitung jeder Bebauung entzogen sei, im Urteil nicht eingegangen sei. Diese Rüge kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen, weil sie in tatsächlicher Hinsicht nicht zutrifft. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht nur im Tatbestand seines Urteils den genannten Vortrag des Klägers ausdrücklich wiedergegeben, sondern auch in den Entscheidungsgründen im Einzelnen ausgeführt, warum nach seiner Rechtsauffassung die vom Kläger geltend gemachte Beschränkung der bebaubaren Grundstücksfläche keine Beitragsreduzierung rechtfertigt.

2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ermöglichende Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet. Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der angezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerde muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat keinen divergierenden abstrakten Rechtssatz aus dem angegriffenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts beanstandet, sondern macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts zu einem anders gelagerten Fall zu Unrecht nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragen. Damit kann jedoch eine Divergenzrüge nicht begründet werden.

3. Schließlich rechtfertigt das Beschwerdevorbringen auch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Die vom Kläger in der Beschwerdebegründung bezeichneten Fragen erfüllen diese Anforderungen nicht.

a) Für grundsätzlich bedeutsam hält der Kläger zunächst die Frage, "ob andere sich ebenso gravierend auswirkende Festsetzungen (erg.: wie die einer öffentlichen Grünfläche im Bebauungsplan) zum Herausfallen des betroffenen Grundstücksteils aus der Verteilung führen müssen". Diese Frage stellte sich dem Oberverwaltungsgericht jedoch nicht.

Das Oberverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung entsprechend dem Berufungsvorbringen des Klägers davon ausgegangen, dass ein Teil des Grundstücks als Schutzstreifen für eine vorhandene 20-kV-Leitung gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche einer besonderen Nutzungsbeschränkung unterworfen sei; es hat die Auffassung vertreten, dass sich eine derartige Nutzungsbeschränkung auf die Ermittlung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages nur dann auswirke, wenn die überbaubare Grundstücksfläche eine Komponente der satzungsmäßigen Verteilungsregelung sei. Dagegen lässt sich dem angegriffenen Urteil weder die Feststellung entnehmen, dass gerade der Bebauungsplan für die in Rede stehende Teilfläche des Grundstücks die Bebaubarkeit ausschließt und nicht nur nachrichtlich auf eine aus anderen Gründen bestehende Nutzungsbeschränkung hinweist noch dass diese Teilfläche ebenso wie eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Grünfläche jeder erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Nutzbarkeit entzogen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass abgesehen von bestimmten Baubeschränkungen und sonstigen Nutzungseinschränkungen z.B. für den Baumwuchs die Nutzung des Schutzstreifens durch den Eigentümer möglich ist, insbesondere im landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Bereich. Die in Rede stehende Teilfläche ist also - anders als eine im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Grünfläche (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - BVerwG IV C 35.74 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 60) - einer einheitlichen Nutzung mit der bebaubaren Restfläche weiterhin zugänglich, so dass sich die von der Anbaustraße vermittelte, dem Eigentümer grundsätzlich vorteilhafte Erschließungswirkung auch auf jene Teilfläche erstreckt.

Für derartige Fälle ist jedoch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der bloßen Nutzungsreduzierung nicht durch eine auf das Merkmal "erschlossen" in § 131 Abs. 1 BauGB gestützte Verminderung der erschlossenen Grundstücksfläche Rechnung getragen werden kann, sondern dass sie sich nur dann auswirkt, wenn das durch die Nutzungsbeschränkung betroffene Nutzungsmaß eine Komponente der satzungsgemäßen Verteilungsregelung ist (BVerwGE 81, 251 <253, 256 f.>; BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1989 - BVerwG 8 C 78.88 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 79 S. 34, und Beschluss vom 29. November 1994 - BVerwG 8 B 171.94 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 95). Das angefochtene Urteil steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Zusätzlichen Klärungsbedarf grundsätzlicher Art zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

b) Dasselbe gilt im Ergebnis für die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage, "ob bei eindeutig erkennbarem Zurückbleiben der Bebaubarkeit hinter dem, was das jeweilige Grundstück eigentlich hergäbe, eine Modifizierung der skizzierten Rechtsprechung des Senats geboten ist". Bereits das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für jene Rechtsprechung entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur Gründe der Verwaltungspraktikabilität angeführt werden können, sondern dass es in erster Linie darum geht, insbesondere in Fällen einer Verteilung nach dem kombinierten Grundflächen-/Vollgeschossmaßstab - wie hier - unter dem Blickwinkel der Beitragsgerechtigkeit unbefriedigende Ergebnisse zu vermeiden (vgl. BVerwGE 81, 251 <254 f.>). Ob die Baubeschränkungen mehr oder weniger eindeutig erkennbar sind, ist dafür ohne Belang.

c) Die von der Beschwerde schließlich aufgeworfene Frage, "ob offensichtlich vorliegende und sich ohne weiteres aufdrängende objektive Gründe, die zur Anwendbarkeit des § 135 Abs. 5 Satz 1 (erg.: BauGB) führen, ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids außer Acht gelassen werden dürfen und nicht zum Anlass für die Betätigung des Ermessens genommen zu werden brauchen", ist ebenfalls durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach sind der Gemeinde offensichtlich erkennbare Umstände, die dazu führen, dass aus sachlichen Gründen ein (teilweiser) Billigkeitserlass nach § 135 Abs. 5 BauGB geboten ist, zwar von Amts wegen bereits im Heranziehungsverfahren zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen diese verfahrensrechtliche Pflicht führt jedoch nicht zur materiellen Rechtswidrigkeit eines gleichwohl (ungekürzt) ergehenden Erschließungsbeitragsbescheids. Der Billigkeitserlass ist vielmehr vom Beitragspflichtigen durch einen entsprechenden Antrag in einem selbständigen Verfahren und ggf. - nach Durchführung eines Vorverfahrens - im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgen (BVerwGE 70, 96 <100 f.>). Die vom Bundesverwaltungsgericht hierfür angeführten Gründe, die nicht zuletzt mit einer Gefährdung des effektiven Rechtsschutzes bei Annahme einer Anfechtungslast des Beitragspflichtigen im schwer abzugrenzenden Fall der Offensichtlichkeit zusammenhängen, werden durch das Beschwerdevorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 2, § 14 GKG.



Ende der Entscheidung

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