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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.01.1999
Aktenzeichen: BVerwG 11 C 8.97
Rechtsgebiete: VwGO, AtG, GG


Vorschriften:

VwGO § 65 Abs. 2
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 142 Abs. 1
AtG § 24 Abs. 1 u. Abs. 2 Satz 2
GG Art. 85 Abs. 3 u. 4
GG Art. 87 c
Leitsatz:

In einem Verwaltungsrechtsstreit, in dem Nachbarn eines Kernkraftwerks die Verurteilung des die atomrechtliche Anlagenaufsicht ausübenden Landes zur Aufhebung der Genehmigung für das Kernkraftwerk und zu dessen Stillegung begehren, liegen die Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 VwGO für eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland nicht vor.

Beschluß des 11. Senats vom 9. Januar 1999 - BVerwG 11 C 8.97 -

I. VGH Kassel vom 25.03.1997 - Az.: VGH 14 A 3083/89 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 C 8.97 VGH 14 A 3083/89

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. Januar 1999 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Vallendar und Prof. Dr. Rubel

beschlossen:

Der Antrag der Kläger auf Beiladung der Bundesrepublik Deutschland wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag der Kläger, die Bundesrepublik Deutschland zum Verfahren beizuladen, ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine nach § 142 Abs. 1 VwGO im Revisionsverfahren allein noch zulässige notwendige Beiladung liegen nicht vor.

Notwendig beizuladen sind Dritte nach § 65 Abs. 2 VwGO dann, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzung liegt nur vor, wenn die begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht wirksam getroffen werden kann, ohne daß dadurch gleichzeitig und unmittelbar in Rechte der Dritten eingegriffen wird, das heißt ihre Rechte gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (vgl. z.B. BVerwG, Beschluß vom 7. Februar 1995 - BVerwG 1 B 14.95 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 117 S. 4 <5>). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die Bundesrepublik Deutschland an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen den Klägern und der die atomrechtliche Anlagenaufsicht ausübenden Behörde des beklagten Landes (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 2 AtG) im Hinblick auf die insoweit bestehende Bundesaufsicht (vgl. Art. 85 Abs. 3 u. 4, 87 c GG, § 24 Abs. 1 AtG) nicht als Dritter mit eigenen Rechten (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 15. April 1977 - BVerwG 4 C 3.74 u. 4 C 100.74 - BVerwGE 52, 226 <231> u. 237, <241 f.>) beteiligt ist.

Der von den Klägern für ihre gegenteilige Ansicht angeführte Fall des auf Erlaß eines "mehrstufigen" Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsstreitverfahrens liegt nicht vor. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß kraft Gesetzes die Zustimmung oder das Einvernehmen eines anderen Rechtsträgers zum Bestandteil des streitigen Rechtsverhältnisses gemacht worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 1973 BVerwG 4 C 61.70 - BVerwGE 42, 8 <10 f.>; Urteil vom 16. Mai 1983 - BVerwG 1 C 56.79 - BVerwGE 67, 173 <174>). Davon kann im Bereich der atomrechtlichen Anlagenaufsicht nicht die Rede sein. Diese ist nach außen hin Landesverwaltung, unterliegt intern aber den für die sog. Auftragsverwaltung der Länder typischen Bindungen an Weisungen des Bundes (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Mai 1990 - 2 BvG 1/88 - BVerfGE 81, 310 <332>). Diese Weisungsbefugnis im Rahmen der Aufsicht über Gesetz- und Zweckmäßigkeit der Gesetzesausführung begründet kein Recht des Bundes, das im Wege der notwendigen Beiladung prozessual zur Geltung gebracht werden müßte. Vielmehr obliegt es im Verwaltungsstreitverfahren allein dem im Außenverhältnis zuständigen - und deshalb auch nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO passivlegitimierten - beklagten Land "in einer Art Prozeßstandschaft" auch für das die Bundesaufsicht ausübende Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit aufzutreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1969 - BVerwG 4 C 83.66 - BVerwGE 31, 233 <235 f.>; Urteil vom 10. Dezember 1970 - BVerwG 8 C 84.69 - BVerwGE 37, 43 <45 f.>; Beschluß vom 21. Februar 1973 - BVerwG 4 CB 68.72 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 25 S. 20 <21>).

Die von den Klägern in diesem Zusammenhang geäußerte Befürchtung, der Beklagte könne ohne die beantragte Beiladung durch eine bundesaufsichtliche Weisung möglicherweise an der Erfüllung der ihm gerichtlich auferlegten (Neubescheidungs-) Verpflichtung gehindert werden, ist unbegründet. Die Rechtskraft eines den Gesetzesvollzug eines Landes betreffenden verwaltungsgerichtlichen Urteils erstreckt sich auch auf die Bundesrepublik Deutschland, wenn das Land hierbei zugleich eine Angelegenheit des Bundes wahrnimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1993 - BVerwG 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 S. 19 <23 f.>), was insbesondere der Fall ist, wenn ein Gesetz im Auftrage des Bundes ausgeführt wird (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO 12. A., § 121 Rn. 6; Eyermann/ Rennert, VwGO 10. A., § 121 Rn. 38); dies ist letztlich die Konsequenz daraus, daß das Land, insoweit "in einer Art Prozeßstandschaft" für die Bundesrepublik Deutschland auftritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1963 - BVerwG 8 C 38.63 Buchholz 234 § 59a G 131 Nr. 1 S. 3).

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