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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: BVerwG 11 VR 8.98
Rechtsgebiete: VwGO, AEG, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 7
VwGO § 123
AEG § 20 Abs. 5
VwVfG § 74 Abs. 2
Leitsätze:

Die Antragsfrist des § 20 Abs. 5 Satz 6 AEG ist auf einen Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO entsprechend anzuwenden.

Einem auf Vorwegnahme der Hauptsache gerichteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur dann stattzugeben, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar wäre.

Gegenüber einem sich aus § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sonst ergebenden Anspruch eines Nachbarn auf eine Schutzauflage kann sich der Träger eines Schienenwegebauvorhabens nicht auf Mehrkosten berufen, die ihm dadurch entstehen, daß er trotz Anhängigkeit eines entsprechenden Klageverfahrens des Nachbarn unter Ausnutzung der Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses das Vorhaben ins Werk gesetzt hat und der Klage erst danach stattgegeben wird.

Beschluß des 11. Senats vom 21. Januar 1999 - BVerwG 11 VR 8.98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 VR 8.98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. Januar 1999 durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel und Dr. Gerhardt

beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluß vom 26. August 1998 BVerwG 11 VR 4.98 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den ihnen am 9. Mai 1998 zugestellten Planfeststellungsbeschluß der Antragsgegnerin vom 30. April 1998 für den Abschnitt 26 des Ausbaus der Bahnstrecke Uelzen Stendal durch die Beigeladene insoweit angeordnet, als darin der Einbau einer Überleitverbindung vor dem Grundstück der Antragsteller sowie die dingliche Sicherung von Aufwuchsbeschränkungen auf diesem Grundstück vorgesehen ist; im übrigen hat es den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abgelehnt. Nunmehr begehren die Antragsteller in erster Linie, den genannten Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts abzuändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage in vollem Umfang anzuordnen, hilfsweise den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um Maßnahmen des Erschütterungsschutzes verpflichtet werden soll.

II.

1. Der Hauptantrag ist unzulässig, weil die Antragsteller die in § 20 Abs. 5 Satz 6 AEG, § 5 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG vorgesehene Antragsfrist nicht eingehalten haben. Diese Bestimmungen machen die Zulässigkeit eines erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 20 Abs. 5 Satz 2 AEG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den vorliegenden Planfeststellungsbeschluß davon abhängig, daß er auf später eingetretene Tatsachen gestützt und innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt gestellt wird, in dem der Beschwerte von diesen Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung muß aufgrund der ratio legis auf einen Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO entsprechend angewandt werden (vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 386; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 80 Rn. 226).

Die Antragsteller stützen ihren Hauptantrag auf die von ihnen behauptete Tatsache, daß die Beigeladene bei den von ihr begonnenen Bauarbeiten keine besonderen Maßnahmen des Schutzes gegen Erschütterungen aus dem künftigen Eisenbahnbetrieb vorgesehen hat. Nach dem von ihnen vorgelegten Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 2. September 1998 haben sie von dieser Tatsache bei einem Gespräch mit den örtlichen Bauleitern am 1. September 1998 Kenntnis erlangt. Der darauf gestützte Abänderungsantrag ist jedoch erst am 5. Oktober 1998 und damit nach Ablauf der Frist des § 20 Abs. 5 Satz 6 AEG, § 5 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen. Die von ihnen vorgelegte Stellungnahme ihres technischen Beraters vom 26. September 1998 enthält demgegenüber keine neuen Tatsachen, sondern bewertet lediglich die mit Schreiben vom 2. September 1998 mitgeteilten Tatsachen anhand der technischen Regelwerke und bereits früher vorgelegter Gutachten.

2. Auch der Hilfsantrag kann keinen Erfolg haben; denn die Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO liegen nicht vor.

Mit dem Antrag, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Planfeststellungsbeschluß "um Maßnahmen des Erschütterungsschutzes zu ergänzen, womit die Anhaltswerte der DIN 4150, Teil 2 eingehalten werden", begehren die Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern eine Vorwegnahme der im Hauptsacheverfahren mit dem dortigen Hilfsantrag zu 2.a erstrebten Entscheidung. Einem solchen Antrag ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, nämlich dann, wenn das Abwarten in der Hauptsache für die Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, Beschluß vom 14. Dezember 1989 BVerwG 2 ER 301.89 Buchholz 310 § 123 Nr. 15 S. 2). Die Antragsteller haben jedoch entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, daß ihnen bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbare, auch nach einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 26. August 1998 (a.a.O., BA S. 18 f.) ausgeführt hat, plant die Beigeladene, zunächst durchgehend nur das vorhandene Gleis instand zu setzen und die Brückenbauwerke südöstlich der bestehenden Bundesstraße 4 zu sanieren. Erst in einer zweiten Ausbaustufe soll der Aufbau des zweiten Gleises erfolgen, so daß die Aufnahme eines zweigleisigen Eisenbahnbetriebs erst in einigen Jahren erwartet werden kann. Vorerst müssen die Antragsteller deshalb nicht mit betriebsbedingten Beeinträchtigungen durch Erschütterungen rechnen, die wesentlich über das Maß ihrer tatsächlichen Vorbelastungen hinausgehen. Der von der Beigeladenen substantiiert vorgetragenen Behauptung, es werde sogar eine leichte Verbesserung der Erschütterungssituation ihres Grundstücks eintreten und die Zumutbarkeitsgrenze von KB = 0,4 zwischen gerade spürbarer und gut spürbarer Schwingstärke werde nicht überschritten, haben sie nichts entgegengehalten.

Allerdings liegt es nahe, daß nach Abschluß der Bauarbeiten ohne den von den Antragstellern verlangten Erschütterungsschutz eine entsprechende Nachrüstung voraussichtlich erheblich mehr kosten würde als bei rechtzeitiger Einbeziehung in die Planung. Gegenüber einem sich aus § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sonst ergebenden Anspruch der Antragsteller auf eine entsprechende Schutzauflage könnte sich jedoch die Beigeladene nicht auf diese Mehrkosten berufen. Denn soweit sie trotz Anhängigkeit eines entsprechenden Klageverfahrens unter Ausnutzung der Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses das Vorhaben ins Werk setzt und ihr deshalb infolge einer der Klage danach stattgebenden Entscheidung nutzlose Aufwendungen entstehen, handelt sie wirtschaftlich gesehen auf eigenes Risiko (vgl. Beschluß des Senats vom 26. August 1998, a.a.O., BA S. 18 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG i.V.m. § 5 ZPO.

Ende der Entscheidung

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