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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 2.03
Rechtsgebiete: SG, ZDv 20/6
Vorschriften:
SG § 3 | |
ZDv 20/6 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 2 A 2.03
Verkündet am 17. Dezember 2003
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Widerspruchsbescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 24. Februar 2003 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Förderungswürdigkeit des Klägers zum Stichtag 30. September 2001 erneut zu beurteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger ist Fregattenkapitän (BesGr A 14) beim Bundesnachrichtendienst. Er wurde zum 30. September 2001 planmäßig beurteilt. In der Erstbeurteilung erhielt er in den Einzelmerkmalen der Leistungsbewertung zwölfmal die Note 6 und viermal die Note 5 nach der von 1 bis 7 reichenden Notenskala, in den Eignungs- und Befähigungsbewertungen durchgängig die nach der Notenskala zweitbeste Note D. Sein Unterabteilungsleiter schloss sich als der nächsthöhere Vorgesetzte der Erstbeurteilung an, setzte aber die Förderungswürdigkeit des Klägers innerhalb der von A bis E reichenden Wertungsskala auf die Notenstufe C fest.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Der nächsthöhere Vorgesetzte habe die Erstbeurteilung formell und materiell fehlerhaft verschlechtert, indem er die Förderungswürdigkeit mit der Stufe C bewertet habe. Dies sei gegenüber der Leistungs- und Eignungsbewertung der Erstbeurteilung eine volle Notenstufe schlechter. Die ohne Begründung erfolgte Verschlechterung sei nicht nachvollziehbar. Hätte der nächsthöhere Vorgesetzte die Festsetzung der Förderungswürdigkeit aus den Einschätzungen und Wertungen der Erstbeurteilerin, denen er sich angeschlossen habe, entwickelt, hätte er zu der Förderungsbeurteilung mit der Stufe D gelangen müssen.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 24. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Förderungswürdigkeit des Klägers zum Stichtag 30. September 2001 erneut zu beurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, der nächsthöhere Vorgesetzte habe die Förderungswürdigkeit unter Anlegung eines strengen Maßstabes wertungsgebunden in einem Eignungs- und Leistungsvergleich festgestellt. Bei der Beurteilung der Förderungswürdigkeit habe er nicht nur die Beurteilung der Eignung und Befähigung, sondern auch die Leistungsbeurteilung durch die unmittelbare Vorgesetzte berücksichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
II.
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zur allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht zum Dienstgericht ist eröffnet (vgl. Beschluss vom 18. November 1997 - BVerwG 1 WB 49.97 - Buchholz 311 § 18 WBO Nr. 1). Das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zur Entscheidung in erster und letzter Instanz zuständig. Die Klage durfte auf die Prüfung beschränkt werden, ob die Förderungswürdigkeit des Klägers rechtsfehlerfrei bewertet worden ist. Diese Beurteilung ist nach Inhalt und Zuständigkeit gegenüber der Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbeurteilung formal verselbständigt (vgl. Beschluss vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 <81>).
Die Klage ist auch begründet. Die Beurteilung der Förderungswürdigkeit durch den nächsthöheren Vorgesetzten des Klägers ist fehlerhaft und deshalb aufzuheben.
Dienstliche Beurteilungen und hierzu abgegebene Stellungnahmen sind gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Beurteilende oder der Stellung nehmende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Mit der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 20/6 hat der Bundesminister der Verteidigung Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen von Soldaten erlassen. Daher kann das Gericht nur prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen der Soldatenlaufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung (vgl. § 1 a SLV a.F.; nunmehr § 2 SLV), und sonstigen Rechtsvorschriften in Einklang stehen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 10. Februar 2000 - BVerwG 2 A 10.98 - Buchholz 232.1 § 11 BLV Nr. 1 S. 2 m.w.N. und Beschluss vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - a.a.O., S. 82 m.w.N.).
Gemäß Nr. 903 a ZDv 20/6 ist der nächsthöhere Vorgesetzte bei einer planmäßigen Beurteilung eines Soldaten nach Prüfung der Erstbeurteilung verpflichtet, zu den Aussagen und Wertungen, auch im Eignungs- und Leistungsvergleich, Stellung zu nehmen. Nach Nr. 905 b ZDv 20/6 stellt er die Förderungswürdigkeit des Beurteilten fest. Diese Feststellung stellt nach Nr. 906 a ZDv 20/6 ein eigenständiges Werturteil des nächsthöheren Vorgesetzten dar und setzt eine qualifizierte Stellungnahme nach den Vorgaben der Nr. 905 a ZDv 20/6 voraus. Nach dieser Bestimmung soll der nächsthöhere Vorgesetzte auf die Aussagen und Wertungen zu den Leistungen sowie zu den Einzelmerkmalen "Eignung und Befähigung" im Beurteilungszeitraum eingehen. Dazu hat er sich frühzeitig um Kenntnisse zur Eignung, Befähigung und Leistung des Beurteilten zu bemühen, so dass er zu den Aussagen und Wertungen des Erstbeurteilers Stellung nehmen und die Förderungswürdigkeit des Beurteilten, auch im Eignungs- und Leistungsvergleich, bewerten kann (vgl. Nr. 906 a Satz 2 ZDv 20/6). Hierzu steht ihm eine Skala von fünf Wertungsstufen zur Verfügung (vgl. Nr. 906 b Satz 1 ZDv 20/6).
Nach dem Leitfaden des Bundesministeriums der Verteidigung "Das neue Beurteilungssystem" vom 11. Mai 1998 sollen mit der Beteiligung des nächsthöheren Vorgesetzten am Beurteilungsvorgang die Einheitlichkeit der Beurteilungsmaßstäbe sowie die Objektivität der Beurteilungen sichergestellt werden. Dazu hat er einen Leistungs- und Eignungsvergleich zwischen vergleichbaren Soldaten durchzuführen. Er hat die formale Richtigkeit der Beurteilung zu prüfen, eine Stellungnahme in freier Beschreibung abzugeben, ggf. Wertungen des Erstbeurteilers zu verändern und die Förderungswürdigkeit des Beurteilten in gebundener Wertung festzustellen. Diese muss sich schlüssig und widerspruchsfrei aus den Aussagen und Wertungen der Stellungnahmen ableiten lassen.
Daraus folgt, dass sich die Beurteilung der Förderungswürdigkeit aus der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zur Leistungs- und Eignungsbeurteilung des Soldaten entwickeln sowie Leistungsstand und Eignungsgrad des Beurteilten widerspiegeln muss. Dies ist in den Wertungsskalen angelegt, die dem nächsthöheren Vorgesetzten zur Einstufung der Förderungswürdigkeit zur Verfügung stehen. Liegen Eignung und Leistungen des Beurteilten über den Anforderungen, ist bei der Förderungswürdigkeit die Wertungsstufe C zu wählen; liegen Eignung und Leistungen des Beurteilten erheblich über den Anforderungen, ist die Wertungsstufe D zu wählen. Bei der Bewertung der Förderungswürdigkeit wird nach der Stufe C die Förderung des Soldaten "mit Nachdruck", nach der Stufe D "mit besonderem Nachdruck" empfohlen.
Der nächsthöhere Vorgesetzte des Klägers ist der Erstbeurteilung über die Leistungen, Eignung und Befähigung des Klägers beigetreten. Damit hat er bestätigt, dass der Kläger im Leistungsbereich viermal die Bewertung "übertrifft die Anforderungen erheblich" und zwölfmal die Bewertung "übertrifft die Anforderungen sehr deutlich" und im Eignungs- und Befähigungsbereich die Bewertung "erheblich über den Anforderungen" erhalten hat. Daraus folgt, dass für die Beurteilung der Förderungswürdigkeit nur die Wertungsstufe D, d.h. "Eignung und Leistung des Beurteilten liegen erheblich über den Anforderungen", in Betracht kommt. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht das Verhältnis zwischen den fünf Wertungsstufen nach der Anlage 9 zu Nr. 906 a und b ZDv 20/6 als eine mittelbare Wechselbeziehung zu den inhaltlich damit korrespondierenden Wertungsstufen der Anlage 5 zur Nr. 611 c bis f und der Anlage 7 zur Nr. 614 a bis d ZDv 20/6 bezeichnet (vgl. Beschluss vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - a.a.O., S. 83), doch bedeutet dies nur, dass die Beurteilung der Förderungswürdigkeit ein eigenständiges Werturteil des nächsthöheren Vorgesetzten darstellt, dass weder schematisch aus der Summe, noch aus dem arithmetischen Mittel der Einzelmerkmalsbewertungen gebildet werden darf (vgl. Beschluss vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - a.a.O., S. 83). Eine Bewertung der Förderungswürdigkeit mit einer Wertungsstufe, die eine ganze Stufe von der Bewertung von Leistung, Eignung und Befähigung abweicht, entspricht grundsätzlich nicht den Vorgaben der ZDv 20/6, nach der sich die Beurteilung der Förderungswürdigkeit aus der Bewertung von Leistung, Eignung und Befähigung des Soldaten durch den nächsthöheren Vorgesetzten ableiten soll. Eine derartige Diskrepanz der Beurteilung der Förderungswürdigkeit und der Leistungs- und Eignungsbeurteilung widerspricht dem in § 3 SG formulierten gesetzlichen Auftrag, den Soldaten nach Eignung, Befähigung und Leistung zu verwenden. Dies verbietet es, die Einschätzung der weiteren Verwendungsmöglichkeiten aus dem Zusammenhang mit der Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsbeurteilung zu lösen.
Die Beklagte ist deshalb verpflichtet, die Förderungswürdigkeit des Klägers zum Stichtag 30. September 2001 erneut zu beurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4 000 € festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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