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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.11.1997
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 7.96
Rechtsgebiete: BhV
Vorschriften:
BhV § 7 Abs. 2 Nr. 2 | |
BhV § 17 Abs. 8 |
Gegen das Erfordernis der vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen aus Anlaß einer Sanatoriumsbehandlung bestehen aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine rechtlichen Bedenken (wie Urteil vom 12. April 1967 - BVerwG 6 C 12.67 - <Buchholz 238.91 Nr. 7> m.w.N.). Das Fehlen der Voranerkennung der Beihilfefähigkeit kann als entschuldbar angesehen werden, wenn der Beginn der Sanatoriumsbehandlung keinen Aufschub duldete. Dafür reicht allein die für die Beihilfefähigkeit allgemein erforderliche Notwendigkeit der Behandlung nicht aus.
Urteil des 2. Senats vom 13. November 1997 - BVerwG 2 A 7.96
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 2 A 7.96
Verkündet am 13. November 1997
Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 1997 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Lemhöfer, Dr. Müller, Dr. Bayer und Dr. Schmutzler
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Der Kläger steht im Dienst der Beklagten. Anfang Juli 1996 beantragte er die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Kosten einer Sanatoriumsbehandlung seiner Ehefrau, die ihr Hausarzt Dr. S. zur Behandlung einer HLO-Gastritis, eines Halswirbelsäulen-Syndroms sowie eines psychovegetativen Erschöpfungszustandes empfohlen hatte. Sie sollte vom 29. Juli bis 19. August 1996 als Mutter-Kind-Kur in Begleitung der seinerzeit sechsjährigen Tochter in dem Sanatorium K. in G. durchgeführt werden. Nachdem der Vertrauensarzt der Beklagten, Dr. L., in seiner vertrauensärztlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis gekommen war, nach den vorgelegten Unterlagen und dem Ergebnis einer fachorthopädischen Untersuchung könne die Notwendigkeit einer Sanatoriumsbehandlung nicht festgestellt werden, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19. Juli 1996 ab.
Der Kläger legte unter Hinweis auf eine amtsärztliche Bescheinigung des Landratsamts F. vom 16. Juli 1996 über die Notwendigkeit der beantragten Sanatoriumsbehandlung Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 1996 als unbegründet zurückwies. Nach ihrer Verwaltungspraxis sei allein das von ihr erbetene vertrauensärztliche Gutachten maßgeblich, nicht aber das des Landratsamtes F. Danach rechtfertigten die Diagnosen des Hausarztes keine Anerkennung der Beihilfefähigkeit. Der durch die fachärztlichen Zeugnisse beschriebene Ausprägungsgrad der HLO-Gastritis reiche dafür allein nicht aus. Die sich aus der Stellungnahme eines Facharztes für Orthopädie ergebenden Befindungsstörungen könnten mit Erfolg ambulant am Wohnort behandelt werden. Zur Behandlung eines psychovegetativen Erschöpfungszustandes im Rahmen einer "Mutter-Kind-Kur" sei das ausgewählte Sanatorium wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht geeignet.
Zwischenzeitlich hatte die Ehefrau des Klägers in Begleitung ihrer Tochter die streitige Behandlung im Sanatorium K. in G. vom 29. Juli bis 19. August 1996 durchgeführt. Den anschließenden Antrag des Klägers auf Gewährung von Beihilfe lehnte die Beklagte ab, soweit er Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung betraf.
Am 27. Dezember 1996 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid des Ärztlichen und Sozialen Dienstes für Bundesdienststellen - Beihilfestelle - vom 19. Juli 1996 und den Widerspruchsbescheid vom 27. November 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für den Sanatoriumsaufenthalt der Ehefrau des Klägers und der Tochter zu tragen.
Er macht im wesentlichen geltend, die im Rahmen seiner Wahlfreiheit eingereichte amtsärztliche Bescheinigung des Landratsamtes F. bestätige die Notwendigkeit der beantragten Sanatoriumsbehandlung gemäß § 7 Abs. 2 BhV. Im übrigen sei ihm bereits früher vom ärztlichen Dienst der Beklagten in einer Wohnungsangelegenheit empfohlen worden, von dort eine ärztliche Bescheinigung beizubringen. Demgegenüber komme ihrer anderslautenden innerdienstlichen Weisung an ihre Beihilfesachbearbeiter keine Wirkung zu. Der Beihilfegewährung stehe nicht entgegen, daß die Behandlung vor Anerkennung ihrer Beihilfefähigkeit angetreten worden sei. Sein Versäumnis sei gemäß § 17 Abs. 8 BhV entschuldbar, die sachlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Beihilfefähigkeit nachgewiesen. Die Dringlichkeit der Behandlung ergebe sich aus den jeweils vom Hausarzt sowie vom Landratsamt F. kumulativ aufgeführten Diagnosen. Die nur nach Lektüre von Unterlagen ohne Untersuchung der Patientin abgegebene Stellungnahme des Vertrauensarztes Dr. L. sei unzutreffend und von sachfremden, durch das Zerwürfnis mit dem behandelnden Arzt beeinflußte Erwägungen geprägt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unbegründet. Für die begehrte Beihilfefähigkeit der streitigen Aufwendungen fehle es entgegen § 7 Abs. 2 BhV sowohl daran, daß die Sanatoriumsbehandlung nach amts- oder vertrauensärztlichen Gutachten notwendig sei und nicht durch eine andere Behandlung mit gleicher Erfolgsaussicht ersetzt werden könne, als auch an der vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit. Der um ein vertrauensärztliches Gutachten gebetene, qualifizierte Vertrauensarzt Dr. L. habe die Notwendigkeit der beantragten Sanatoriumsbehandlung unter Anwendung der notwendigen Sorgfalt und nach bestem Wissen nicht anerkannt. Durchgreifende Gründe, an seiner Stelle einen Amtsarzt zu beauftragen, hätten nicht vorgelegen. Der Kläger habe das Versäumnis der Voranerkennung der Beihilfefähigkeit bewußt in Kauf genommen. Es sei nicht gemäß § 17 Abs. 8 BhV entschuldbar. Die ärztlichen Stellungnahmen gäben keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Beginn der Sanatoriumsbehandlung habe keinen Aufschub geduldet.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge gestellt, die der erkennende Senat abgelehnt hat; insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 13. November 1997 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, verwiesen.
II.
Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat, ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte (vgl. § 88 VwGO) Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen aus Anlaß der Sanatoriumsbehandlung seiner Ehefrau in Begleitung ihrer seinerzeit sechsjährigen Tochter vom 29. Juli bis 19. August 1996 in G. Insoweit fehlt es bereits an der Voraussetzung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 der Beihilfevorschriften in der hier anzuwendenden Fassung vom 10. Juli 1995 (GMBl 1995 S. 470) - BhV -. Danach sind die in Absatz 1 Nr. 2 bis 6 dieser Vorschrift aufgeführten Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit vorher anerkannt hat. Gegen dieses Erfordernis bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine rechtlichen Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. u.a. Urteil vom 12. April 1967 - BVerwG 6 C 12.67 - <Buchholz 238.91 Nr. 7> m.w.N.). Es ist nicht erfüllt. Die streitige Sanatoriumsbehandlung wurde während des Widerspruchsverfahrens über die von der Beklagten abgelehnte Voranerkennung durchgeführt.
Der Kläger kann sich nicht auf § 17 Abs. 8 BhV berufen. Danach wird bei unterbliebener vorheriger Anerkennung der Beihilfefähigkeit nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BhV Beihilfe nur gewährt, wenn das Versäumnis entschuldbar ist und die sachlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Beihilfefähigkeit nachgewiesen sind. Das Versäumnis des Klägers ist nicht entschuldbar. Ihm war bei Beginn der Sanatoriumsbehandlung das Erfordernis der Voranerkennung bekannt. Die Beklagte hatte die von ihm beantragte Voranerkennung bereits zuvor abgelehnt. Die ärztlichen Stellungnahmen, der Inhalt der Behördenakten sowie das Vorbringen des Klägers bieten keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Beginn der Sanatoriumsbehandlung keinen Aufschub duldete und das Fehlen der Voranerkennung der Beihilfefähigkeit aus diesem Grunde als entschuldbar angesehen werden könnte. Diese Voraussetzung ist nach Sinn und Zweck der Voranerkennung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 BhV und nach dem Ausnahmecharakter der Regelung des § 17 Abs. 8 BhV nur in besonders gelagerten Einzelfällen erfüllt. Allein die für die Beihilfefähigkeit allgemein erforderliche Notwendigkeit der (alsbaldigen) Behandlung reicht dafür ebensowenig aus wie z.B. das Verfallen einer vorsorglich erfolgten Reservierung eines Sanatoriumsplatzes oder Ferientermine eines schulpflichtigen Kindes unter fünfzehn Jahren.
Bei Anlegen dieser Maßstäbe bedurfte es entgegen dem Vorbringen des Klägers über die vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen hinaus nicht der beantragten Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens. Die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen vermögen dem erkennenden Senat die zur Feststellung des insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und so die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen, daß ein besonders gelagerter Einzelfall auch unter Berücksichtigung aller drei diagnostizierten Krankheitsbilder zusammen nicht vorlag, bei dem die Sanatoriumsbehandlung keinen Aufschub duldete.
Fehlt es schon an dem auch im Interesse des betroffenen Beamten liegenden Erfordernis einer vorherigen Anerkennung der Beihilfefähigkeit, so kann dahinstehen, ob die Beklagte die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen aus Anlaß der streitigen Sanatoriumsbehandlung rechtmäßig abgelehnt hat oder nicht. Denn die vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit solcher Aufwendungen dem Grunde nach ist nicht ein verzichtbares Ordnungserfordernis, sondern sachlich-rechtliche Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1964 - BVerwG 8 C 124.63 <Buchholz 238.91 Nr. 4 Ziff. 10 Nr. 1>). Schon aus diesem Grunde waren die vom Kläger behaupteten und unter Beweis gestellten Tatsachen, allein die Diagnose des Amtsarztes in F. vom 16. Juli 1996 reiche aus, um einen Sanatoriumsaufenthalt zu begründen, sowie, zwischen dem Vertrauensarzt Dr. L. und dem behandlenden Arzt Dr. S. habe ein so tiefes Zerwürfnis bestanden, daß Dr. L. grundsätzlich alle verordneten ärztlichen Maßnahmen von Dr. S. ablehnte, für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 650 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG). Dabei hat der Senat die Rechnung des Sanatoriums vom 16. August 1996 und einen Bemessungssatz von 70 v.H. (vgl. § 14 Abs. 1 BhV) als Anhaltspunkt für die Streitwertbemessung zugrunde gelegt.
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Ende der Entscheidung
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