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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 7.99
Rechtsgebiete: BBesG


Vorschriften:

BBesG § 12 Abs. 2
Leitsätze:

Für einen Beamten des gehobenen Dienstes ist es offensichtlich, dass ihm Dienstbezüge nicht zustehen, die für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses wegen rechtskräftiger Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe gezahlt worden sind.

Musste der Besoldungsempfänger mit derartigen Zahlungen rechnen, entfällt die grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes nicht dadurch, dass der inhaftierte Besoldungsempfänger sich nicht um den Stand seines Gehaltskontos gekümmert und deshalb vom Eingang der Zahlungen nichts gewusst hat.

Urteil des 2. Senats vom 25. Januar 2001 - BVerwG 2 A 7.99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 A 7.99

Verkündet am 25. Januar 2001

Schütz Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe:

I.

Der im Jahre 1942 geborene Kläger war zuletzt Regierungsamtsrat im Dienste der Beklagten. Mit Urteil vom 25. April 1995 verurteilte ihn das Landgericht wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Das Gericht stellte eine durch schwere seelische Abartigkeit gekennzeichnete Persönlichkeitsstruktur des Klägers fest. Die Revision des Klägers wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1995 als unbegründet verworfen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Januar 1999 forderte die Beklagte vom Kläger 12 018,97 DM zurück, die sie ihm als Dienstbezüge für die Monate November, Dezember 1995 und Januar 1996 sowie in Höhe von 143,05 DM als unanfechtbar zu erstattende Abschlagszahlung auf Reisekosten gezahlt hatte.

Um prüfen zu können, ob aus Gründen der Billigkeit ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden könne, bat die Beklagte den Kläger im Widerspruchsverfahren um nähere Informationen zu seinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, insbesondere zur Verwendung des sich nach Feststellung im strafgerichtlichen Urteil auf 1 150 000 DM belaufenden Erlöses aus dem Verkauf seines Einfamilienhauses, und um entsprechende Belege. Der Kläger teilte mit, der Verkäufer habe für das Haus einen weit geringeren Preis gezahlt.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus: Auch wenn der Kläger um die überzahlten Bezüge nicht mehr bereichert sei, müsse er sie zurückzahlen. Er hafte verschärft, denn er habe zweifelsfrei Kenntnis vom Ausgang des Strafverfahrens gehabt und damit als Beamter des gehobenen Dienstes gewusst, dass sein Beamtenverhältnis geendet habe. Seine Angaben zu seiner wirtschaftlichen Lage, insbesondere zur Höhe und zum Verbleib des Erlöses aus dem Verkauf des Hauses seien unvollständig, teilweise widersprüchlich und unglaubhaft. Weil der Kläger seine Vermögensverhältnisse nicht offen gelegt habe, sei es nicht möglich, aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abzusehen.

Mit der Klage macht der Kläger geltend: Er habe den Mangel des rechtlichen Grundes nicht gekannt. Wegen seiner Inhaftierung und seiner schweren seelischen Erkrankung habe er nicht wahrgenommen, dass er weiter Dienstbezüge erhalten habe und dass sein Rechtsmittel gegen seine Verurteilung verworfen worden sei.

Der Kläger beantragt der Sache nach,

den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 25. Januar 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft die Darlegungen aus den angefochtenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der Rückforderungsbescheid vom 25. Januar 1999 ist rechtmäßig.

Die Beklagte konnte den Rückforderungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend machen, auch wenn dieser zu einem Zeitpunkt ergangen ist und einen Zeitraum betrifft, in dem der Kläger nicht mehr Beamter der Beklagten war (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 21. September 1989 - BVerwG 2 C 68.86 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 15 S. 10 m.w.N.; Beschluss vom 16. Januar 1992 - BVerwG 2 CB 25.89 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 19 S. 21).

Rechtsgrundlage für die Rückforderung von 11 875,92 DM ist § 12 Abs. 2 BBesG. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dienstbezüge sind zu viel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind. Mit dem die Revision des Klägers verwerfenden Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1995 wurde das Urteil des Landgerichts vom 25. April 1995 rechtskräftig. Mit der Rechtskraft des Strafurteils endete das Beamtenverhältnis des Klägers (§ 48 Satz 1 Nr. 1 BBG). Damit entfiel der Rechtsgrund für die weitere Zahlung von Bezügen (§ 3 Abs. 3 BBesG). Die Beklagte hat als Dienstbezüge für die Zeit ab 1. November 1995 insgesamt noch 11 875,92 DM brutto angewiesen, die als Nettobezüge dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden sind.

Dass die Brutto- und nicht lediglich die Nettobezüge zurückzuzahlen sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 21.97 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 25 S. 13 und vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 2 C 11.99 - BVerwGE 109, 365 <371>). Nach der Erkenntnislage zum maßgebenden Beurteilungszeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides war die Beklagte nicht gehalten, die Rückforderungssumme um die Differenz zwischen den überzahlten Brutto- und Nettobezügen zu kürzen. Dies durfte einer späteren Änderung des Rückforderungsbescheides überlassen bleiben, weil die Entscheidung, ob der - vorrangige - steuerrechtliche Ausgleich für die bereits versteuerten Überzahlungen gelingt, erst in der Zukunft getroffen werden konnte. Erst danach müsste die Beklagte gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG das Verwaltungsverfahren auf Antrag wieder aufgreifen und den Rückforderungsbescheid gegebenenfalls ändern, weil sich nachträglich die Sach- oder Rechtslage zugunsten des Rückzahlungspflichtigen geändert hätte.

Der Kläger kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB), weil er gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 818 Abs. 4, § 819 BGB verschärft haftet. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Der Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung von Bezügen ist gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG dann offensichtlich, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat (stRspr; vgl. Urteil vom 21. September 1989, a.a.O. S. 12 m.w.N.).

Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Selbst wenn dem Kläger die Überzahlungen unbekannt geblieben sind, beruht seine Unkenntnis jedenfalls darauf, dass er die ihm obliegende Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt hat. Der Kläger konnte als erfahrener Beamter des gehobenen Dienstes nicht darüber im Zweifel sein, dass mit seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren sein Beamtenverhältnis und damit auch sein Anspruch auf Dienstbezüge endeten. Ebenso ist ausgeschlossen, dass der Kläger bis Ende Oktober 1995 keine Kenntnis von der Rechtskraft des Strafurteils erlangen konnte und erlangt hat. Denn damit hatten sich bereits die Inhaftierungsvoraussetzungen geändert.

Der Kläger hätte auch während seiner haftbedingten Abwesenheit dafür Sorge tragen müssen, dass seine Ehefrau sein Konto, über das sie verfügen konnte, auf den Eingang von Bezügen überwachte. Wenn ihm die Überzahlungen unbekannt geblieben sind, beruht dies darauf, dass er sich nicht um sein Konto gekümmert und seine Ehefrau nicht um Mitteilung von Kontobewegungen aufgrund der Überweisungen der Beklagten gebeten hat. Allein aus diesem Grunde konnte es geschehen, dass die ihm nicht zustehenden Bezüge nach Beendigung seines Beamtenverhältnisses, ohne dass er es angeblich bemerkte, auf dieses Konto gezahlt wurden.

Mit Überzahlungen nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils musste der Kläger rechnen. Sie waren nicht derart unwahrscheinlich, dass mit ihnen vernünftigerweise nicht zu rechnen war. Für den nach eigenen Angaben in behördlicher Kassenverwaltung erfahrenen Kläger war ohne weiteres erkennbar, dass die Beklagte erst nach Mitteilung der Verwerfung seiner Revision die Einstellung der Zahlungen veranlassen konnte. Dass dies angesichts des Behördenweges möglicherweise nicht rechtzeitig geschehen würde, lag durchaus nicht fern. Der Kläger ließ deshalb die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht, als er nicht zumindest durch Rückfrage bei seiner Ehefrau feststellte, ob ihm Bezüge weitergezahlt wurden (vgl. auch Urteile vom 26. Mai 1966 - BVerwG 8 C 389.63 - BVerwGE 24, 148 <151> und vom 21. September 1989, a.a.O. S. 12 f.).

Für eine die grobe Fahrlässigkeit ausschließende seelische Störung zur Zeit der Überzahlungen besteht nach den Feststellungen des Strafurteils und den darin mitgeteilten medizinischen Beurteilungen kein Anhaltspunkt.

Ob die Beklagte ein Mitverschulden an der Überzahlung trifft, kann auf sich beruhen. Darauf kommt es nicht an, weil ein etwaiges Mitverschulden dem Rückforderungsanspruch nicht entgegenstünde. Ein Verschulden der Behörde an der Überzahlung könnte allenfalls im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG von Bedeutung sein (vgl. u.a. Urteil vom 28. Juni 1990 - BVerwG 6 C 41.88 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 17 S. 19 f. m.w.N.).

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Billigkeitsentscheidung kann darin bestehen, dass von der Rückforderung insgesamt oder teilweise endgültig abgesehen, dass die Rückzahlung ganz oder teilweise erst für einen späteren Zeitpunkt verlangt oder dass eine Rückzahlung in Teilbeträgen (Ratenzahlung) gestattet wird (vgl. u.a. Urteil vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 2 C 27.98 - BVerwGE 109, 357 <362> m.w.N. ). Zweck dieser Ermessensentscheidung ist es, die besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles gegenüber der notwendigerweise generalisierenden gesetzlichen Rückforderungsbestimmung zur Geltung zu bringen, und zwar nach der Sachlage im Zeitpunkt der Rückabwicklung (vgl. Urteil vom 25. November 1982 - BVerwG 2 C 14.81 - BVerwGE 66, 251 <255 f.> m.w.N.; Urteil vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 19.92 - BVerwGE 95, 94 <97>; Beschluss vom 2. September 1998 - BVerwG 2 B 12.98 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 23 S. 9 m.w.N.).

Die Entscheidung, ob die Rückforderung in einer Summe der Billigkeit entspricht, hat die Beklagte jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1999 getroffen. Da eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich ihre Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel des Widerspruchsbescheides. Maßgebend ist die Erkenntnislage der Behörde zu diesem Zeitpunkt. Auch der gerichtlichen Überprüfung einer Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren. Eine darüber hinausgehende gerichtliche Aufklärungspflicht besteht nicht (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998, a.a.O. S. 15).

Umstände, die zu einem vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Rückzahlung oder zur Einräumung von Ratenzahlungen führen müssten, hat der Kläger bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nicht vorgetragen. Besondere Umstände, die Anlass zu einer derartigen Billigkeitsentscheidung gegeben hätten, waren zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch auch nicht ersichtlich. Bei der zu diesem Zeitpunkt der Beklagten bekannten Sachlage war keine Herabsetzung des zurückgeforderten Betrages geboten. Die Beklagte durfte sich darauf beschränken, dem Kläger bei späterer Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse Ratenzahlungen anzubieten (vgl. auch Urteil vom 25. November 1982, a.a.O.). Das Vorbringen des Klägers nach Erlass des angefochtenen Widerspruchsbescheides berührt die Rechtmäßigkeit der darin getroffenen ablehnenden Billigkeitsentscheidung nicht (vgl. auch Urteil vom 21. September 1989, a.a.O. S. 13 f.).

Die Verpflichtung des Klägers, eine erhaltene Abschlagszahlung auf Reisekosten in Höhe von 143,05 DM zurückzuzahlen, steht bestandskräftig fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12 018,97 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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