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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 53.09
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 53
Der Grundsatz des Vorteilsausgleichs rechtfertigt die Anrechnung von Erwerbseinkommen, das ein Beamter oder Richter im vorzeitigen Ruhestand durch Tätigkeiten erzielt, die er während des aktiven Dienstes als Nebentätigkeiten ausgeübt hat.
In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 23. Juli 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,

den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und

die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. März 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 54 363,19 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gegeben sind.

1.

Der Kläger, ein ehemaliger Arbeitsgerichtsdirektor, wurde auf seinen Antrag bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt. Er wendet sich dagegen, dass die Vergütungen, die er für seine Tätigkeiten als Vorsitzender von Einigungsstellen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erhalten hat, auf die Versorgungsbezüge angerechnet worden sind.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Als Erwerbseinkommen unterlägen die Vergütungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres der Anrechnung nach § 53 BeamtVG. Daran ändere nichts, dass der Kläger bereits während seiner Zeit als aktiver Richter aufgrund von Nebentätigkeitsgenehmigungen den Vorsitz von Einigungsstellen geführt habe. Die Anrechnung sei mit dem Alimentationsgrundsatz vereinbar. Der ihr zugrunde liegende Gedanke des Vorteilsausgleichs beanspruche Geltung für das gesamte Erwerbseinkommen, das ein Beamter oder Richter im vorzeitigen Ruhestand bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze erziele.

2.

Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von tragenden Grundsätzen des Urteils des Senats vom 27. Januar 2005 - BVerwG 2 C 39.03 - (Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 13) abgewichen. Danach rechtfertige der Grundsatz des Vorteilsausgleichs die Anrechnung von Einkünften auf die Versorgungsbezüge, wenn sie ursächlich auf den Wegfall der Dienstleistungspflicht zurückzuführen seien. Anrechenbar seien Einkünfte, die der Ruhestandsbeamte allein deswegen erwirtschaften könne, weil er aufgrund der Freistellung vom Dienst Freiräume gewonnen habe. Dies bedeute umgekehrt, dass die Anrechnung nicht statthaft sei, wenn es an dieser Kausalität fehle. § 53 BeamtVG bedürfe einer entsprechenden teleologischen Reduktion.

Mit diesem Vortrag hat der Kläger eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht dargelegt, weil der Senat in dem Urteil vom 27. Januar 2005, a.a.O., den vom Kläger behaupteten Rechtssatz nicht aufgestellt hat. Vielmehr hat der Senat entschieden, der Grundsatz des Vorteilsausgleichs trage die Anrechnung von Einkünften auf die Versorgungsbezüge, die ein vorzeitig in den Ruhestand versetzter Beamter bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze durch eine Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes erziele. Nach dem Sachverhalt, der diesem Urteil zugrunde lag, hatte der Senat keinen Anlass, darüber zu entscheiden, ob die im vorzeitigen Ruhestand erzielten Einkünfte von der Anrechnung ausgenommen werden können, weil der Beamte während des aktiven Dienstes gleichartige Erwerbstätigkeiten ausgeübt hat. Die vom Kläger wiedergegebene Darstellung ist nicht entscheidungstragend und rechtfertigt überdies den von ihm gezogenen Umkehrschluss nicht.

3.

Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, inwieweit der Anwendungsbereich der Ruhensregelungen des § 53 BeamtVG teleologisch auf solche Fallkonstellationen zu reduzieren ist, bei denen die Möglichkeit des Zuverdienstes von Erwerbseinkommen im Sinne des § 53 Abs. 7 BeamtVG vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze kausal erst durch den Umstand der pensionierungsbedingten Freistellung von dienstlichen Verpflichtungen begründet wird.

Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil kein Klärungsbedarf besteht. Denn sie lässt sich aufgrund der Rechtsprechung des Senats zum Grundsatz des Vorteilsausgleichs ohne Weiteres beantworten (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; stRspr).

Die auch für Richter im Ruhestand geltenden Ruhensregelungen des § 53 BeamtVG sehen vor, dass das Erwerbseinkommen des Ruhestandsbeamten in der Zeitspanne zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand und dem Erreichen der allgemeinen Altersgrenze auf das Ruhegehalt anzurechnen ist, wenn es die gesetzliche Höchstgrenze übersteigt. Die Ruhensregelungen stellen eine gesetzliche Konkretisierung des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs dar. Dieser überlagert den Grundsatz, dass die Alimentation ohne Rücksicht darauf zu gewähren ist, ob und inwieweit ein Beamter oder Richter den amtsangemessenen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen.

Der Senat hat seine Rechtsprechung zum Zweck und zur inhaltlichen Reichweite des Vorteilsausgleichs in dem Urteil vom 17. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 26.07 - (ZBR 2009, 203 <204>; zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) wie folgt zusammengefasst:

"Der Vorteilsausgleich findet seine Rechtfertigung darin, dass das Gleichgewicht zwischen Alimentationspflicht des Dienstherrn und Dienstleistungspflicht des Beamten bei einem Eintritt in den Ruhestand vor Erreichen der allgemeinen gesetzlichen Altersgrenze gestört ist. Beide Pflichten stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang. Der Dienstherr schuldet die Alimentation als Gegenleistung dafür, dass sich ihm der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur Verfügung stellt und die übertragenen Aufgaben nach besten Kräften erfüllt. Der vorzeitige Eintritt eines Beamten in den Ruhestand verschiebt dieses Pflichtengefüge zu Lasten des Dienstherrn, weil diesem die Arbeitskraft des Beamten zu früh verloren geht und er über einen längeren Zeitraum hinweg Versorgungsleistungen erbringen muss (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Dezember 2007 - 2 BvR 797/04 - ZBR 2008, 91; BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2005 a.a.O.).

In diesem Fall steht den Versorgungsbezügen keine zeitlich angemessene Dienstzeit gegenüber, so dass der Beamte die Altersversorgung noch nicht vollständig erdient hat. Denn die Dienstbezüge sind im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche niedriger festgesetzt. Der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die spätere Versorgung zu finanzieren (BVerfG, Urteile vom 6. März 2002 - 2 BvL 17/99 - BVerfGE 105, 73 <115> und vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <298> ). ...

Denn gegenwärtig gibt der Gesetzgeber nur durch die Festlegung einer allgemeinen Altersgrenze zu erkennen, welches zeitliche Verhältnis von aktivem Dienst und Ruhestand er als angemessen ansieht. Erst bei Erreichen dieser Altersgrenze haben Beamte ihre Altersversorgung vollständig erdient. ..."

Demnach ist für die Anwendung des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Gegenseitigkeitsverhältnis von Alimentation und Dienstleistung aufgrund des vorzeitigen Wegfalls der Dienstleistungspflicht gestört ist. Der Beamte, der vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, muss die Anrechnung des im vorzeitigen Ruhestand erzielten Erwerbseinkommens schon deshalb hinnehmen, weil er vorzeitig keinen Dienst mehr leistet. Die Anrechnung ist gerechtfertigt, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Beamten nicht mehr zur Verfügung steht, obwohl das zeitliche Verhältnis von Dienstzeit und Ruhestand nicht ausgewogen ist. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, von der Anwendung des Grundsatzes des Vorteilsausgleichs abzusehen, wenn Beamte von einer gesetzlichen Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens aus dem aktiven Dienst Gebrauch machen.

Daraus folgt, dass die Anrechnung von Einkünften nach § 53 BeamtVG auch dann dem Zweck des Vorteilsausgleichs entspricht, wenn sie durch Erwerbstätigkeiten erzielt werden, die ihrer Art nach Tätigkeiten entsprechen, die der Beamte im aktiven Dienst außerhalb der Dienstzeiten als genehmigte Nebentätigkeiten ausgeübt hat. So liegt der Fall hier: Bei der Tätigkeit als Vorsitzender von Einigungsstellen handelt es sich hinsichtlich jeder Einigungsstelle um eine gesonderte selbständige Arbeit im Sinne des § 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG. Denn der Kläger schließt für jede Einigungsstelle einen eigenständigen Dienstvertrag ab und wird daher für jede Führung eines Vorsitzes gesondert vergütet. Ein Zusammenhang mit den gleichartigen Tätigkeiten während des aktiven Dienstes besteht nur insoweit, als sich der Kläger die damals entstandenen Kontakte und das erworbene Ansehen zunutze macht, um nach Eintritt in den Ruhestand weiterhin Aufträge zu erhalten.

Darüber hinaus knüpfen die Tätigkeiten des Klägers im Ruhestand auch deshalb nicht zwingend an die gleichartigen Tätigkeiten im aktiven Dienst an, weil sich die rechtliche Beurteilung grundlegend unterscheidet: Im aktiven Dienst waren dem Kläger durch das Nebentätigkeitsrecht Beschränkungen auferlegt, um den unbedingten Vorrang des Hauptamtes als Arbeitsgerichtsdirektor sicherzustellen. Der Kläger konnte den Vorsitz von Einigungsstellen nur übernehmen, wenn weder im Einzelfall noch aufgrund des gesamten Umfangs dieser Nebentätigkeiten dienstliche Interessen beeinträchtigt werden konnten (§ 68 Abs. 2 LBG NRW a.F.; § 40 DRiG). An eine derartige Beeinträchtigung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, dass nachteilige Schlüsse auf die Wahrnehmung des Richteramtes gezogen werden können (Urteil vom 24. November 2005 - BVerwG 2 C 32.04 - BVerwGE 124, 347 <350 f.> = Buchholz 230 § 42 BRRG Nr. 3). Daraus ergaben sich Beschränkungen, insbesondere für den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeiten. Diese sind mit dem Eintritt in den Ruhestand weggefallen. Durch den Wegfall der Dienstleistungspflicht haben sich die Freiräume des Klägers erheblich vergrößert. Denn er kann nunmehr Vorsitzendentätigkeiten in Einigungsstellen ohne Rücksicht auf dienstliche Belange zeitlich unbegrenzt wahrnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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