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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 1.08
Rechtsgebiete: AO, BBesG
Vorschriften:
AO § 208 Abs. 1 | |
AO § 399 Abs. 1 | |
AO § 399 Abs. 2 | |
AO § 404 | |
BBesG § 42 |
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I
Die Klägerin ist Steuerobersekretärin in der Finanzverwaltung des Beklagten und war nahezu 10 Jahre in der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen als Fahndungshelferin eingesetzt.
Im Juli 2000 beantragte sie, ihr für die Zeit ihrer Tätigkeit in der Steuerfahndungsstelle die sogenannte Polizeizulage zu zahlen. Ihr Antrag und ihr Widerspruch blieben erfolglos: Die Klägerin dürfe keine polizeilichen Rechte wahrnehmen, sei nicht Hilfsbeamtin der Staatsanwaltschaft und der Anteil ihres Außendienstes übersteige nicht 40%. Die bloße Zugehörigkeit zum Steuerfahndungsdienst reiche für die Gewährung der Zulage nicht aus; ihre Aufgaben seien nur untergeordnet und hätten nicht die für die Zulage erforderliche Qualität.
Die Klage blieb im ersten Rechtszug erfolglos. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihren Anspruch auf Gewährung der Zulage auf den Zeitraum vom 10. März 1998 bis zum 7. Januar 2007 eingeschränkt. In diesem Umfang hat das Berufungsgericht ihrer Berufung stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Stellenzulage ("Polizeizulage") ergebe sich aus Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz). Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung erhielten u.a. die Beamten des Steuerfahndungsdienstes eine Stellenzulage nach Anlage IX, soweit ihnen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A zustehen. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin erfüllt.
Bei den Beamten des Steuerfahndungsdienstes knüpfe die Zulageberechtigung nicht an eine polizeiliche Verwendung im engeren Sinne, sondern an den konkreten Aufgabenbereich des Beamten an. Dieser müsse inhaltlich durch die Steuerfahndung geprägt sein. Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 AO bestehe die Aufgabe der Steuerfahndung in der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen und der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Die den Fahndungshelfern zugewiesenen Tätigkeiten - beispielsweise die selbstständige Vor- und Vorfeldermittlung in einfach gelagerten Fällen, die Unterstützung der Fahndungsprüfer bei strafprozessualen Maßnahmen im Außendienst, die Mitwirkung bei Vernehmungen und Protokollierungen im Außendienst - gehörten zum Bereich der Steuerfahndung, auch wenn die Fahndungshelfer teilweise nur unterstützend tätig würden. Fahndungshelfer erfüllten ihre Aufgaben ohne inhaltliche oder organisatorische Abtrennung gemeinsam mit den Fahndungsprüfern. Auch die seit 1980 unverändert gebliebene Überschrift der Vorbemerkung Nr. 9 ("Zulage für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben") gebiete keine abweichende Auslegung. Sie diene lediglich der Kennzeichnung der Zulage und sei aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zu erklären.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Juni 2005 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin die streitige Zulage für die Zeit zustand, während der sie in der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen als Fahndungshelferin eingesetzt war.
1.
Rechtsgrundlage des Anspruchs ist Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz). In dem genannten Zeitraum hatte diese Vorschrift unterschiedliche Fassungen, die sich mit Wirkung vom 1. Juli 1997 aus der Bekanntmachung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 16. Mai 1997 (BGBl. I S. 1065, ber. S. 2032), mit Wirkung vom 1. Januar 1999 aus Art. 24 Abs. 1, Art. 5 Nr. 22 Buchst. i des Gesetzes vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666) und ab dem 1. Januar 2002 aus Art. 1 Nr. 23 Buchst. c des Sechsten Besoldungsänderungsgesetzes vom 14. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3702) ergaben. Durch die zuletzt genannte Änderung hat die Vorschrift die auch heute noch geltende Fassung erhalten. Allen Fassungen gemeinsam ist, dass die Zahlung der in der Überschrift als "Zulage für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben" bezeichneten Zulage von der Voraussetzung abhängt, dass die Klägerin Beamtin des Steuerfahndungsdienstes war. Die Beamten des Steuerfahndungsdienstes sind erstmals durch Art. 1 Nr. 14 Buchst. g des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990 (BGBl. I S. 967) mit Wirkung vom 1. Januar 1990 in den Kreis der zulageberechtigten Beamten aufgenommen worden.
2.
Die in Nr. 9 der Vorbemerkungen genannte Polizeizulage ist eine sogenannte Stellenzulage, deren Zahlung gemäß § 42 BBesG auf herausgehobene Funktionen (Absatz 1) und auf die Dauer ihrer Wahrnehmung beschränkt ist (Absatz 3 Satz 1). Herausgehoben im Sinne dieser Vorschrift sind diese Funktionen wegen der für ihre Wahrnehmung zusätzlich zu erfüllenden Anforderungen, die von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfasst werden (vgl. Urteil vom 27. November 2003 - BVerwG 2 C 55.02 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 28). Mit der Formulierung "zulageberechtigende Verwendung" werden die tatbestandlichen Voraussetzungen bezeichnet, die nach der einschlägigen Zulageregelung erfüllt sein müssen. Darüber hinausgehende Anforderungen werden nicht gestellt ( Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 2 C 26.01 - Buchholz 240 § 13 BBesG Nr. 4).
Was eine herausgehobene Funktion im Sinne des § 42 BBesG ist, hat der Gesetzgeber in den einzelnen Zulagevorschriften normativ entschieden. In der Vorbemerkung 9 sind verschiedene Beamtengruppen zusammengefasst, deren Angehörige nach der Wertung des Gesetzgebers vollzugspolizeiliche Aufgaben wahrnehmen. Dieser Grundsatz ist durch die Rechtsentwicklung allerdings gelockert worden. Die Zulageregelung der Nr. 9 der Vorbemerkungen verlangt keinen ausdrücklichen Funktionsbezug durch das Erfordernis einer bestimmten Verwendung, vielmehr genügt ein summarischer Funktionsbezug durch Bezeichnung einer bestimmten Tätigkeit (vgl. Urteile vom 24. Januar 1985 - BVerwG 2 C 9.84 - Buchholz 235 § 42 BBesG Nr. 8 S. 24 , vom 26. Juni 1981 - BVerwG 6 C 85.79 - BVerwGE 62, 354 <357> und vom 10. Februar 1983 - BVerwG 2 C 20.81 - Buchholz 235 § 47 BBesG Nr. 1). In Fällen dieser Art wird die Stellenzulage für den Zeitraum gewährt, in dem der jeweilige Beamte die maßgebliche Aufgabe wahrnimmt. Zu deren mit der Zulage abgegoltenen, von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfassten Besonderheiten gehört das Erfordernis, in schwierigen Situationen unter physischer und psychischer Belastung schnell verantwortliche, möglicherweise einschneidende Maßnahmen zu treffen, und die Bereitschaft, in Erfüllung der übertragenen Aufgaben gegebenenfalls Leben und Gesundheit einzusetzen (Urteil vom 24. Januar 1985 a.a.O. S. 25).
3.
Der im Besoldungsrecht geltende Grundsatz, dass dem Wortlaut der Bestimmung besondere Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 34.02 - BVerwGE 121, 91 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 79 m.w.N; zuletzt Urteil vom 17. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 51.07 - [...] Rn. 8), führt hier dazu, den Anspruch auf die Zulage bereits daran zu knüpfen, dass der Beamte dem Steuerfahndungsdienst angehört und materielle Aufgaben dieses Dienstes erfüllt. Anders als bei den Beamten der Zollverwaltung ist Voraussetzung für die Gewährung der Zulage nicht, dass die Beamten des Steuerfahndungsdienstes mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut sind.
Was unter dem Steuerfahndungsdienst zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Bundesbesoldungsgesetz nicht näher. Der Gesetzgeber verwendet hier einen Begriff der Abgabenordnung. Nach § 208 Abs. 1 AO gehört zu den Aufgaben der Steuerfahndung die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in diesen Fällen sowie die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Dabei haben die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden und die Zollfahndungsämter die Befugnisse nach § 404 Satz 2 Halbs. 1 AO und die Ermittlungsbefugnisse, die den Finanzämtern zustehen. Unabhängig hiervon sind die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden und die Zollfahndungsämter zuständig für steuerliche Ermittlungen einschließlich der Außenprüfung und für die ihnen sonst im Rahmen der Zuständigkeit der Finanzbehörden übertragenen Aufgaben ( § 208 Abs. 2 AO). Nach § 404 Satz 1 AO haben die Zollfahndungsämter und die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden sowie ihre Beamten im Strafverfahren wegen Steuerstraftaten dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden und Beamten des Polizeidienstes nach den Vorschriften der Strafprozessordnung. Die in § 404 Satz 1 AO bezeichneten Stellen sowie die das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführenden Finanzbehörden ( § 399 Abs. 1 AO) haben die Befugnisse nach § 399 Abs. 2 Satz 2 AO, können also bei Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten; sie können Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen nach den für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung anordnen. Außerdem haben sie die Befugnis zur Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen ( § 110 Abs. 1 StPO); ihre Beamten sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.
Mit diesen Bestimmungen beschreibt die Abgabenordnung die Aufgaben und Zuständigkeiten sowie die Machtbefugnisse der Behörden, nicht ihrer einzelnen Angehörigen (außer in Steuerstrafverfahren; hier sind ihre Beamten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft). Der Funktionsbegriff ist also behördenbezogen. Die Erwähnung der Beamten "des Steuerfahndungsdienstes" in Nr. 9 der Vorbemerkungen ist demnach als summarischer Funktionsbezug zu verstehen. Maßgebend ist demgemäß die dem Beamten zugewiesene spezielle Funktion. Ist dem Beamten ganz überwiegend eine solche Funktion zugewiesen, so ist seine Tätigkeit durch diese Funktion geprägt und damit im Sinne des § 42 BBesG herausgehoben. Die Zulage wird damit nicht für bestimmte rechtliche Befugnisse, sondern für tatsächliche Erschwernisse gewährt. Demgegenüber beeinflussen die höhere Verantwortung und die besonderen Befugnisse, die nur die Fahndungsprüfer haben, die Wertigkeit ihres Statusamtes und kommen deshalb nicht in der ihnen ebenfalls zustehenden Polizeizulage, sondern in ihrer typischerweise höheren Grundbesoldung zum Ausdruck. Für die Zulage kommt es nur auf die tatsächliche Seite der Tätigkeit an. Hierzu hat das Berufungsgericht für das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt, dass die Steuerfahndungshelfer den besonderen Belastungen durch Außendienst und Vollzugsmaßnahmen nicht weniger unterliegen als die Steuerfahndungsprüfer. Für eine Differenzierung nach der Art der Steuerfahndungsaufgaben ist nach dem Wortlaut der Nr. 9 der Vorbemerkungen kein Raum.
4.
Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin die Polizeizulage zu. Sie war im maßgeblichen Zeitraum bei der Steuerfahndung und bei Steuerstrafsachen als Fahndungshelferin eingesetzt. Damit gehörte sie nach dem materiellen Inhalt ihrer Tätigkeit zur Gruppe der zulageberechtigten Beamten des Steuerfahndungsdienstes, deren Angehörige insgesamt eine herausgehobene Tätigkeit wahrnehmen.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Ende der Entscheidung
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