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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 10.07
Rechtsgebiete: GG, LBG RP, BVO RP
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 33 Abs. 5 | |
GG Art. 80 | |
LBG RP § 90 | |
BVO RP § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 | |
BVO RP § 4 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 2 Buchst. a |
2. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für potenzsteigernde Mittel auch in Krankheitsfällen ist mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (wie Urteil vom selben Tag BVerwG 2 C 24.07).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 2 C 10.07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 28. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele, Groepper und Dr. Heitz sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2007 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 31. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens
Gründe:
I
Der 1945 geborene Kläger ist Ruhestandsbeamter. Nachdem er 1999 wegen eines Prostatakarzinoms operiert wurde, leidet er an erektiler Dysfunktion. Bis zum Jahre 2005 wurde ihm für das ärztlich verschriebene Medikament "Viridal" Beihilfe gewährt. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 lehnte der Beklagte es ab, dem Kläger für die Aufwendungen in Höhe von 159,33 € eine Beihilfe zu gewähren, weil nach der am 1. Juni 2005 in Kraft getretenen Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 2 Buchst. a der Beihilfenverordnung Aufwendungen für Arzneimittel und Mittel nicht beihilfefähig seien, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienten. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hat das beklagte Land verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die positiven Anerkennungsvoraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe seien erfüllt, da die erektile Dysfunktion als Folge einer behandlungsbedürftigen Krankheit aufgetreten und selbst eine behandlungsbedürftige Krankheit sei. Das Mittel "Viridal" erfülle den Arzneimittelbegriff. Es sei dem Kläger ärztlich verschrieben worden und zum Ausgleich einer erworbenen körperlichen Beeinträchtigung und zur Linderung seines Leidens geeignet. Das Leiden des Klägers sei organischen Ursprungs und indiziere medizinisch die Behandlung mit dem in dem Medikament enthaltenen Wirkstoff Alprostadil. Eine preiswertere Alternative (außer der Nichtbehandlung) sei nicht erkennbar. Die Beihilfefähigkeit sei auch nicht im Hinblick auf die zitierte Vorschrift zu verneinen. Diese Vorschrift schließe im Ergebnis die Kosten der Behandlung der erektilen Dysfunktion umfassend von der Beihilfefähigkeit aus. Ein derartiger pauschaler und genereller Ausschluss einer einzelnen Krankheit sei jedoch von der Ermächtigungsgrundlage des § 90 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz nicht gedeckt.
Der Dienstherr sei verpflichtet, dem Beamten dem Grunde nach allgemein Beihilfe in Krankheitsfällen zu gewähren. Der Verordnungsgeber könne lediglich die Voraussetzungen sowie Art, Ausmaß und Begrenzung der zu gewährenden Hilfe im Einzelnen festlegen. Er dürfe aber nicht eine einzelne Krankheit von der Erstattungsfähigkeit vollständig ausschließen.
Die Ausschlussregelung verletze den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Verordnungsgeber die betroffenen Aufwendungen ohne Rücksicht auf deren medizinische Indikation und therapeutische Funktion vollständig von der Erstattungsfähigkeit ausnehme.
Dem stehe nicht entgegen, dass potenzsteigernde Mittel seit dem 1. Januar 2004 vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse ausgeschlossen seien. Die Systeme der gesetzlichen Krankenversicherung und der die private Vorsorge ergänzenden Beihilfe seien strukturell nach Anspruch und Umfang so unterschiedlich, dass eine inhaltliche Angleichung nicht geboten sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des beklagten Landes, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 31. Oktober 2006 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Position des Beklagten. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit betreffe nicht die erektile Dysfunktion als Krankheit, sondern nur Arzneimittel, für deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund stehe.
II
Die Revision, über die der Senat mit Zustimmung aller Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, Art. 125a Abs. 1 GG). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
1. Rechtsgrundlage der Gewährung von Beihilfe für Landesbeamte in Krankheitsfällen ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Beihilfenverordnung des Landes Rheinland-Pfalz (BVO) in der Fassung vom 9. Mai 2005 (GVBl. S. 195). Danach sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange, soweit sie dem Beihilfeberechtigten in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung oder Linderung von Leiden, für die Beseitigung oder zum Ausgleich angeborener oder erworbener körperlicher Beeinträchtigungen entstanden sind. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 BVO sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig u.a. die Aufwendungen für die vom Arzt nach Art und Umfang vor der Anschaffung schriftlich verordneten Arzneimittel; nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Arzneimittel und Mittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen.
2. Die Beihilfenverordnung hat ihre Rechtsgrundlage in § 90 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz (LBG RP); diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
§ 90
Beihilfen
(1) Die Gewährung von Beihilfen zu den Aufwendungen
1. in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen,
2. für die Säuglings- und Kleinkinderausstattung eines angenommenen Kindes
3. in Fällen des nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs und bei nicht rechtswidriger Sterilisation und
4. für Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und zur Früherkennung von Krankheiten richtet sich nach Grundsätzen, die das für das finanzielle öffentliche Dienstrecht zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für das allgemeine öffentliche Dienstrecht zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung erlässt. In der Rechtsverordnung können auch Bestimmungen über die Gewährung von Beihilfen für Wahlleistungen gegen Zahlung eines monatlichen Betrages, das Verwaltungsverfahren und die für die Gewährung von Beihilfen zuständigen Behörden getroffen werden.
Soweit diese Vorschrift nicht als bloße Regelung der Zuständigkeit zu verstehen ist, ermächtigt sie ihrem Wortlaut nach das zuständige Ministerium, Grundsätze für die Gewährung von Beihilfen in den in Absatz 1 genannten Fällen zu erlassen, ohne dem Verordnungsgeber hierfür irgendwelche inhaltlichen Maßstäbe vorzugeben. Mit diesem Inhalt wird die Vorschrift nicht den rechtstaatlichen Anforderungen gerecht, die an eine Ermächtigungsgrundlage zu stellen sind; vielmehr verstößt die gesetzliche Verordnungsermächtigung des § 90 Abs. 1 LBG RP gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Nach diesem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen System des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 80 Abs. 1) ergibt, sind die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Regelungsbereichen durch Parlamentsgesetz zu treffen. Dies gilt aufgrund des Homogenitätsgebots auch für die Landesgesetzgebung, für die Art. 80 Abs. 1 GG nicht unmittelbar anwendbar ist (vgl. Urteil vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - juris Rn. 10, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen, m.w.N.).
Der Vorbehalt des Gesetzes gilt auch für das Beihilferecht. Dies folgt aus der außergewöhnlichen Bedeutung der Beihilfe und ihres Wechselbezugs zu den Besoldungs- und Versorgungsbezügen, wobei jedenfalls die Gesetzesbindung der Besoldung zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG gehört (vgl. Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <310>). Daher müssen zum einen die tragenden Strukturprinzipien des Beihilfensystems gesetzlich festgelegt werden. Zum anderen muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für wesentliche Einschränkungen des Beihilfestandards übernehmen (vgl. Urteil vom 20. März 2008 a.a.O. Rn. 11).
Diesen Anforderungen genügt § 90 Abs. 1 LBG RP offensichtlich nicht.
Obwohl der Senat § 90 Abs. 1 LBG RP wegen Verstoßes gegen den bundesverfassungsrechtlichen Vorbehalt des Parlamentsgesetzes für nichtig hält, bedarf es keiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Denn auf die Gültigkeit der Norm kommt es im hier zu entscheidenden Fall nicht an. Ist § 90 Abs. 1 LBG RP gültig und die darauf gestützte Beihilfenverordnung wirksam, so ist diese ohne Weiteres anzuwenden. Ist § 90 Abs. 1 LBG RP nichtig, so erfasst diese Nichtigkeit auch die Beihilfenverordnung. Diese ist dann aber entsprechend den im Urteil vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 50.02 - (BVerwGE 121, 103 <111>) entwickelten Grundsätzen weiterhin für eine Übergangszeit anzuwenden, weil andernfalls der noch verfassungsfernere und schlechthin unerträgliche Zustand einträte, dass der Beamte und seine Familie ohne jeden Anspruch auf Beihilfe in Krankheitsfällen bliebe. Erst wenn der parlamentarische Gesetzgeber seiner Verpflichtung, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zu schaffen, in angemessener Zeit nicht nachkommen sollte, käme es auf die Gültigkeit der Beihilfenverordnung an; im Falle ihrer Nichtigkeit wäre dann über Beihilfeansprüche allein nach dem Grundsatz zu entscheiden, dass Beihilfe zu gewähren ist, soweit die Aufwendungen nach medizinischer Beurteilung erforderlich und der Höhe nach angemessen sind (vgl. Urteil vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 24.07 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
3. Die in der Beihilfenverordnung vorgesehenen Leistungssausschlüsse sind nunmehr Gegenstand des normativen Regelungswerkes und nicht mehr Inhalt einer Verwaltungsvorschrift. Sie sind folglich Teil des "Programms" der Beihilfevorschriften selbst. Damit sind die Bedenken ausgeräumt, die der Senat in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2003 - BVerwG 2 C 26.02 - (BVerwGE 119, 168) zur damaligen Fassung der Rheinland-Pfälzischen Beihilfevorschriften geäußert und dahingehend zusammengefasst hatte, die Herausnahme einzelner Medikamente aus der Beihilfefähigkeit sei nur zulässig, wenn dies mit dem "Programm" der Beihilfevorschriften vereinbar sei.
4. Daraus folgt, dass § 4 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 2 Buchst. a BVO auf den streitigen Anspruch des Klägers anzuwenden ist.
Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen sind dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 BVO): Nach den bindenden, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Präparat "Viridal" um ein Arzneimittel, das aus medizinischen Gründen erforderlich ist, um die als Folge der Prostata-Karzinombehandlung beim Kläger eingetretene erektile Dysfunktion zu beseitigen. Diese stellt eine behandlungsbedürftige Krankheit dar. Ein preislich günstigeres Mittel ist nicht ersichtlich.
Allerdings sieht § 4 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 2 Buchst. a BVO vor, dass Aufwendungen für Arzneimittel und Mittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, nicht beihilfefähig sind. Das dem Kläger verschriebene Medikament "Viridal" fällt unter diesen Beihilfeausschluss.
Die weitere Anwendbarkeit der nichtigen Beihilfevorschriften, insbesondere der Leistungsausschlüsse und -einschränkungen trotz Notwendigkeit der Aufwendungen, setzt allerdings voraus, dass die jeweilige Regelung nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstößt und deshalb unwirksam ist.
Der in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 2 Buchst. a BVO vorgesehene Ausschluss ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Er verletzt weder die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Fürsorgepflicht noch den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass der in § 4 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 2 Buchst. a BVO verfügte Ausschluss der Beihilfefähigkeit für Aufwendungen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion nur Aufwendungen für Arzneimittel und andere Mittel betrifft, also nicht die Beihilfefähigkeit einer ärztlichen Behandlung als solche in Frage stellt. Deshalb kann von einem generellen Ausschluss der Beihilfefähigkeit für Kosten der Behandlung der erektilen Dysfunktion keine Rede sein. Lediglich die Kosten einer symptomatischen Behandlung dieses Leidens sind nicht beihilfefähig.
b) Die ergänzende Beihilfe genießt für sich genommen keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz. Das gegenwärtige Beihilfensystem stellt keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar. Die Gewährung von Beihilfen ergänzt die Alimentation; dadurch soll der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten u.a. auch im Krankheits- oder Pflegefall gesichert werden (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <233>; BVerwG, Urteile vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <284 f.> und vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - juris, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen).
c) Die Gewährung von Beihilfe findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89 <99> m.w.N.). Das verfassungsrechtliche Fürsorgeprinzip gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und ist damit gemäß Art. 33 Abs. 5 GG bei der Regelung und Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts zu berücksichtigen (BVerfG, Beschlüsse vom 13. November 1990 a.a.O. S. 98 und vom 7. November 2002 a.a.O. S. 232).
Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht fordert vom Dienstherrn, dass er Vorkehrungen für den Fall besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle trifft, damit der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet wird. Im verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er - in zumutbarer Weise - aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O.). Ob der Dienstherr seiner so umrissenen verfassungsrechtlichen Pflicht zur Fürsorge durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O.).
Dem Dienstherrn ist es von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht verwehrt, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind (stRspr, vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 a.a.O. S. 101; BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1995 - BVerwG 2 C 15.94 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 und vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <310 f.> = Buchholz 237.95 § 95 SHLBG Nr. 3; Beschluss vom 3. März 1989 - BVerwG 2 NB 1.88 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 6). Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Medikamente ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Dies gilt insbesondere für die Aufwendungen, die bezwecken, Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohlbefindens entgegenzuwirken. Hierzu gehören in aller Regel die Kosten potenzfördernder Arzneimittel (vgl. unter d) aa)). Nach dem gegenwärtigen System nicht ausschließbar sind lediglich Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 1.01 - Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1 S. 3).
d) Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Dieser gebietet wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. zum Ganzen Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <313 f.> mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 16.06 - ZBR 2008, 130). Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 1994 - 1 BvL 14, 15/88 - BVerfGE 91, 118 <123>). Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.
aa) Da die Beihilfe ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat, ist diese bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich zu beachten. Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfensystem angeführten Gründe müssen hiervor Bestand haben. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfensystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 - 1 BvL 29/87 - BVerfGE 85, 238 <247>).
Das ist hier nicht der Fall. Für den Ausschluss von Arzneimitteln, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, gibt es sachliche, im Beihilferecht angelegte Gründe.
bb) Solche Gründe lassen sich allerdings nicht in den hierzu vom Beklagten vorgetragenen Argumenten finden. Er meint, es bedürfte eines vollständigen Leistungsausschlusses, um Missbrauchsfällen vorzubeugen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht durchaus praktikable Wege gewiesen, wie der medizinisch nicht indizierten Verwendung potenzsteigernder Mittel als "Lifestyle-Mittel" begegnet werden kann. Ebenso wenig lässt er sich mit der Erwägung rechtfertigen, bei der erektilen Dysfunktion handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Dieser Einwand dürfte für die meisten Erkrankungen gelten. Auch die legitime Überlegung, den finanziellen Aufwand des Dienstherrn zu begrenzen, vermag den vollständigen Ausschluss der Beihilfefähigkeit der hier in Rede stehenden Aufwendungen nicht zu rechtfertigen. Um dem Rechnung zu tragen, stehen andere Möglichkeiten zur Verfügung, die mit Blick auf den Zweck der Beihilfegewährung besser geeignet sind. So wäre der Dienstherr in Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit durchaus berechtigt, nach sachlichen Gesichtspunkten Höchstgrenzen oder Selbstbehalte einzuführen und dabei zu berücksichtigen, dass das Ausmaß der medizinischen Behandlungsbedürftigkeit in manchen Fällen auch vom persönlichen Verhalten des Beamten abhängt.
cc) Die Rechtfertigung des vollständigen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen zur symptomatischen Behandlung der erektilen Dysfunktion findet sich in der Erwägung, dass dieses Leiden sich unabhängig davon auswirkt, ob es die Folge einer behandlungsbedürftigen Erkrankung wie etwa eines Prostatatumors ist, oder ob es als Folge des natürlichen Alterungsprozesses eintritt. Die erektile Dysfunktion stellt zwar einen regelwidrigen Gesundheitszustand dar. Ihre Behandlungsbedürftigkeit ergibt sich jedoch vorwiegend aus sexuellen Bedürfnissen und damit nicht aus biologisch-medizinischen Erfordernissen wie etwa beim behandlungsbedürftigen Bluthochdruck, beim Diabetes oder anderen Erkrankungen, deren Auswirkungen der willentlichen Steuerung des Menschen nicht unterliegen und die unbehandelt unzumutbare Beschwerden und weitere körperliche Krankheitserscheinungen auslösen können. Sie hängt wesentlich vom steuerbaren Willen des Betroffenen ab; die Behandlung als solche und die Häufigkeit der Anwendung medizinischer Mittel unterliegen der freien Entscheidung des von der Erkrankung Betroffenen. Ohne Verletzung der beamtenrechtlichen Verpflichtung, sich gesund zu erhalten, und ohne die Gefahr weitergehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder Schädigungen kann der Betroffene auf die Behandlung je nach seinen individuellen Lebensbedürfnissen teilweise, überwiegend oder auch ganz verzichten. Damit erweist sich die Einschätzung der Beklagten als zutreffend, dass die bei der Behandlung der erektilen Dysfunktion zur Anwendung kommenden Medikamente ungeachtet des medizinischen Hintergrundes des Leidens letztlich doch ganz wesentlich der Steigerung der Lebensqualität dienen. Es ist deswegen auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit nicht zu beanstanden, potenzsteigernde Arzneimittel als Mittel einzustufen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, und zwar auch dann, wenn die zugrunde liegende Ursache der erektilen Dysfunktion in einem an sich behandlungsbedürftigen oder nicht mehr behandelbaren Leiden wurzelt. Unter dem Gesichtspunkt der Behandlungsbedürftigkeit können diese Mittel ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz anders als sonstige verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem von der Fürsorgepflicht des Dienstherrn umfassten Verantwortungsbereich ausgeschieden werden.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 111,53 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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