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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 108.07
Rechtsgebiete: GG, BBG, BhV 2004, SGB V


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5
BBG § 79
BhV 2004 § 5 Abs. 1 Satz 1
BhV 2004 § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
SGB V § 34
SGB V § 91 Abs. 1 Satz 1
1. Die den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts nicht genügenden und deshalb nichtigen Beihilfevorschriften des Bundes sind auch weiterhin für eine spätestens mit der jetzigen Legislaturperiode endende Übergangszeit anzuwenden.

2. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für potenzsteigernde Mittel auch in Krankheitsfällen ist mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (wie Urteil vom selben Tag BVerwG 2 C 24.07).


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 108.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 28. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele, Groepper und Dr. Heitz sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 2007 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Der 1948 geborene Kläger musste sich 1997 wegen eines Prostatakarzinoms einer Prostatavesiculotomie unterziehen, als deren Folge er an einer erektilen Dysfunktion leidet. Zu ihrer Behandlung ist ihm das Medikament "Viridal" ärztlich verschrieben worden.

Erstmals mit Beihilfebescheid vom 7. Mai 2001 und nach einem für den Kläger erfolgreichen Verwaltungsstreitverfahren erneut mit Beihilfebescheid vom 1. Februar 2006 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger für die Aufwendungen zur Beschaffung dieses Medikaments in Höhe von 153,58 € Beihilfe zu gewähren. Zur Begründung berief sie sich auf einen Hinweis des Bundesministers des Innern, wonach Arzneimittel, die nach den Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von der Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien, nicht beihilfefähig seien; hierzu rechneten auch Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Gewährung einer Beihilfe und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, zu den Aufwendungen für das Medikament "Viridal" Beihilfe zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Beihilfevorschriften des Bundes seien weiterhin anwendbar. Der Übergangszeitraum, in dem sie auch ohne normative Regelung noch anwendbar seien, sei im Dezember 2005 noch nicht verstrichen gewesen sei. Die Anerkennungsvoraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe seien erfüllt, da die erektile Dysfunktion als Folge eines behandlungsbedürftigen Prostatakarzinoms aufgetreten und selbst eine behandlungsbedürftige Krankheit sei. Das Mittel "Viridal" erfülle den Arzneimittelbegriff. Es sei dem Kläger ärztlich verschrieben worden und zur Behandlung der körperlichen Störung des Klägers geeignet. Eine preiswertere Alternative sei nicht ersichtlich.

Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen sei auch nicht durch den in die Beihilfevorschriften aufgenommenen Verweis auf die Arzneimittelrichtlinien zu verneinen. Danach seien Arzneimittel von der kassenärztlichen Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhörung der Lebensqualität im Vordergrund stehe bzw. die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienten und zu denen auch das Präparat "Viridal" zähle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts solle dieser Arzneimittelausschluss auch dann gelten, wenn es um die medikamentöse Behandlung einer erektilen Dysfunktion als Krankheit im eigentlichen Sinne gehe. Dieser pauschale Ausschluss sei jedoch im Beihilferecht nicht anwendbar, weil er mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und zudem unverhältnismäßig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 2007 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Oktober 2006 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Position der Beklagten. Die Übergangsfrist sei noch nicht abgelaufen. Die Bundesregierung habe den Entwurf einer Verordnungsermächtigung für die zu erlassende Beihilfeverordnung des Bundes bereits Mitte 2006 dem Deutschen Bundestag zugeleitet und durch Übernahme des Textes in den Entwurf des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes dafür gesorgt, dass die Ermächtigung mit dem zuerst in Kraft tretenden Gesetz wirksam werde. Der Entwurf solle es ermöglichen, Aufwendungen für bestimmte Medikamente, u.a. solcher zur Potenzsteigerung, in Anlehnung an das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches von der Beihilfefähigkeit auszuschließen.

II

Die Revision, über die der Senat mit Zustimmung aller Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

1. Die Beklagte hat ihren Bescheid auf §§ 5 und 6 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) in der Fassung vom 1. November 2001 (GMBl S. 918), zuletzt geändert durch Art. 1 der Achtundzwanzigsten Änderungsverwaltungsvorschrift (28. ÄndVwV) vom 30. Januar 2004 (GMBl S. 379) gestützt. Danach wird Beihilfeberechtigten auf Antrag Beihilfe zu den Aufwendungen bezahlt, die ihnen u.a. als Folge einer Erkrankung entstehen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und wenn die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a BhV sind die vom Arzt schriftlich verordneten verschreibungspflichtigen Arzneimittel beihilfefähig, es sei denn, sie sind nach den Arzneimittelrichtlinien (AMR) des gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V gebildeten Gemeinsamen Bundesausschusses von der Verordnung ausgeschlossen. Nach dieser dynamischen Verweisung gehören hierzu Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, insbesondere auch Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion und der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für solche Arzneimittel hängt somit von den Entscheidungen dieses Ausschusses ab.

2. Diese Beihilfevorschriften sind auch im Falle des Klägers anzuwenden, obwohl sie gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstoßen und deshalb nichtig sind (vgl. Urteil vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <105 ff.>). Nach diesem Verfassungsgrundsatz, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen System des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt, sind die grundlegenden Entscheidungen in wesentlichen Regelungsbereichen durch Parlamentsgesetz zu treffen. Für das Beamtenverhältnis ist daher die Regelungsform des Gesetzes typisch und sachgerecht (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 - 2 BvR 513/73, 2 BvR 558/74 - BVerfGE 52, 303 <335 ff.>; BVerwG, Urteil vom 26. November 1992 - BVerwG 2 C 11.92 - BVerwGE 91, 200 <203>). Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gilt auch für das Beihilferecht (Urteile vom 17. Juni 2004 a.a.O. und vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen; vgl. auch Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <310>). Die Verantwortung des Dienstherrn bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beihilfeberechtigten und seiner Angehörigen bedarf vor allem wegen der Bedeutung für die Betroffenen, aber auch wegen des Wechselbezuges mit der dem Gesetzesvorbehalt unterliegenden Besoldung und Versorgung der normativen Ordnung (Urteil vom 17. Juni 2004 a.a.O.).

Der Gesetzgeber ist seiner in dieser Entscheidung inhaltlich näher umschriebenen Pflicht, eine gesetzliche Verordnungsermächtigung zu schaffen, auch in dem seit Verkündung des Urteils vom 17. Juni 2004 vergangenen nahezu vierjährigen Zeitraum nicht nachgekommen, obwohl das Bundesbeamtengesetz seither mehrfach geändert worden ist. Es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, den abgrenzbaren Bereich der Beihilfegewährung im Wege eines Einzelgesetzes zu regeln. Mehrere Bundesländer (so etwa Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Thüringen) haben inzwischen Ermächtigungsgrundlagen in ihren Landesbeamtengesetzen und darauf gestützte Beihilfeverordnungen erlassen.

In Anbetracht der bisherigen Dauer des Übergangszeitraumes und der Bedeutung der Regelungsmaterie hält es der Senat für hinnehmbar, dass die Beihilfevorschriften nach dem Stand der 27. und 28. ÄndVwV vom 17. Dezember 2003 (GMBl 2004 S. 227) und vom 30. Januar 2004 (GMBl S. 379) für einen spätestens bei Ablauf der gegenwärtigen Legislaturperiode endenden Übergangszeitraum grundsätzlich weiterhin anwendbar sind. Dies ist schon deshalb sachlich gerechtfertigt, weil es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vertretbar wäre, Beihilfeansprüche lediglich nach den Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit zu bescheiden, sämtliche bereits vorhandenen und, abgesehen vom Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt, mit dem höherrangigen Recht prinzipiell vereinbaren Regelungen über Leistungsbeschränkungen von der Anwendbarkeit zulasten des Bundeshaushalts aber auszuschließen. Mit der Entscheidung des Senats vom 17. Juni 2004 (a.a.O.) sollte verhindert werden, dass Beihilfeberechtigte infolge der Nichtigkeit der Beihilfebestimmungen wegen fehlender gesetzlicher Ermächtigung überhaupt keine Beihilfe erhalten und dadurch ein mit dem verfassungsrechtlichen Fürsorgegrundsatz unvereinbares Leistungsvakuum entstünde.

Allerdings setzt die weitere Anwendbarkeit der Leistungsausschlüsse und -einschränkungen trotz Notwendigkeit der Aufwendungen voraus, dass die jeweilige Regelung nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstößt und deshalb unwirksam ist. Bei weiterer Untätigkeit des Gesetzgebers über den Zeitraum der laufenden Legislaturperiode hinaus werden die Verwaltungsgerichte im Einzelfall über Beihilfeansprüche auf der Grundlage allein der Kriterien der Notwendigkeit und Angemessenheit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BhV) zu entscheiden haben.

3. Daraus folgt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a BhV in der Fassung der 27. und 28. ÄndVwV auf den streitigen Anspruch des Klägers anzuwenden ist.

Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen sind dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BhV): Nach den bindenden, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Präparat "Viridal" um ein Arzneimittel, das aus medizinischen Gründen erforderlich ist, um die als Folge der Prostata-Karzinombehandlung beim Kläger eingetretene erektile Dysfunktion zu beseitigen. Diese stellt eine behandlungsbedürftige Krankheit dar. Ein preislich günstigeres Mittel ist nicht ersichtlich.

Allerdings eröffnet § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BhV generell und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a BhV speziell die Möglichkeit, Aufwendungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit ganz oder teilweise auszuschließen. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a BhV erklärt insoweit den Inhalt der Arzneimittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses - AMR - für verbindlich. Diese sehen vor, dass Aufwendungen für "Viridal" von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden.

Von den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind nach Nr. 18 AMR Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V von der Erstattung ausgenommen. Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, sind solche, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist oder die aufgrund ihrer Zweckbestimmung nicht oder nicht ausschließlich zur Behandlung von Krankheiten oder zur individuellen Bedürfnisbefriedigung oder zur Aufwertung des Selbstwertgefühls dienen. Ausgeschlossen sind nach Nr. 18.2 AMR insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen.

Zwar begegnet die Übertragung der Entscheidungskompetenz über den Ausschluss bestimmter Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit auf den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildeten Gemeinsamen Bundesausschuss verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Systemunterschiede zwischen beamtenrechtlicher Beihilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung, die den Gesetzgeber verpflichten könnten, die nähere Bestimmung etwaiger Leistungsausschlüsse selbst zu treffen und sie nicht weiterhin vollständig einem Gremium wie etwa dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten ist und der seine Entscheidungen nicht am Maßstab der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern als Selbstverwaltungsorgan verschiedener als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierter Versichertengemeinschaften zur Wahrung ihrer Interessen zu treffen hat. Für den Übergangszeitraum braucht dies indes nicht entschieden zu werden, denn der Vorschriftengeber wollte in Reaktion auf das Urteil des Senats vom 30. Oktober 2003 - BVerwG 2 C 26.02 - (BVerwGE 119, 168 <170 f.>) mit dem Verweis auf die AMR in den Beihilfevorschriften gerade Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, durch die Beihilfevorschriften selbst von der Beihilfefähigkeit ausschließen. Deshalb ist nach der Entscheidung des Senats vom 17. Juni 2004 (a.a.O.) auch diesen Bedenken im Übergangszeitraum nicht weiter nachzugehen.

4. Der Ausschluss von Arzneimitteln, die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie der Steigerung der sexuellen Potenz dienen, von der Beihilfefähigkeit verstößt im Übrigen nicht gegen höherrangiges Recht.

a) Die ergänzende Beihilfe genießt für sich genommen keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz. Das gegenwärtige Beihilfensystem stellt keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG dar. Die Gewährung von Beihilfen ergänzt die Alimentation; dadurch soll der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten u.a. auch im Krankheits- oder Pflegefall gesichert werden (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <233>; BVerwG, Urteile vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <284 f.> und vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen).

b) Die Gewährung von Beihilfe findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89 <99> m.w.N.). Das verfassungsrechtliche Fürsorgeprinzip gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und ist damit gemäß Art. 33 Abs. 5 GG bei der Regelung und Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts zu berücksichtigen (BVerfG, Beschlüsse vom 13. November 1990 a.a.O. S. 98 und vom 7. November 2002 a.a.O. S. 232).

Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht fordert vom Dienstherrn, dass er Vorkehrungen für den Fall besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle trifft, damit der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet wird. Im verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er - in zumutbarer Weise - aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O.). Ob der Dienstherr seiner so umrissenen verfassungsrechtlichen Pflicht zur Fürsorge durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 a.a.O.).

Dem Dienstherrn ist es von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht verwehrt, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind (stRspr, vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 a.a.O. S. 101; BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1995 - BVerwG 2 C 15.94 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 und vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <310 f.> = Buchholz 237.95 § 95 SHLBG Nr. 3; Beschluss vom 3. März 1989 - BVerwG 2 NB 1.88 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 6). Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Medikamente ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Dies gilt insbesondere für die Aufwendungen, die bezwecken, Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohlbefindens entgegenzuwirken. Hierzu gehören in aller Regel die Kosten potenzfördernder Arzneimittel (vgl. unter c) aa)). Nach dem gegenwärtigen System nicht ausschließbar sind lediglich Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. Urteil vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 1.01 - Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1 S. 3).

c) Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Dieser gebietet wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt (vgl. zum Ganzen Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <313 f.> mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 16.06 - ZBR 2008, 130). Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 1994 - 1 BvL 14, 15/88 - BVerfGE 91, 118 <123>). Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.

aa) Da die Beihilfe ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hat, ist diese bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz in ihrem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich zu beachten. Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfensystem angeführten Gründe müssen hiervor Bestand haben. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfensystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 - 1 BvL 29/87 - BVerfGE 85, 238 <247>).

Das ist hier nicht der Fall. Für den Ausschluss von Arzneimitteln, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz dienen, gibt es sachliche, im Beihilferecht angelegte Gründe.

bb) Solche Gründe lassen sich allerdings nicht in den hierzu von der Beklagten vorgetragenen Argumenten finden. Sie meint, es bedürfte eines vollständigen Leistungsausschlusses, um Missbrauchsfällen vorzubeugen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht durchaus praktikable Wege gewiesen, wie der medizinisch nicht indizierten Verwendung potenzsteigernder Mittel als "Lifestyle-Mittel" begegnet werden kann. Ebenso wenig lässt er sich mit der Erwägung rechtfertigen, bei der erektilen Dysfunktion handele es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Dieser Einwand dürfte für die meisten Erkrankungen gelten. Auch die legitime Überlegung, den finanziellen Aufwand des Dienstherrn zu begrenzen, vermag den vollständigen Ausschluss der Beihilfefähigkeit der hier in Rede stehenden Aufwendungen nicht zu rechtfertigen. Um dem Rechnung zu tragen, stehen andere Möglichkeiten zur Verfügung, die mit Blick auf den Zweck der Beihilfegewährung besser geeignet sind. So wäre der Dienstherr in Konkretisierung des Begriffs der Angemessenheit durchaus berechtigt, nach sachlichen Gesichtspunkten Höchstgrenzen oder Selbstbehalte einzuführen und dabei zu berücksichtigen, dass das Ausmaß der medizinischen Behandlungsbedürftigkeit in manchen Fällen auch vom persönlichen Verhalten des Beamten abhängt.

cc) Die Rechtfertigung des vollständigen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen zur symptomatischen Behandlung der erektilen Dysfunktion findet sich in der Erwägung, dass dieses Leiden sich unabhängig davon auswirkt, ob es die Folge einer behandlungsbedürftigen Erkrankung wie etwa eines Prostatatumors ist, oder ob es als Folge des natürlichen Alterungsprozesses eintritt. Die erektile Dysfunktion stellt zwar einen regelwidrigen Gesundheitszustand dar. Ihre Behandlungsbedürftigkeit ergibt sich jedoch vorwiegend aus sexuellen Bedürfnissen und damit nicht aus biologisch-medizinischen Erfordernissen wie etwa beim behandlungsbedürftigen Bluthochdruck, beim Diabetes oder anderen Erkrankungen, deren Auswirkungen der willentlichen Steuerung des Menschen nicht unterliegen und die unbehandelt unzumutbare Beschwerden und weitere körperliche Krankheitserscheinungen auslösen können. Sie hängt wesentlich vom steuerbaren Willen des Betroffenen ab; die Behandlung als solche und die Häufigkeit der Anwendung medizinischer Mittel unterliegen der freien Entscheidung des von der Erkrankung Betroffenen. Ohne Verletzung der beamtenrechtlichen Verpflichtung, sich gesund zu erhalten, und ohne die Gefahr weitergehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder Schädigungen kann der Betroffene auf die Behandlung je nach seinen individuellen Lebensbedürfnissen teilweise, überwiegend oder auch ganz verzichten. Damit erweist sich die Einschätzung der Beklagten als zutreffend, dass die bei der Behandlung der erektilen Dysfunktion zur Anwendung kommenden Medikamente ungeachtet des medizinischen Hintergrundes des Leidens letztlich doch ganz wesentlich der Steigerung der Lebensqualität dienen. Es ist deswegen auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit nicht zu beanstanden, potenzsteigernde Arzneimittel als Mittel einzustufen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, und zwar auch dann, wenn die zugrunde liegende Ursache der erektilen Dysfunktion in einem an sich behandlungsbedürftigen oder nicht mehr behandelbaren Leiden wurzelt. Unter dem Gesichtspunkt der Behandlungsbedürftigkeit können diese Mittel ohne Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz anders als sonstige verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem von der Fürsorgepflicht des Dienstherrn umfassten Verantwortungsbereich ausgeschieden werden.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss vom 28. Juli 2008

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 76,79 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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