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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 22.06
Rechtsgebiete: BBG, BeamtVG, DRiG, VwVfG


Vorschriften:

BBG § 42 Abs. 4
BBG § 47 Abs. 1
BeamtVG § 14 Abs. 3
BeamtVG § 69d
DRiG § 48 Abs. 3
VwVfG § 51
Wird der Beamte oder Richter auf Antrag in den Ruhestand versetzt, so bestimmt sein Antrag den Grund der Versetzung.

Die für die Festsetzung der Versorgungsbezüge zuständige Behörde ist an den Grund der Versetzung in den Ruhestand gebunden.

Nach dem Beginn des Ruhestandes kann weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens nachträglich geändert werden.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 22.06

Verkündet am 25. Oktober 2007

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele, Groepper und Dr. Heitz sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Der am 28. Mai 1936 geborene Kläger wurde auf seinen Antrag vom 26. Fe-bruar 1999 mit Ablauf des 31. Juli 1999 in den Ruhestand versetzt. Seine durch Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 1999 festgesetzten Versorgungsbezüge sind gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG um 2,2 % gekürzt worden.

Parallel zu dem Pensionierungsverfahren betrieb der Kläger gegenüber der Versorgungsverwaltung seine Anerkennung als Schwerbehinderter. Nach anfänglicher Ablehnung seines Antrages wurde er im November 2000 rückwirkend zum 1. November 1998 als Schwerbehinderter mit einem Grad von 50 anerkannt. Er verlangte daraufhin zunächst nur die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der neuen Sachlage, später auch, rückwirkend "als Schwerbehinderter" in den Ruhestand versetzt zu werden. Die Rechtsfolge einer solchen Maßnahme wäre gewesen, dass seine Versorgungsbezüge keiner Minderung nach § 14 Abs. 3 BeamtVG unterlegen hätten. Sein Antrag auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge wurde ebenso abgelehnt wie sein Antrag, das Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wiederaufzugreifen und ihn wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand zu versetzen.

Der Kläger hat im Klageverfahren die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge und die Änderung seiner Versetzung in den Ruhestand, hilfsweise das Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragt. Er ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, die Minderung der Versorgungsbezüge entspreche der Rechtslage, weil der Kläger auf seinen Antrag nach Vollendung des 63. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden sei. Die Versetzungsverfügung binde die Versorgungsbehörde auch im Hinblick auf den Grund der Pensionierung, zumal der Kläger bei seinem kurz vor Vollendung des 63. Lebensjahres gestellten Antrag mit keinem Wort erwähnt habe, dass er gleichzeitig seine Anerkennung als Schwerbehinderter betreibe. Die Versetzungsverfügung könne nach Eintritt in den Ruhestand auch hinsichtlich des Grundes nicht mehr aufgehoben werden. Für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fehle es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen, da sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht zugunsten des Klägers geändert habe.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Mai 2006 aufzuheben und nach den in der 2. Instanz zuletzt gestellten Sachanträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge noch auf ein Wiederaufgreifen seines Pensionierungsverfahrens.

1. Für die Festsetzung der Versorgungsbezüge eines Bundesrichters gelten gemäß § 46 DRiG, § 1 Abs. 2 BeamtVG die Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes entsprechend. Die Versorgungsbezüge des Klägers hätten keiner Kürzung unterlegen, wenn er mit Ablauf des 31. Juli 1999 nicht wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze, sondern wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt worden wäre (§ 48 Abs. 3 Nr. 2 DRiG, § 69d Abs. 1 Satz 1 BeamtVG).

2. Die Beklagte hat mit Recht die Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG gekürzt. Der Kläger ist nicht wegen seiner Schwerbehinderung, sondern wegen Erreichens des 63. Lebensjahres vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden. Ihm kommt die versorgungsrechtliche Privilegierung der wegen ihrer Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzten Richter und Beamten nicht zugute.

Voraussetzung einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand ist, von dem hier nicht gegebenen Fall der Dienstunfähigkeit abgesehen, ein entsprechender Antrag. Ein schwerbehinderter Richter kann bereits mit 60 Jahren auf seinen Antrag in den Ruhestand treten. Nach der Vollendung seines 63. Lebensjahres hat er die Wahl, ob er die Versetzung in den Ruhestand auf seine Schwerbehinderung oder auf sein Alter stützen will (§ 48 Abs. 3 Nr. 1 und 2 DRiG). Der Antrag bestimmt den Rechtsgrund, aus dem der Beamte oder Richter vorzeitig in den Ruhestand zu treten wünscht, und legt damit zugleich - für die Statusbehörde bindend - den Gegenstand der Statusentscheidung fest. Erfüllt der Beamte oder Richter die gesetzlichen Voraussetzungen, kann (bei Richtern: muss) dem Antrag entsprochen werden, andernfalls ist er abzulehnen. Die Statusbehörde kann die Versetzung in den Ruhestand nicht aus einem anderen als dem im Antrag genannten Grund verfügen; erforderlichenfalls muss sie den Antragsteller auf rechtliche Hindernisse hinweisen und ihn zur Klarstellung oder Änderung seines Antrags auffordern. Jede Versetzung in den Ruhestand kann nur "wegen" eines bestimmten, gesetzlich festgelegten Grundes verfügt werden. Weder das Bundesbeamtengesetz noch das Deutsche Richtergesetz kennen eine von einem gesetzlich geregelten Grund losgelöste, abstrakte Versetzung in den Ruhestand. Der im Antrag genannte Grund fließt damit in die Versetzungsverfügung mit ein. Dies kommt auch in der dem Kläger ausgehändigten Urkunde vom 3. Mai 1999 zum Ausdruck, in der es heißt, der Kläger werde "auf seinen Antrag in den Ruhestand" versetzt.

Der Kläger hat seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand auf sein Alter und damit auf § 48 Abs. 3 Nr. 1 DRiG gestützt. Zwar ließ der Antrag vom 26. Februar 1999, ihn "gemäß § 48 Abs. 3 DRiG" in den Ruhestand zu versetzen, seinem Wortlaut nach offen, ob er wegen Erreichens der Altersgrenze von 63 Jahren (Nr. 1) oder wegen einer Schwerbehinderung (Nr. 2) in den Ruhestand treten wollte. Wie jede andere Willenserklärung war aber auch dieser Antrag nach Treu und Glauben so auszulegen, wie er gemeint und vom Empfänger zu verstehen war. Danach war der Antrag des Klägers eindeutig. Er hatte seinen Antrag drei Monate und damit kurz vor der Vollendung seines 63. Lebensjahres gestellt. Der Zeitpunkt, zu dem die Versetzung wirksam werden sollte, lag zwei Monate nach der Vollendung seines 63. Lebensjahres. Aus einem anderen Grund als demjenigen des Erreichens der Antragsaltersgrenze wäre sie nach der damaligen Rechtslage gar nicht möglich gewesen. Von einer Schwerbehinderung und deren bevorstehender Anerkennung war in dem Antrag keine Rede. Dieser Umstand war der für die Statusänderung zuständigen Behörde auch nicht aus anderen Gründen bekannt. Die Erklärung des Klägers konnte daher nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (vgl. §§ 133, 157 BGB) nicht anders verstanden werden, als ihn die Beklagte tatsächlich verstanden hat, nämlich dahingehend, dass er wegen Erreichens der Altersgrenze von 63 Jahren, also gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 1 DRiG in den Ruhestand versetzt werden wollte.

Die Beklagte hat diesem Antrag entsprochen und den Kläger mit Ablauf des 31. Juli 1999 gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 1 DRiG, also wegen Erreichens des 63. Lebensjahres, in den Ruhestand versetzt. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Grund der Zurruhesetzung in der dem Kläger ausgehändigten Urkunde des Bundespräsidenten vom 3. Mai 1999 nicht unmittelbar zum Ausdruck kommt. Da die Versetzung in den Ruhestand antragsgebunden ist, umfasst sie auch die in dem Antrag gegebene Begründung.

3. Die Versorgungsbehörde muss die Versorgungsbezüge auf der Grundlage des durch die Versetzungsverfügung rechtsverbindlich bestimmten Grundes der vorzeitigen Zurruhesetzung festsetzen. Die Versetzungsverfügung entfaltet insoweit Feststellungswirkung (vgl. Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 255.86 - BVerwGE 78, 139 <144>). Dies folgt zum einen aus § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BBG. Diese über § 46 DRiG auch für Richter im Bundesdienst geltende Bestimmung besagt, dass die Versetzung in den Ruhestand bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden kann. Die nach diesem Zeitpunkt eintretende Bestandskraft (vgl. unten 4) erstreckt sich auch auf den Grund der Zurruhesetzung als unselbständigen Teil der Versetzungsverfügung. Zum anderen regeln §§ 14 und 14a BeamtVG im Einzelnen die Höhe des Ruhegehalts; dabei wird mehrfach (etwa in § 14 Abs. 3, § 14a Abs. 1 und 3 BeamtVG) auf den Grund der Versetzung in den Ruhestand Bezug genommen. Speziell § 14 Abs. 3 BeamtVG trifft für den Versorgungsabschlag differenzierte Regelungen, die jeweils vom Grund der Versetzung in den Ruhestand abhängen. Dieser Grund kann sich nur aus der Versetzungsverfügung selbst ergeben, die ihrerseits durch den Inhalt des darauf gerichteten Antrags des Beamten oder Richters gesteuert ist. Wie sich auch indirekt aus § 49 Abs. 1 BeamtVG ergibt, ist es nicht Sache der Versorgungsfestsetzungsbehörde, den Grund der Versetzung in den Ruhestand festzustellen. Dieser Grund ist deswegen auch nicht Teil des Tenors des Festsetzungsbescheides, durch den die Versorgung festgesetzt wird, sondern ist erst in dessen Begründung zu erwähnen. Die Systematik des Beamtenversorgungsgesetzes knüpft also an die Tatsache der Versetzung in den Ruhestand und - hinsichtlich etwaiger Abschläge - an deren Grund an, den die für die Statusentscheidung zuständige Behörde gegeben hat. Status- und Versorgungsgesetz sind systematisch darauf angelegt, hier ineinander zu greifen und nicht zu konträren Ergebnissen zu kommen. Dies wird durch die Bindungswirkung der Versetzungsverfügung erreicht.

4. Der Kläger kann auch nicht das Wiederaufgreifen des Zurruhesetzungsverfahrens mit dem Ziel verlangen, mit Ablauf des 31. Juli 1999 wegen Schwerbehinderung gemäß § 48 Abs. 3 Nr. 2 DRiG in den Ruhestand versetzt zu werden. Dies scheitert an § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BBG. Diese Bestimmung dient zum einen dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, zum anderen im allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft. Der genannten Vorschrift des § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BBG hat die Rechtsprechung deshalb entnommen, dass die Versetzung in den Ruhestand nicht nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes widerrufen oder zurückgenommen werden kann (Urteil vom 7. Oktober 1964 - BVerwG 6 C 59.63 und 64.63 - BVerwGE 19, 284 <289>).

Zu diesen allgemeinen Vorschriften zählen nicht nur die in den §§ 48 und 49 VwVfG geregelten Tatbestände, sondern ebenso die in § 51 VwVfG geregelte Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens. Für die in § 51 Abs. 1 VwVfG genannten beiden Möglichkeiten der Aufhebung und der Änderung des Verwaltungsaktes folgt dies aus dem Sinn und Zweck des § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BBG, die einmal verfügte Versetzung des Beamten oder Richters in den Ruhestand nicht wieder in Frage zu stellen, auch nicht, wenn sich die Versetzung als rechtswidrig erweisen sollte. Aus diesem Grund kann die Versetzung in den Ruhestand auch nicht an Bedingungen geknüpft oder mit Auflagen versehen werden. Dass § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BBG nur von der Rücknahme spricht, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Bestimmung ist seit dem Erlass des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl I S. 551) inhaltlich unverändert geblieben und berücksichtigt deshalb nicht die differenziertere Terminologie des erst später erlassenen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Selbst die Reaktivierung eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten oder Richters gemäß § 45 BBG stellt keine Durchbrechung dieses Grundsatzes dar; vielmehr hat das Gesetz diese Möglichkeit als eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis ausgestaltet.

Die Verfügung, durch die der Kläger wegen Erreichens des 63. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden ist, stammt vom 3. Mai 1999 und wurde ihm am 29. Juli 1999 ausgehändigt. Ihrem Inhalt nach wurde sie mit Ablauf des Juli 1999, also spätestens am 1. August 1999 wirksam. Von diesem Zeitpunkt an konnte sie von Seiten der Beklagten nicht mehr zurückgenommen, widerrufen oder inhaltlich abgeändert werden.

Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 VwVfG erfüllt sind. Ebenso kann offen bleiben, ob dem Antrag des Klägers wegen groben Verschuldens im Sinne des § 51 Abs. 2 VwVfG der Erfolg zu versagen wäre, weil er in dem zu seiner Pensionierung führenden Verfahren seinen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter unerwähnt gelassen hatte.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 44 843,11 € festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung beruht auf § 52 Abs. 5 Nr. 2 GKG. Für den Wert allein maßgeblich ist die Statusklage, weil sich der Versorgungsabschlag danach richtet und dieser der Höhe nach nicht umstritten ist.

Ende der Entscheidung

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