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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.05.1998
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 23.97
Rechtsgebiete: BBesG F. 1990, SZsV F. 1990


Vorschriften:

BBesG F 1990 § 2 Abs. 1
BBesG F 1990 § 72
SZsV F 1990 § 1
SZsV F 1990 § 2
SZsV F 1990 § 3
SZsV F 1990 § 4
Leitsatz:

Bei dauerndem Personalmangel oder Personalwechsel aus Arbeitsmarktgründen im Sinne von § 1 Abs. 1 Sonderzuschlagsverordnung von 1990 kann in konkreten Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen ein Sonderzuschlag gewährt werden. Dabei bedarf es einer Entscheidung des jeweiligen Dienstherrn, ferner einer Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde im gleichen Sinne.

Urteil des 2. Senats vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 23.97 -

I. VG Minden vom 18.01.1995 - Az.: VG 4 K 3373/93 - II. OVG Münster vom 10.03.1997 - Az.: OVG 12 A 1776/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 23.97 OVG 12 A 1776/95

Verkündet am 28. Mai 1998

Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 1998 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Lemhöfer, Dr. Henkel, Dr. Bayer und Dr. Schmutzler

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Stadtamtmann im Dienst der Beklagten. Bei Klageerhebung wurde er nach der siebten Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 11 BBesO besoldet. 1992 und danach war er im Programmierdienst der Datenverarbeitungsabteilung des Hauptamtes der Beklagten eingesetzt.

Mit Runderlaß vom 26. Februar 1992 (MBl NRW 1992, S. 565) bestimmte das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen zur Durchführung der Sonderzuschlagsverordnung vom 13. November 1990 (BGBl I S. 2451) - SZsV F 1990 - unter anderem, daß überwiegend im Bereich der Datenverarbeitung verwendete Beamte der Landesverwaltung in Laufbahnen des gehobenen Dienstes in den Besoldungsgruppen A 9, A 10 und A 11 einen Sonderzuschlag in Höhe von zwei Dienstalters-Steigerungsstufen erhalten. Dieser Verwendungsbereich grenze sich nach den für den Anspruch auf die Stellenzulage nach Nr. 24 Abs. 1 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B festgelegten Merkmalen ab. Der Sonderzuschlag werde nur Beamten gewährt, die bei Anspruchsbeginn noch nicht die zehnte Besoldungsdienstaltersstufe erreicht haben.

Unter Bezugnahme auf diesen Runderlaß und § 3 Satz 1 SZsV F 1990 bestimmte das Innenministerium des Landes mit Erlaß vom 27. März 1992, daß die Beamten der Gemeinden und Gemeindeverbände einen Sonderzuschlag nach den für den Landesbereich geltenden Bestimmungen in dem hierfür festgesetzten Rahmen erhalten. Der Erlaß enthielt weiter Regelungen zu dem in § 4 Abs. 1 SZsV F 1990 vorgegebenen finanziellen Rahmen. Daraufhin gewährten einzelne Gemeinden und Gemeindeverbände ihren Beamten Sonderzuschläge, andere wie die Beklagte in keinem Falle. Gegen die letzteren setzte das Innenministerium den Erlaß nicht mit aufsichtsrechtlichen Mitteln durch. Mit Erlaß vom 4. März 1993 bestimmte es unter Hinweis auf eine grundlegend geänderte Wettbewerbssituation, der Erlaß vom 27. März 1992 sei auf nach Bekanntgabe dieses Erlasses eingegangene Dienstverhältnisse ebenso wie auf eine erstmalige Verwendung in sonderzuschlagsberechtigten Bereichen oder erneuter Gewährung nach Aufzehrung nicht mehr anzuwenden.

Der Antrag des Klägers, ihm rückwirkend ab 1. April 1992 einen Sonderzuschlag nach der Sonderzuschlagsverordnung in gesetzlicher Höhe zu gewähren, blieb im Vorverfahren ebenso ohne Erfolg wie seine danach mit diesem Ziel erhobene Klage. Seine gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Die Berufung des Klägers sei unbegründet. Ihm stehe der begehrte Sonderzuschlag nicht zu. Es fehle an der gemäß § 5 SZsV F 1990 für das Entstehen eines Anspruches erforderlichen abschließenden Entscheidung nach § 3 SZsV F 1990. Die abschließende Entscheidung des zuständigen Innenministeriums vom 27. März 1992 sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam. Sie sei kein Verwaltungsakt, da mit ihr keine. auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Einzelfallregelung getroffen werde. Ihr komme keine Tatbestandswirkung zu. Erst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 SZsV F 1990 - anders als hier bei der Beklagten - vorlägen, könne durch Verwaltungsvorschriften die Ausübung des Ermessens gebunden werden. Als norminterpretierende bzw. normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift sei sie von § 3 SZsV F 1990 nicht gedeckt. Danach dürfe die Zahlung der Sonderzuschläge ohne ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 SZsV F 1990 nicht einheitlich für das ganze Land angeordnet werden. Ihr Vorliegen dürfe auch nicht fingiert werden. Dies ergebe sich aus dem Erfordernis dauernden Personalmangels oder -wechsels für die Gewährung von Sonderzuschlägen und der Möglichkeit, die Entscheidungsbefugnis auf die zuständige oberste Dienstbehörde zu übertragen. Insoweit komme dem Gesichtspunkt der einheitlichen Beamtenbesoldung keine entscheidende Bedeutung zu. Die Entscheidung des Innenministeriums werde auch nicht durch die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SZsV F 1990 zu berücksichtigenden gemeinsamen Belange der Dienstherrn gerechtfertigt. Diese Regelung beziehe sich nach ihrer systematischen Stellung nur auf die Höhe des Sonderzuschlags, um darüber das Abwerben von Personal zwischen einzelnen Gemeinden zu verhindern. Mithin könne offenbleiben, welche rechtliche Bedeutung die fehlenden Versuche des Innenministeriums zur Durchsetzung seines Erlasses hätten.

Im übrigen spreche bei einer Auslegung der Verwaltungsvorschriften entsprechend ihrer tatsächlichen Handhabung einiges dafür, daß das Innenministerium seiner Entscheidung keine interne Bindungswirkung zuerkenne, sondern sie nur als Grundlage für Bewilligungen in den Gemeinden ansehe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen Sonderzuschläge zahlen wollten. Weiter könne die kommunale Selbstverwaltungsgarantie durch die Sonderzuschlagsverordnung als ordnungsgemäße und rechtmäßige Rechtsverordnung beschränkt werden, nicht aber durch den Erlaß des Innenministeriums.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der er beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1997 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 18. Januar 1995 sowie der Bescheide vom 20. April 1993 und vom 23. Juli 1993 zu verurteilen, dem Kläger mit Wirkung ab dem 1. April 1992 Sonderzuschläge nach der Sonderzuschlagsverordnung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt im wesentlichen das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit im Programmierdienst der Datenverarbeitungsabteilung des Hauptamtes der Beklagten im Jahre 1992 und danach keinen Anspruch auf Zahlung eines Sonderzuschlages hat. Im vorliegenden Fall sind bereits die Voraussetzungen der gemäß § 72 BBesG in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990 (BGBl I S. 967) - BBesG F 1990 - vom Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Sonderzuschlagsverordnung in der Fassung vom 13. November 1994 (BGBl I S. 2451) - SZsV F 1990 - nicht erfüllt.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung des streitigen Anspruchs auf Zahlung eines Sonderzuschlages ist aufgrund der Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) die gesetzliche Regelung des § 72 BBesG F 1990. Hiernach wird der Bundesminister des Innern ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Gewährung von Sonderzuschlägen zu regeln. Sonderzuschläge dürfen nur in Laufbahnen gewährt werden, in denen die Deckung des Personalbedarfs dies im konkreten Fall erfordert. Nach diesem Wortlaut und der Systematik soll die Verordnung entsprechend ihrer Zielrichtung die Regelungsmaterie so wenig wie möglich unmittelbar und kasuistisch erfassen, sondern die Personalsituation, die die Laufbahnen in bestimmten Bereichen von Ort zu Ort unterschiedlich treffen kann, mit Hilfe konkretisierender Kriterien allgemein umschreiben. Sinn und Zweck dieser Regelung ist die Schaffung eines neuen, flexibel einsetzbaren besoldungsrechtlichen Instruments, "um die Funktionsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Bereichen mit Nachwuchsmangel und Abwanderungstendenzen wirksam zu sichern" und auf diese Weise, "je nach den Wettbewerbserfordernissen auf dem Arbeitsmarkt und den Notlagen der personalbewirtschaftenden Stellen, gezielt Schwierigkeiten der Nachwuchsgewinnung begegnen" zu können, "ohne in die Planstellen- und Beförderungsstruktur einzugreifen" (vgl. Begründung des Innenausschusses des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren zum Fünften Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften <BTDrucks 11/6835, Bericht der Abgeordneten Teil B Nr. 5 zu Art. 1 Nr. 9 a, S. 57>).

So können nach § 1 Abs. 1 SZsV F 1990 Beamte und Soldaten zur Sicherung der Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes in Verwendungsbereichen, die aus Arbeitsmarktgründen von dauerndem Personalmangel oder Personalwechsel betroffen sind, nichtruhegehaltfähige Sonderzuschläge nach Maßgabe dieser Verordnung erhalten. Diese Voraussetzungen sind nach seinem Absatz 2 erfüllt, wenn Planstellen des Verwendungsbereichs nicht nur in Ausnahmefällen mehrere Monate nicht anforderungsgerecht besetzt werden konnten (Nr. 1) oder nachbesetzt werden müssen, weil die Stelleninhaber sich für Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes entscheiden (Nr. 2) und keine Aussicht auf eine kurzfristige Änderung dieser Verhältnisse besteht. Im Einklang mit der Verordnungsermächtigung des § 72 BBesG F 1990 begrenzt zudem die Sonderzuschlagsverordnung die Sonderzuschläge in ihrem § 2 nicht nur der Höhe nach, sondern beschränkt die Ausgaben für Sonderzuschläge eines Dienstherrn in § 4 auf einen bestimmten Prozentsatz der in seinem jeweiligen Haushaltsplan veranschlagten jährlichen Besoldungsausgaben.

Nach § 3 SZsV F 1990 trifft die jeweilige oberste Aufsichtsbehörde im Einvernehmen mit dem für das Besoldungsrecht zuständigen Minister die nach den §§ 1 und 2 dieser Verordnung erforderlichen Entscheidungen für die Gemeinden und Gemeindeverbände. Nach Satz 2 dieser Vorschrift können diese Entscheidungsbefugnisse auf die zuständige oberste Dienstbehörde übertragen werden. Nach dem Wortlaut und der Systematik der Sonderzuschlagsverordnung ist über die Gewährung, d.h. den Anwendungsbereich und die Höhe des Sonderzuschlags bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 SZsV F 1990 in dem durch die §§ 2 und 4 SZsV F 1990 gesetzten Rahmen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, das im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung durch Verwaltungsvorschriften gebunden werden kann.

Der Senat faßt diese Regelungen in ihrem Zusammenhang dahin gehend auf, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in konkreten Fällen der Dienstherr nach pflichtgemäßen Ermessen einen Sonderzuschlag gewähren kann, sofern auch die oberste Aufsichtsbehörde im gleichen Sinne entscheidet - vorbehaltlich einer Übertragung der letzteren Entscheidungsbefugnis nach § 3 Satz 2 der Verordnung. Es bedarf mithin in jedem Einzelfall in Übereinstimmung mit der allgemeinen rechtlichen Stellung des Dienstherrn einer Entscheidung des jeweiligen Dienstherrn. Dies wird durch die Regelung des § 4 SZsV F 1990 der Sonderzuschlagsverordnung bestätigt. Die danach vom einzelnen Dienstherrn zu beachtenden Ausgabenbeschränkungen gebieten eine Abwägung, in welchem Verwendungsbereich und in welchem Umfange die begrenzten Mittel eingesetzt werden sollen, soweit die Voraussetzungen des § 1 SZsV F 1990 in einer Vielzahl konkreter Fälle in einem oder mehreren Bereichen erfüllt sind.

Dementsprechend hat das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem 27. März 1992 im Einvernehmen mit dem Runderlaß des Finanzministeriums vom 26. Februar 1992 Entscheidungen getroffen. Damit sind die nach § 3 Satz 1 SZsV F 1990 erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Sonderzuschlages geschaffen und die jeweilige Gemeinde (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW in der Fassung vom 1. Mai 1981, GV NW S. 234) befugt worden, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in konkreten Fällen - nach Entscheidung in jedem Einzelfall - einen Sonderzuschlag zu gewähren. Dies entsprach jedenfalls der vom Berufungsgericht für das Revisionsgericht bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) festgestellten geduldeten Verwaltungspraxis bei der Anwendung der Verwaltungsvorschriften, auf die es bei ihrer Auslegung ankommt (stRspr BVerwG; vgl. u.a. Urteil vom 2. März 1995 - BVerwG 2 C 17.94 - <Buchholz 240 § 17 Nr. 7> m.w.N.), auch wenn das Innenministerium mit seinem Erlaß zunächst die Absicht gehabt haben sollte, andere Regelungen zu treffen. Danach hat das Innenministerium geduldet, daß einzelne Gemeinden und Gemeindeverbände Sonderzuschläge an Beamte gewährten, andere in keinem Fall. Diese Verwaltungspraxis steht auch mit den oben dargelegten gesetzlichen Vorschriften in Einklang. Die Frage, ob dies für die Verwaltungsvorschriften ebenfalls gilt, stellt sich nach alledem nicht.

Die erforderliche Entscheidung hat die Beklagte als Dienstherr des Klägers nicht getroffen. Sie war hierzu auch nicht verpflichtet, weil die Voraussetzungen des § 1 SZsV F 1990 unstreitig nicht vorlagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde- und das Revisionsverfahrens auf 6 290 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, zweifacher Jahresbetrag des begehrten Sonderzuschlages).

Ende der Entscheidung

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