Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.05.1998
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 28.97
Rechtsgebiete: VwGO, BGB, BeamtVG


Vorschriften:

VwGO § 90
BGB § 291
BGB § 288
BeamtVG § 49 Abs. 5
Leitsatz:

Der im Verwaltungsprozeß obsiegende Kläger hat keinen Anspruch auf Prozeßzinsen, wenn nach dem Verpflichtungsausspruch die Geldschuld nicht beziffert ist oder rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann.

Urteil des 2. Senats vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 28.97 -

I. VG Hannover vom 17.03.1994 - Az.: VG 2 A 351/92 - II. OVG Lüneburg vom 08.07.1997 - Az.: OVG 5 L 3107/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 28.97 OVG 5 L 3107/97

Verkündet am 28. Mai 1998

Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 1998 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Lemhöfer, Dr. Henkel, Dr. Bayer und Dr. Schmutzler

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juli 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger war zuletzt Oberlokomotivführer und wurde mit Ablauf des Monats April 1991 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Seine Versorgungsbezüge wurden auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes vom 68 v.H. festgesetzt. Den Antrag des Klägers, den Ruhegehaltssatz gemäß § 14 a BeamtVG vorübergehend zu erhöhen, lehnte die Bundesbahndirektion ab.

Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage ist der Beklagte antragsgemäß verpflichtet worden, dem Kläger auf dessen Antrag vom 6. April 1991 Ruhegehalt auf der Grundlage eines erhöhten Ruhegehaltssatzes zu gewähren. Die Klage im übrigen, mit der die Zahlung von Zinsen in Höhe von vier v.H. seit dem 28. Januar 1992 beantragt worden ist, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten sowie die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen und - soweit es um den vom Kläger weiterverfolgten Anspruch auf Prozeßzinsen geht - zur Begründung ausgeführt:

Zwar trete nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im öffentlichen Recht die Rechtshängigkeit einer Geldschuld im Sinne von § 291 Satz 1 BGB nicht nur bei Klagen auf Verurteilung zur Zahlung einer bezifferten Geldforderung ein, sondern auch bei Klagen, die auf Verpflichtung der Behörde zum Erlaß eines die Zahlung einer bestimmten Geldsumme unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts gerichtet seien. Die Heranziehung des § 291 Satz 1 BGB setze aber weiter voraus, daß der Prozeß mit dem Zuspruch einer eindeutig bestimmten Geldforderung ende, sei es durch Verurteilung zur Zahlung derselben, sei es durch Verpflichtung zum Erlaß eines entsprechenden Leistungsbescheides. Daran fehle es hier. Der Beklagte sei lediglich verpflichtet worden, dem Kläger auf seinen Antrag vom 6. April 1991 Ruhegehalt auf der Grundlage eines erhöhten Ruhegehaltssatzes zu gewähren.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juli 1997 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 17. März 1994 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung zurückgewiesen worden ist, und den Beklagten zu verpflichten, an den Kläger ab dem 28. Januar 1992 Zinsen in Höhe von vier v.H. für das Jahr auf das nach dem zusprechenden Urteil rückständige Ruhegehalt zu zahlen.

Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,

sie zurückzuweisen.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Prozeßzinsen in Höhe von vier v.H. für das Jahr auf das nach dem zusprechenden Urteil rückständige Ruhegehalt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 291 Satz 1 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz keine gegenteilige Regelung enthält (BVerwGE 7, 95 <97>; 11, 314 <318>; 14, 1 <3 f.>; 15, 78 <84 f.>; Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG 7 C 21.72 - <Buchholz 451.80 Nr. 19>; Urteil vom 29. April 1976 - BVerwG 5 C 83.74 - <Buchholz 424.01 § 134 Nr. 10>; BVerwGE 51, 287 <290>; 58, 316 <326>; u.a. Urteile vom 24. September 1987 - BVerwG 2 C 58.84 <Buchholz 232 § 78 Nr. 32>, BVerwG 2 C 27.84 <Buchholz 240 § 3 Nr. 5> und BVerwG 2 C 3.84 <Buchholz 237.0 § 89 Nr. 2>; Urteil vom 22. März 1990 - BVerwG 2 C 33.87 - <Buchholz 271 Nr. 7>; Beschluß vom 4. Mai 1994 - BVerwG 1 B 26.94 - <Buchholz 437.1 Nr. 9>; Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - <Buchholz 11 Art. 104 a GG Nr. 11>; BVerwGE 99, 53 <54>).

Das Beamtenversorgungsgesetz als hier einschlägiges Fachgesetz enthält keine Bestimmung, die die Zahlung von Prozeßzinsen ausschließt. Zwar besteht gemäß § 49 Abs. 5 BeamtVG kein Anspruch auf Verzugszinsen, wenn Versorgungsbezüge nach dem Tage der Fälligkeit gezahlt werden. Der Anspruch auf Prozeßzinsen bleibt hiervon indessen unberührt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 49 Abs. 5 BeamtVG, der sich ausdrücklich auf Verzugszinsen (vgl. § 288 BGB) beschränkt. Diese umfassen nicht gleichsam als "Unterfall" die Prozeßzinsen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1987 - IV b ZR 3/86 - <NJW-RR 1987, 386>). Vielmehr lassen die sachlichen Unterschiede zwischen den eine schuldhafte Verletzung obligatorischer Verpflichtungen voraussetzenden Verzugszinsen und den allein aus dem Prozeßrechtsverhältnis erwachsenden Prozeßzinsen eine erweiterte Anwendung des § 49 Abs. 5 BeamtVG über den Wortlaut hinaus nicht zu. Im übrigen knüpft die Vorschrift - ebenso wie § 3 Abs. 6 BBesG - an die frühere Rechtslage vor Inkrafttreten des Beamtenversorgungsgesetzes an, wonach zwar die Zahlung von Verzugszinsen, nicht aber die Zahlung von Prozeßzinsen für rückständige Versorgungs- und Besoldungsleitungen ausgeschlossen war (BGHZ 10, 125 ff.).

Die Voraussetzungen des § 291 BGB sind jedoch im vorliegenden Falle nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an mit vier v.H. für das Jahr (§ 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB) zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Danach muß eine Geldforderung rechtshängig geworden sein (§ 90 VwGO).

Da im Verwaltungsprozeß anders als in zivilgerichtlichen Verfahren vielfach nicht unmittelbar auf Leistung des Geldbetrages, sondern mittels der Verpflichtungsklage auf Erlaß eines Verwaltungsakts (§ 42 Abs. 1 VwGO) geklagt werden muß, der seinerseits die Auszahlung eines Geldbetrages anordnet, können Prozeßzinsen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch verlangt werden, wenn die Verwaltung - wie bei der Festsetzung von Versorgungsbezügen eines Beamten - zum Erlaß eines die Zahlung unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts verpflichtet worden ist (BVerwGE 11, 314 <318>; 15, 78 <85>; Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG 7 C 21.72 - <a.a.O.>; BVerwGE 51, 287 <290>; Urteile vom 24. September 1987 - BVerwG 2 C 27.84 und BVerwG 2 C 3.84 - <a.a.O.>; BVerwGE 99, 53 <55>). Diese Verpflichtung muß allerdings in der Weise konkretisiert sein, daß der Umfang der zugesprochenen Geldforderung feststeht - die Geldforderung also eindeutig bestimmt ist (BVerwGE 99, 53 <55>). Zwar braucht die Geldforderung nach Klageantrag und Urteilsausspruch nicht in jedem Falle der Höhe nach beziffert zu sein. Ausreichend ist, daß die Geldschuld rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann (BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1973 - BVerwG 7 C 21.72 - <a.a.O.>).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier indessen nicht vor. Durch die Urteile der Vorinstanzen ist der Beklagte antragsgemäß verpflichtet worden, dem Kläger Ruhegehalt auf der Grundlage eines erhöhten Ruhegehaltssatzes zu gewähren. Nach diesem Verpflichtungsausspruch ist eine weitere Rechtsanwendung erforderlich, um die exakte Höhe der Versorgungsbezüge zu ermitteln. Das steht dem Anspruch auf Prozeßzinsen entgegen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die weitere rechtliche Beurteilung auf der Grundlage von Bestimmungen, die der Behörde Einschätzungs- und Ermessensspielräume eröffnen und deren Anwendung die Zuerkennung von Prozeßzinsen nicht zulassen (BVerwGE 99, 53 <54>), oder auf der Grundlage zwingender Rechtsvorschriften zu erfolgen hat. Im Hinblick auf die Prozeßzinsen wäre das Gericht in beiden Fällen zu einer Prüfung veranlaßt, die nicht unmittelbar an die Entscheidung zur Hauptforderung anknüpfte, sondern darüber hinausginge. Zudem kann auch bezüglich der weiteren Anwendung zwingenden Rechts noch Streit entstehen, dessen Ausgang erst den Umfang der Geldforderung bestimmt. Ob es im Einzelfall zu Streit wegen der weiteren Rechtsanwendung kommt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Prozeßzinsen nicht notwendig absehbar und für deren Zuerkennung ohne Belang.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde- und das Revisionsverfahren auf je 600 DM festgesetzt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück