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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 31.06
Rechtsgebiete: BGleiG, BPersVG


Vorschriften:

BGleiG § 1
BGleiG § 12
BGleiG § 13
BPersVG § 76 Abs. 2 Nr. 10
Das Gleichstellungsgesetz verpflichtet die Dienststellen des Bundes, Arbeitszeiten und sonstige Rahmenbedingungen anzubieten, die Frauen und Männern die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben erleichtern. Diese generelle Pflicht entfällt nur, wenn zwingende dienstliche Belange entgegenstehen.

Zur Einrichtung von Telearbeitsplätzen sind die Dienststellen einzelnen Beamten gegenüber nach pflichtgemäßem Ermessen nur im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten verpflichtet.

Eine im Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei tätige Beamtin hat, auch wenn sie als Fachlehrerin an einem Ausbildungs- und Fortbildungszentrum Polizeianwärter unterrichtet, keinen Anspruch auf Zuweisung eines Telearbeitsplatzes.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 31.06

Verkündet am 31. Januar 2008

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele, Groepper und Dr. Heitz und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Die Klägerin steht als Polizeihauptkommissarin in den Diensten der Beklagten. Sie wird beim Bundespolizeiausbildungs- und Fortbildungszentrum in S. als Polizeifachlehrerin auf einer Teilzeitstelle mit 75 % der Regelarbeitszeit eingesetzt. Sie ist Mutter zweier minderjähriger Kinder im betreuungspflichtigen Alter. Im Oktober 2004 beantragte sie eine Erhöhung ihrer Wochenarbeitszeit auf die Regelarbeitszeit von 40 Stunden unter der Bedingung, die hinzukommenden 10 Stunden als Telearbeit zu Hause verrichten zu dürfen. Alternativ beantragte sie, sie von der Verpflichtung zur Anwesenheit am Dienstort für 10 Wochenarbeitsstunden zu entbinden.

Mit Bescheid vom 8. September 2005 lehnte das Bundespolizeipräsidium West den Antrag der Klägerin ab. Mit der Untätigkeitsklage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag auf Telearbeit, hilfsweise Reduzierung ihrer Anwesenheitspflicht auf der Dienststelle erneut zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei sowohl mit dem Haupt- als auch dem Hilfsantrag unbegründet. Ein strikter Rechtsanspruch auf Ausgestaltung eines Arbeitsplatzes als Telearbeitsplatz, hilfsweise auf Befreiung von der Anwesenheitspflicht, ergebe sich weder aus gesetzlichen Vorschriften noch aus dienstrechtlichen Vereinbarungen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG seien Beschäftigten mit Familienpflichten im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten auch Telearbeitsplätze oder besondere Arbeitszeitmodelle anzubieten. Diese Vorschrift richte sich an den Dienstherrn und verpflichte ihn, im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten Telearbeitsplätze oder andere besondere Arbeitszeitmodelle zu schaffen. Nach § 1 Nr. 2 der Dienstvereinbarung bestehe auf die Teilnahme an der Telearbeit kein Anspruch. Gemäß § 2 der Dienstvereinbarung seien im Polizeivollzug beschäftigte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Telearbeit grundsätzlich ausgenommen.

Die Klägerin habe nach diesen gesetzlichen und dienstrechtlichen Vorgaben allein einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag. Dieser Anspruch sei nicht verletzt worden. Bei der Ermessensausübung im Rahmen seiner Organisationsbefugnisse seien dem Dienstherrn grundsätzlich nur weite Grenzen gesetzt. Sein Organisationsermessen sei nach Inkrafttreten des Bundesgleichstellungsgesetzes nur insofern beschränkt, als Telearbeitsplätze gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG den Bediensteten im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen seien. Die Beklagte sei diesem gesetzlichen Auftrag durch die Dienstvereinbarung nachgekommen. Die Regelung in § 2 dieser Vereinbarung, nach der Polizeivollzugsbeamte von der Telearbeit grundsätzlich ausgenommen sind, begegne keinen rechtlichen Bedenken. In einer typisierenden Betrachtungsweise erscheine es sachgerecht, die Arbeitsplätze der Polizeivollzugskräfte als ungeeignet für Telearbeit anzusehen. Typischerweise sei die Arbeit der Vollzugskräfte durch Einsätze gekennzeichnet, die physische Präsenz am Einsatzort erforderten und nicht durch Arbeit am heimischen Computer geleistet werden könnten.

§ 2 der Dienstvereinbarung lasse Raum für Ausnahmen. Die Beklagte habe die Besonderheit des Einzelfalls erkannt und geprüft, ob eine Ausnahme vorliege, weil die Klägerin als Polizeifachlehrerin zwar dem Polizeivollzugsdienst angehöre, ihr Dienstposten aber überwiegend durch eine Lehrtätigkeit gekennzeichnet sei.

Die Ermessenserwägung, die Telearbeit dennoch zu versagen, weil der Betreuungs- und Erziehungsauftrag der Polizeifachlehrer gegenüber den Polizeianwärtern die regelmäßige Anwesenheit der Fachlehrer bedinge, sei im Ergebnis sachgerecht. Ein Lehrgruppenleiter könne seine Aufgabe nach der derzeitigen Organisation nur mit einer Vollzeitstelle und nur bei Anwesenheit an der Dienststelle wahrnehmen. Die Klägerin würde als Vollzeitkraft mit Sicherheit auch in dieser Funktion verwendet werden, denn es herrsche ein Mangel an geeigneten Lehrkräften für diese spezielle Funktion und die Klägerin sei nach Ansicht des Leiters für diese Aufgaben sehr geeignet. Einer Telearbeit stünden bei einem Lehrgruppenleiter, ebenso bei einem Polizeifachlehrer, dienstliche Belange entgegen. Diese ermessensfehlerfreie Erwägung der Beklagten trage auch die implizite Ablehnung des Antrags auf Befreiung von der Anwesenheitspflicht.

§ 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG zwinge den Dienstherrn nicht, die innere Organisation des Polizeiausbildungszentrums so umzugestalten, dass die Funktion des Lehrgruppenleiters auch von mehreren Personen arbeitsteilig und zeitweise wahrgenommen werden könne. Ferner könne die Klägerin nicht verlangen, bei voller Wochenarbeitszeit und gleichzeitigem Mangel an geeigneten Polizeifachlehrern nicht als Lehrgruppenleiterin eingesetzt zu werden.

Bei der Frage, ob die Klägerin einen Ermessensanspruch auf Gewährung eines Telearbeitsplatzes habe, seien die Überstunden bei der Betrachtung des Dienstpostens der Klägerin nicht zu berücksichtigen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision der Klägerin. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. Oktober 2006 sowie den Bescheid des Bundespolizeipräsidiums West vom 8. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Telearbeit, hilfsweise auf Reduzierung der Anwesenheitspflicht in der Dienststelle, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses teilt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts.

II

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein revisibles Recht. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Zuweisung eines Telearbeitsplatzes, hilfsweise auf Reduzierung ihrer Anwesenheitspflicht, noch einen Anspruch auf Neubescheidung ihres hierauf gerichteten Antrages.

Mit Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage als zulässig angesehen. Sie richtet sich zwar auf eine Frage, über die der Dienstherr streng genommen erst zu entscheiden hätte, wenn die Klägerin wieder mit voller Dienstzeit beschäftigt wäre. Hier war die Klägerin jedoch in der Zwangslage, ihre Teilzeitbeschäftigung nur dann aufgeben zu können, wenn an ihre Stelle eines der beiden anderen Arbeitsmodelle (Telearbeitsplatz oder Reduzierung der Anwesenheitspflicht) treten würde. Das Verlangen, hierüber Klarheit zu gewinnen, brauchte die Klägerin nicht im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen, sondern konnte es ausnahmsweise in einen Leistungsantrag kleiden, nachdem ihr entsprechender Antrag von der zuständigen Dienststelle bereits abgelehnt und nachdem ihr unmissverständlich bedeutet worden war, sie werde bei vollzeitiger Beschäftigung als Lehrgruppenleiterin eingesetzt werden.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

1. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin kommen nur die §§ 12 und 13 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG) vom 30. November 2001 (BGBl I S. 3234), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897, 1909) in Betracht.

Nach § 12 BGleiG mit der Überschrift "Familiengerechte Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen" hat die Dienststelle Arbeitszeiten und sonstige Rahmenbedingungen anzubieten, die Frauen und Männern die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit erleichtern, soweit zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach § 13 Abs. 1 BGleiG (mit der Überschrift "Teilzeitbeschäftigung, Telearbeit und familienbedingte Beurlaubung") ist Anträgen von Beschäftigten mit Familienpflichten auf Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung auch bei Stellen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben zu entsprechen, soweit nicht zwingende dienstliche Belange entgegenstehen. Im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten sind Beschäftigten mit Familienpflichten auch Telearbeitsplätze oder besondere Arbeitszeitmodelle wie zum Beispiel Sabbatjahr oder Arbeitszeitkonto anzubieten. Die Dienststelle muss die Ablehnung von Anträgen im Einzelnen schriftlich begründen.

2. § 12 und § 13 BGleiG stehen zueinander in einem abgestuften Verhältnis und sprechen unterschiedliche Adressaten an. § 12 BGleiG beschreibt programmatisch das Ziel des Gesetzes. Die Vorschrift liefert damit zugleich einen allgemeinen Auslegungsmaßstab für die differenzierenden Regelungen in der nachfolgenden Vorschrift. Sie richtet sich nicht an den einzelnen Beamten, sondern ausschließlich an die Dienststelle und steuert lediglich deren Organisationsermessen. Sie betrifft damit nur die Angebotsseite und regelt noch keine Anspruchsvoraussetzungen. Das hier angesprochene Angebot soll ein generelles sein, das sich "an alle Beschäftigten mit Familienpflichten" wendet (vgl. Begr. zum RegE, BTDrucks 14/5679 S. 25 zu § 12), betrifft also noch nicht die konkrete Bereitstellung. Erst § 13 Abs. 1 BGleiG stellt abgestufte Voraussetzungen für die Gewährung der darin genannten Erleichterungen an einzelne antragstellende Beschäftigte auf.

a) Auf der ersten Stufe verpflichtet § 12 BGleiG die Dienststelle, die Ziele des Gesetzes in abstrakt-genereller Form auf ihre Verhältnisse zu konkretisieren, indem sie unter Berücksichtigung organisatorischer Gegebenheiten die Möglichkeiten und Grenzen erleichternder Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie festlegt, um sodann das Ergebnis den Beschäftigten als Angebot bekanntzugeben. Diese Pflicht ist mangels konkret-individuellen Bezugs rein objektivrechtlicher Natur und entfällt nach dem Gesetzeswortlaut nur, wenn zwingende dienstliche Belange entgegenstehen. Die situationsbezogene Umsetzung des Angebots bei einem Antrag einzelner Beschäftigter ist erst in § 13 BGleiG geregelt, wobei Absatz 1 dieser Vorschrift - im Gegensatz zur einheitlichen Regelung in § 12 BGleiG - in differenzierter Weise unterschiedliche Voraussetzungen für die verschiedenen Formen arbeitserleichternder Rahmenbedingungen aufstellt. Die sich daraus ergebende Trennung zwischen generellen objektrechtlichen Pflichten (§ 12 BGleiG) und individuellen Rechtspositionen (§ 13 Abs. 1 BGleiG) nimmt darauf Rücksicht, dass es in erster Linie Sache des Dienstherrn ist, in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts und zur Umsetzung gesetzlicher und verwaltungspolitischer Ziele die Aufgabenverteilung in der Verwaltung festzulegen, ihre Priorität zu bestimmen und ihre Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern (vgl. Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 21.03 - Buchholz 237.95 § 88a SHLBG Nr. 1 S. 2). Dem steht nicht entgegen, dass der Dienstherr § 12 BGleiG zu beachten hat und dass er verpflichtet ist, dem Anliegen des Gesetzes nach dessen Maßgabe zu entsprechen.

Kann das Angebot in der Dienststelle organisatorisch realisierbarer arbeitserleichternder Maßnahmen nach § 12 BGleiG allein aus zwingenden dienstlichen Gründen unterbleiben, so sind besonders hohe Anforderungen an die zu erwartenden Nachteile für den Dienstbetrieb zu stellen. Dies betrifft sowohl die Schwere als auch den Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts. Gründe sind nur dann zwingend, wenn die Arbeitserleichterung mit großer Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben führen würde (vgl. Urteil vom 30. März 2006 - BVerwG 2 C 23.05 - Buchholz 236.2 § 76c DRiG Rn. 17). Die regelmäßig und generell mit der Einführung einer Arbeitserleichterung verbundenen Erschwernisse wie etwa die Notwendigkeit einer gewissen Umorganisation stellen keine dringenden dienstlichen Gründe dar. Davon ausgehend kennzeichnet der Begriff "zwingend" die höchste Prioritätsstufe. Nach dem Wortsinn müssen die mit "zwingend" bezeichneten dienstlichen Gründe von einem solchen Gewicht sein, dass ihre Berücksichtigung unerlässlich ist, um die sachgerechte Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben sicherzustellen (vgl. Urteil vom 30. März 2006 - BVerwG 2 C 23.05 - a.a.O. Rn. 18).

Bei der Erfüllung der objektivrechtlichen Pflicht ist die Dienststellenleitung nicht von jeglicher Kontrolle befreit. Das Angebot in der Gestalt abstrakt-genereller Regelungen unterliegt der Mitbestimmung durch den Personalrat. Dieser hat nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über Maßnahmen, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern dienen. Dazu zählen auch die Angebote nach § 12 BGleiG (vgl. auch § 1 BGleiG). Das Organisationsermessen kann in dieser Form auch durch die übergeordnete Behörde - gegebenenfalls unter Beteiligung der Stufenvertretung (§ 82 BPersVG) - ausgeübt werden, wie dies hier bei der Dienstvereinbarung zur Regelung der "alternierenden Telearbeit" im Bundesgrenzschutz (BGS) vom 31. Mai 2002 zwischen dem Bundesministerium des Innern Abteilung Bundesgrenzschutz und dem dort angesiedelten Bundesgrenzschutz-Hauptpersonalrat der Fall war.

Mit dem Abschluss und der Bekanntgabe einer Dienstvereinbarung hat die Dienststelle im Umfang des gegenständlichen Bereichs dieser Vereinbarung ihre Angebotspflichten aus § 12 BGleiG erfüllt. Davon ist auch dann auszugehen, wenn in den abstrakt-generellen Regelungen Raum belassen bleibt für Ausnahmeentscheidungen im atypischen Einzelfall. Damit wird die Konkretisierungs-, Aufklärungs- und Hinweispflicht, die der Dienststelle im Rahmen des § 12 BGleiG obliegt, noch nicht verfehlt; das gilt insbesondere dann, wenn die abstrakt-generelle Regelung Vorgaben für die Abwägung im Einzelfall enthält. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn nach § 1 Satz 2 der Vereinbarung vom 31. Mai 2002 die Entscheidungsbefugnis, ob Telearbeit eingeführt wird und in welchem Umfang Telearbeitsplätze bereitgestellt werden, den (nachgeordneten) Behörden und Dienststellen des Bundesgrenzschutzes (jetzt: der Bundespolizei) obliegt. Diese Selbstbeschränkung des Bundesministeriums des Innern kann nur bedeuten, dass das Ministerium die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen und die Festlegung möglicher Maßnahmen im Einzelfall den einzelnen Dienststellen überlässt, diese aber zugleich daran bindet, bei der Ausübung ihres organisatorischen Ermessens den Inhalt der Vereinbarung zu beachten.

b) Auf einer zweiten Stufe hat der Dienstherr auf der Grundlage der in dem generellen Angebot nach § 12 BGleiG getroffenen Regelungen und gegebenenfalls in Ausfüllung der danach noch verbleibenden Spielräume das "Programm" gegenüber den Beschäftigten auf deren Antrag nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 BGleiG umzusetzen. Die Vorschrift stellt dafür je nach der beantragten Maßnahme unterschiedlich strenge Anforderungen auf. Anträgen auf Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGleiG in aller Regel zu entsprechen. Die Dienststelle ist verpflichtet, dafür die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Diese Verpflichtung entfällt lediglich dann, wenn im konkreten Einzelfall zwingende dienstliche Belange entgegenstehen. Soweit dies nicht der Fall ist, hat der Beamte einen Rechtsanspruch auf Gewährung der Arbeitserleichterung.

Für Telearbeitsplätze und besondere Arbeitszeitmodelle sieht § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG dagegen vor, dass die Dienststelle diese Arbeitserleichterungen nur "im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten" anzubieten hat. Bereits der unmittelbare sprachliche Gegensatz zu Satz 1 macht deutlich, dass es sich hier um eine weniger strikte Regelung handelt. An die Stelle des engen Versagungsgrundes entgegenstehender zwingender dienstlicher Belange tritt die "weichere" Begrenzung auf ein Angebot "im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten". Auch ist wieder nur von einem Angebot die Rede, und zwar von einem den Anspruch nach Satz 1 ergänzenden ("auch"). Entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe als einzige Negativvoraussetzung einer Versagung lassen sich für einen Antrag nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG auch nicht aus § 12 BGleiG herleiten. § 12 BGleiG hat einen anderen Bezug, nämlich den zu einem abstrakt-generellen Angebot, und steht daher nicht im Kontext einzelfallbezogener Maßnahmen zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit. Dies alles macht deutlich, dass aus Satz 2 kein strikter Rechtsanspruch erwachsen kann. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Antragserfordernis in § 13 Abs. 1 Satz 3 BGleiG. Zwar deutet ein solches Erfordernis in der Regel auf subjektive Rechte hin (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1986 - BVerwG 1 C 44.84 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 29 S. 64 f., insoweit in BVerwGE 75, 86 nicht abgedruckt; vgl. auch Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 46.03 - Buchholz 236.1 § 44 SG Nr. 8 S. 3). Hier dient die zitierte Vorschrift aber lediglich der Klarstellung, dass Telearbeitsplätze dem Beamten nicht gegen seinen Willen zugewiesen werden können (vgl. auch Begr. zum RegE, BTDrucks 14/5679 S. 25 zu § 12).

Der sich aus Gesetzeswortlaut und -systematik ergebende Unterschied der nach den Sätzen 1 und 2 des § 13 Abs. 1 BGleiG vermittelten Rechtspositionen kommt in den Gesetzesmaterialien unmissverständlich zum Ausdruck. In der Begründung zu § 13 Abs. 1 des Regierungsentwurfs heißt es einerseits: "Nach Satz 1 haben Beschäftigte mit Familienpflichten einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung, der allein unter dem Vorbehalt entgegenstehender zwingender dienstlicher Belange steht." Demgegenüber heißt es zu Satz 2 im Anschluss an die Wiedergabe des Wortlauts: "Diese Regelung beinhaltet keinen individuellen Anspruch. Es steht vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Dienststellen, ob und in welchem Umfang sie Telearbeit oder besondere Arbeitszeitmodelle einführen." (Begr. zum RegE, BTDrucks 14/5679 S. 25 zu § 13). Die Rechtsposition der Antragsteller beschränkt sich nach allem auf einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Hat die Dienststelle in Ausübung des durch die Zielsetzungen der §§ 12, 13 BGleiG mitgesteuerten Organisationsermessens fehlerfrei festgestellt, dass die Einrichtung solcher Arbeitserleichterungen den Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten übersteigt, darf sie sich gegen das Angebot solcher Arbeitserleichterungen entscheiden und die Betroffenen auf das Angebot von Teilzeitarbeit und Beurlaubung verweisen.

3. Die abstrakt-generellen Regelungen der Dienstvereinbarung, soweit für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin maßgeblich, und deren Anwendung auf den Einzelfall der Klägerin stehen mit §§ 12, 13 BGleiG in Einklang und lassen auch Ermessensfehler nicht erkennen.

a) § 1 Nr. 2 der Dienstvereinbarung bestimmt, dass auf die Teilnahme an der alternierenden Telearbeit kein Anspruch besteht. Das stimmt mit der obigen Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG überein. Des Weiteren bestimmt § 2 Satz 2 der Vereinbarung, dass im Polizeivollzugsdienst beschäftigte Mitarbeiter an der alternierenden Telearbeit grundsätzlich nicht teilnehmen können. Diese Festlegung ist eine "grundsätzliche", d.h. für den Regelfall im Teilbereich "Polizeivollzugsdienst" eine generelle, klarstellende Ausfüllung der in § 2 Satz 1 umschriebenen Teilnahmevoraussetzungen. Darin wiederum ist in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG vorgesehen, dass Telearbeitsplätze nur an geeigneten Arbeitsplätzen eingerichtet werden und dass solche Arbeitsplätze nicht geeignet sind, die eine permanente Anwesenheit in der Dienststelle erfordern. In derartigen Fällen den Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten überschritten zu sehen, lässt sich auch unter Berücksichtigung der Ziele des Bundesgleichstellungsgesetzes nicht als ermessensfehlerfrei beanstanden.

b) Die Umsetzung der Richtlinie auf den konkreten Fall der Klägerin lässt ebenfalls Ermessensfehler nicht erkennen. Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin nicht etwa mit dem bloßen Hinweis auf den grundsätzlichen Ausschluss von Telearbeitsplätzen für Vollzugsbeamte abgelehnt, sondern im Hinblick auf eine denkbare Ausnahme vom Grundsatz geprüft. Sie hat die Ausnahme verneint und näher begründet, weshalb die ganztägige Anwesenheit der Klägerin in der Dienststelle im Falle ihrer Vollzeitbeschäftigung erforderlich sei. Sie hat dabei ausgeführt, der Betreuungs- und Erziehungsauftrag, insbesondere gegenüber jugendlichen Anwärtern, der den Polizeifachlehrerinnen und Fachlehrern obliege, setze die ganztägige Anwesenheit in der Dienststelle voraus. Diese den ablehnenden Bescheiden zugrunde liegende Annahme ist nicht zu beanstanden. In dem Bescheid vom 8. September 2005 ist sie plausibel begründet. Nach den im Verfahren der Sprungrevision mit Verfahrensrügen nicht angreifbaren Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2, § 134 Abs. 4 VwGO) beruht diese Annahme auf zutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten. Als Vollzeitkraft wäre die Klägerin als Lehrgruppenleiterin mit entsprechenden Anwesenheitspflichten eingesetzt worden. Darauf durfte die Beklagte bestehen. Daher durfte sie auch davon ausgehen, dass es sich hier um einen für die Telearbeit nicht geeigneten Arbeitsplatz handelt.

Die Wertung der Beklagten, dass im Falle der Klägerin ein die bisherige Beschäftigung zu 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit um 25 % ergänzender Telearbeitsplatz sich im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG nicht im Rahmen des Möglichen halte, erweist sich auch unter dem Gesichtspunkt nicht als ermessensfehlerhaft, dass sich bei Gewährung der Telearbeit an den bisherigen Anwesenheitszeiten nichts ändern würde. Die Beklagte hat die bisherigen Abstriche von der erforderlichen Betreuung ersichtlich hinnehmen müssen, weil der Teilzeitbeschäftigung nur zwingende dienstliche Belange im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 BGleiG hätten entgegengehalten werden können und diese nicht als gegeben angesehen wurden. Gegenüber einem Antrag auf Telearbeit bei Vollzeitbeschäftigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BGleiG sind hingegen nicht nur die zwingenden dienstlichen Belange zu beachten, es sind hier auch andere dienstliche Belange, die diese Schwelle möglicherweise nicht voll erreichen, in die wertende Abwägung einzustellen. So, wie sie hier festgestellt worden sind, stellen sie sich allemal als gewichtig genug dar. §§ 12, 13 BGleiG zwingen die Dienststelle nicht, ihren Ausbildungsbetrieb organisatorisch so umzustellen, dass auf die Funktion von Lehrgruppenleitern verzichtet wird oder diese auch von Beamten in alternierender Telearbeit ausgefüllt werden kann.

4. Nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte die Frage der Abgeltung von Überstunden nicht in die Abwägung einbezogen hat. Es ist nicht Ziel des Gleichstellungsgesetzes, die Entstehung oder den Abbau von Überstunden zu beeinflussen.

5. Der Hilfsantrag der Klägerin auf Befreiung von der Anwesenheitspflicht bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Ist nämlich, wie es das Verwaltungsgericht festgestellt hat, die dauernde Anwesenheit der Klägerin in der Dienststelle erforderlich, so steht dies ihrer Befreiung von der Anwesenheitspflicht ohne Weiteres entgegen. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist das der Fall.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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