Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 36.07
Rechtsgebiete: GG, LVO, Richtlinie 2000/78/EG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 5
LVO § 52 Abs. 1
LVO § 84 Abs. 1
LVO § 84 Abs. 3
Richtlinie 2000/78/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 19. Februar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und Dr. Heitz,

die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und

den Richter am Bundesverwaltungsgericht Buchheister

ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2007 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 6. April 2005 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2002 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Gründe:

I

Der am ... 1958 geborene Kläger legte nach Studium und Vorbereitungsdienst im Jahr 1988 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt der Sekundarstufe II in den Fächern Sozialwissenschaften und Geschichte ab. Mit Wirkung vom 1. August 2002 wurde er auf unbestimmte Dauer als Lehrkraft in den Schuldienst des Landes eingestellt und an einer Hauptschule eingesetzt.

Bereits mit Schreiben vom 20. März 2002 hatte der Kläger unter Bezugnahme auf den Mangelfacherlass vom 22. Dezember 2000 die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe beantragt. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Juli 2002 ab, weil der Kläger die laufbahnrechtliche Altersgrenze von 35 Jahren überschritten habe. Der Mangelfacherlass sei auf ihn nicht anwendbar, weil er über keine Lehramtsbefähigung in einem Mangelfach der Sekundarstufe I verfüge. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2002 zurück.

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat mit Urteil vom 23. Mai 2007 im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Übernahme in das Beamtenverhältnis an der laufbahnrechtlichen Altersgrenze von 35 Jahren scheitere, die mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, vereinbar sei. Die Ungleichbehandlung wegen des Alters sei objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Die Altersgrenze solle ein angemessenes Verhältnis zwischen der Beschäftigungszeit als Beamter und dem Anspruch auf Versorgung herstellen und eine ausgewogene Altersstruktur gewährleisten. Sie sei zur Erreichung dieser Ziele erforderlich und angemessen. Dem Gesetzgeber stehe ein Gestaltungsspielraum zu, bei dem er das öffentliche Interesse an einer möglichst niedrigen Altersgrenze sowie das private Interesse des Bewerbers an einer Verbeamtung auch noch im fortgeschrittenen Alter zu berücksichtigen habe, ferner das öffentliche Interesse an der Gewinnung qualifizierter Lehrkräfte. Hinzu träten tatsächliche Umstände wie etwa die Entwicklung der Versorgungslasten. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers oder des ermächtigten Verordnungsgebers, den sich daraus ergebenden Wertungsspielraum auszufüllen. Die gerichtliche Überprüfung beschränke sich darauf, ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten worden seien. Danach sei eine Altersgrenze von 35 Jahren für den höheren Dienst nicht zu beanstanden. Die berufliche Ausbildung könne in aller Regel bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres abgeschlossen werden. Zudem werde bestimmten Verzögerungsgründen Rechnung getragen. Eine andere Altersgrenze in anderen Bundesländern begründe angesichts des Gestaltungsspielraums und der länderspezifischen Besonderheiten keine Unangemessenheit der hier festgesetzten Altersgrenze. Die Altersgrenze stehe ferner im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht. Die Richtlinie 2000/78/EG sehe keine anderen Rechtfertigungsgründe vor als die nationale Regelung. Eine Ausnahme durch Verwaltungserlass bestehe zugunsten des Klägers nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er einen Verstoß der laufbahnrechtlichen Altersgrenze gegen höherrangiges Recht sowie eine rechtswidrige Ermessenspraxis des Beklagten bei der Zulassung von Ausnahmen geltend macht. Außerdem sei ihm eine Zusicherung auf Übernahme in das Beamtenverhältnis erteilt worden. Er beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 2007 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 6. April 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 16. Dezember 2002 zu verpflichten, ihn in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

Er beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Revision ebenfalls entgegen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II

Die Revision hat teilweise Erfolg. Zwar kann der Kläger keine Verpflichtung des Beklagten erreichen, ihn in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen. Eine dahingehende Zusage ist ihm, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht erteilt worden. Der Beklagte ist aber verpflichtet, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Begehren des Klägers eine laufbahnrechtliche Altersgrenze entgegensteht.

Nach § 52 Abs. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen - LVO - vom 23. November 1995 (GV. NW 1996 S. 1) in der Fassung des Gesetzes vom 3. Mai 2005 (GV. NW S. 498) darf in die Lehrerlaufbahnen als Laufbahnbewerber in ein Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LVO können auf Antrag der obersten Dienstbehörde durch Entscheidung des Innenministeriums und des Finanzministeriums Ausnahmen von dem Höchstalter zugelassen werden. Diese Bestimmungen sind unwirksam.

1.

Die Bestimmung einer Altersgrenze für die Übernahme in ein öffentliches Amt bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Denn Altersgrenzen schränken den Leistungsgrundsatz ein, dessen Geltung durch Art. 33 Abs. 2 GG für den Zugang zu jedem öffentlichen Amt unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird. Bewerber dürfen nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen (Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <150> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 und vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32). Das Alter kann nur dann ein Eignungsmerkmal im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG darstellen, wenn daraus geschlossen werden kann, dass Bewerber typischerweise den Anforderungen des Amtes nicht mehr genügen, wenn sie ein bestimmtes Alter überschritten haben.

Durch Altersgrenzen für die Einstellung und Übernahme in ein Beamtenverhältnis kann der Leistungsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 2 GG eingeschränkt werden, weil sie im Lebenszeitprinzip als einem durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums angelegt sind (Urteil vom 28. Oktober 2004 a.a.O. S. 153). Die Gewichtung der beiden gegenläufigen Verfassungsgrundsätze, wie sie in der Festsetzung von Altersgrenzen zum Ausdruck kommt, erfordert eine normative Regelung. Sie darf nicht der Verwaltungspraxis überlassen werden. Soweit in der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts teilweise eine Bestimmung von Altersgrenzen durch Verwaltungserlasse für ausreichend erachtet wurde (Urteile vom 31. Januar 1980 - BVerwG 2 C 15.78 - Buchholz 232 § 15 BBG Nr. 11 und vom 23. Oktober 1980 - BVerwG 2 C 22.79 - Buchholz 238.4 § 37 SG Nr. 2), hält der Senat daran nicht fest.

Die Verordnungsermächtigung in § 15 Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - LBG - bildet eine ausreichende gesetzliche Grundlage zur Regelung von laufbahnrechtlichen Altersgrenzen durch den Verordnungsgeber (Urteile vom 18. Juni 1998 - BVerwG 2 C 20.97 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 2 , vom 18. Juni 1998 - BVerwG 2 C 6.98 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 3 , vom 20. Januar 2000 - BVerwG 2 C 13.99 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 4 und vom 13. Juli 2000 - BVerwG 2 C 21.99 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 5). Die Vorschrift ermächtigt dazu, unter Beachtung der Erfordernisse der einzelnen Laufbahnen durch Rechtsverordnung Regelungen über die Laufbahnen der Beamten zu erlassen. Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung sind auch in Bezug auf Altersgrenzen für die Einstellung hinreichend bestimmt. Es ist unschädlich, dass die Ermächtigung die Bestimmung von Altersgrenzen nicht ausdrücklich erwähnt. Die Befugnis des Verordnungsgebers, bei der Regelung der Laufbahnen auch Altersgrenzen für die Einstellung vorzusehen, lässt sich aus dem Gesetz ermitteln. Eine Ermächtigung zum Erlass von Vorschriften über die Laufbahnen der Beamten befugt den Verordnungsgeber zum Erlass derjenigen Vorschriften, durch die herkömmlicherweise das Laufbahnwesen der Beamten gestaltet wird (vgl. Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, § 15 BBG Rn. 1a; Zängl, in: GKÖD, § 15 BBG Rn. 3; Kathke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Teil C § 15 LBG Rn. 88). Hierzu gehören auch Altersgrenzen für die Einstellung in ein Beamtenverhältnis (vgl. Urteil vom 31. Januar 1980 a.a.O.).

Die vom Verordnungsgeber zu beachtenden Maßstäbe zur Bestimmung einer Altersgrenze für eine konkrete Laufbahn sind durch ihren Zweck vorgegeben. Dieser besteht vor allem darin, in Anbetracht der Dauerhaftigkeit des Beamtenverhältnisses ein angemessenes Verhältnis von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sicherzustellen. Daneben kann dem Interesse des Dienstherrn an ausgewogenen Altersstrukturen Bedeutung beigemessen werden (Urteil vom 28. Oktober 2004 a.a.O. S. 153).

2.

Laufbahnrechtliche Altersgrenzen für Einstellung und Übernahme in das Beamtenverhältnis werden durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG - vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840), nicht ausgeschlossen. Mit dem Gesetz wurden die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl Nr. 1 303 S. 16) in nationales Recht umgesetzt.

a)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auf Bewerber für den Beamtenstatus anwendbar. Nach § 24 Nr. 1 AGG gelten die Vorschriften des Gesetzes entsprechend für Beamte unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung. Der Begriff der Beschäftigten im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes schließt die Bewerber um ein Beschäftigungsverhältnis ein (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Die Altersgrenzen für die Einstellung oder Übernahme in ein Beamtenverhältnis unterfallen auch dem sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Es handelt sich, selbst wenn der Bewerber bei Überschreiten der Altersgrenze nicht abgewiesen, sondern als Angestellter beschäftigt wird, jedenfalls um eine unterschiedliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. Denn Beamten- und Angestelltenverhältnisse weisen grundlegende Strukturunterschiede auf.

b)

Eine Altersgrenze für die Einstellung bedeutet eine unmittelbare Ungleichbehandlung aufgrund des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, die jedoch nach § 10 AGG gerechtfertigt sein kann. Ungleichbehandlungen wegen des Alters unterliegen anders als Diskriminierungen aufgrund der weiteren in § 1 AGG aufgeführten Merkmale nicht einem strikten Verbot, sondern können unter den Voraussetzungen des § 10 AGG gerechtfertigt sein. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein (§ 10 Satz 1 und 2 AGG). Die Vorschrift ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - Rs. C-144/04, Mangold - NJW 2005, 3695 ff. Rn. 65).

Die unterschiedliche Behandlung der Laufbahnbewerber aufgrund ihres Alters verfolgt ein legitimes Ziel im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Dazu zählen jedenfalls gesetzlich gefasste oder aus dem Kontext der Maßnahme ableitbare Gemeinwohlinteressen, denen die Maßnahme dienen soll (EuGH, Urteile vom 22. November 2005 a.a.O. Rn. 60 und vom 16. Oktober 2007 - Rs. C-411/05, Palacios - NZA 2007, 1219 Rn. 56 f.; Brors, in: Däubler/Bertzbach, AGG, 2008, § 10 Rn. 21). Die Ziele sind, wie bereits durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG klargestellt wird ("insbesondere"), nicht auf die Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung beschränkt. Die Altersgrenzen für die Einstellung und Übernahme als Beamter soll in erster Linie gewährleisten, dass die Dienstzeit des Beamten mit dem Anspruch auf Versorgung während des Ruhestandes in ein angemessenes Verhältnis gebracht wird. Sie sichert zudem das Lebenszeitprinzip als ein wesentliches Strukturelement des Berufsbeamtentums. Dadurch wird von Verfassungs wegen dem Umstand Rechnung getragen, dass dem Beamtenverhältnis im Regelfall eine Dauerhaftigkeit wesensgemäß ist und die Erfüllung der im Gemeinwohlinteresse liegenden öffentlichen Aufgaben ein bestimmtes Maß an personeller Kontinuität erfordert (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 1970 - BVerwG 2 B 35.70 - Buchholz 232 § 15 BBG Nr. 7). Das somit durch Altersgrenzen verfolgte Ziel einer sparsamen Haushaltsführung ist legitim im Sinne des § 10 Satz 1 AGG (vgl. EuGH, Urteile vom 22. November 2005 a.a.O. Rn. 61 und vom 16. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 66). Entsprechendes kann für das Interesse an ausgewogenen Altersstrukturen gelten. Objektivität im Sinne des § 10 Satz 1 AGG bedeutet nicht, dass das Ziel exakt in Zahlen definierbar sein müsste, sondern erfordert das Vorliegen eines zusätzlichen sachlichen Differenzierungsgrundes, der eben nicht nur im Alter besteht (Brors, a.a.O. Rn. 31). Dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung einer übermäßigen Belastung durch Versorgungspflichten und schließlich ganz allgemein an einer ausgewogenen Relation zwischen erfahrenen älteren Beamten und jüngeren Beamten kann eine solche Objektivität nicht abgesprochen werden.

Die Bestimmung einer Altersgrenze zur Erreichung dieser Ziele kann erforderlich und angemessen im Sinne des § 10 Satz 2 AGG sein. Einer Prüfung an diesem Maßstab steht nicht bereits entgegen, dass § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG als (eine) Möglichkeit der zulässigen unterschiedlichen Behandlung nach dem Alter die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand nennt. Die Vorschrift zielt auf ältere Beschäftigte, deren Rentenalter bereits absehbar ist, und bei denen einer aufwändigen Einarbeitung am Arbeitsplatz eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen soll (BTDrucks 16/1780 S. 36). Das schließt die Rechtfertigung einer Altersgrenze aus anderen Gründen nicht aus. Der Katalog des § 10 Satz 3 AGG nennt lediglich Regelbeispiele ("insbesondere"). Soweit sie nicht einschlägig sind, kann sich eine Rechtfertigung aus § 10 Satz 2 AGG ergeben, der entgegen der Revision keine geringeren Anforderungen stellt.

Dem Normgeber und den einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht nur bei der Bestimmung der Ziele, sondern auch bei der Wahl der Mittel, mit denen sie ein legitimes Ziel erreichen wollen, ein Gestaltungsspielraum für einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen eingeräumt, bei dem politische, wirtschaftliche, soziale, demografische und auch haushaltsbezogene Erwägungen Berücksichtigung finden können (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 68 ff.).

Der Einwand der Revision, zu hohen Versorgungslasten dürfe nicht durch eine Altersgrenze begegnet werden, sondern allenfalls durch eine Änderung des Versorgungsrechts, geht aus zwei Gründen fehl. Zum einen entspricht die dahinter stehende Vorstellung, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters sei nicht erforderlich, solange der Gesetzgeber nicht alle Maßnahmen ergriffen habe, um sie auf andere Weise zu vermeiden, von vornherein nicht dem Regelungsmodell des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der Richtlinie 2000/78/EG. Die Vermeidung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters hat keinen absoluten Vorrang, der sich unbeschadet gegenläufiger Belange stets durchsetzen könnte. Es geht vielmehr um einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen, der auf der Ebene der Angemessenheit der Maßnahme stattzufinden hat. Zum anderen würde eine Änderung des Versorgungsrechts derart, dass die Versorgung bei erst in höherem Alter eingestellten Beamten unter das bisherige Maß abgesenkt würde, ihrerseits eine Ungleichbehandlung wegen des Alters bedeuten und außerdem daran scheitern, dass die angemessene Versorgung des Beamten ein unlösbarer Bestandteil des wechselseitigen Treueverhältnisses ist und rechtlich geschütztes Äquivalent der Arbeitsleistung. Darin liegt keine Privilegierung der Beamtenversorgung. Die Versorgungslasten der pensionierten Beamten werden im Gegensatz zu dem umlagefinanzierten Rentenversicherungssystem in vollem Umfang aus dem Haushalt der Anstellungskörperschaft finanziert. Ein angemessenes Verhältnis zwischen aktiver Dienstzeit und den Versorgungslasten hat deshalb für das Einstellungsalter bei einem Beamten ein gänzlich anderes Gewicht als bei einem Tarifbeschäftigten.

Ebenso wenig ist eine Altersgrenze von weniger als 45 Jahren bereits deshalb ausgeschlossen, weil die nach einer Dienstzeit von fünf Jahren gewährte Mindestversorgung von 35% der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach rund 20 Dienstjahren ohnehin erdient ist. Entscheidend ist nicht die Relation zwischen aktiver Dienstzeit und Ruhegehaltsatz, sondern ein angemessenes Verhältnis zu den gesamten Versorgungslasten. Das fiskalische Interesse des Dienstherrn kann deshalb nur dahin gehen, eine möglichst lange aktive Dienstzeit seiner Beamten sicherzustellen.

Ob die Altersgrenze von 35 Jahren für die Einstellung als Lehrer im Beamtenverhältnis angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, kann hier dahingestellt bleiben. Der Verordnungsgeber wird einerseits vor allem die Bedeutung der Altersgrenze für das Lebenszeitprinzip, insbesondere das Interesse an möglichst langen aktiven Dienstzeiten zu gewichten haben. Das Interesse an ausgewogenen Altersstrukturen kann allerdings nur auf der Grundlage einer plausiblen und nachvollziehbaren Planung berücksichtigt werden. Es darf sich nicht in formelhaften Behauptungen erschöpfen, ohne dass tatsächliche Grundlagen ersichtlich sind (Beschluss vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 2 C 121.07 - Rn. 46, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen). Zweifel sind insbesondere angebracht, wenn die Schulverwaltung Bewerber um eine Anstellung als Lehrer ohne Rücksicht auf ihr Alter als Teilzeitbeschäftigte einstellt.

Demgegenüber wird der Verordnungsgeber in seine Überlegungen einzubeziehen haben, dass Altersgrenzen eine empfindliche Beeinträchtigung des durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Leistungsgrundsatzes darstellen. Weiterhin wird die Angemessenheit der (neu) festzusetzenden Altersgrenze auch davon abhängen, in welchem Umfang Ausnahmen vorgesehen werden. Diese können etwa Verzögerungen wegen Kindererziehungszeiten, Zeiten des Wehr- oder Wehrersatzdienstes oder des Erwerbs der erforderlichen Vor- und Ausbildung im sogenannten zweiten Bildungsweg betreffen. Je weiterreichend die Ausnahmeregelung, desto niedriger kann die Altersgrenze gesetzt werden.

3.

Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich nichts Abweichendes. Maßstab ist insoweit allein die Richtlinie 2000/78/EG. Da Vorschriften über eine Altersgrenze für die Einstellung in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, besteht der notwendige gemeinschaftsrechtliche Bezug. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug weder durch Art. 13 EG hergestellt noch durch die Richtlinie 2000/78/EG vor Ablauf der dem betreffenden Mitgliedstaat für die Umsetzung dieser Richtlinie gesetzten Frist. Im Umkehrschluss ist daraus zu folgern, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug unter anderem dann besteht, wenn eine Maßnahme in den Rahmen der Richtlinie 2000/78/EG nach Ablauf der Umsetzungsfrist fällt (vgl. EuGH, Entscheidung vom 23. September 2008 - Rs. C-427/06, Bartsch - NJW 2008, 3417 Rn. 18; Bauer/Arnold, NJW 2008, 3377 <3379>). Das ist hier der Fall. In der Sache folgt aus der Richtlinie aber nichts anderes als aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Soweit eine Benachteiligung wegen des Alters grundsätzlich unzulässig ist, ergibt sich eine Rechtfertigung der Altersgrenze aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie. Die Vorschrift stimmt mit der nahezu wortgleichen Regelung des § 10 Satz 1 und 2 AGG inhaltlich überein und rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

4.

Dem Kläger kann eine Überschreitung der laufbahnrechtlichen Altersgrenze gleichwohl nicht entgegengehalten werden. Denn die Regelungen in § 52 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Satz 1 LVO sind unwirksam, weil sie von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckt sind. Dem steht nicht entgegen, dass die Laufbahnverordnung wiederholt durch Parlamentsgesetz geändert worden ist und diese Änderungen auch Vorschriften über Altersgrenzen bereffen (s. etwa Gesetz vom 3. Mai 2005, GV. NW S. 498). Die Kompetenz der Verwaltungsgerichte zur inzidenten Kontrolle und Verwerfung von Verordnungen wird dadurch nicht eingeschränkt. Auch eine durch den Gesetzgeber geänderte Verordnung ist insgesamt als Rechtsverordnung zu qualifizieren (BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <233 ff., 239 f. >).

Da es erforderlich ist, die Altersgrenze und ihre Ausnahmetatbestände normativ zu regeln (vgl. oben 1.), darf es der Verordnungsgeber nicht der Verwaltung überlassen, unter welchen Voraussetzungen sie an der Altersgrenze festhalten will. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltung, eigenverantwortlich zu bestimmen, wann der Leistungsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 2 GG durch eine Altersgrenze eingeschränkt wird. Das lässt die Laufbahnverordnung jedoch zu.

Der Verordnungsgeber hat in § 52 Abs. 1 LVO eine Altersgrenze von 35 Jahren für die Übernahme in eine Lehrerlaufbahn normiert und daneben in § 6 LVO für alle Altersgrenzen der Laufbahnverordnung eng begrenzte Ausnahmen vorgesehen. Alle weiteren möglichen Ausnahmen hat er voraussetzungslos durch § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO in das Ermessen der Verwaltung gestellt. Dies betrifft zum einen rechtlich gebotene Ausnahmen für weitere Verzögerungsgründe, zu denen insbesondere Dienstverpflichtungen nach Art. 12a GG zählen, und zum anderen gerade bezogen auf die Lehrerlaufbahnen die in diesem Bereich praktisch relevante Zulassung einer Überschreitung der Altersgrenze bei Bedarfssituationen, also die Übernahme von Bewerbern mit einer Ausbildung in Mangelfächern als Beamte auf Probe trotz Überschreitung der laufbahnrechtlichen Altersgrenze.

Aus diesem Grund hat sich ein für die Bewerber schwer durchschaubares Erlasswesen der Verwaltung zur Einhaltung der Altersgrenze entwickelt. Durch den sogenannten Mangelfacherlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 22. Dezember 2000, weitere Erlasse zur Begründung von Ausnahmen und Gegenausnahmen etwa für sogenannte Vorgriffseinstellungen oder Weiterqualifizierungen, verschiedene Erlasse zur Verlängerung und Ausweitung des Mangelfacherlasses und zu sonstigen Sonderregelungen für bestimmte Laufbahnen, etwa für Grundschullehrer, bis hin zu Dispensen für bestimmte Einstellungskampagnen ("1000-Stellen-Aktion") ist die verordnungsrechtliche Altersgrenze in weitem Umfang und für einen erheblichen Bewerberkreis durch Behördenentscheidungen überlagert worden. Das entspricht nicht dem Gebot der Normklarheit und begegnet mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG erheblichen Bedenken. So verbietet es sich, Bewerber um Beamtenstellen bereits deshalb abzulehnen, weil sie bereits als Tarifbeschäftigte im Schuldienst tätig sind.

Die dargestellten Mängel beschränken sich nicht auf die Verwaltungspraxis, sondern betreffen die Verordnung selbst, weil sie durch die an keinerlei Vorgaben gebundene Ausnahmemöglichkeit des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO den Weg zu dieser Verwaltungspraxis eröffnet hat. Die Ausnahmeregelung steht ihrerseits in einem inneren Zusammenhang mit der Bestimmung der Altersgrenze für die Lehrerlaufbahnen in § 52 Abs. 1 LVO. Der rechtliche Mangel erfasst deshalb nicht nur § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO, sondern die Regelung über die Altersgrenzen für Lehrerlaufbahnen insgesamt, also auch die Grundnorm des § 52 Abs. 1 LVO. Der Verordnungsgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass über Ausnahmen von der Altersgrenze die Verwaltung auf der Grundlage des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO entscheiden kann und hat sich deshalb, abgesehen von den allgemeinen Ausnahmetatbeständen des § 6 LVO, auf die Festlegung der Altersgrenze beschränkt.

Der Kläger kann deshalb verlangen, dass über seinen Antrag auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe ohne Berücksichtigung der laufbahnrechtlichen Altersgrenze entschieden wird. Da mit Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (einschließlich der gesundheitlichen Eignung) weitere Voraussetzungen durch den Beklagten zu beurteilen sind, kommt nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung unter Beachtung der vorstehenden Rechtsauffassung des Gerichts in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Beschluss:

Beschluss vom 19. Februar 2009

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 25 947 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück