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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 4.06
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 11 Nr. 1a
Die Zeit, in der ein Richter oder Beamter nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung als juristischer Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war, ohne als Rechtsanwalt zugelassen zu sein, kann nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 4.06

Verkündet am 9. November 2006

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer und Dr. Heitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2005 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 21. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Der Kläger, Richter im Dienst des Beklagten, begehrt die Anerkennung der Zeit vom 12. März 1990 bis zum 27. Januar 1991 als ruhegehaltfähig. In dieser Zeit war er nach der zweiten juristischen Staatsprüfung, aber ohne zur Rechtsanwaltschaft zugelassen zu sein, als freier Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt. Er hat damals alle in einer derartigen Kanzlei von einem Rechtsanwalt zu erledigenden Tätigkeiten verrichtet.

Das Berufungsgericht hat das klagabweisende erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, erneut über den Antrag des Klägers zu entscheiden. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Der Kläger sei damals Rechtsanwalt im Sinne des § 11 Nr. 1a i.V.m. § 1 Abs. 2 BeamtVG gewesen. Der Begriff "Rechtsanwalt" sei nicht nur im statusrechtlichen, sondern auch im funktionsrechtlichen Sinne zu verstehen. Entscheidend sei, dass dem jetzigen Richter die Befugnisse eines Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung zugestanden hätten. Dies treffe für den Kläger zu. Er habe als juristischer Mitarbeiter in der Anwaltskanzlei weisungsfrei gearbeitet und alle dort anfallenden juristischen Tätigkeiten wahrgenommen. Ohne Bedeutung sei, ob er aufgrund Dienstvertrags oder freiberuflich tätig gewesen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2005 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 21. Oktober 1998 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, seine damalige Tätigkeit werde von § 11 Nr. 1a BeamtVG in unmittelbarer, jedenfalls aber in analoger Anwendung der Vorschrift erfasst.

Die Vertreterin des Bundesinteresses tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts entgegen, ein juristischer Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei habe ungeachtet seiner fehlenden Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Befugnisse eines Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsordnung besessen.

II

Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut über die Anerkennung der Zeit vom 12. März 1990 bis zum 27. Januar 1991 als ruhegehaltfähige Vordienstzeit des Klägers entscheidet. Die eine derartige Anerkennung ablehnende Entscheidung des Beklagten vom 3. Mai 1996 und der Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1996 sind rechtmäßig.

Nach § 11 Nr. 1a des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1999(BGBl I S. 322, ber. S. 847 und 2033), zuletzt geändert durch Art. 6 des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I S. 1652), kann als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden die Zeit, während der ein Beamter nach Vollendung des 17. Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis als Rechtsanwalt ... tätig gewesen ist. Der Kläger ist in der Zeit vom 12. März 1990 bis zum 27. Januar 1991 nicht "als Rechtsanwalt" tätig gewesen.

"Als Rechtsanwalt" ist nicht - bereits - derjenige tätig, der als Jurist mit der Befähigung zum Richteramt Aufgaben wahrnimmt, die zu den beruflichen Aufgaben eines Rechtsanwalts gehören. Dies gilt auch dann, wenn er als ein in den Arbeitsablauf einer Rechtsanwaltskanzlei eingebundener, vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter von Rechtsanwälten tätig ist. Der Begriff "Rechtsanwalt" in § 11 Nr. 1a BeamtVG stellt eine Berufsbezeichnung dar, deren Bedeutungsgehalt sich aus der normativen Festlegung dieses Berufsbildes ergibt. Die Vorschrift meint den Rechtsanwalt im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung. Der Rechtsanwalt ist nach § 1 dieses Gesetzes ein unabhängiges Organ der Rechtspflege; er ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, § 3 Abs. 1 BRAO. In dieser Eigenschaft stehen ihm besondere Befugnisse zu, vorrangig das Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten und Behörden aufzutreten, § 3 Abs. 2 BRAO. Dem entsprechend ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidend für die Anerkennungsfähigkeit der Zeit "als Rechtsanwalt" nach § 11 Nr. 1a BeamtVG, dass dem Beamten während dieser Zeit die Befugnisse als Rechtsanwalt im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung zugestanden haben (Urteil vom 15. Dezember 1971 - BVerwG 6 C 23.70 - BVerwGE 39, 181 und Beschluss vom 14. Februar 1989 - BVerwG 2 B 99.88 - Buchholz 239.1 § 11 BeamtVG Nr. 3; ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. September 1978 - 2 A 80/76 - DÖD 1979, 32). Daran hält der Senat fest.

Ratio legis des § 11 Nr. 1a BeamtVG und damit innere Rechtfertigung für die Anerkennungsfähigkeit der dort genannten Vordienstzeiten ist nicht bereits und allein, dass diese Zeiten nützlich für die Wahrnehmung der Aufgaben waren, die später im Richter- oder Beamtendienst erfüllt werden mussten, sondern die - gleichzeitig auch nützliche Erfahrung vermittelnde - Nähe der damaligen Funktion und Aufgabenstellung zur Tätigkeit von Beamten. Den Erwerb einschlägiger Fachkenntnisse verlangt § 11 Nr. 3a BeamtVG. Dem Rechtsanwalt als einem Organ der Rechtspflege sind Aufgaben zugewiesen, die gemeinwohlorientiert sind und deshalb unter dem Aspekt der versorgungsrechtlichen Anerkennungsfähigkeit der Tätigkeit eines Beamten nahestehen.

Rechtsanwalt im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung ist nur, wer zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist. § 32 BRAO bestimmt ausdrücklich, dass die Befugnis, die Anwaltstätigkeit auszuüben, mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte beginnt. Unerheblich ist, ob sein Status der eines freiberuflich tätigen oder dienstvertraglich beschäftigten Anwalts war (Urteil vom 15. Dezember 1971 a.a.O. und Beschluss vom 14. Februar 1989 a.a.O.) In die Liste der Rechtsanwälte eingetragen werden nach § 31 BRAO die von der Justizverwaltung zugelassenen Anwälte (zur Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Voraussetzung für die Berechtigung, als Rechtsanwalt tätig zu sein, vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. August 1995 - 1 BvR 2263/94 und 229, 534/95 - BVerfGE 93, 213 <235 ff.>).

In dem Zulassungsverfahren wird geprüft, ob Versagungsgründe im Sinne des § 7 BRAO vorliegen. Diese Prüfung obliegt der Landesjustizverwaltung (vgl. § 8 Abs. 1 BRAO). Das Zulassungsverfahren entfällt für diejenigen, die nur "wie Rechtsanwälte" tätig sind. Es ist nicht Aufgabe der Festsetzungsbehörde gemäß § 49 BeamtVG, darüber zu entscheiden, ob der spätere Beamte nach §§ 6 ff. BRAO als Rechtsanwalt hätte zugelassen werden können.

§ 11 Nr. 1a BeamtVG soll den Wechsel vom Beruf des Rechtsanwalts zur Beamten- oder Richterschaft erleichtern. Personen, die zuvor unabhängig, weisungsfrei und umfassend vertretungsberechtigt in allen Rechtsangelegenheiten tätig waren, wird im Hinblick auf die Alters- und Hinterbliebenenversorgung ein Anreiz geboten, in den öffentlichen Dienst einzutreten. Diesen Zugewinn fördert das Versorgungsrecht, indem die Zeit der Tätigkeit als Rechtsanwalt der Zeit in einem Beamtenverhältnis gleichgestellt wird.

Aus dem Urteil des 6. Senats vom 15. Dezember 1971 (a.a.O. S. 186) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der in jenem Verfahren klagende Anwaltsassessor besaß die auch nach der Ansicht des 6. Senats erforderlichen anwaltlichen Befugnisse nach der Bundesrechtsanwaltsordnung, denn nach dem Recht, das während der in jenem Verfahren umstrittenen Vordienstzeit galt, standen dem Anwaltsassessor die anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, dem er überwiesen war.

Der Kläger war in der fraglichen Zeit nicht als Rechtsanwalt zugelassen.

Eine analoge Anwendung des § 11 Nr. 1a BeamtVG auf die Juristen mit der Befähigung zum Richteramt, die, ohne als Rechtsanwalt zugelassen zu sein, in einer Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet haben, wie sie der Kläger befürwortet, ist nicht möglich. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes widerspricht bereits dem Wesen des Beamtenversorgungsrechts. Dieses legt, nicht anders als das Besoldungsrecht, die einzelnen Ansprüche nach Grund und Höhe durch formelle und zwingende Vorschriften häufig kasuistischen Inhalts fest. Regelungen dieser Art sind nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers einer extensiven Auslegung und Ergänzung durch Analogie nicht zugänglich (stRspr, zuletzt Urteil vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 - BVerwGE 125, 79 <80> Rn. 10 m.w.N.). Indem der Gesetzgeber in § 11 BeamtVG die verschiedenen Gruppen Anspruchsberechtigter mittels zahlreicher Merkmale unterschiedlicher Art wie Lebensalter zu einem bestimmten Zeitpunkt, Ausübung eines bestimmten Berufs, Beschäftigung bei einem bestimmten, genau bezeichneten Arbeitgeber oder Dienstherrn umschreibt, gibt er zu erkennen, dass nur diese Personen anspruchsberechtigt sein sollen. Die differenzierenden kasuistischen Regelungen der §§ 8 bis 12b BeamtVG sind auch Ausdruck des Gesetzesvorbehaltes im Versorgungsrecht (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 BeamtVG). Deshalb ist es ausgeschlossen, in der unterbliebenen Erwähnung der Personen, die ohne Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in einer Rechtsanwaltskanzlei die Aufgabe eines Rechtsanwalts wahrgenommen haben, eine planwidrige Regelungslücke zu sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 723,80 € festgesetzt (Zweijahresbetrag der zusätzlichen Versorgungsbezüge, die der Kläger bei Anerkennung der umstrittenen Zeit als ruhegehaltfähig erhalten würde, vgl. Beschluss vom 13. September 1999 - BVerwG 2 B 53.99 - NVwZ-RR 2000, 188).

Ende der Entscheidung

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