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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 40.99
Rechtsgebiete: BBesG, GG


Vorschriften:

BBesG § 3 a
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5
Leitsatz:

Besoldungsempfänger, die aus einem Bundesland, das bei Einführung der Pflegeversicherung die Zahl der gesetzlichen Feiertage beibehalten hat, in ein Bundesland mit verringerter Zahl von Feiertagen vor dem Termin des abgeschafften Feiertags wechseln, haben für das gesamte Kalenderjahr Anspruch auf ungekürzte Dienstbezüge.

Urteil des 2. Senats vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 2 C 40.99 -

I. VG Neustadt/Weinstr. vom 06.11.1997 - Az.: VG 9 K 509/97 - II. OVG Koblenz vom 28.05.1999 - Az.: OVG 10 A 12702/98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 40.99 OVG 10 A 12702/98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 21. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Mai 1999 wird aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 6. November 1997 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Berufssoldat. Von 1993 bis zum 30. September 1996 war er in Sachsen stationiert. Dieses Bundesland hatte bei der Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 die am 31. Dezember 1993 bestehende Anzahl der gesetzlichen Feiertage nicht vermindert, so dass der Kläger ab dem 1. Januar 1995 um 0,5 v.H. verminderte Dienstbezüge erhielt.

Da der Kläger zum 1. Oktober 1996 nach Rheinland-Pfalz versetzt werden sollte, wo bei Einführung der Pflegeversicherung der im November eines jeden Jahres begangene Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag abgeschafft worden ist, beantragte er, seine Dienstbezüge ab sofort nicht mehr zu kürzen und die seit Januar 1996 einbehaltenen Kürzungsbeträge nachzuentrichten. Dies lehnte das Wehrbereichsgebührnisamt VI mit Bescheid vom 27. Juni 1996 ab. Mit Beschwerdebescheid vom 15. Januar 1997 wies die Wehrbereichsverwaltung VI die Beschwerde des Klägers zurück.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Da der Kläger bis zum 30. September 1996 in einem Bundesland beschäftigt gewesen sei, in dem die Absenkung der Dienstbezüge gegolten habe, stünden ihm für die ersten neun Monate des Jahres 1996 nur gekürzte Dienstbezüge zu. Das sei auch dann nicht anders, wenn der Besoldungsempfänger im Verlaufe des Jahres in ein Bundesland mit vermindertem Feiertagsbestand wechsele und dort einen Tag, der im Herkunftsland als Feiertag beibehalten sei, nicht als dienstfreien Tag begehen könne. Mit dieser Auslegung verstoße § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Gruppe der Besoldungsempfänger, die zwischen Bundesländern mit einer unterschiedlichen Zahl der gesetzlichen Feiertage wechsele, unterscheide sich in tatsächlicher Hinsicht von der Gruppe der Besoldungsempfänger ohne eine derartige dienstliche Veränderung, die lediglich alternativ eine Erhöhung der Dienstleistungspflicht oder eine Besoldungskürzung hinzunehmen hätten.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend.

Er beantragt der Sache nach,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Mai 1999 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 6. November 1997 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt schließt sich der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an.

II.

Die Revision, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 141, 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Der Kläger hat auch für die Monate Januar bis September 1996 Anspruch auf Dienstbezüge, die nicht um 0,5 v.H. gekürzt sind. Die Absenkung der Dienstbezüge gilt für ihn während des gesamten Jahres 1996 nicht.

Nach § 3 a Abs. 1 Satz 1 BBesG, eingefügt durch Art. 21 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1014 <1059>) wird der Anspruch auf monatliche Dienstbezüge um 0,5 v.H. eines vollen Monatsbezuges abgesenkt. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht für Beamte, Richter und Soldaten in Dienststellen in den Ländern, in denen die am 31. Dezember 1993 bestehende Anzahl der gesetzlichen landesweiten Feiertage um einen Feiertag, der stets auf einen Werktag fiel, vermindert worden ist. § 3 a BBesG regelt nicht ausdrücklich den Fall, dass ein Besoldungsempfänger während eines Kalenderjahres zeitweise einer Dienststelle in einem Bundesland mit unvermindertem Feiertagsbestand und zeitweise einer Dienststelle in einem Bundesland mit vermindertem Feiertagsbestand angehört hat.

Das Berufungsgericht legt § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG im Hinblick auf einen Dienststellenwechsel dahin aus, dass auf die Zugehörigkeit zu der Dienststelle während des jeweiligen Monats, für den die Dienstbezüge gezahlt werden, abzustellen ist. Dieses Normverständnis führt jedoch zu Unstimmigkeiten mit dem Alimentationsgrundsatz und dem Gleichheitsprinzip. Das zwingt zu einer Auslegung des § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG, bei der der Anspruch auf ungekürzte Besoldung erhalten bleibt, wenn der Besoldungsempfänger in dem betreffenden Jahr aufgrund der für ihn maßgebenden Feiertagsregelung nur in den Genuss einer im Vergleich zum 31. Dezember 1993 geringeren Zahl von Feiertagen gelangt.

Zwar ist der Gesetzgeber befugt, das geltende Besoldungsrecht insgesamt oder in einzelnen Punkten auch zu Ungunsten der Beamten, Richter und Soldaten zu ändern. Dabei hat er zu berücksichtigen, dass den Besoldungsempfängern nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Unterhalt zu gewähren ist (vgl. Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C 27.95 - BVerwGE 101, 116 <121>; auch BVerfGE 8, 1 <16>).

§ 3 a BBesG sieht indessen keine allgemeine Verschlechterung des Besoldungsniveaus vor, auch wenn Satz 1 von einer "Absenkung" des Anspruchs auf monatliche Dienst- und Anwärterbezüge um 0,5 v.H. als Regel spricht. Vielmehr knüpft die bundeseinheitliche Besoldungsvorschrift an landesspezifische Gegebenheiten an - nämlich an den Umstand, dass ein Bundesland in eigener Gesetzgebungskompetenz die Anzahl der gesetzlichen landesweiten Feiertage nach dem 31. Dezember 1993 um einen Feiertag vermindert hat, der stets auf einen Werktag fiel. Diese Bestimmung berührt den als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Anspruch auf amtsangemessene Besoldung (vgl. BVerfGE 46, 97 <107>; 76, 256 <298>), da das Prinzip einheitlicher Besoldung für die in einer Besoldungsgruppe zusammengefassten Ämter je nach dem Beschäftigungsort modifiziert wird.

Der Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung gebietet allerdings nicht schematisch gleiche Bezüge für gleiche Ämter oder Dienstgrade, sondern ist Differenzierungen - auch nach dem zeitlichen Umfang der Beschäftigung - zugänglich (vgl. z.B. Urteil vom 25. April 1996 a.a.O. S. 121 f.). Obgleich Besoldung und Dienstleistung nicht zeitabschnittsweise auf einem gegenseitigen Austauschverhältnis beruhen, besteht die Pflicht des Dienstherrn zur Alimentierung nicht völlig losgelöst von der Dienstverpflichtung und der effektiven Dienstleistung (vgl. Urteil vom 10. April 1997 - BVerwG 2 C 29.96 - BVerwGE 104, 230 <234>).

Aus der Tatsache, dass in einem Bundesland nach dem 31. Dezember 1993 ein Feiertag abgeschafft worden ist, lassen sich allenfalls bedingt Schlussfolgerungen auf den quantitativen Umfang der Dienstleistung ziehen. Zwar beeinflusst die Anzahl der Feiertage in einem Bundesland auch den Umfang der jährlichen Arbeitszeit. Darauf stellt § 3 a BBesG aber nicht ab; denn nach dieser Vorschrift ist nicht die absolute Zahl der Feiertage in einem Bundesland maßgebend für die Besoldungskürzung, sondern der Bestand der Feiertage vor und nach dem 31. Dezember 1993, der seinerseits nichts über den Umfang der Arbeitszeit der Beamten, Richter und Soldaten im Vergleich von Bund und den verschiedenen Ländern besagt. So bestimmt etwa der Freistaat Bayern nach Abschaffung des Buß- und Bettages als gesetzlicher Feiertag (vgl. § 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 1994, GVBl S. 1049) zwölf Tage als landesweite gesetzliche Feiertage (vgl. Art. 1 des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage), während gemäß § 1 des Gesetzes über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen vom 10. November 1992 (GVBl S. 536) unverändert elf Tage als gesetzliche Feiertage geschützt sind. Auch im Übrigen ist die Höhe der Besoldung nicht von der allgemeinen, im Bund und in den einzelnen Bundesländern potenziell unterschiedlichen wöchentlichen oder jährlichen Arbeitszeit der Beamten, Richter und Soldaten abhängig.

Ob § 3 a BBesG im Einklang mit Art. 33 Abs. 5 GG und - soweit Soldaten betroffen sind - mit Art. 14 Abs. 1 GG steht, bedarf ebenso wenig einer abschließenden Klärung wie die Vereinbarkeit der Besoldungsregelung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Jedenfalls wären Beamte, Richter und Soldaten unzumutbar belastet, wenn sie in einem Jahr eine Besoldungskürzung hinnehmen müssten, ohne an einem weiteren Feiertag vom Dienst befreit zu sein.

Die Auslegung des § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG durch das Berufungsgericht für die Fälle, in denen Besoldungsempfänger aus einem Bundesland mit unverminderter Zahl von Feiertagen in ein Bundesland, das einen Feiertag abgeschafft hat, vor diesem Tag wechseln, hat zur Folge, dass diese Bediensteten auch ungleich gegenüber den Besoldungsempfängern behandelt werden, die ihren Dienstort beibehalten haben. Während jene nur entweder eine Gehaltsabsenkung hinzunehmen oder einen zusätzlichen Arbeitstag zu leisten haben, erleiden sie - u.U. während des größeren Teils eines Jahres - eine Gehaltsabsenkung und müssen dazu einen Tag mehr Dienst leisten. Ob diese unterschiedliche Behandlung durch die im Verbleiben am Beschäftigungsort einerseits und im Wechsel des Bundeslandes andererseits liegende Verschiedenheit des Sachverhalts gerechtfertigt ist oder ob angesichts der gesetzlichen Regelung, nach der es auf die Geltung einer bestimmten generellen Feiertagsregelung im Bundesland des Beschäftigungsorts ankommt, die Leistung von Dienst an einem weiteren Tag keinen nach Art. 3 Abs. 1 GG relevanten Sachverhaltsunterschied begründet, kann offen bleiben. Die zum Erfolg der Klage führende Auslegung des § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG, die auch mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar ist, erweist sich bei einer Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs, in dem die Vorschrift steht, und der verfassungsrechtlichen Anforderungen als geboten.

Das Berufungsgericht leitet aus der Erwähnung der "monatlichen" Dienstbezüge in § 3 a Abs. 1 Satz 1 BBesG und dem Prinzip der "Monatlichkeit" der Besoldung her, dass dem Beamten abgesenkte Dienstbezüge für jeden Monat zustehen, in dem er einer Dienststelle in einem Bundesland mit unvermindertem Feiertagsbestand angehört. Das hätte zur Folge, dass der Besoldungsanspruch für diese einzelnen Monate nicht dadurch beeinflusst wird, dass der Besoldungsempfänger wegen eines späteren Wechsels in ein Bundesland mit reduziertem Feiertagsbestand, aufs Jahr gesehen, arbeitsfreie Feiertage nicht in einer dem Bestand vom 31. Dezember 1993 entsprechenden Zahl genießen kann.

Gegen den einzelnen Kalendermonat als den für die Dienststellenzugehörigkeit maßgeblichen Termin spricht indessen, dass § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG selbst auf den Feiertagsbestand innerhalb des Kalenderjahres abhebt. Nicht die Dienstleistung, bei der ein einzelner Feiertag von dem Beamten nicht genossen werden kann, sondern der bei einem verminderten Jahresbestand von Feiertagen geleistete Dienst begründet einen Anspruch auf ungekürzte Dienstbezüge. In Übereinstimmung damit bestimmt auch § 3 a Abs. 2 Satz 1 BBesG, dass sich die gesetzliche Aufhebung eines Feiertages für das gesamte Kalenderjahr auf den Besoldungsanspruch auswirkt. Dies ist ein Hinweis, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf ungekürzte Besoldung dem Besoldungsempfänger zuerkennen wollte, der am Ende des Kalenderjahres wegen des für ihn maßgeblichen Feiertagsrechts weniger Feiertage genossen hat, als am 31. Dezember 1993 bestanden haben. Das trifft für alle Besoldungsempfänger zu, die aus einem Bundesland mit unverminderter Zahl von Feiertagen in ein Bundesland mit vermindertem Feiertagsbestand noch vor dem Tag wechseln, der am neuen Beschäftigungsort nicht mehr als Feiertag begangen wird und an dem sie folglich haben Dienst leisten müssen.

Diese Interpretation des § 3 a Abs. 1 Satz 2 BBesG verdient gegenüber der vom Berufungsgericht gefundenen den Vorzug. Sie trägt der Einordnung der Vorschrift in die gesamte Rechtsordnung, zu der auch die Verfassungsbestimmungen der Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG gehören, besser Rechnung (vgl. BVerfGE 8, 210 <221>; 35, 263 <278 ff.>; 46, 166 <183, 184>). Sie verhindert, dass Besoldungsempfänger, die zwischen Bundesländern mit unterschiedlichem Feiertagsbestand wechseln, entgegen dem gesetzgeberischen Grundgedanken die Belastungen der Gehaltsabsenkung und eines zusätzlichen Arbeitstages kumulativ statt alternativ hinnehmen müssen und so gegenüber Besoldungsempfängern, die am Beschäftigungsort verbleiben, unterschiedlich behandelt werden. Sie entspricht damit besser der Wertordnung der Verfassung.

Der Kläger, der im letzten Viertel des Jahres 1996 in einem Bundesland mit einem um den Buß- und Bettag verminderten Bestand von gesetzlichen Feiertagen beschäftigt war und infolge dessen den Buß- und Bettag nicht als einen der am 31. Dezember 1993 bestehenden gesetzlichen landesweiten Feiertag begangen hat, hat deshalb für das gesamte Jahr 1996 Anspruch auf ungekürzte Dienstbezüge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 400 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG; überschlägig errechnete Differenz zwischen der dem Kläger gezahlten und der von ihm erstrebten Besoldung).



Ende der Entscheidung

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