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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.03.2000
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 8.99
Rechtsgebiete: LbVOPol RhP


Vorschriften:

LbVOPol RhP § 34
LbVOPol RhP § 35 F. 1995 (vgl. § 41 BLV)
Leitsätze:

1. Dienstliche Beurteilungen sind auf der Grundlage geänderter Laufbahnbestimmungen einheitlich für den gesamten Beurteilungszeitraum zu erstellen, auch wenn die geänderten Vorschriften im Verlaufe des Beurteilungszeitraumes in Kraft getreten sind.

2. Hat in einer Beurteilungskampagne eine große Zahl der Beurteiler den vorgegebenen Noten einen Aussagegehalt beigelegt, der von der Definition in der Beurteilungsrichtlinie abweicht, ist eine dienstliche Beurteilung, bei der sich der Beurteiler an die Notendefinition der Richtlinie gehalten hat, rechtswidrig. (Wie Urteil vom heutigen Tage BVerwG 2 C 7.99)

Urteil des 2. Senats vom 2. März 2000 - BVerwG 2 C 8.99 -

I. VG Koblenz vom 28.01.1997 - Az.: VG 6 K 2756/96 - II. OVG Koblenz vom 13.03.1998 - Az.: OVG 2 A 11194/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 8.99 OVG 2 A 11194/97

Verkündet am 2. März 2000

Grubert Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2000 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. März 1998 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. Januar 1997 sowie der Bescheid des Polizeipräsidiums Koblenz vom 9. November 1995 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Koblenz vom 5. August 1996 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Änderung seiner dienstlichen Beurteilung zum Beurteilungsstichtag 1. Februar 1995 erneut zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger war als Polizeihauptmeister im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums A. beschäftigt. Er wurde zum Stichtag 1. Februar 1995 für den Beurteilungszeitraum 1. Februar 1993 bis 31. Januar 1995 nach der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern und für Sport vom 19. September 1994 (MinBl 1994, S. 408) dienstlich beurteilt. Der Kläger erhielt im Abschnitt "Leistungsbewertung" für die Leistungsmerkmale "Arbeitsmenge", "Arbeitsqualität" und "Arbeitsweise" aus der von A bis E reichenden Notenskala die Noten C und B und als "Gesamtbewertung der Leistungen" ebenfalls die Note C. Im Abschnitt "Befähigungsbeurteilung", in dem für insgesamt 15 - beim Kläger lediglich für 14 - Befähigungsmerkmale die Vergabe jeweils eines zwischen "I = besonders stark ausgeprägt" und "IV = schwach ausgeprägt" liegenden "Ausprägungsgrades" vorgesehen ist, vergaben die Beurteiler II und III.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers, die Gesamtbe-wertung der Leistungsmerkmale auf B abzuändern, mit Bescheid vom 9. November 1995 ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 5. August 1996 zurück.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt:

Die dienstliche Beurteilung sei rechtmäßig. Das Fehlen eines abschließenden Gesamturteils mache sie nicht rechtswidrig, weil es nach der Änderungsverordnung zur Polizeilaufbahnverordnung vom 3. April 1995, die bereits am 30. November 1994 in Kraft getreten sei, eines abschließenden Gesamturteils nicht mehr bedurft habe. Angesichts der damals offenkundigen Bestrebungen nach einer Änderung des Systems der dienstlichen Beurteilung der Polizeibeamten in Rheinland-Pfalz habe der Kläger nicht auf eine Beibehaltung des abschließenden Gesamturteils vertrauen dürfen.

Die Beurteiler im Bezirk des Polizeipräsidiums A. hätten den Noten auch keinen anderen Bedeutungsgehalt beigelegt als die Beurteiler in den anderen Teilen des beklagten Landes. Zwar seien die Spitzennoten A und B in der Westpfalz um etwa 21 % und bei mehreren zentralen Landespolizeibehörden um etwa 35 % häufiger als im Bezirk A. vergeben worden. Dennoch bedeute die Bewertung einer derart großen Zahl von Beamten mit einer Note, die über der vom Richtliniengeber für durchschnittliche Leistungen vorgesehenen Note C liege, nicht, daß die Beurteiler außerhalb des Präsidiumsbezirks A. den begrifflichen Gehalt der Noten anders aufgefaßt haben. Allerdings lasse die dienstliche Beurteilung des Klägers nur einen Vergleich mit anderen Polizeibeamten aus dem Präsidiumsbezirk A. zu. Als Grundlage für einen Vergleich mit Beamten aus anderen Landesteilen sei sie nicht geeignet.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. März 1998 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 28. Januar 1997 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums Koblenz vom 9. November 1995 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Koblenz vom 5. August 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Antrag des Klägers auf Änderung seiner dienstlichen Beurteilung zum Beurteilungsstichtag 1. Februar 1995 erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Änderung der dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. Februar 1993 bis 31. Januar 1995. Die angegriffene dienstliche Beurteilung ist rechtswidrig.

Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt nachprüfbar. Die Rechtsmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Wenn der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, kann das Gericht nur prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen der Laufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und mit sonstigen gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (vgl. z.B. Urteile vom 27. Oktober 1988 - BVerwG 2 A 2.87 - <Buchholz 232.1 § 40 Nr. 12>, vom 24. November 1994 - BVerwG 2 C 21.93 - <Buchholz 232.1 § 41 Nr. 3> und vom 5. November 1998 - BVerwG 2 A 3.97 - <NVwZ - RR 1999, 455, insoweit in BVerwGE 107, 360 nicht abgedruckt>).

Die dienstliche Beurteilung des Klägers für den Zeitraum 1. Februar 1993 bis 31. Januar 1995 beruht auf §§ 34, 35 der Landesverordnung über die Laufbahn der Polizeivollzugsbeamten des Landes Rheinland-Pfalz vom 27. August 1973 (GVBl S. 275) - LbVOPol - i.d.F. des Art. 1 Nrn. 10 und 11 der Landesverordnung zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften für den Polizeivollzugsdienst vom 3. April 1995 (GVBl S. 77). Diese rückwirkend zum 30. November 1994 in Kraft getretene Fassung galt am Beurteilungsstichtag 1. Februar 1995 (Art. 3 Nr. 3 der Änderungsverordnung). Spätere Änderungen der Laufbahnverordnung für den Polizeidienst haben ihren Geltungsanspruch nicht auf diesen Zeitraum erstreckt.

Obgleich die §§ 34, 35 LbVOPol nur mit Wirkung für die letzten Monate des Beurteilungszeitraumes geändert worden sind, war die dienstliche Beurteilung einheitlich für den gesamten Zeitraum nach den neugefaßten Bestimmungen zu erstellen. Maßgebend ist allein, welches Beurteilungssystem zum Beurteilungsstichtag gegolten hat (BVerwGE 86, 240 <241 f.>).

Bedenken gegen die rückwirkende Änderung der Laufbahnvorschriften bestehen nicht. Die dienstliche Beurteilung mit ihrer auf das übertragene Amt bezogenen Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Beamten dient vor allem dem Vergleich unter den für die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens oder für die Verleihung eines Beförderungsamtes in Betracht kommenden Beamten (Art. 33 Abs. 2 GG, § 10 Abs. 1 LBG Rheinland-Pfalz). Diese Funktion der dienstlichen Beurteilung ist durch die Änderungsverordnung vom 3. April 1995 nicht beseitigt oder geändert worden. Soweit die Verordnung einen anderen Weg zur Gewinnung eines Urteils über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des zu Beurteilenden vorgesehen, insbesondere die Gruppe der zu bewertenden Persönlichkeitsmerkmale verändert und das obligatorische abschließende Gesamturteil beseitigt hat, wird nicht belastend in Rechtspositionen des Klägers eingegriffen. Ebensowenig berührt der Verzicht auf ein abschließendes Gesamturteil ein subjektives Recht des Beamten. Seine Rechts- und Pflichtenstellung ergibt sich nicht aus den Vorschriften über die dienstliche Beurteilung, sondern aus dem materiellen Beamtenrecht (vgl. insbesondere § 63 ff. LBG Rheinland-Pfalz).

Die dienstliche Beurteilung des Klägers ist rechtswidrig, weil der Beklagte den Kläger nicht nach einem Maßstab beurteilt hat, der auf alle rheinland-pfälzischen Polizeivollzugsbeamten mit dem gleichen statusrechtlichen Amt einheitlich angewandt worden ist.

Wie der erkennende Senat bereits in den Urteilen vom 30. April 1981 - BVerwG 2 C 26.78 - (Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 20) und - BVerwG 2 C 8.79 - (Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 1) entschieden hat, ist einerseits der Dienstherr innerhalb der durch das einschlägige Gesetzes- und Verordnungsrecht gezogenen Grenzen weitgehend frei, Verfahren und Inhalt dienstlicher Beurteilungen durch Richtlinien festzulegen. Er kann, gegebenenfalls durch die einzelnen obersten Dienstbehörden, entsprechend seinen Vorstellungen über die Erfordernisse in den einzelnen Verwaltungsbereichen unterschiedliche Beurteilungssysteme einführen, eine Notenskala aufstellen und festlegen, welchen Begriffsinhalt die einzelnen Notenbezeichnungen haben. Andererseits ist es angesichts dieser Gestaltungs- und Ermessensfreiheit um so bedeutsamer, daß der Dienstherr das gewählte Beurteilungssystem tatsächlich gleichmäßig auf alle Beamten anwendet, die bei beamtenrechtlichen Entscheidungen über ihre Verwendung und über ihr dienstliches Fortkommen miteinander in Wettbewerb treten können. Deshalb müssen die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden. Insbesondere müssen die beurteilenden Vorgesetzten von demselben Begriffsinhalt der verwendeten Noten ausgehen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabs ist unabdingbare Voraussetzung dafür, daß die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen.

Für die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Beurteilung kommt es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht entscheidend auf den Wortlaut der Richtlinie an. Verwaltungsvorschriften sind keine Rechtsnormen, sondern sollen eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherstellen. Gelingt es dem Dienstherrn nicht, das gewählte Beurteilungssystem gleichmäßig auf alle Beamten anzuwenden, kann die Ungleichbehandlung von dem Beamten gerügt werden, der nach "strengeren" Maßstäben als andere Beamte beurteilt worden ist, mit denen er in Konkurrenz treten kann. Insoweit bedarf es nicht der Feststellung, daß eine "Umwertung" der Notendefinition in der weit überwiegenden Zahl der Beurteilungsfälle stattgefunden hat. Das Gebot der Gleichbehandlung bei dienstlichen Beurteilungen ist bereits dann verletzt, wenn in Teilbereichen des Verwaltungszweiges, für den einheitliche Beurteilungsrichtlinien erlassen worden sind, aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses des Inhaltes von Bewertungsmaßstäben eine uneinheitliche Beurteilungspraxis eingetreten ist.

Der Beklagte hat nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts dem Kläger Noten zuerkannt, deren Begriffsinhalt von den Beurteilern in der Beurteilungskampagne zum Stichtag 1. Februar 1995 unterschiedlich aufgefaßt worden ist. Im Bezirk des Polizeipräsidiums A. sind die Spitzennoten A und B an 45,9 % der beurteilten Beamten vergeben worden. Abweichend von dieser Beurteilungspraxis sind in der Westpfalz 66,8 % und in zentralen Polizeibehörden über 80 % der beurteilten Beamten mit den Noten A und B bewertet worden. Damit liegt der Bewertungspraxis der Beurteiler in der Westpfalz und bei den zentralen Polizeibehörden ein abweichendes Verständnis vom Bedeutungsgehalt der Note C und damit auch der anderen Noten zugrunde. Denn eine Note, die, wie die Note C im Südteil des beklagten Landes, von mehr als zwei Dritteln, in einzelnen Dienststellen von über 80 % der beurteilten Beamten überschritten wird, drückt keine Normalleistung mehr aus und stellt folglich auch keine Durchschnittsnote dar.

Damit ist der Kläger, wie bereits das Berufungsgericht erkannt hat, nicht in Anwendung eines für alle rheinland-pfälzischen Polizeihauptmeister einheitlich angewandten Beurteilungsmaßstabs beurteilt worden. Dies macht seine Regelbeurteilung rechtswidrig, auch wenn sich dieser Fehler bei Personalentscheidungen, bei denen neben ihm nur Bewerber aus dem Bereich des Polizeipräsidiums A. zur Wahl stehen, nicht auswirken mag. Das Gebot der Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabs bezieht sich auf sämtliche Beamten des Dienstherrn, für welche die Beurteilungsbestimmungen der obersten Dienstbehörde gelten, und nicht nur auf die Beurteilungen, die von demselben Beurteiler erstellt oder im Geschäftsbereich derselben nachgeordneten Behörde abgegeben werden.

Da die dienstliche Beurteilung des Klägers bereits wegen der Unterschiedlichkeit der praktizierten Maßstäbe rechtswidrig ist, kommt es nicht darauf an, ob, wie der Kläger vorträgt, die Bewertung der drei bzw. vier Leistungsmerkmale, die in eine Gesamtbewertung der Leistungen münden, in Verbindung mit der Bewertung der 14 bzw. 15 Befähigungsmerkmale, bei denen auf eine Gesamtbewertung verzichtet ist, bei Personalentscheidungen eine am Leistungsgrundsatz orientierte Auswahl der Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung nicht erlauben. Dies läßt sich ohne Kenntnis der tatsächlichen Praxis nicht entscheiden.

In der nunmehr zu treffenden Entscheidung über den Abänderungsantrag des Klägers wird der Beklagte sicherstellen müssen, daß der Kläger nicht gegenüber anderen Beamten benachteiligt wird, die nach günstigeren Maßstäben beurteilt worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluß

Der Streitwert wird auf 8 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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