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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.12.2006
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 49.06
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
StVG § 4 Abs. 3 Satz 2
StVG § 30 Abs. 2 Satz 1
Die Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG entfaltet im Hinblick auf den darin mitgeteilten Punktestand keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörde.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 3 B 49.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 15. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 000 € festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger wendet sich anlässlich einer gebührenpflichtigen Mitteilung der Beklagten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - über seinen Punktestand im Verkehrszentralregister gegen die Berücksichtigung aller in die Berechnung eingeflossenen Punkte. Seine Klage mit den Anträgen, die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung seiner Punkteanzahl im Rahmen des Straßenverkehrsgesetzes die Punkte, die für seine Verurteilung zu Betrug und falscher uneidlicher Aussage im Verkehrszentralregister ausgewiesen sind, nicht zu berücksichtigen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, im Rahmen der Feststellung der Punkteanzahl nach dem Straßenverkehrsgesetz die Punkte, die im Verkehrszentralregister für Betrug und falsche uneidliche Aussage ausgewiesen sind, zu berücksichtigen, hat das Verwaltungsgericht als unzulässig abgewiesen, weil es sich um ein Begehren vorbeugenden Rechtsschutzes handele, wofür das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle; denn dem Kläger sei zuzumuten, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten und dagegen um Rechtsschutz nachzusuchen.

Die Berufung, mit der der Kläger seine Klageanträge weiterverfolgt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils zurückgewiesen. Zusätzlich hat er ausgeführt, dass selbst dann, wenn der Kläger sich gegen die in der Mitteilung der Beklagten liegende Verwarnung hätte wenden wollen, die Klage erfolglos geblieben wäre, weil es sich bei der Verwarnung ungeachtet der damit verbundenen Gebührenerhebung mangels eigenständigen Regelungsgehalts nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handele.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf noch ist ein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem das angegriffene Urteil gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann.

1. Der Kläger, der mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde nochmals betont, sich gegen die Berücksichtigung der Punkte zu wenden, die für Betrug und falsche uneidliche Aussage im Verkehrszentralregister ausgewiesen sind, hält in erster Linie für klärungsbedürftig, ob die ihm erteilte Verwarnung ein Verwaltungsakt ist.

Diese Frage rechtfertigt - von allem anderen abgesehen - schon deswegen nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie offenkundig zumindest in dem Umfang zu verneinen ist, wie ihre Beantwortung für das Klagebegehren erforderlich ist. Ausgehend vom erklärten Ziel der Klage ist die Frage nach der Rechtsqualität der Verwarnung allein im Hinblick darauf entscheidungserheblich, ob die Höhe des darin mitgeteilten Punktestandes in Bestandskraft erwachsen und demgemäß Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden entfalten kann. Wäre ein solcher Regelungsgehalt der Mitteilung zu bejahen, läge es nahe, die Klage als der Sache nach gegen diese Regelung gerichtet anzusehen mit der Folge, dass dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr abgesprochen werden dürfte; denn der angestrebte Rechtsschutz hätte dann nicht mehr ausschließlich vorbeugenden Charakter. Es liegt jedoch auf der Hand und bedarf daher keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, dass die mit einer Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG mitgeteilte Punktezahl keine solche Bindungswirkung entfaltet. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit Urteil vom 20. Mai 1987 - BVerwG 7 C 83.84 - (BVerwGE 77, 268) entschieden, dass Eintragungen in das Verkehrszentralregister keine Verwaltungsakte sind, weil sie keine unmittelbaren Rechtsfolgen für den Verkehrsteilnehmer auslösen. Mit der Erfassung und Sammlung der einzutragenden Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Gerichte wird lediglich eine Tatsachengrundlage zur Vorbereitung von Entscheidungen der in § 30 Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Stellen geschaffen. Rechtsfolgen können sich erst aus den Entscheidungen ergeben, die diese Stellen, wenn auch möglicherweise gestützt auf das Ergebnis der eingeholten Auskünfte, in eigener Verantwortung treffen (BVerwG, a.a.O. S. 272). Das gilt nach dem erwähnten Urteil auch für das seinerzeit noch in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 15b StVZO geregelte Punktesystem. An dieser rechtlichen Einordnung hat sich nichts dadurch geändert, dass dieses Punktesystem inzwischen in § 4 StVG eine gesetzliche Grundlage erhalten hat. Nach wie vor ist die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG nur an rechtskräftige Entscheidungen über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gebunden; für das "Erreichen" eines Punktestandes ist - worauf in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zutreffend hingewiesen wird - die Eintragung im Verkehrszentralregister oder die Mitteilung hierüber nicht ausschlaggebend. Allein die Straßenverkehrsbehörden haben zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen gegen den Fahrerlaubnisinhaber zu ergreifen sind; dabei müssen sie auch die Richtigkeit der Punktebewertung eigenständig überprüfen (BVerwGE a.a.O.).

Soweit der Kläger zusätzlich beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof ihm ansinnt, die in der Verwarnung angedrohten Maßnahmen abzuwarten und erst dann um Rechtsschutz nachzusuchen, ist nicht erkennbar, welche grundsätzlich klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit diesem Vortrag verbunden sein soll. Abgesehen davon liegt es wegen der fehlenden Bindungswirkung der in der Verwarnung mitgeteilten Punktezahl auf der Hand, dass "nachträglicher" Rechtsschutz gegen straßenverkehrsbehördliche Maßnahmen, gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, hinreichend effektiv ist.

2. Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem das angegriffene Urteil im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruht. Der Kläger rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe sein Klagebegehren entgegen dem zumindest im Hilfsantrag zum Ausdruck kommenden Klageziel, die Verwarnung aufgehoben zu sehen, ermittelt. Der damit sinngemäß erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen § 88 VwGO ist nicht berechtigt. Das Begehren des Klägers ist - ausweislich seines eigenen Beschwerdevorbringens - auf die Nichtberücksichtigung bestimmter Punktebewertungen gerichtet. Mit diesem Klageziel stimmen die ausdrücklich gestellten Klageanträge überein. Angesichts dessen wäre es - wie bereits oben ausgeführt - nur dann geboten gewesen, das Klagebegehren im Sinne einer Anfechtung der Verwarnung zu verstehen oder wenigstens auf eine entsprechende Antragsstellung hinzuwirken, wenn die darin mitgeteilte Punktezahl bindende Wirkung für die Straßenverkehrsbehörden hätte, was die Vorinstanzen zutreffend verneint haben. Abgesehen davon geht die Rüge der Klägerin daran vorbei, dass der Verwaltungsgerichtshof in einer Hilfserwägung darlegt, dass auch eine Klage gegen die Verwarnung selbst erfolglos geblieben wäre, so dass die angegriffene Entscheidung jedenfalls nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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