Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 13.06
Rechtsgebiete: AusglLeistG


Vorschriften:

AusglLeistG § 1 Abs. 4
Die Beschäftigung von Zwangsarbeitern sowie von Kriegsgefangenen in einem Rüstungsbetrieb während des Zweiten Weltkriegs verstößt gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, wenn sie im Unternehmen menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen unterworfen waren. Zu einem Ausschluss von Ausgleichsleistungen nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG führt nicht bereits die Anforderung solcher Personen durch das Unternehmen.

Die zu einem Unternehmen vorliegenden Informationen sind im Lichte der allgemeinkundigen zeithistorischen Erkenntnisse zur damaligen Situation von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen zu würdigen.

Eine Verletzung der Kriegsgefangenenkonventionen dadurch, dass in einem Rüstungsbetrieb Kriegsgefangene auch zu Arbeiten eingesetzt wurden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Kriegshandlungen standen, begründet nicht zugleich einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit.

Der Einsatz von Zwangsarbeitern sowie von Kriegsgefangenen in einem Unternehmen und dadurch erzielte Gewinne stellen noch keinen Missbrauch der Stellung als Unternehmensverantwortlicher zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil Anderer dar.

Die Herstellung von Rüstungsgütern ist nicht als erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu werten.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 13.06

Verkündet am 28. Februar 2007

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. August 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Die Kläger begehren eine Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung von vier Grundstücken auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Der Beklagte verweigert die Zahlung unter Berufung auf § 1 Abs. 4 AusglLeistG.

Eigentümer des Grundstücks A.allee 54 in E. war der Vater der Kläger seit 1938. Das Eigentum am Grundstück N.straße 10 in B. erhielt er 1939 durch eine Schenkung seiner Ehefrau, die es 1935 erworben hatte. Die ebenfalls in B. gelegenen Grundstücke A.straße 25 und 27 standen seit 1942 je zur Hälfte im Eigentum der Mutter der Kläger und der Klägerin zu 1.

Der Vater der Kläger und Gustav Kn. waren Gesellschafter der Berliner Metall- und Schraubenfabrik K. & Kn. Der Gesellschaftsanteil des Vaters der Kläger an dieser OHG betrug zunächst 65 %, später 75 %. Das Unternehmen stellte Schrauben, Muttern, Fassonteile und sonstige mit diesen Artikeln zusammenhängende Produkte her. Im April 1937 wurde der Betrieb durch militäramtliche Bekanntmachung zum Rüstungsbetrieb erklärt. Nach dieser Bekanntmachung stand der Betrieb ausschließlich dem Reichskriegsminister und den von ihm beauftragten Dienststellen zur Verfügung. Im April 1939 wurden der Vater der Kläger und der Mitgesellschafter von der Wehrwirtschaftsstelle zu Firmen-Mob (Mobilmachungs)-Bearbeitern ernannt. Während des Zweiten Weltkriegs waren im Unternehmen Kriegsgefangene sowie Ausländer beschäftigt.

Der Vater der Kläger verstarb 1946 im Lager Buchenwald. Er wurde 1997 von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitiert. Die Kläger sind seine Rechtsnachfolger, ebenso die ihrer Mutter.

Mit dem Unternehmen wurden 1949 auch die vier Grundstücke unter Berufung auf das Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 (VOBl Groß-Berlin I S. 34) entschädigungslos enteignet.

Die Anträge der Kläger auf Rückübertragung der Grundstücke wurden auf der Grundlage von § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG bestandskräftig abgelehnt.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2004 lehnte der Beklagte die Gewährung von Ausgleichsleistungen für die Grundstücke ab. Zur Begründung heißt es: In der Person des Vaters der Kläger lägen keine Ausschlussgründe vor. Doch habe ein Unternehmen im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstoßen, wenn - wie hier - Kriegsgefangene in der Rüstungsproduktion eingesetzt worden seien. Unternehmensbezogene Gründe schlössen bei einem Gesellschafter einen Anspruch auf Ausgleichsleistung insgesamt aus, unabhängig davon, ob sich der Anspruch auf Unternehmens- oder Privatvermögen beziehe. Das Fehlverhalten von leitenden Angestellten müssten sich das Unternehmen und auch der einzelne Gesellschafter zurechnen lassen. Damit sei eine Leistung für die vier Grundstücke, obwohl sie zum Privatvermögen gehört hätten, ausgeschlossen. Es sei davon auszugehen, dass die Grundstückskäufe aus den Gewinnanteilen des Vaters der Kläger finanziert worden seien. Außerdem sei der Ausschlussgrund des schwerwiegenden Missbrauchs der eigenen Stellung zum eigenen Vorteil bzw. Nachteil Anderer erfüllt. Die außerordentliche Erhöhung der Produktivität des Unternehmens sei auf die Ausbeutung der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen zurückzuführen.

Den Widerspruch der Kläger wies das Berliner Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 1. November 2004 zurück. Zur Begründung wird ausgeführt: Da § 1 Abs. 4 AusglLeistG auch auf das enteignete Unternehmen abstelle, komme es auf eine persönliche Schuld des Eigentümers der Grundstücke nicht an. Hier liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit vor, und zwar gegen Art. 6 der Anlage zur Haager Landkriegsordnung von 1907, da in einem Rüstungsbetrieb Kriegsgefangene beschäftigt worden seien. Dass die enteigneten Grundstücke nicht aus Unternehmensgewinnen angeschafft worden seien, hätten die Kläger weder nachvollziehbar vorgetragen noch bewiesen, sie treffe jedoch die materielle Beweislast. Mit Urteil vom 12. August 2005 hat das Verwaltungsgericht Berlin die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern eine Ausgleichsleistung für die Grundstücke zuzuerkennen. Zur Begründung führt das Gericht aus: Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 4 AusglLeistG seien nicht erfüllt. Hier gehe es nur noch darum, ob das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen habe. Dass dem Vater der Kläger ein solcher Verstoß zur Last falle, behaupte auch der Beklagte nicht mehr. Bei einem Verstoß des Unternehmens gegen die Grundsätze der Menschlichkeit erfasse der Ausschlusstatbestand aber nur Unternehmensvermögen und gelte für Gesellschafter oder Anteilseigner, die eine Ausgleichsleistung für dieses Unternehmen erhalten wollten. Dagegen verbinde das Unternehmen und die enteigneten Grundstücke hier nur ein Rechtswidrigkeitszusammenhang, denn bei der Enteignung sei auf die Grundstücke zugegriffen worden, obgleich sie nicht zum Unternehmen gehört hätten. Die Entscheidung des Beklagten verfestige diese Rechtswidrigkeit. Abgesehen davon habe das Unternehmen nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Letzteres sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nur für Staaten und ihre Amtsträger gälten, dagegen habe das enteignete Unternehmen trotz der Heranziehung als Rüstungsbetrieb keine staatlichen Befugnisse ausgeübt. Die Grundsätze der Menschlichkeit bezeichneten einen Kernbestand an Rechten (Würde, Leben, Gesundheit, körperliche Freiheit), die in grober Weise verletzt worden sein müssten. Dies sei bei einem Verstoß gegen das Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft anzunehmen. Hier seien im Unternehmen zwar Ausländer beschäftigt worden, doch sei unbekannt, auf welche Weise sie dorthin gelangt seien. Nach den in den Akten enthaltenen Äußerungen von Betriebsangehörigen könne ausgeschlossen werden, dass sie als Sklaven beschafft oder gehalten worden seien. Es fehle jeder Anhalt dafür, dass ihre Arbeitsbedingungen unmenschlich gewesen seien. Das Verbot des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Anlage zur Haager Landkriegsordnung (HLKO), Kriegsgefangene zu Arbeiten einzusetzen, die in Beziehung zu Kriegsunternehmungen stehen, gehöre nicht zu den Grundsätzen der Menschlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit liege erst vor, wenn etwa der Kriegsgefangene zur Waffe gegen sein eigenes Volk gemacht werde. Für das enteignete Unternehmen seien unmenschliche Beschäftigungsverhältnisse nicht berichtet. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 HLKO, der in den Art. 49 ff. des III. Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen fortentwickelt worden sei, sei auch kein Kriegsverbrechen. Verstöße gegen die Art. 49 ff. zählten nicht zu den schweren Verletzungen dieses Abkommens, zu deren strafrechtlicher Ahndung sich die Vertragsparteien verpflichtet hätten. Selbst wenn man dieser Bewertung nicht folge, fehle die erforderliche Substanziierung des Verstoßes. Es werde in zwei Quellen nur ungenau bekundet, dass in dem Betrieb französische Kriegsgefangene beschäftigt worden seien, nicht aber, womit. Außerdem sei unklar, wie sie in den Betrieb gelangt seien. Für Ermittlungen des Gerichts gebe es keinen Ansatz, Beweisanträge seien nicht gestellt worden. Die Beweislast trage der Beklagte. Für den Ausschlussgrund des schwerwiegenden Missbrauchs der eigenen Stellung genüge nicht, dass das Unternehmen mit der Rüstungsproduktion Einnahmen erzielt habe. Ebenso wenig sei der Vorwurf begründet, das Unternehmen habe als Rüstungsbetrieb dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet.

Zur Begründung seiner Revision trägt der Beklagte vor: Bei einem für das Unternehmenshandeln (Mit-)Verantwortlichen, also etwa bei einem Vorstandsmitglied, Geschäftsführer, Inhaber, Gesellschafter, Großaktionär etc., sei nach der gemeinsamen Auffassung aller Behörden zur Regelung offener Vermögensfragen ein Anspruch auf Ausgleichsleistung insgesamt ausgeschlossen, ganz gleich, ob er sich auf Unternehmens- oder auf Privatvermögen beziehe. Das Verwaltungsgericht habe bei der Bewertung der Beschäftigung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in einem Rüstungsbetrieb verkannt, dass die Rüstungswirtschaft Bestandteil des nationalsozialistischen Systems gewesen sei. Die Industrie sei durch ein System von Ausschüssen und Ringen in die Rüstung eingebunden worden. Diese Einbindung werde hier durch die 1937 erfolgte Erklärung zum Rüstungsbetrieb und die Ernennung des Vaters der Kläger zum Firmen-Mobilmachungsbearbeiter deutlich. Daher sei auch ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nicht ausgeschlossen. Das Unternehmen habe Fassonteile für die Luftwaffe hergestellt, die damit die Zivilbevölkerung der Heimatländer der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter bombardiert habe. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess sei der Zwang zu Arbeiten mit unmittelbarem Zusammenhang zu militärischen Operationen als Verletzung der Haager bzw. der Genfer Konvention eingestuft worden. Der Schutz vor unrechtmäßigen Kriegshandlungen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Gebot der Menschlichkeit und auch der Rechtsstaatlichkeit. Trotz der Zeugenaussage, dass in dem Unternehmen zwangsverschleppte Judenmädchen, Juden aus Berlin und Holländer beschäftigt worden seien, habe das Verwaltungsgericht Zweifel daran geäußert, auf welchem Weg sie ins Unternehmen gelangt seien. Es gehöre jedoch zum allgemein bekannten Stand der Forschung, dass die Mehrheit der ausländischen Arbeiter, insbesondere die Ostarbeiter, gegen ihren Willen zum Arbeitseinsatz im Deutschen Reich gezwungen worden sei und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt hätte. Die Mitverantwortung der Unternehmen für die menschenrechtswidrige Deportation beginne da, wo sie die Spielräume zum Umfang ihrer Rüstungsproduktion nicht genutzt hätten, und erst recht mit der Anforderung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern.

Die Kläger treten der Revision entgegen.

Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Sie hält das erstinstanzliche Urteil für fehlerhaft und macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen getroffen, obwohl das erst nach Ausschöpfung aller Beweismittel zulässig sei. Es habe aber seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt und den in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Hinweis nicht berücksichtigt, dass Zwangsarbeiter des Unternehmens in einem Lager in O. untergebracht gewesen seien. Der Bericht einer polnischen Zwangsarbeiterin bestätige dies. Der Vater der Kläger habe durch die von ihm als Anteilseigner, Mob-Verantwortlicher und Geschäfts- und Betriebsführer veranlasste Beschäftigung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, darunter auch jüdischen Zwangsarbeitern aus Berlin, gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit verstoßen. Dieser Ausschlussgrund sei nicht aufteilbar. Der Arbeitseinsatz von Juden und zwangsverschleppten Osteuropäern habe die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verletzt. Der Einsatz von Zwangsarbeitern habe Systembezug, er sei in seiner Skrupellosigkeit eine typische Erscheinung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und eine der wesentlichen Voraussetzungen des von Deutschland geführten Krieges gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei keineswegs unbekannt, auf welche Weise die im Unternehmen beschäftigten Ausländer dorthin gelangt seien. Jedenfalls ab Kriegsbeginn könne von einem freiwilligen Aufenthalt und Einsatz von Arbeitern aus den "Ostgebieten" nicht mehr ausgegangen werden. Die Bedingungen in den Lagern seien in der Regel katastrophal gewesen. Diese allgemeinkundigen Erkenntnisse habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt und damit gegen das Gebot der Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Der Vater der Kläger habe es leitenden Angestellten überlassen, Anzeige bei der Gestapo wegen "Überstundenverweigerung", "Sabotage" und "mangelhafter Leistung" zu erstatten. Insofern könne vom Fehlen jeglicher Beanstandungen nicht die Rede sein. Der Einsatz der französischen Kriegsgefangenen habe gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen, zu denen das Völkerrecht und insbesondere Art. 6 der Anlage zur Haager Landkriegsordnung gehörten. Die im Unternehmen hergestellten Produkte hätten zu 100 % im Zusammenhang mit Kriegsunternehmungen gestanden und sogar zum Einsatz gegen die Zivilbevölkerung des Heimatlandes der Kriegsgefangenen gedient. Dem Vater der Kläger sei außerdem ein schwerwiegender Missbrauch seiner Stellung zum Nachteil Anderer vorzuwerfen, weil er über die Beschäftigung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern massive Gewinne erzielt habe. Diese Gewinne aus der Rüstungsproduktion hätten es der Familie der Kläger ermöglicht, die streitgegenständlichen Grundstücke zu erwerben. Schließlich habe der Vater der Kläger dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet. Durch die Ausrichtung seines Unternehmens auf Kriegsproduktion und seinen persönlichen Einsatz für die Beschäftigung von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern habe er sich für die Festigung des NS-Systems eingesetzt. In diesem Sinne sei auch seine NSKK-Mitgliedschaft zu werten.

II

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

1. Nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 des Vermögensgesetzes durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes.

a) Die hier in Rede stehenden vier Grundstücke waren nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Gegenstand solcher entschädigungsloser Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Die Klägerin zu 1 ist als in ihrem Miteigentum an den Grundstücken A.straße 25 und 27 unmittelbar Geschädigte nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG berechtigt. Hinsichtlich des Miteigentumsanteils ihrer Mutter an diesen Grundstücken sowie hinsichtlich der beiden anderen Grundstücke können die Kläger zu 1 bis 3 aufgrund ihrer Erbenstellung Ansprüche auf Ausgleichsleistung geltend machen. Diese Ansprüche stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass kein Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorliegt.

b) Gemäß § 1 Abs. 4 AusglLeistG werden Leistungen nach diesem Gesetz nicht gewährt, wenn der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil Anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat.

Das Verwaltungsgericht ist - ebenso wie der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden - davon ausgegangen, dass der Vater der Kläger selbst keinen der in § 1 Abs. 4 AusglLeistG genannten Ausschlusstatbestände erfüllt habe, so dass von vornherein nur die Unwürdigkeit des Unternehmens zu erörtern sei. Auf dieser Grundlage hat es die Voraussetzungen von § 1 Abs. 4 AusglLeistG in Bezug auf alle enteigneten Grundstücke aus zwei aus seiner Sicht selbstständig tragenden Gründen als nicht erfüllt angesehen: Zum einen könne ein durch das Unternehmen verwirklichter Ausschlussgrund die geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht ausschließen, weil es sich bei allen vier Grundstücken um Privat-, nicht aber um Firmenvermögen gehandelt habe. Zum anderen habe das Unternehmen auch nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen.

2. Der erste Begründungsansatz trägt nur für die beiden Grundstücke A.straße 25 und 27. Sie hatten zum Zeitpunkt ihrer entschädigungslosen Enteignung im Jahr 1949 im Eigentum der Mutter der Kläger und der Klägerin zu 1 gestanden, Eigentum des Unternehmens oder des Vaters der Kläger waren sie nie.

§ 1 Abs. 4 AusglLeistG stellt für den Unwürdigkeitstatbestand zum einen auf den Eigentümer des Vermögenswertes zum Zeitpunkt der entschädigungslosen Enteignung ab bzw. auf denjenigen, auf den die Enteignung abgezielt hatte, der im Zeitpunkt der Enteignung aber bereits verstorben war (vgl. Urteile vom 24. Februar 2005 - BVerwG 3 C 16.04 - und vom 23. Februar 2006 - BVerwG 3 C 22.05 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 4 und 6). Außerdem sind deren Rechtsnachfolger in die Unwürdigkeitsprüfung einzubeziehen, soweit sie nach Absatz 1 Berechtigte sind. Hier war jedoch weder gegen die damaligen Eigentümerinnen der beiden Grundstücke, die Klägerin zu 1 und deren Mutter, noch gegen die Kläger als Erben ihrer Mutter im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren je der Einwand der Unwürdigkeit geltend gemacht worden. Hinweise darauf, dass sie einen Ausschlusstatbestand verwirklicht haben könnten, gibt es auch sonst nicht.

Der Beklagte - und nun im Revisionsverfahren die Vertreterin des Bundesinteresses - versuchen, eine "Brücke" zum Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG mit der Behauptung zu schlagen, die Grundstücke seien aus Unternehmensgewinnen des Vaters der Kläger erworben worden. Doch fehlt es, ohne dass der Beklagte hiergegen eine Verfahrensrüge erhoben hat, bereits an entsprechenden Feststellungen durch das Verwaltungsgericht. Eine solche Finanzierung aus Unternehmensgewinnen wäre für die Anwendung von § 1 Abs. 4 AusglLeistG auch unerheblich. Soweit nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG auch das enteignete Unternehmen selbst in die Würdigkeitsprüfung einzubeziehen ist, steht dies in Zusammenhang mit der Erweiterung der Anspruchsberechtigung in § 1 Abs. 2 AusglLeistG und gilt damit nur im Falle der Enteignung von Vermögen einer Gesellschaft oder Genossenschaft. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Soweit darüber hinaus - was nachfolgend im Einzelnen zu erörtern ist - ein durch das Unternehmen verwirklichter Ausschlusstatbestand Unternehmensverantwortlichen zugerechnet werden und auf diesem Wege auch für deren enteignetes Privatvermögen von Bedeutung sein kann, fehlt hier in Bezug auf die Klägerin zu 1 und deren Mutter sowie hinsichtlich der Kläger zu 2 und 3 ein solcher Zurechnungsgrund. Es ist durch das Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden und wurde auch von den Verfahrensbeteiligten nie behauptet, dass sie für das Unternehmenshandeln (mit)verantwortlich waren.

Damit erweist sich das angegriffene Urteil hinsichtlich der Grundstücke A.straße 25 und 27 schon nach der ersten vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung als zutreffend. Darauf, ob das Unternehmen selbst und/oder der Vater der Kläger einen Ausschlusstatbestand erfüllt haben, kommt es in Bezug auf diese Grundstücke nicht an.

3. Anders verhält es sich hinsichtlich der beiden anderen enteigneten Grundstücke N.straße 10 in B. und A.allee 54 in E. Deren Eigentümer war der Vater der Kläger.

Da der Vater der Kläger bereits 1946 verstorben war, wurde er allerdings nicht mehr selbst durch die auf das Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949 (VOBl Groß-Berlin I S. 34) gestützten Enteignungen geschädigt. Unmittelbar Betroffene waren vielmehr bereits seine Erben, also seine Ehefrau sowie die Kläger, seine drei Kinder. Doch ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 24. Februar 2005 - BVerwG 3 C 16.04 - a.a.O. und vom 23. Februar 2006 - BVerwG 3 C 22.05 - a.a.O.) auch der Vater der Kläger in die Unwürdigkeitsprüfung einzubeziehen, da die Enteignung wegen der im Unternehmen betriebenen Rüstungsproduktion auf ihn abzielte. Das Verwaltungsgericht nimmt insoweit an, dass der Vater der Kläger selbst keinen Ausschlusstatbestand erfüllt habe, so dass es allenfalls noch darum gehen könne, ob das Unternehmen selbst gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen habe.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verliert ein im Unternehmen verwirklichter Ausschlusstatbestand seine Relevanz nicht bereits deshalb, weil die Ausgleichsleistung nicht für die Enteignung von Firmen-, sondern für die Enteignung von Privatvermögen beansprucht wird. Zwar kommt es in erster Linie darauf an, ob der Eigentümer des in Volkseigentum überführten Vermögenswertes selbst einen der Ausschlusstatbestände erfüllt hat. In die nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorzunehmende Würdigkeitsprüfung ist bei einem Unternehmensverantwortlichen sein Verhalten sowohl innerhalb als auch außerhalb seines Unternehmens einzubeziehen. In beiden Fällen erfasst ein Ausschluss auch Ansprüche auf Ausgleichsleistung wegen der Enteignung von Privatvermögen. Bei einem Unternehmensverantwortlichen kann jedoch nicht nur eigenes Handeln zu einem Anspruchsausschluss führen. Auch wenn Dritte für das Unternehmen gehandelt haben, kann er von einem Anspruch auf Ausgleichsleistung ausgeschlossen werden. Hierzu kommt es dann, wenn ihm das Handeln dieser Dritten wegen seiner leitenden Stellung im Unternehmen zuzurechnen ist. Eine solche Zurechenbarkeit kann sich etwa daraus ergeben, dass eine zum Anspruchsausschluss führende menschenunwürdige Behandlung von im Unternehmen Beschäftigten auf betriebsinterne Anweisungen zurückzuführen ist, die der Unternehmensverantwortliche selbst erlassen oder mitbeschlossen hat. Außerdem resultieren aus einer Leitungsfunktion im Unternehmen, wie sie bei einem Mehrheitsgesellschafter und Betriebsleiter anzunehmen ist, Aufsichts- und Überwachungspflichten gegenüber dem nachgeordneten Personal sowie eine Verpflichtung zum Einschreiten, soweit dem Unternehmensverantwortlichen Missstände bekannt geworden sind. Solche Pflichten bestanden insbesondere auch gegenüber Firmenmitarbeitern, die für die im Unternehmen eingesetzten ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen zuständig waren. Verletzt der Unternehmensverantwortliche diese Aufsichts- und Kontrollpflichten in vorwerfbarer Weise, ist ihm auch das einen Ausschlusstatbestand erfüllende Handeln der Firmenmitarbeiter, also etwa eine Misshandlung von Zwangsarbeitern, zuzurechnen. Ein sich aus dieser Zurechnung ergebender Anspruchsausschluss erfasst auch Ausgleichsleistungen für enteignetes Privatvermögen.

Damit hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Grundstücke N.straße 10 und A.allee 54 verkannt, dass eine unternehmensbezogene Unwürdigkeit selbst dann zu berücksichtigen sein kann, wenn die enteigneten Grundstücke nicht zum Firmenvermögen, sondern zum Privatvermögen eines Unternehmensverantwortlichen gehört haben. Doch führt dies nicht dazu, dass die erstinstanzliche Entscheidung in ihrem Ergebnis zu ändern ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass hier bezogen auf das Unternehmen keiner der Ausschlusstatbestände des § 1 Abs. 4 AusglLeistG erfüllt ist.

4. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass nicht bereits im Einsatz ausländischer Arbeiter und Kriegsgefangener als solchem ein den Anspruch auf Ausgleichsleistung ausschließender Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit gesehen werden kann. Ein solcher Verstoß liegt erst dann vor, wenn sie im Unternehmen menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen unterworfen waren.

a) Ebenso wie für den Ausschlusstatbestand des erheblichen Vorschubleistens (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - BVerwGE 123, 142 <144> = Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 5 S. 9 f.) kann auch für den Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit an die Rechtsprechung zu vergleichbaren Ausschlussklauseln angeknüpft werden.

aa) Die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, die wie schon zuvor in anderen Wiedergutmachungsgesetzen auch in § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht näher präzisiert werden, ergeben sich aus dem Sittengesetz und den jeder Rechtsordnung vorgegebenen natürlichen Rechten der Einzelperson, die auch in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Geltung geblieben sind. Zur Konkretisierung kann der Katalog der Menschenrechte in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 685, 953) herangezogen werden (Urteil vom 23. September 1957 - BVerwG 5 C 488.56 - Buchholz 412.3 § 3 BVFG Nr. 1 = NJW 1958, 35). Anhaltspunkte für die rückschauende Betrachtung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzunehmen ist, gibt auch Art. 1 Abs. 2 GG. Dort wird auf die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt verwiesen. Hierzu zählt allerdings nicht jedes, etwa in internationalen Konventionen, niedergelegte Menschenrecht, sondern nur ein unverzichtbarer Kern (vgl. etwa Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG <Erstbearbeitung 1958>, Art. 1 GG Rn. 58). Zu solchen allgemein anerkannten und unveräußerlichen Menschenrechten gehört vor allem, aber nicht nur, das Recht jedes Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf eine menschenwürdige Behandlung. Dieses Recht vor staatlicher Willkür, auch vor unrechtmäßigen Kriegshandlungen, zu schützen, ist ein Gebot der Menschlichkeit und zugleich der Rechtsstaatlichkeit (Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - BVerwGE 31, 337 <338> m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 24. November 2005 - B 9a/9 V 8/03 - BSGE 95, 244).

Ausgehend davon erfüllt nicht jedes unter dem Schutz der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft begangene Unrecht diesen Ausschlusstatbestand; es muss sich um eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit gehandelt haben (vgl. Urteil vom 16. Januar 1964 - BVerwG 8 C 60.62 - BVerwGE 19, 1 <3>). Anhaltspunkte hierfür gibt - zumal die Gesetzesbegründung insofern auf die in den westlichen Besatzungszonen geltenden Maßstäbe verweist (BTDrucks 12/4887 S. 38) - Art. II Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates über die Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben (Amtsblatt 1946 S.50). Danach sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit Gewalttaten und Vergehen, einschließlich der folgenden den Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung begangene unmenschliche Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, ohne Rücksicht darauf, ob sie das nationale Recht des Landes, in welchem die Handlung begangen wurde, verletzen. Dies entspricht weitestgehend der Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Art. 6 Buchst. b des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof. Danach war der Internationale Militärgerichtshof, der nach dem Londoner Viermächte-Abkommen vom 8. August 1945 zur "Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse" eingerichtet worden war, - unter anderem - für die Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig, nämlich: Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, begangen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist, unabhängig, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß, in dem die Handlung begangen wurde.

Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Verhalten durch die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus geltenden Gesetze oder solche obrigkeitlichen Anordnungen oder Befehle, denen nach nationalsozialistischer Ideologie Gesetzesrang zuerkannt wurde, formal erlaubt oder von der Strafverfolgung ausgenommen war (Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. S. 341 m.w.N.). Es kommt nicht auf die formale Gesetzmäßigkeit, sondern auf den materiellen Unrechtscharakter des Verhaltens an (Urteil vom 16. Januar 1964 - BVerwG 8 C 60.62 - a.a.O. S. 4).

bb) Für den entsprechenden Ausschlusstatbestand in anderen Wiedergutmachungsgesetzen ist anerkannt, dass sie auch eine subjektive Komponente in Form eines zurechenbaren, vorwerfbaren - mithin schuldhaften - Verhaltens voraussetzen (BVerfG, Beschluss vom 15. März 1961 - 2 BvL 8/60 - BVerfGE 12, 264 <270> zu § 3 Nr. 3a G 131; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1963 - BVerwG 8 C 67.62 - BVerwGE 15, 336 <339> zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG). Dabei handelt es sich nicht um den strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Verschuldensbegriff; ausreichend ist eine willentliche und wissentliche Mitwirkung an Verstößen gegen die genannten Grundsätze (Urteil vom 18. Oktober 1966 - BVerwG 6 C 80.63 - BVerwGE 25, 128 <135> zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131). Diese ist dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Tatsachen bekannt waren, aus denen sich der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ergibt, und wenn ihm der Verstoß bewusst war oder bei der ihm zumutbaren Gewissensanspannung hätte bewusst sein müssen und wenn nicht besondere Gründe seine Schuld ausschließen (Urteile vom 26. Januar 1967 - BVerwG 2 C 102.63 - BVerwGE 26, 82 <83 f.> = Buchholz 234 § 3 G 131 Nr. 25 S. 113 f., vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. S. 342 und vom 18. Dezember 1969 - BVerwG 2 C 37.66 - BVerwGE 34, 331 <341 f.> alle zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131; vgl. auch BSG, Urteil vom 24. November 2005 - B 9a/9 V 8/03 - a.a.O.). Hiervon ist - ebenso wie für die entsprechenden Ausschlusstatbestände im Beruflichen und im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (Urteile vom 8. März 2002 - BVerwG 3 C 23.01 - BVerwGE 116, 100 <101 f.> = Buchholz 428.8 § 4 BerRehaG Nr. 1 S. 1 f. und vom 19. Januar 2006 - BVerwG 3 C 11.05 - Buchholz 428.7 § 16 StrRehaG Nr. 2 S. 6 = ZOV 2006, 178 <180>) - auch für die Anwendung von § 1 Abs. 4 AusglLeistG auszugehen.

cc) Der Ausschlussgrund des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in § 1 Abs. 4 AusglLeistG setzt schließlich einen "Systembezug" im weitesten Sinne voraus. Es genügt ein allgemeiner Zusammenhang mit dem Staats- und Gesellschaftssystem, das Handeln muss in einem öffentlichen Kontext gestanden haben. Daher reichen, wie der 5. Senat bereits zum entsprechenden Ausschlussgrund in § 5 Nr. 1 Buchst. b BVFG entschieden hat (Urteil vom 27. März 2006 - BVerwG 5 C 30.05 - BVerwGE 125, 344 = Buchholz 412.3 § 5 BVFG Nr. 8), ohne einen solchen Bezug selbst schwerwiegende Straftaten, die der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen sind, nicht aus. Andererseits muss der "Systembezug" beim Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit - schon um diesem Ausschlussgrund einen eigenen Anwendungsbereich gegenüber dem des erheblichen Vorschubleistens zu erhalten - keineswegs dieselbe Ausrichtung und Intensität aufweisen wie beim erheblichen Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems. Dort muss sich die Unterstützung gerade auf dessen spezifische Ziele bezogen haben (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - a.a.O. S. 146 bzw. S. 11). Der erforderliche "Systembezug" entfällt nicht schon dann, wenn es entsprechende Verstöße auch in anderen Staaten gegeben hat. Dass etwa auch unter Stalin gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen wurde, kann nicht dazu führen, dass ein solches Handeln unter dem Regime des Nationalsozialismus seine Relevanz für einen Anspruchsausschluss verliert.

dd) Es spricht viel dafür, den Ausschlussgrund des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in § 1 Abs. 4 AusglLeistG als Einheit zu verstehen (in diesem Sinne zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131 bereits Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. S. 338). Eine Differenzierung bliebe auch folgenlos. Selbst wenn nämlich gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nur staatliches Handeln verstoßen könnte, so bliebe für privates Handeln - auch eines Wirtschaftsunternehmens -, genügender "Systembezug" im soeben dargestellten Sinne vorausgesetzt, doch ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit möglich.

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Beschäftigung der ausländischen Arbeiter den Ausschlusstatbestand eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG hier nicht erfülle, ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu deren Arbeits- und Lebensbedingungen im Unternehmen revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

aa) Der Einsatz ausländischer Zivil- und Zwangsarbeiter in deutschen Unternehmen während des zweiten Weltkrieges erfasst eine erhebliche Bandbreite in sich durchaus heterogener Fälle. Die Art und Weise der Rekrutierung sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der größtenteils zwangsweise ins Deutsche Reich verbrachten ausländischen Arbeiter wiesen, wie die einschlägigen zeithistorischen Studien belegen, in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Rekrutierung und des Arbeitseinsatzes und insbesondere von der Nationalität und der Glaubenzugehörigkeit der Betroffenen erhebliche Unterschiede auf (vgl. etwa die unterschiedlichen Fallgruppen bei Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001, S. 9 ff., m.w.N.). So lagen etwa zwischen den Lebens- und Arbeitsbedingungen der zivilen Arbeitskräfte aus den mit dem Deutschen Reich verbündeten Staaten, aber auch denen eines französischen Zivilarbeiters und denen eines sog. Ostarbeiters in der Regel Welten (vgl. etwa Herbert, Fremdarbeiter, Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, 1999, S. 409 ff.). Bereits in den damals geltenden rechtlichen Regelungen, etwa den Polen- und Ostarbeitererlassen, war eine Ungleichbehandlung angelegt und - insbesondere bei den sog. Ostarbeitern - eine bewusste Diskriminierung und Schlechterbehandlung gegenüber anderen Personengruppen vorgesehen. Hinzu kamen teilweise erhebliche Unterschiede in den einzelnen Branchen der Wirtschaft, außerdem war die im konkreten Unternehmen verfolgte Linie von wesentlicher Bedeutung für das Schicksal des Einzelnen. Die Tätigkeit auf einem Bauernhof war in aller Regel nicht mit der Sklavenarbeit zu vergleichen, die beispielsweise bei den Aktionen zu leisten war, mit denen noch kurz vor Kriegsende Rüstungsbetriebe zur Sicherung vor Luftangriffen untertage verlagert werden sollten und die Tausende der dort eingesetzten Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge das Leben gekostet haben (vgl. dazu zum Ganzen auch Heß, in: Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939 - 1945, 2002, S. 107 ff.).

Die Unternehmen hatten bei der Behandlung der bei ihnen eingesetzten Zwangsarbeiter Spielräume, die sich zu deren Gunsten oder zu deren Ungunsten nutzen ließen und die, wie eine Vielzahl von betriebsbezogenen, lokalen und regionalen Fallstudien belegt, durchaus sehr unterschiedlich ausgefüllt wurden (vgl. etwa Spoerer, a.a.O., S. 233 ff.; Herbert, a.a.O., S. 420 ff. jeweils m.w.N.). Das widerlegt zugleich die Behauptung, die Art des Zwangsarbeitereinsatzes sei allein oder auch nur in erster Linie auf die Weisungen der NS-Behörden zurückzuführen (vgl. dazu auch Heß, a.a.O., S. 137). Die bei der Behandlung der Zwangsarbeiter festzustellenden Unterschiede betrafen neben der Ausgestaltung der eigentlichen Arbeitsbedingungen insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Bekleidung, deren Unterkunftsbedingungen und deren medizinische Versorgung. Dementsprechend ist auch bei der Anwendung der Ausschlusstatbestände in § 1 Abs. 4 AusglLeistG eine differenzierende Betrachtung angezeigt.

bb) Die Rekrutierung der Arbeiter in ihren Heimatländern fand, insbesondere bei den Arbeitskräften aus Polen und den sog. Ostarbeitern, vielfach unter menschenverachtenden Umständen statt. Doch kann ein darin liegender Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit regelmäßig nicht den Unternehmen zugerechnet werden, bei denen sie später beschäftigt wurden. Es muss zwischen der meist unter Anwendung von Zwang vorgenommenen und teilweise brutalen Aushebung und Verschleppung der Zwangsarbeiter durch staatliche Stellen oder die SS einerseits und deren späterem Einsatz in Betrieben oder an sonstigen Beschäftigungsstellen (etwa in der Landwirtschaft, bei Kommunen, aber durchaus auch in privaten Haushalten) unterschieden werden.

In der zwangsweisen Rekrutierung und Verschleppung der ausländischen Arbeiter ist, wie bereits das Statut des Internationalen Militärgerichtshofes und das Kontrollratsgesetz Nr. 10 nahelegen, regelmäßig ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit zu sehen. Der Internationale Militärgerichtshof führt in seinem Urteil gegen die Hauptkriegsverbrecher unter dem Anklagepunkt Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit neben der Ermordung und Misshandlung von Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung, der Plünderung öffentlichen und privaten Eigentums und der Judenverfolgung auch die Politik der Zwangsarbeit auf. Dabei lag der Schwerpunkt des Vorwurfs auf der zwangsweisen Aushebung und Deportation. Dementsprechend wurde unter anderem Sauckel, der von Hitler im März 1942 zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt worden war, wegen der von ihm zu verantwortenden rücksichtslosen Methoden bei der Rekrutierung dieser Arbeitskräfte im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Dagegen hatten die späteren Beschäftigungsstellen regelmäßig keinen Einfluss auf die Art und Weise der Rekrutierung von Zwangsarbeitern. Es trifft auch nicht zu, dass erst die Anforderung durch ein konkretes Unternehmen die Rekrutierung der Zwangsarbeiter auslöste, es also ohne diese Anforderung nicht zu den Menschenrechtsverletzungen bei der Rekrutierung und der zwangsweisen Verbringung ins Deutsche Reich gekommen wäre. Vielmehr wurden die Zwangsarbeiter erst dann einem bestimmten Unternehmen zugewiesen und traten damit in Beziehung zu ihm, wenn sie sich bereits im Deutschen Reich befanden. Zuzurechnen ist den Unternehmen somit - abgesehen von Sonderfällen, z.B. wenn die späteren Beschäftigungsstellen auch bereits direkt auf die Rekrutierung der Arbeitskräfte und deren Umstände Einfluss nahmen - regelmäßig erst die spätere Beschäftigungsphase, bei der die Unternehmen auch konkrete Gestaltungsmöglichkeiten besaßen.

cc) Aus der Anforderung von ausländischen Arbeitern zum Einsatz im Unternehmen kann der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ebenfalls noch nicht hergeleitet werden. Die an staatliche Stellen gerichtete Anforderung von Arbeitskräften war im geregelten Arbeitsmarkt des Dritten Reichs mit seinem bereits in der Anfangsphase eingeführten staatlichen Monopol zur Vermittlung der Arbeitskräfte und erst recht unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft der einzige Weg, um Arbeitskräfte zu erhalten (vgl. dazu u.a. Pfahlmann, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft 1939 - 1945, 1968, S. 11 ff.). Die Anforderung von Arbeitskräften gehörte somit zu den staatlich vorgegebenen Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Unternehmen zu agieren hatten. Deshalb führt noch nicht bereits die Anforderung von Arbeitskräften als solche, sondern erst eine menschenunwürdige Behandlung im Betrieb zu einem Anspruchsausschluss.

dd) Dem Verwaltungsgericht haben sich keine Anhaltspunkte für eine menschenrechtswidrige oder menschenunwürdige Behandlung der ausländischen Arbeiter in dem Unternehmen ergeben. Das stellt entgegen der Auffassung der Vertreterin des Bundesinteresses nicht lediglich eine Beweislastentscheidung dar. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht positiv festgestellt, dass im Hinblick auf die Behandlung dieser Arbeitskräfte keinerlei Beanstandungen erhoben worden seien. Hierzu hat es die Unterlagen und Erklärungen, die sich bei den Verwaltungsakten befanden, und hierbei insbesondere den der Vorbereitung der Enteignung dienenden Ermittlungsbericht ausgewertet, in dem von dem Fehlen jeglicher Beanstandung die Rede war.

Der Beklagte hatte hierzu im erstinstanzlichen Verfahren keine Beweisanträge gestellt. Mit der Revision hat er Verfahrensrügen nicht erhoben. Namentlich hat er nicht geltend gemacht, dass und inwieweit sich dem Verwaltungsgericht eine weitergehende Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Dies kann die Vertreterin des Bundesinteresses nicht durch eigene Verfahrensrügen ersetzen (vgl. Urteil vom 28. Februar 2007 - BVerwG 3 C 38.05 - zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen).

Diesen Feststellungen kann der von der Vertreterin des Bundesinteresses im Revisionsverfahren vorgelegte Bericht von Janina St., einer polnischen Zwangsarbeiterin, die in dem Unternehmen beschäftigt war, schon deshalb nicht entgegengesetzt werden, da er im Revisionsverfahren als neuer Sachvortrag nicht berücksichtigungsfähig ist. Es handelt sich dabei auch nicht um allgemeinkundige geschichtliche Tatsachen.

Der Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses verweisen außerdem auf die allgemeinen Erkenntnisse über die Situation der Zwangsarbeiter, insbesondere auf die regelmäßig besonders harte Behandlung von sog. Ostarbeitern. Zwar hat die vom Tatsachengericht vorzunehmende Würdigung des konkreten Einzelfalles auf der Grundlage der allgemeinkundigen geschichtlichen Erkenntnisse zu erfolgen. Sie gehören, auch ohne dass es insoweit einer förmlichen Sachaufklärung, insbesondere einer Beweisaufnahme bedarf, zur Tatsachengrundlage der gerichtlichen Entscheidung. Diese Erkenntnisse ergänzen die heute regelmäßig nur noch spärlich und lückenhaft vorhandenen Zeugnisse zu der Frage, wie die Zwangsarbeiter sowie Kriegs- und Strafgefangenen in einem bestimmten Wirtschaftsunternehmen während des Zweiten Weltkriegs behandelt worden sind. Auch insoweit genügt die Sachwürdigung des Verwaltungsgerichts aber noch den nach § 108 Abs. 1 VwGO zu stellenden Anforderungen. Es konnte sich dabei - gerade vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen bei der Behandlung der bei ihnen eingesetzten ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen Spielräume hatten - auf die im Verwaltungsverfahren ermittelten Unterlagen stützen, die die Situation im konkreten Unternehmen betrafen. Diesen Unterlagen hat es keinen Anhalt für eine unmenschliche Behandlung im hier in Rede stehenden Unternehmen entnommen.

Soweit die Vertreterin des Bundesinteresses darauf abstellt, dass im Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" vom 2. August 2000 (BGBl I S. 1263) bei den sog. Ostarbeitern "haftähnliche Bedingungen" bzw. "vergleichbar besonders schlechte Lebensbedingungen" vermutet würden, wäre eine solche Vermutung auf die Ausschlusstatbestände in § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht übertragbar. Bei den von der Stiftung an ehemalige Zwangsarbeiter zu erbringenden Zahlungen handelt es sich um die Gewährung einer Leistung. Dies rechtfertigt es, geringere Beweisanforderungen zu stellen als im Fall der Anwendung von § 1 Abs. 4 AusglLeistG, der den Ausschluss von einer Leistung zur Folge hat.

c) Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG kann ebenso wenig daraus hergeleitet werden, dass in dem Unternehmen auch 60 bis 70 französische Kriegsgefangene eingesetzt wurden.

aa) Nach Art. 6 der Anlage zum Haager Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (RGBl 1910 S. 107), ist der Staat befugt, die Kriegsgefangenen mit Ausnahme der Offiziere nach ihrem Dienstgrad und nach ihren Fähigkeiten als Arbeiter zu verwenden. Diese Arbeiten dürfen nicht übermäßig sein und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen. Nach Art. 27 des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl II 1934 S. 227) können die Kriegführenden die gesunden Kriegsgefangenen, ausgenommen Offiziere und Gleichgestellte, je nach Dienstgrad und Fähigkeiten als Arbeiter verwenden. Diese Befugnis unterliegt jedoch u.a. der Beschränkung des Art. 31. Nach Satz 1 dieser Regelung werden die von den Kriegsgefangenen zu leistenden Arbeiten in keiner unmittelbaren Beziehung zu den Kriegshandlungen stehen. Nach Satz 2 ist es insbesondere verboten, Gefangene zur Herstellung und zum Transport von Waffen oder Munition aller Art sowie zum Transport von Material zu verwenden, das für kämpfende Truppen bestimmt ist. Art. 32 dieses Abkommens verbietet es, Kriegsgefangene zu unzuträglichen oder gefährlichen Arbeiten einzusetzen. Zwischen dem Deutschen Reich und insbesondere seinen westlichen Kriegsgegnern galt die Konvention von 1929, zwischen dem Deutschen Reich und u.a. der Sowjetunion, die das Abkommen von 1929 nicht ratifiziert hatte, galten dagegen die Regelungen des Haager Abkommens von 1907 und die in der Zwischenzeit entstandenen gewohnheitsrechtlichen Regeln zum Schutz der Kriegsgefangenen (vgl. Fischer, in: Fleck <Hrsg.>, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, S. 261 f.).

Doch begründet eine Verletzung des in den Kriegsgefangenenkonventionen enthaltenen Verbots, sie zu Arbeiten mit unmittelbarer Relevanz für die Kriegsführung einzusetzen, noch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne dieses Ausschlusstatbestandes. Anhaltspunkte für die Wertung, wann bei einer solchen Völkerrechtsverletzung zugleich die Schwelle zum Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit überschritten ist, lassen sich dem III. Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 12. August 1949 (BGBl 1954 II S. 781) entnehmen. Es enthält in seinem Art. 129 die Verpflichtung der Vertragsparteien, alle notwendigen Maßnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die eine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen des Abkommens begehen oder zu einer solchen Verletzung den Befehl erteilen. Zu solchen qualifizierten schweren Verletzungen zählt Art. 130 des Abkommens im hier relevanten Zusammenhang jedoch erst die Nötigung von Kriegsgefangenen zur Dienstleistung in den Streitkräften der feindlichen Macht, nicht aber auch deren Einsatz zu einer sonstigen Arbeit, selbst wenn sie nach Art. 50 des Abkommens verboten ist.

Dem zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131 ergangenen Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - (a.a.O. S. 338) lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten und der Vertreterin des Bundesinteresses nicht entnehmen, dass ein Verstoß gegen die Kriegsgefangenenkonventionen immer zugleich als ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzusehen ist. Dort hat das Gericht die von Hitler zum Zweck der Vergeltung angeordnete Tötung eines kriegsgefangenen französischen Generals, an der der damalige Kläger mitgewirkt hatte, als unmenschlich und rechtsstaatswidrig angesehen, weil das Gebot verletzt worden sei, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vor staatlicher Willkür zu schützen. Daraus lässt sich für die konventionswidrige Beschäftigung von Kriegsgefangenen nichts gewinnen.

bb) Abgesehen davon wurden im Unternehmen Schrauben, Muttern und Fassonteile gefertigt, und damit lediglich Einzelteile und Vorprodukte, deren Herstellung noch keine unmittelbare Beziehung zu Kriegshandlungen im Sinne des nach den Kriegsgefangenenkonventionen bestehenden Beschäftigungsverbotes aufweist.

Diese Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den hergestellten Gütern werden durch die Angaben in der Reichsbetriebskartei, auf die die Vertreterin des Bundesinteresses im Revisionsverfahren verweist, nicht in Frage gestellt. Danach seien - laut Nummernschlüssel - vollständig oder in Teilen u.a. Zugkraftwagen, auch Teile dazu; gepanzerte Kraftwagen, auch Teile hierzu; optisches Kriegsgerät; Gestelle und Behälter für Infanterie, Artillerie, Festungswesen, Landfahrzeuge etc. hergestellt worden. Diese Angaben sind keine im Revisionsverfahren berücksichtigungsfähigen allgemeinkundigen geschichtlichen Tatsachen. Abgesehen davon können sie - im Sinne der Feststellungen des Verwaltungsgerichts - auch so zu verstehen sein, dass das Unternehmen jeweils nur die Schrauben, Muttern etc. zu den genannten Produkten ("vollständig oder in Teilen") geliefert hat.

cc) Auf die Frage, ob die in den Konventionen enthaltenen Beschäftigungsverbote für Kriegsgefangene jedenfalls für französische Kriegsgefangene wegen einer vom Deutschen Reich mit der Vichy-Regierung getroffenen Sonderregelung außer Kraft gesetzt waren, kommt es danach nicht an. Diese Frage dürfte im Übrigen zu verneinen sein. Zwar hatte der von Pétain mit der Betreuung der französischen Kriegsgefangenen betraute Botschafter mit Einverständnis der Vichy-Regierung im Frühjahr 1942 eine Erklärung abgegeben, wonach in den Fällen, in denen Kriegsgefangene in der Kriegsindustrie eingesetzt wurden, keine Beschwerden geäußert werden sollten (vgl. Durand, Vichy und der Reichseinsatz in: Herbert <Hrsg.>, Europa und der Reichseinsatz, S. 187 f.). Doch liegt darin keine völkerrechtlich relevante Kündigung der Konvention, sondern nur ein faktischer Verzicht auf Beschwerden. Dass die rechtlichen Bindungen trotz dieser Erklärung als fortbestehend angesehen wurden, bestätigt der von deutschen Stellen später unternommene - nur teilweise erfolgreiche - Versuch, französische Kriegsgefangene dazu zu bewegen, den Status von Zivilarbeitern anzunehmen.

dd) Aus den Arbeits- und Lebensbedingungen der hier im Unternehmen eingesetzten Kriegsgefangenen ergibt sich ebenfalls kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts gibt es keinen Anhalt für unmenschliche Bedingungen.

5. Die Kläger sind von einem Anspruch auf Ausgleichsleistung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ihrem Vater ein schwerwiegender Missbrauch seiner Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil Anderer im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zur Last fällt.

a) Wie § 1 Abs. 4 AusglLeistG insgesamt, soll auch der Missbrauchstatbestand verhindern, dass die am geschehenen Unrecht Mitverantwortlichen in den Genuss einer Ausgleichsleistung kommen. Dabei will der Missbrauchstatbestand, anders als etwa der Ausschlussgrund des erheblichen Vorschubleistens, weniger die für das jeweilige Unrechtsregime selbst Mitverantwortlichen erfassen, sondern vielmehr diejenigen, die sich in dessen Windschatten in rechtsmissbräuchlicher Weise selbst bereichert oder dafür gesorgt haben, dass andere - ohne dass dabei bereits die Grenze eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit überschritten sein müsste - erhebliche Nachteile erlitten haben.

b) Der Vater der Kläger hat seine Stellung als Mehrheitsgesellschafter und Betriebsleiter des Unternehmens nicht in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ausgenutzt.

Ein solcher Missbrauch kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass Rüstungsproduktion betrieben wurde, im Unternehmen hierfür auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt und dadurch Gewinne erzielt wurden. Denn Inhalt und Zweck seiner Stellung im Betrieb war es gerade, für den Erfolg des Unternehmens zu sorgen.

Die Produktion von Rüstungsgütern ist auch nicht per se als missbräuchlich anzusehen. Ebenso wie beim Ausschlussgrund des erheblichen Vorschubleistens führt auch beim Missbrauchstatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG die Unterstützung des Ziels, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - a.a.O. S. 146 bzw. S. 11 m.w.N.), nicht zum Anspruchsausschluss. An dieser Wertung ändert sich - entgegen der vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung - nichts, wenn die Rüstungsproduktion zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Zweite Weltkrieg für das Deutsche Reich objektiv nicht mehr zu gewinnen war und es somit allenfalls noch darum gehen konnte, eine sich abzeichnende Niederlage hinauszuzögern.

6. Schließlich hat der Vater der Kläger dem nationalsozialistischen System auch nicht im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG erheblichen Vorschub geleistet.

Das Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG muss sich nach der Rechtsprechung des Senats gerade auf spezifische Ziele des nationalsozialistischen Systems bezogen haben. Eine Unterstützung von nicht spezifisch durch die nationalsozialistische Ideologie geprägten Bestrebungen, wie etwa des Ziels, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, genügt dagegen nicht (Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - a.a.O. S. 146 bzw. S. 11 m.w.N.). In diese für den Anspruch auf Ausgleichsleistung unschädliche Kategorie gehört die hier in Rede stehende Herstellung von Rüstungsgütern.

In der NSKK-Mitgliedschaft des Vaters der Kläger kann ebenfalls kein erhebliches Vorschubleisten gesehen werden (vgl. zur Mitgliedschaft in der NSDAP BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

Zurück