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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 24.08
Rechtsgebiete: LAG, VermG
Vorschriften:
LAG § 342 Abs. 3 | |
LAG § 349 Abs. 1 S. 1 | |
LAG § 349 Abs. 3a | |
VermG § 16 | |
VermG § 18 Abs. 1 | |
VermG § 18a | |
VermG § 34 Abs. 2 |
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert und Buchheister
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 7. November 2007 wird geändert. Der Rückforderungs- und Leistungsbescheid des Beklagten vom 26. April 2005 und der Beschwerdebescheid der Bezirksregierung Münster vom 6. März 2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I
Im Streit ist die Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen.
Die Klägerin, die die DDR 1959 verlassen hatte, erbte 1976 von ihrem Onkel ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück in M. (DDR). Auf ihren Antrag stellte das Ausgleichsamt des Beklagten mit Gesamtbescheid vom 18. September 1984 hinsichtlich des Grundvermögens einen Wegnahmeschaden in Höhe von 24 300 M/Ost fest und gewährte mit Bescheid vom gleichen Tage eine Hauptentschädigung in Höhe von 15 170 DM.
Für die Klägerin war zunächst ein Abwesenheitspfleger bestellt, das Grundstück war unter Zwangsverwaltung gestellt worden. 1986 wurde eine Aufbauhypothek in Höhe von 18 800 M/Ost eingetragen und alsbald valutiert. 1988 wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt; dabei wurde die Aufbauhypothek gelöscht.
Auf ihren Antrag hin wurde das Grundstück mit Bescheid vom 14. September 1999 an die Klägerin zurückübertragen. In dem Bescheid war bestimmt, dass sie für die gelöschte Aufbauhypothek einen Ablösebetrag in Höhe von 7 200 DM zu zahlen habe. Auf den Widerspruch der Klägerin hin wurde der Ablösebetrag mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004 auf 4 806,14 EUR festgesetzt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Mit Leistungsbescheid vom 26. April 2005, bestätigt mit Beschwerdeentscheidung der Bezirksregierung vom 6. März 2006, forderte der Beklagte von der Klägerin 8 846,40 EUR Hauptentschädigung zurück. Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Schaden sei nicht ausgeglichen worden; weil sie den geforderten Ablösebetrag bislang nicht habe bezahlen können, sei das Eigentum an dem Hausgrundstück noch nicht auf sie übergegangen.
Mit Urteil vom 7. November 2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig, da der Schaden bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit Eintritt der Bestandskraft des Restitutionsbescheides ausgeglichen sei; auf die Frage, ob die Klägerin wieder Eigentümerin geworden sei, komme es nicht an.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, der Beklagte selbst habe den Schadensausgleich vereitelt, indem er ein Guthaben, das sie für die Ablösezahlung angespart habe, für den Rückforderungsbetrag gepfändet habe. Da sie als Rentnerin keinen weiteren Bankkredit erhalte, sei sie außer Stande, die Ablösesumme ein zweites Mal aufzubringen. Sie stehe damit schlechter da als vor der rechtsstaatswidrigen Wegnahme durch die Behörden der DDR.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend bejaht, dass der Schaden ausgeglichen sei, wenn der Berechtigte das entzogene Vermögen zwar noch nicht zurückerhalten habe, den Eigentumsübergang jedoch gegen Zahlung eines Ablösebetrags herbeiführen könne.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat verkannt, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung des gewährten Schadensausgleichs nicht vorliegen.
Nach § 342 Abs. 3 i.V.m. § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG sind, wenn nach dem 31. Dezember 1989 ein Schaden ganz oder teilweise ausgeglichen wird, die zu viel gewährten Ausgleichsleistungen zurückzufordern. Der Schaden der Klägerin lag hier in der Entziehung des Eigentums an dem Hausgrundstück. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die gesetzliche Regelung auf den Schaden Bezug nimmt, der bei der Gewährung des Lastenausgleichs festgestellt worden ist (Urteil vom 22. Oktober 1998 - BVerwG 3 C 37.97 - BVerwGE 107, 294 <296> = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 5 S. 15). Der festgestellte Wegnahmeschaden muss keine Entziehung des Eigentums sein, sondern kann auch in der Begründung staatlicher Zwangsverwaltung bestehen. Wird der Schaden jedoch durch weitere Maßnahmen der DDR - etwa durch eine Überführung in Volkseigentum - intensiviert, so setzt ein Schadensausgleich voraus, dass auch diese weiteren Maßnahmen ausgeglichen werden. Entscheidend für den Schadensausgleich ist die Wiedergewinnung der Rechtsmacht, über den weggenommenen Vermögensgegenstand zu verfügen. Der Geschädigte muss mithin rechtlich die Position zurückerlangen, die er vor der Wegnahme innehatte (Urteile vom 27. April 2006 - BVerwG 3 C 28.05 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 11 Rn. 22 und vom 10. Juli 2008 - BVerwG 3 C 40.07 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 17 Rn. 13 und 16). War der Geschädigte vor der Wegnahme Eigentümer eines Hausgrundstücks, so ist dieser Schaden erst ausgeglichen, wenn er das Eigentum an dem Hausgrundstück wiedererlangt hat.
Wann und wie die Rückgabe eines Grundstücks erfolgt, ist im Vermögensgesetz geregelt. In Fällen, in denen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VermG ein Ablösebetrag für frühere Grundpfandrechte nach § 16 VermG zu hinterlegen ist, geht das Eigentum an dem Grundstück gemäß § 18a VermG auf den Berechtigten über, wenn die Entscheidung über die Rückübertragung unanfechtbar geworden ist und der Berechtigte den Ablösebetrag unter Verzicht auf die Rücknahme - zur Auskehr an die Prätendenten (§ 18b VermG) - hinterlegt hat (§ 18a Nr. 1 VermG) oder hierfür Sicherheit nach den Vorschriften des 2. Abschnitts der Hypothekenablöseverordnung geleistet hat (§ 18a Nr. 3 VermG); als Sicherheitsleistung kann das Vermögensamt alternativ auch eine Sicherungshypothek begründen (§ 18a Nr. 3 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 3 VermG). Das Eigentum geht über, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, der Eintragung ins Grundbuch bedarf es hierfür nicht; die Eintragung dient lediglich noch der Berichtigung des Grundbuchs (vgl. § 34 Abs. 2 VermG). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts reicht in diesen Fällen die Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Rückübertragung für den Eigentumsübergang also nicht. Der Berechtigte muss vielmehr auch etwaige Zahlungsansprüche, sofern sie festgesetzt wurden, erfüllen oder - wenn er deren Festsetzung anficht - hierfür jedenfalls Sicherheit leisten. Diese Grundentscheidung hat der Gesetzgeber mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) getroffen (vgl. BTDrucks 12/2480 S. 10, 35, 50 ff.; BTDrucks 12/2695 S. 12 ff., 30; BTDrucks 12/2944 S. 11 f., 42 f., 53 f.); sie wurde durch die Änderungen durch das Vermögensrechtsbereinigungsgesetz vom 20. Oktober 1998 (BGBl. I S. 3180) als solche nicht berührt (vgl. BTDrucks 13/10246 S. 4, 6, 15, 18 f.).
Das Lastenausgleichsrecht schließt an diese Regelung des Vermögensgesetzes an. Bestand der Schaden in der Wegnahme eines Grundstücks, so tritt der Schadensausgleich im Sinne von § 342 Abs. 3 i.V.m. § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG erst mit der Rückgabe des Grundstücks nach dem Vermögensgesetz ein. Davon ist der Gesetzgeber selbst ausgegangen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vermögensrechtsbereinigungsgesetz heißt es zur Begründung der vorgeschlagenen Änderung von § 349 LAG, dass die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz den Schadensausgleich im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes bewirkt (BTDrucks 13/10246 S. 21).
Nur diese Auslegung wird der Regelungskonzeption des Gesetzes gerecht. Indem der Schadensausgleich nicht schon mit der Unanfechtbarkeit der Rückgabeentscheidung eintritt, sondern außerdem voraussetzt, dass damit verbundene Zahlungsansprüche erfüllt oder hierfür doch Sicherheit geleistet wird, ordnet das Gesetz einen Vorrang der Ablöseansprüche der nach § 7 bzw. § 16 VermG Berechtigten sowie des Entschädigungsfonds gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Ausgleichsfonds an. Das ist von Bedeutung, wenn der Wert des Vermögensgegenstandes gering ist und die sonstigen Mittel des Berechtigten begrenzt sind, also zur Erfüllung sowohl der Ablöseansprüche als auch des Rückzahlungsanspruchs nicht ausreichen. Zugleich bewirkt die Regelung, dass der Berechtigte seine Mittel zunächst für die Ablöseansprüche einsetzen kann; sie verhindert, dass - bei begrenzten Mitteln des Berechtigten - durch eine vorzeitige Beitreibung der Rückforderung des Ausgleichsfonds die Erfüllung der Ablöseansprüche und damit die Erfüllung der Rückgabevoraussetzungen des § 18a VermG überhaupt vereitelt wird.
Das wird durch § 349 Abs. 3a LAG mittelbar bestätigt. Diese Regelung erlaubt dem Ausgleichsfonds ausnahmsweise, schon im Vorfeld der Rückübertragung Sicherheit für den voraussichtlich zurückzufordernden Betrag unter der Bedingung zu verlangen, dass die Entscheidung über die Rückübertragung so wie beabsichtigt ergeht und bestandskräftig wird. Das lässt zwar aus sich heraus noch nicht erkennen, ob die Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides den Schadensausgleich auch dann bewirkt und den Rückforderungsanspruch auch dann begründet, wenn mit der Rückübertragung die Pflicht zur Erfüllung von Ablöseansprüchen nach § 18 VermG verbunden ist, ob es sich mit anderen Worten auch dann schon um einen bestehenden oder erst noch um einen künftigen Rückzahlungsanspruch handelt. Das Gesetz sieht aber in § 349 Abs. 3a Satz 2 LAG vor, dass der Bescheid des Ausgleichsamtes, mit dem die Sicherheitsleistung für den Rückforderungsbetrag angeordnet wird, nicht vom Ausgleichsamt, sondern vom Vermögensamt zugestellt werden soll. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll damit verhindert werden, dass der Berechtigte zur Sicherheitsleistung verpflichtet wird, ohne dass er den Vermögenswert zurückerhält (BTDrucks 13/10246 S. 21). Der Gesetzgeber ging mithin davon aus, dass der Schadensausgleich erst bewirkt ist, wenn der Berechtigte den Vermögenswert zurückerhält. Dafür genügt der Eintritt der Unanfechtbarkeit des Rückübertragungsbescheides nur dann, wenn Ausgleichszahlungspflichten mit der Rückübertragung nicht verbunden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Ende der Entscheidung
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