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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.11.2000
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 27.00
Rechtsgebiete: BGB, EV, VZOG


Vorschriften:

BGB § 94 Abs. 1 Satz 1
BGB § 95 Abs. 1 Satz 2
BGB § 905
EV Art. 21 Abs. 1 Satz 1
EV Art. 26 Abs. 1 Satz 1
VZOG § 1 a Abs. 1 Satz 1
Leitsatz:

Die Zuordnung eines für Verwaltungsaufgaben genutzten Grundstücks muss nicht notwendigerweise eine unterirdisch verlaufende S-Bahn-Tunnelanlage umfassen; diese kann neben dem Grundstück selbständiges Zuordnungsobjekt sein.

Urteil des 3. Senats vom 23. November 2000 - BVerwG 3 C 27.00 -

I. VG Berlin vom 28.01.2000 - Az.: VG 3 A 631.97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 27.00 VG 3 A 631.97

Verkündet am 23. November 2000

Dallügge Angestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2000 geändert und der Bescheid vom 25. März 1997 insoweit aufgehoben, als von ihm auch die unter der Grundstücksoberfläche liegende S-Bahn-Tunnelanlage erfasst wird. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin, die Beklagte und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Verfahrens zu jeweils einem Drittel und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Zuordnung eines ca. 3 000 m2 großen Grundstücks, welches unterirdisch durch eine S-Bahn-Tunnelanlage genutzt wird. Die Klägerin (Deutsche Bahn AG) beruft sich auf die Zugehörigkeit des Vermögensgegenstandes zum ehemaligen Reichsbahnvermögen und damit auf einen Anspruch aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages - EV -. Das beigeladene Land macht einen Anspruch aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 EV geltend.

Das Deutsche Reich (Reichseisenbahnvermögen) hatte das Grundstück vor der Errichtung der S-Bahn-Linie in den 30er-Jahren von Privaten erworben. Die Eintragung des Deutschen Reichs als Eigentümer im Grundbuch ist bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik nicht verändert worden. Das früher unbebaute Grundstück ist zu den in Betracht zu ziehenden Stichtagen (1. Oktober 1989, 3. Oktober 1990 sowie 25. Dezember 1993) als Spielplatz (Rollschuhbahn, Parkanlage zum Kinderspielplatz/ Abenteuerspielplatz, Grünfläche mit Parkbänken) sowie Werkstatt und Personalunterkunft des Naturschutz- und Grünflächenamts genutzt worden.

Mit Bescheid vom 25. März 1997 stellte die beklagte Vermögenszuordnungsbehörde fest, dass Eigentümer des Grundstücks gemäß Art. 21 Abs. 2 EV das beigeladene Land geworden sei; eine Rückübertragung auf der Grundlage des Art. 26 EV sei wegen der kommunalen Nutzung ausgeschlossen.

Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und dies wie folgt begründet: Ungeachtet der Eintragung zu Gunsten des Deutschen Reichs sei das in Rede stehende Grundstück zwar zum zuordnungsfähigen Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik zu rechnen. Ein Anspruch der Klägerin komme aber deswegen nicht in Betracht, weil der Vorrang des Funktionsprinzips auch für das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn Geltung beanspruche. Im Streitfall habe die Anwendung dieses Prinzips zur Folge, dass maßgeblich auf die oberirdische kommunale Verwaltungsnutzung abzustellen sei; die unterirdische Nutzung sei wirtschaftlich und damit auch vermögenszuordnungsrechtlich gegenüber der oberirdischen Nutzung zweitrangig und nicht eigentumsbegründend.

Zur Begründung der auf Aufhebung des Urteils sowie des Bescheids zielenden Revision macht die Klägerin geltend: Das Verwaltungsgericht habe aus der zutreffenden Erkenntnis, wonach es sich bei der Tunnelanlage um wesentliche Grundstücksbestandteile der jeweiligen Grundstücke handele, eine unzutreffende Folgerung abgeleitet. Das von ihr - der Klägerin - beanspruchte Grundstück erfülle nicht nur die geschriebenen Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV, sondern diene auch einer Bahnbetriebsanlage. Dieser Zweck werde erheblich beeinträchtigt bis unmöglich gemacht, wenn Grundstückseigentümer und Betreiber der Bahn nicht identisch seien. Eine Trennung der Eigentümerbefugnisse in Abhängigkeit von der ober- bzw. unterirdischen Nutzung sei rechtlich nicht möglich. Es könne nicht richtig sein, dass eine seit Jahrzehnten vorhandene, gewidmete Bahnbetriebsanlage im Wege der Vermögenszuordnung in das Eigentum des Beigeladenen übergehe.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen die Zurückweisung der Revision; sie verteidigen Bescheid und Urteil und sehen hierdurch den Bahnbetrieb nicht gefährdet, weil er auf rechtlich gesicherter Grundlage ungestört weitergeführt werden könne.

II.

Die Revision der Klägerin ist zum Teil begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht insoweit, als es auch die S-Bahn-Tunnelanlage als in das Eigentum der Beigeladenen übergegangen beurteilt. Denn der Klägerin gebührt nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV zwar nicht das Grundstück als Ganzes, wohl aber steht ihr das (Sonder-)Eigentum an der S-Bahn-Tunnelanlage als eigenständiger Vermögensgegenstand zu, so dass der Bescheid aufzuheben ist, soweit er konkludent auch Letzteres dem Beigeladenen zugeordnet hat.

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klägerin mit ihrer zur Begründung des Aufhebungsbegehrens dienenden Behauptung zurückgewiesen, ihr gebühre das Grundstück auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV uneingeschränkt.

a) Allerdings trifft es zu, dass dieses Grundstück die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV erfüllt; es "gehörte" als Teil des ehemaligen Reichsvermögens (Sondervermögen Deutsche Reichsbahn) zum Sondervermögen Deutsche Reichsbahn im Sinne des Art. 26 Abs. 2 des Vertrags vom 18. Mai 1990. Dem steht nicht entgegen, dass das Grundstück - ebenso wie das gesamte ehemalige Reichsvermögen - trotz der unveränderten Grundbucheintragung bereits lange Zeit vor dem Beitrittszeitpunkt seine Eigenschaft als Reichsvermögen verloren hatte und in das Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik in der Form des Volkseigentums übergegangen war; dieses ist mit Wirksamwerden des Beitritts grundsätzlich Vermögen der Bundesrepublik Deutschland geworden (vgl. grundlegend zum Schicksal des ehemaligen Reichsvermögens zu Beginn der 50er-Jahre in der DDR: Urteil vom 28. September 1995 - BVerwG 7 C 57.94 - BVerwGE 99, 283 <290>; stRspr). Das besagt aber noch nicht, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit dem Beitrittszeitpunkt kraft Gesetzes Eigentümerin des Grundstücks geworden wäre.

b) Wie der erkennende Senat zuletzt in seinem Urteil vom 3. August 2000 - BVerwG 3 C 21.00 - (DokBer A 2000, 329 m.w.N.) entschieden hat, führt nämlich die Nutzung eines früher volkseigenen Grundstücks für Verwaltungsaufgaben im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 EV auch dann zum (gesetzlichen) Eigentumsübergang auf den zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung - hier den Beigeladenen -, wenn er zugleich zum Sondervermögen Deutsche Reichsbahn im vorstehenden Verständnis gehörte.

aa) Diese Rechtsprechung, an der der Senat festhält (vgl. auch Urteil vom 19. Oktober 2000 - BVerwG 3 C 33.99 - für Postvermögen i.S.d. Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EV), leitet ihre Berechtigung aus dem Grundsatz ab, dass sich jede Zuordnung eines zuvor volkseigenen Vermögensgegenstandes vorrangig nach der damit zulässig wahrgenommenen Aufgabe zu richten hat. Dieser Grundsatz (Funktionsprinzip) hat in § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 VZOG seinen Ausdruck gefunden. Er trifft auch auf das Verhältnis zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und der Deutschen Bahn zu, soweit sich diese auf Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV beruft. Aus der Ausgestaltung des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV als gesetzliche Eigentumsübergangsregelung kann ein Vorrang von Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV gegenüber Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EV schon deswegen nicht gefolgert werden, weil auch den Bestimmungen in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EV die gleiche Vorstellung zugrunde liegt. Deswegen setzt ein Eigentumsübergang nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV stillschweigend voraus, dass der Vermögensgegenstand an den in Betracht zu ziehenden Stichtagen nicht im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EV genutzt worden ist.

Letzteres ist im vorliegenden Fall aber - bezogen auf die Grundstücksoberfläche - der Fall gewesen. Zu allen maßgeblichen Stichtagen (1. Oktober 1989, 3. Oktober 1990, 25. Dezember 1993) ist das Grundstück auf seiner Oberfläche nach den im verwaltungsgerichtlichen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen als kommunales Verwaltungsvermögen genutzt worden, wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt. Es diente hiernach als Spielplatz (Rollschuhbahn, Parkanlage zum Kinderspielplatz/Abenteuerspielplatz, Grünfläche mit Parkbänken) sowie Werkstatt und Personalunterkunft des Naturschutz- und Grünflächenamts und erfüllt daher zu Gunsten des beigeladenen Landes die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EV.

bb) Dem vorstehenden Befund kann die Klägerin nicht mit Aussicht auf Erfolg die Behauptung entgegensetzen, ausschlaggebend sei allein die unterirdische Nutzung des Grundstücks für den Bahnbetrieb; diese stelle sich nämlich in einer Gesamtbetrachtung gegenüber der kommunalen Verwaltungsnutzung jedenfalls als die "überwiegende" i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV dar.

Dabei schließt der Senat nicht von vornherein aus, dass auch eine unterirdische Nutzung als Bahnbetriebsanlage einem Grundstück insgesamt das Gepräge eines Bahnbetriebsgrundstücks verleihen kann. Dies dürfte insbesondere dann in Betracht zu ziehen sein, wenn der Bahnbetrieb so nahe an der Grundstücksoberfläche verläuft, dass dadurch eine gleichzeitige anderweitige Grundstücksnutzung stark beeinrächtigt würde. Hiervon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein. Vielmehr ist nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die im Übrigen bestätigt werden durch ein jahrzehntelanges Nebeneinanderbestehen beider Nutzungsarten, davon auszugehen, dass die S-Bahn-Tunnelanlage zumindest in einer solchen Tiefe verläuft, dass sie und der in ihr stattfindende Verkehr mit der an den Stichtagen erfolgten oberirdischen Nutzung ohne weiteres vereinbar waren.

Unter diesen Umständen scheidet eine Feststellung dahingehend aus, das Grundstück - einschließlich der Tunnelröhre - habe überwiegend den Aufgaben der Klägerin oder des Beigeladenen gedient. Vielmehr hat in Fällen dieser Art eine gespaltene bzw. doppelte Zuordnung zu erfolgen, deren Gegenstand zum einen das Grundstück als solches und zum anderen die unter der Oberfläche verlaufende Einrichtung ist. Dadurch wird die vom Normgeber bezweckte Fortführung beider Nutzungsarten zumindest im bisherigen Umfang und auf einer dinglich abgesicherten Basis ermöglicht.

2. Der angefochtene Bescheid ist nach seinem Wortlaut und nach Ansicht aller Verfahrensbeteiligten dahingehend zu verstehen, dass von der Zuordnung an den Beigeladenen auch die von der Klägerin betriebene Anlage umfasst sein soll. Damit hat die Beklagte dem beigeladenen Land zu Lasten der Klägerin - also rechtswidrigerweise - mehr zugeordnet als ihm zusteht. Gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EV war nämlich am 3. Oktober 1990 zu Gunsten der Klägerin (Sonder-)Eigentum an dem in ihrer Nutzung stehenden Tunnel entstanden. Dieses bildete neben dem Grundstückseigentum einen eigenen Vermögensgegenstand im Sinne von § 1 a Abs. 1 VZOG und hätte somit einer gesonderten Zuordnung bedurft.

Nach Ansicht des Senats stellt die Tunnelanlage einen eigenen zuordnungsfähigen Vermögensgegenstand dar. Denn bei ihr handelt es sich um eine "rechtlich selbständige Baulichkeit" i.S.d. § 1 a Abs. 1 Satz 1 VZOG; angesichts dessen kann offen bleiben, ob - sähe man das anders - hier ein Nutzungsrecht an dem Grundstück in Gestalt einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Tunnelnutzung als zuordnungsfähiger Vermögensgegenstand anzunehmen wäre. Zwar mag es sein, dass § 1 a Abs. 1 Satz 1 VZOG mit dem Merkmal "rechtlich selbständige Baulichkeiten" das dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik eigentümliche Institut des selbständigen Gebäudeeigentums (vgl. Art. 231 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) vor Augen hatte, dem die Tunnelröhre seinerzeit möglicherweise nicht unterfiel oder unterfallen konnte. Gleichwohl hielte es der Senat auch unter dieser Prämisse für geboten, die Regelung auf andere Fälle zu erstrecken, die von ihrem Wortlaut und Schutzbereich erfasst werden. Das ist hier der Fall.

Dass die in Rede stehende Bahnanlage eine "Baulichkeit" im vorgenannten Sinne darstellt, bedarf keiner weiteren Begründung. Ebenso offensichtlich ist es, dass ihre weitere Nutzung durch die Klägerin mindestens im gleichen Maße schutzbedürftig ist wie die Grundstücksnutzung durch den Beigeladenen. Daraus allein ergibt sich allerdings noch nicht die rechtliche Selbständigkeit der unterirdischen Anlage, denn grundsätzlich erstreckt sich das Recht des Grundstückseigentümers auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche sowie die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen (§ 905 Satz 1, § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Obwohl die genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall zweifelsfrei vorliegen, bejaht der Senat hier die Sonderrechtsfähigkeit der Tunnelröhre und zwar aus folgenden Gründen:

Das durch Umwandlung des ehemaligen Volkseigentums entstandene, von Art. 21 ff. EV erfasste Vermögen erfährt seine besondere Ausprägung vorrangig durch das insoweit dem öffentlichen Sachenrecht zuzurechnende Vermögenszuordnungsrecht. Die bei der Auslegung dieser Rechtsmaterie gewonnenen Erkenntnisse brauchen nicht notwendigerweise den Regeln des Bürgerlichen Rechts zu folgen. Für das öffentliche Sachenrecht ist anerkannt, dass öffentliche Sachen nicht ohne weiteres den Vorschriften der §§ 93 bis 95 BGB über Sachzusammenhänge unterfallen. So können wesentliche Bestandteile einer Sache, insbesondere eines Grundstücks, nach öffentlichem Recht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte - also eine selbständige Sache - sein, obwohl sie ansonsten das rechtliche Schicksal der (Haupt-)Sache teilen (vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, S. 485; ähnlich Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 2, 6. Aufl. 2000, S. 679). Im Übrigen ist auch dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Vorstellung nicht fremd, dass das Eigentum an einem Gebäude und dasjenige an dem zugehörigen Grundstück auseinander fallen können. Nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB gehört nämlich ein Gebäude oder ein anderes Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist, nicht zu den Grundstücksbestandteilen. Zwar liegen die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung im vorliegenden Fall insoweit nicht vor, als die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Tunnel als Grundstückseigentümerin errichtet hatte. Dies hindert den Senat wegen der Eigenständigkeit des Vermögenszuordnungsrechts aber nicht daran, die in der angeführten Bestimmung bezeichnete Rechtsfolge auch in einem solchen Fall anzunehmen. Hier kommt es nämlich nicht darauf an, die seinerzeit bei Errichtung des Tunnels entstandene Eigentumslage nachzuzeichnen, die - wie die Klägerin unwiderleglich dargetan hat - gekennzeichnet war durch die Einheit von Grundstücks- und Bauwerkseigentum. Entscheidend ist vielmehr, dass dem bereits oben erwähnten Funktionsprinzip bei horizontaler, sich nicht gegenseitig wesentlich behindernder Doppelnutzung eines Grundstücks am ehesten durch Anerkennung einer rechtlichen Verselbständigung der unterirdisch verlaufenden Einrichtung Rechnung getragen werden kann.

Der vom Gesetzgeber dem Funktionsprinzip eingeräumte Vorrang gegenüber Restitutionsbegehren früherer Eigentümer beruht auf dem Willen, die Fortführung der bisherigen, im öffentlichen Interesse liegenden Nutzung durch Zuordnung von - in der Regel - Eigentumsrechten auch für die Zukunft abzusichern. Zur Fortführung des S-Bahnbetriebes im bisherigen Umfang bedarf die Klägerin nicht des Eigentums am Grundstück, wohl aber des (Sonder-)Eigentums an der Tunnelanlage. Eine derartige Aufteilung entspricht regelmäßig der Interessenlage zwischen dem Grundstückseigentümer und einem Bahnunternehmen, das ein Grundstück in gehörigem Abstand von der Oberfläche zu nutzen sucht. Kommt zwischen ihnen keine vertragliche Vereinbarung zustande, so könnte in Fällen dieser Art eine Teilenteignung zumindest in Form der zwangsweisen Bestellung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zu Gunsten der Bahn erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1982 - III ZR 93/80 - BGHZ 83, 61). Unter Berücksichtigung des Funktionsprinzips besteht kein Grund anzunehmen, dass der Klägerin im vorliegenden Fall kraft Gesetzes eine über diese Begrenzung hinausgehende oder dahinter zurückbleibende Rechtsposition zugewachsen sein könnte. Der Senat geht stattdessen davon aus, dass hier am 3. Oktober 1990 zwei selbständig zuordnungsfähige Vermögensgegenstände im Sinne von § 1 a Abs. 1 Satz 1 VZOG entstanden sind, nämlich zum einen das Grundstück als solches und zum anderen das Eigentum an der Tunneleinrichtung.

Aufgrund des vorliegenden Urteils sind die Beteiligten in der Lage und bleibt es ihnen unbenommen, entweder einvernehmlich oder mittels gesonderten Zuordnungsbescheids die zum Beitrittszeitpunkt eingetretene rechtliche Lage der Tunnelanlage klarzustellen bzw. nachzuzeichnen. Im Übrigen bleibt es dabei, dass der Beigeladene eintragungsfähiger Eigentümer des Grundstücks - einschließlich aufstehender Gebäude sowie des gesamten Erdkörpers darunter, allerdings ausschließlich der Tunnelanlage - geworden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 sowie § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 DM festgesetzt (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG).



Ende der Entscheidung

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