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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.03.2006
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 29.05
Rechtsgebiete: VermG, LAG


Vorschriften:

VermG § 11 Abs. 6
LAG § 342 Abs. 3
LAG § 349 Abs. 1
Der Anspruch auf Auszahlung eines Kontoguthabens ist nach § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG auch dann auf den Entschädigungsfonds übergegangen, wenn der Lastenausgleich nicht für das Kontoguthaben selbst, sondern für einen Vermögensgegenstand gezahlt worden ist, an dessen Stelle das Kontoguthaben als Surrogat getreten ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 29.05

Verkündet am 18. März 2006

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Januar 2005 teilweise geändert.

Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 17. Juli 1997 sowie ihres Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 zur Zahlung von mehr als 1 323,60 € (= 2 588,74 DM) nebst seit dem 1. Februar 1991 entstandener Zinsen an die Erben nach Martha Wiese verurteilt wird.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner zu neun Zehnteln und die Beklagte zu einem Zehntel.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern die Auszahlung eines von der DDR für sie gebildeten Kontoguthabens mit der Begründung verweigert werden darf, sie hätten in gleicher Höhe Lastenausgleich erhalten.

Die Kläger sind Mitglieder der Erbengemeinschaft nach Martha W. Diese war zumindest hälftige Miteigentümerin des Grundstücks Elisabethstraße 30 in Berlin-Mitte. Die andere Hälfte gehörte zunächst Alexander P. Dessen Witwe und Alleinerbin vermachte seinen Miteigentumsanteil am Grundstück testamentarisch der Frau W., die nach dem Tod der Witwe die Verwaltung und Nutzung des ganzen Grundstücks innehatte. Eine Grundbuchumschreibung erfolgte insoweit nicht. Im Mai 1951 überführte der Magistrat von Groß-Berlin das Grundstück in Sicherungsverwaltung und setzte einen staatlichen Verwalter ein. Im November 1959 wurde das Grundstück auf der Grundlage der Aufbauverordnung enteignet. Mit Feststellungsbescheid vom 27. Juni 1962 wurde eine Entschädigung von 155 550 M/DDR festgesetzt. Für den nach Abzug der Belastungen verbleibenden Rest von 86 212,75 M/DDR wurden jeweils zur Hälfte Einzelschuldbuchforderungen zu Gunsten der beiden Miteigentümer W. und P. begründet. Die Zins- und Tilgungsleistungen auf die Einzelschuldbuchforderungen wurden auf Verwahrkonten gezahlt, die vom Amt für Rechtsschutz des Vermögens der DDR geführt wurden und auf die die Kontoinhaber keinen Zugriff hatten. 1990 wiesen die Konten P. und W. jeweils Guthaben von 54 420 M/DDR bzw. 54 421 M/DDR auf, die sich nach der Währungsumstellung auf 27 210,50 DM beliefen.

Durch Bescheide vom 1. Dezember 1981 und vom 30. Mai 1984 hatte das Ausgleichsamt der Stadt Freiburg einen Wegnahmeschaden an dem Grundstück Elisabethstraße 30 in Berlin-Mitte nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG) festgestellt. Als Schadenszeitpunkt wurde der 4. September 1952 bestimmt. Die Einbeziehung des gesamten Grundstücks in die Feststellung war damit begründet, dass Frau W. auf Grund des Vermächtnisses auch Eigentümerin der zweiten Miteigentumshälfte geworden sei. Auf Grund dieser Feststellung wurde den Erben von Frau W. eine Hauptentschädigung von 49 243,52 DM zuerkannt.

Ein Antrag der Erben von Frau W. auf Rückübertragung des Grundstücks wurde 1994 abgelehnt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Im Dezember 1995 beantragten die Kläger beim Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Auszahlung der Guthaben auf den Verwahrkonten P. und W. Über den Antrag auf Auszahlung des Kontoguthabens P. ist bis heute nicht entschieden, da das Bundesamt den Nachweis, dass Frau W. Eigentümerin des zweiten Miteigentumsanteils geworden sei, nicht als geführt ansieht. Auf Anfrage des Bundesamtes errechnete das Ausgleichsamt der Stadt Freiburg den Betrag des bei Auszahlung des Kontoguthabens zurückzuzahlenden Lastenausgleichs mit 47 457,50 DM; der festgestellte Schaden sei in vollem Umfang ausgeglichen, da das Bundesamt das Entschädigungsguthaben mit 54 421 DM festgesetzt habe. Der Rückzahlungsbetrag sei nicht wegen des Vorhandenseins zweier Miteigentümer am Grundstück zu teilen, weil die Erben von Frau W. den Lastenausgleich für das ganze Grundstück erhalten hätten. Allerdings sei die Rückforderung nach § 349 Abs. 4 Satz 4 LAG auf das Frau W. zustehende Guthaben zu beschränken.

Daraufhin lehnte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 17. Juli 1997 die Auszahlung des Guthabens W. ab. Gleichzeitig stellte es fest, dass den Klägern Zinsen ab dem 1. Februar 1991 aus dem Guthaben der Entschädigungsleistung in Höhe von insgesamt 4 049,97 DM zuständen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Kontoguthaben von 27 210,50 DM sei nach § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG in voller Höhe auf den Entschädigungsfonds übergegangen. Den Widerspruch der Kläger wies das Bundesamt durch Bescheid vom 4. August 1998 zurück.

Mit ihrer Verpflichtungsklage haben die Kläger die Beklagte auf Auszahlung des Kontoguthabens von 27 210,50 DM zuzüglich seit dem 1. Februar 1991 entstandener Zinsen an die Erbengemeinschaft nach Martha W. in Anspruch genommen. Zur Begründung haben sie u.a. vorgetragen, es verletze den Gleichheitssatz, wenn diejenigen, die nur äußerst geringe DDR-Entschädigung erhielten, hinsichtlich der Rückzahlung des Lastenausgleichs mit denen gleichgestellt würden, die ihr Grundstück zurückerhielten. Jedenfalls sei das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 VermG nicht berechtigt, die nach dem Lastenausgleichsgesetz gewährte Entschädigung mit dem Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens zu verrechnen, da die Hauptentschädigung für die Entziehung eines Grundstücks, aber nicht eines Kontoguthabens geleistet worden sei. Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei mangels Gesetzeslücke kein Raum.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Rückforderung des Lastenausgleichs sei berechtigt, da mit der Wiedererlangung der Verfügungsmöglichkeit über das Kontoguthaben gemäß § 11a VermG ein voller Schadensausgleich eingetreten sei. Der Rückforderungsanspruch könne nach § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG durch Verrechnung mit dem Auszahlungsanspruch befriedigt werden. Diese Bestimmung erfasse nicht nur den Fall, dass der Lastenausgleich für die Entziehung des Kontoguthabens gewährt worden sei; nach dem Sinn und Zweck gelte die Regelung vielmehr auch, wenn das Kontoguthaben das Surrogat eines anderen Vermögensgegenstandes sei, für dessen Entziehung der Lastenausgleich gewährt worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 21. Januar 2005 stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt, zwar sei der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von Lastenausgleich entstanden. Die Verfügbarkeit der Enteignungsentschädigung nach der Inanspruchnahme durch die DDR stehe einer Schadensausgleichsleistung im Sinne des § 349 Abs. 3 Satz 4 LAG gleich. Gleichwohl seien die angegriffenen Bescheide rechtswidrig, weil der Anspruch auf Rückforderung des gewährten Lastenausgleichs nicht auf den Entschädigungsfonds übergegangen sei. Der Tatbestand des § 11 Abs. 6 VermG erfasse den vorliegenden Fall nicht. Die Bestimmung setze voraus, dass die Entschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz für das Kontoguthaben gezahlt worden sei. Eine wegen der Wegnahme von Grundvermögen gewährte Hauptentschädigung erfasse sie dagegen nicht. Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigten es nicht, sich über den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hinwegzusetzen. In dieser Auslegung sei die Vorschrift weder überflüssig noch unverständlich. Für eine analoge Anwendung fehle es an einer Gesetzeslücke. Außerdem sei die Durchführung eines isolierten Rückforderungsverfahrens nach dem Lastenausgleichsgesetz die Regel.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision trägt die Beklagte vor, das angefochtene Urteil verletze § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG. Nach ihrem Sinn und Zweck sowie nach der Gesetzesbegründung erfasse die Regelung alle Fälle, in denen heute ein valutierendes Kontoguthaben und ein Rückforderungsanspruch nach Lastenausgleichsrecht nebeneinander stünden. In all diesen Fällen wolle das Gesetz verhindern, dass ein Guthaben zunächst ausgezahlt und dann als überzahlter Lastenausgleich wieder zurückgefordert werden müsse. Ob das Kontoguthaben selbst Gegenstand der Wegnahmemaßnahme der DDR gewesen und im Lastenausgleichsverfahren entschädigt worden sei, spiele keine Rolle. Die heute noch abzuwickelnden Kontoguthaben beträfen fast ausschließlich Fälle, in denen das Guthaben das Surrogat für einen anderen lastenausgleichsrechtlich entschädigten Vermögensgegenstand bilde. Die Vorschrift gehöre zu einem Netz von Bestimmungen, die das Vermögensrecht mit dem Lastenausgleichsrecht verbänden. Berechtigte Interessen des Auszahlungsberechtigten würden nicht verletzt, da er ohnehin zur Rückzahlung des Lastenausgleichs verpflichtet sei. Die Entscheidung über die Höhe der Rückforderung liege in jedem Falle bei der zuständigen Lastenausgleichsbehörde.

Die Kläger halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Dazu berufen sie sich insbesondere auf den Wortlaut des Gesetzes. Sie sind der Meinung, dass die Frage, ob und in welcher Höhe tatsächlich ein Rückforderungsanspruch wegen zuviel gezahlten Lastenausgleichs besteht, von der dazu zuständigen Behörde in dem dafür vorgesehenen Verfahren einschließlich der dagegen gegebenen Rechtsbehelfe getroffen werden müsse.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat verkannt, dass dem Auszahlungsbegehren der Kläger ganz überwiegend § 11 Abs. 6 Satz 1 des Vermögensgesetzes (VermG) entgegensteht. Lediglich in Höhe eines Betrages von 1 323,60 € ist die Verurteilung des Beklagten zur Auszahlung des Kontoguthabens nach Frau W. gerechtfertigt.

1. Infolge der Aufhebung der staatlichen Verwaltung durch § 11a VermG zum 31. Dezember 1992 haben die Erben nach Frau W. die Verfügungsbefugnis über das von der DDR zu ihren Gunsten eingerichtete Kontoguthaben erlangt. Der daraus resultierende Auszahlungsanspruch ist jedoch zum größten Teil gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG, der durch Art. 10 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes - EALG - vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624) eingefügt worden ist, auf den Entschädigungsfonds übergegangen und steht insoweit den Erben nach Frau W. nicht mehr zu.

1.1 § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG ordnet den Übergang von Kontoguthaben und sonstigen privaten geldwerten Ansprüchen, die unter staatlicher Verwaltung standen und zum 1. Juli 1990 auf Deutsche Mark umgestellt worden sind, auf den Entschädigungsfonds an, soweit für sie Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz gezahlt worden ist. Das Verwaltungsgericht verkennt den Regelungsgehalt dieser Bestimmung schon im Ansatz, indem es vom Bestehen eines lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsanspruchs ausgeht und sodann den Übergang dieses Anspruchs auf den Entschädigungsfonds prüft und verneint. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bezieht sich der Anspruchsübergang auf die erfassten Kontoguthaben bzw. die sonstigen privatrechtlichen Ansprüche. Von einem Rückforderungsanspruch nach dem Lastenausgleichsgesetz ist hingegen - anders als in § 8 EntschG - nicht die Rede; dafür ist hier auch kein Raum, da in Höhe der gesetzlichen Zession kein Schadensausgleich im Sinne des § 342 Abs. 3 LAG stattfindet.

1.2 Zu Unrecht meint das Verwaltungsgericht, § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG finde hier keine Anwendung, weil die Hauptentschädigung nicht für das Kontoguthaben der Frau W. gezahlt worden sei, sondern für den Verlust des Grundstücks Elisabethstraße 30 in Berlin-Mitte. Allerdings ist es richtig, dass der Wortlaut der Bestimmung nur den Fall erfasst, dass der Verlust eines Kontoguthabens oder eines sonstigen privatrechtlichen geldwerten Anspruchs im Lastenausgleich entschädigt worden ist. Die Vorschrift muss aber entsprechend dann angewendet werden, wenn das vorhandene und valutierte Kontoguthaben als Surrogat an die Stelle eines von der DDR entzogenen und im Lastenausgleich entschädigten Vermögensgegenstandes getreten ist. Das ergibt sich, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, aus dem Sinn und Zweck der Regelung.

Im Allgemeinen ist der Staat im Falle des Schadensausgleichs nach Gewährung von Lastenausgleich gehalten, den Lastenausgleich nach Maßgabe des § 349 LAG zurückzufordern. Dies ist ein aufwändiges Verfahren, das zudem mit dem Risiko der Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruchs belastet ist. Hat der Staat seinen Rückforderungsanspruch schließlich tituliert, so hat der Schuldner häufig nicht mehr die Mittel, ihn zu befriedigen. Diesen Problemen versucht der Gesetzgeber durch eine ganze Reihe unterschiedlicher Regelungen zu begegnen, die vom Ausschluss der Entschädigung (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 EntSchG) bis zur Verpflichtung des Berechtigten zur Sicherheitsleistung (§ 349 Abs. 3a Satz 1 LAG) reichen.

In diesen Rahmen gehört § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG. Der dort geregelte Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass für einen auf einen Geldbetrag lautenden Anspruch Lastenausgleich gezahlt worden ist in der Annahme, der Anspruch sei endgültig verloren, dass sich aber im Nachhinein diese Annahme als unrichtig erwiesen hat. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber eine doppelte Sonderregelung getroffen. Zum einen hat er an die Stelle eines zweifachen Zahlungsvorgangs - Auszahlung des Guthabens und Rückforderung des Lastenausgleichs - schlicht den Übergang des Kontoguthabens auf den Entschädigungsfonds angeordnet. Zum anderen hat er den Berechnungsvorgang wesentlich vereinfacht, indem er den gesetzlichen Anspruchsübergang in Höhe des gezahlten Lastenausgleichs festgelegt hat. Letzteres findet seinen Ausdruck in § 11 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 VermG, wonach die Ausgleichsverwaltung der auszahlenden Stelle die Höhe der Hauptentschädigung mitteilt. Anders als bei dem von der Beklagten praktizierten Verfahren und anders als im Fall der bereits erfolgten Auszahlung des Kontoguthabens nach § 11 Abs. 6 Satz 2 VermG findet also keine Neuberechnung der lastenausgleichsrechtlichen Ansprüche statt.

Der wesentliche Vorteil des in § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG angeordneten Verfahrens ist hiernach die Gewähr, dass der Staat das ihm zustehende Geld tatsächlich bekommt. Das Risiko, dass durch Verfügungen des Berechtigten oder durch Verfahrensfehler der Behörde die Ansprüche des Staates entwertet werden, wird ausgeschlossen. Zugleich wird eine erhebliche Verfahrensvereinfachung erreicht.

All diese Überlegungen treffen auch dann zu, wenn der Lastenausgleich nicht für einen Wegnahmeschaden an dem Kontoguthaben gezahlt worden ist, sondern für die Entziehung eines Vermögensgegenstandes, der anschließend durch das Kontoguthaben surrogiert worden ist. Wie die Gesetzesbegründung zeigt, war nämlich Anlass für die Regelung nicht der ursprüngliche Entziehungstatbestand sondern, die Tatsache, dass bei Erlass des Gesetzes valutierende Kontoguthaben vorhanden waren, deren Auszahlung einen Rückforderungsanspruch nach Lastenausgleichsrecht ausgelöst hätte (vgl. BTDrucks 12/4887 S. 58). Diese Situation ergab sich aber unabhängig davon, ob das Kontoguthaben selbst Gegenstand der lastenausgleichsrechtlichen Entschädigung gewesen war oder ob es an die Stelle eines entschädigten Gegenstandes getreten ist.

Entgegen der Ansicht der Kläger werden durch die Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG ihre Rechtsschutzmöglichkeiten nicht unzumutbar beeinträchtigt. Insbesondere geht die Befürchtung fehl, die Modalitäten eines lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsanspruchs könnten entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht gegenüber der dafür zuständigen Behörde gerichtlich geklärt werden. Die Konstruktion des Gesetzes schließt einen solchen Streit von vornherein aus, weil es in der gegebenen Konstellation keinen lastenausgleichsrechtlichen Rückforderungsanspruch vorsieht. Der gesetzliche Anspruchsübergang erfolgt in Höhe der gezahlten Hauptentschädigung. Ist das Kontoguthaben höher, so ist der überschießende Betrag an den Berechtigten auszuzahlen. Ist es niedriger, so verbleibt dem Berechtigten - auch - der überschießende Lastenausgleichsbetrag. Die von den Klägern im Revisionsverfahren geäußerte Erwartung, sie könnten von Fehlern der Ausgleichsverwaltung bei der Rückforderung profitieren, ist rechtlich nicht schutzwürdig und daher für die Auslegung des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG nicht relevant.

Die Anwendung des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG auf den hier vorliegenden Fall kann schließlich nicht mit dem Argument verneint werden, es fehle an einer Gesetzeslücke. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Ist festzustellen, dass der Wortlaut der Vorschriften nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten, so liegt eine Gesetzeslücke vor.

2. Die Weigerung der Beklagten, das Kontoguthaben nach Frau W. i.H.v. 27 210,50 DM an die Erben auszuzahlen, ist allerdings nicht in voller Höhe berechtigt. Die Beklagte hat dieses Kontoguthaben zu Unrecht auch im Hinblick auf lastenausgleichsrechtliche Zahlungen in Anspruch genommen, die für den Miteigentumsanteil von Herrn P. an dem Grundstück Elisabethstraße 30 geleistet worden sind. Dieser Miteigentumsanteil ist durch das Kontoguthaben für Herrn P. ersetzt worden. Im Sinne des § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG handelte es sich also um verschiedene Kontoguthaben, die lastenausgleichsrechtlich eigenständige Vermögensgegenstände darstellten. Daran ändert es nichts, dass Frau W. im Lastenausgleichsverfahren als Berechtigte beider Vermögensgegenstände behandelt worden ist. Im Rahmen der Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis ist für beide Kontoguthaben jedenfalls eine eigenständige Betrachtungsweise eingetreten mit der Folge, dass den Erben von Frau W. ein Auszahlungsanspruch für das Kontoguthaben P. von vornherein abgesprochen worden ist. § 11 Abs. 6 Satz 1 VermG lässt aber das Kontoguthaben nur insoweit auf den Entschädigungsfonds übergehen, als dafür Lastenausgleich gezahlt worden ist. Es würde das System dieser Regelung sprengen, wenn auch Hauptentschädigungen, die der Berechtigte für andere Vermögensgegenstände erhalten hat, zur Grundlage eines gesetzlichen Anspruchsübergangs gemacht würden.

Daraus ergibt sich, dass die gezahlte Hauptentschädigung von 49 243,52 DM auf die beiden Kontoguthaben aufzuteilen und den Klägern nur die Hälfte, das heißt 24 621,76 DM zuzurechnen ist. Dieser Betrag bleibt um 2 588,74 DM oder 1 323,60 € hinter dem Guthaben nach Frau W. zurück. In dieser Höhe haben die Erben von Frau W. einen Auszahlungsanspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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