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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.04.2000
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 3.99
Rechtsgebiete: EV, VZOG


Vorschriften:

EV Art. 21 Abs. 3
EV Art. 22 Abs. 1 Satz 7
VZOG § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3
Leitsatz:

Die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG setzt nicht in allen Fällen den Nachweis voraus, daß das betreffende Unternehmen den zurückverlangten Vermögensgegenstand nach den Bestimmungen des DDR-Rechts wirksam erworben hat.

Urteil des 3. Senats vom 5. April 2000 - BVerwG 3 C 3.99 -

I. VG Berlin vom 04.12.1998 - Az.: VG 3 A 923.94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 3.99 VG 3 A 923.94

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe:

I.

Das klagende Land Berlin begehrt die Rückübertragung eines in Berlin-Köpenick gelegenen Grundstücks, das vor der 1961 erfolgten Überführung in Volkseigentum der Reichshauptstadt Berlin gehörte.

Rechtsträger des Grundstücks war seit 1984 der VEB Kombinat Tiefbau Berlin, aus dessen Betrieb 9 - Tief- und Wasserbau - zum 30. April 1990 der VEB Grundbau und Wasserbau gegründet und dem Magistrat von Berlin unterstellt wurde. Das streitgegenständliche Grundstück wurde zugleich in die Fondsinhaberschaft des neuen VEB übertragen. Durch notarielle Erklärung vom 22. Juni 1990 wurde die Umwandlung des VEB in die Beigeladene auf der Grundlage der Verordnung vom 1. März 1990 (GBl I S. 107) - UmwVO - erklärt; die am 22. Juni 1990 beantragte Registereintragung erfolgte am 22. August 1990.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1992 wurde das Grundstück der Beigeladenen unter Berufung auf §§ 11, 23 TreuhG zugeordnet. Deren Geschäftsanteile übertrug die Präsidentin der Treuhandanstalt durch notariellen Vertrag vom 2. April 1992 an die U.-GmbH in Düsseldorf.

Den Antrag des Klägers auf Rückübertragung des Vermögensgegenstands lehnte die Präsidentin der Treuhandanstalt durch Bescheid vom 15. Juli 1994 mit folgender Begründung ab: Zwar sei die Alteigentümerstellung hinreichend nachgewiesen, jedoch stehe der Rückübertragung der Ausschlußgrund des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG entgegen. Bei dem Grundstück handele es sich um den Betriebssitz und Bauhof der Beigeladenen. Dort befänden sich alle Einrichtungen zur Leitung und Verwaltung des Betriebes sowie die Werkstätten, Lager und Betriebsflächen des Bauhofs und der zentralen Bauausführung. Der Vermögensgegenstand sei das einzige Grundstück, welches sich gegenwärtig im Eigentum der Gesellschaft befinde.

Hiergegen hat der Kläger eingewandt, das Grundstück habe seinerzeit nicht infolge einer Unternehmensumwandlung auf die Beigeladene übergehen können. Bei dem vermeintlich umgewandelten VEB habe es sich um einen magistrats-, also bezirksgeleiteten Betrieb gehandelt, welcher nach den Regeln des Treuhandgesetzes nicht umwandlungsfähig gewesen sei, unter der Geltung der Umwandlungsverordnung mangels rechtzeitiger Eintragung aber nicht wirksam umgewandelt worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat den Restitutionsanspruch des Klägers mit der Begründung abgewiesen, der Vermögensgegenstand sei beim Erlaß des angefochtenen Zuordnungsbescheides nicht mehr zuordnungsfähig gewesen, weil er mit der Übertragung der Geschäftsanteile an der Beigeladenen durch die Präsidentin der Treuhandanstalt endgültig aus dem öffentlichen Finanzvermögen ausgeschieden sei. Die Einwände des Klägers seien unbegründet: Die Beigeladene sei aufgrund der notariellen Umwandlungserklärung bereits vor dem 1. Juli 1990 "entstanden" (§ 6 UmwVO) und deshalb gemäß § 23 TreuhG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG Eigentümerin des Vermögensgegenstandes geworden. Die Anwendbarkeit des § 23 TreuhG setze nicht voraus, daß die Registereintragung des betreffenden Unternehmens vor dem 1. Juli 1990 erfolgt ist.

Zur Begründung der Revision macht der Kläger geltend: Die entscheidungstragende Annahme, auch ohne eine Eintragung der Beigeladenen bis zum 1. Juli 1990 sei diese nach der Umwandlungsverordnung wirksam umgewandelt worden, widerspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung. Nach dem 30. Juni 1990 habe eine bis dahin nicht durch Eintragung "wirksam" (§ 7 UmwVO) gewordene Umwandlung nur noch nach den Vorschriften des Treuhandgesetzes erfolgen können. Im vorliegenden Fall habe § 11 Abs. 3 TreuhG der Umwandlung und damit dem Eigentumserwerb entgegengestanden. Der umzuwandelnde VEB sei nämlich bezirksgeleitet gewesen. Ein solcher Betrieb unterfalle den "Ländern unterstellte(n) Betriebe(n)" im Sinne des § 11 Abs. 3 (dritter Spiegelstrich) TreuhG.

Die Beklagte, die Beigeladene und der Oberbundesanwalt verteidigen das angegriffene Urteil. Namentlich stimmen sie mit der Annahme überein, § 23 TreuhG sei auch anwendbar, wenn eine Umwandlung nach der Umwandlungsverordnung vor dem 1. Juli 1990 zumindest bis zur Anmeldung gelangt sei.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angegriffene Urteil erweist sich aus den Gründen des Ablehnungsbescheides vom 15. Juli 1994 im Ergebnis als bundesrechtskonform: Dem Restitutionsbegehren des Klägers steht der Ausschlußgrund des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG entgegen; deshalb kommt es auf die im angefochtenen Urteil und von der Revision in den Vordergrund gerückten Fragen der Umwandlungsfähigkeit bezirksgeleiteter Betriebe (vgl. Urteil vom 11. November 1999 - BVerwG 3 C 34.98 - S. 11 m.w.N.) sowie der wirksamen Entstehung einer Gesellschaft i.S.d. §§ 4, 6 und 7 UmwVO (vgl. Beschluß vom 23. September 1998 - BVerwG 3 B 51.98 - VIZ 2000, 220) nicht an.

Nach der vorgenannten Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG ist die Rückübertragung eines Vermögensgegenstandes, der im Zeitpunkt der Restitutionsentscheidung gewerblich genutzt wird oder in eine Unternehmenseinheit einbezogen ist, ausgeschlossen, wenn das Unternehmen dadurch erheblich beeinträchtigt würde. Die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen die Beurteilung, daß die Betriebsnotwendigkeit des umstrittenen Grundstücks im vorgenannten Sinne von der Zuordnungsbehörde zu Recht bejaht worden ist. Der Vermögensgegenstand war nach den - vom Verwaltungsgericht mangels Bestreitens durch den Kläger nicht in Zweifel gezogenen - Annahmen des angefochtenen Bescheids Betriebssitz und Bauhof der Beigeladenen. Er war daher in einer Weise in dieses Unternehmen einbezogen, daß er ohne dessen Beeinträchtigung nicht hat zurückübertragen werden können. Diese Eigenschaft als betriebsnotwendiges Grundstück hat der Vermögensgegenstand auch später - etwa durch die Veräußerung der Anteile der Beigeladenen an die U.-GmbH - nicht verloren.

Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 3 C 24.97 - (Buchholz 428.2 § 11 Nr. 19) entschieden hat, soll mit § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG vermieden werden, daß die Durchsetzung eines Restitutionsanspruchs zu einer volkswirtschaftlich unerwünschten Zerschlagung einer Unternehmenseinheit führt. Eine solche Zerschlagung ist im Vermögenszuordnungsrecht (öffentliche Restitution) ebenso ungerechtfertigt wie bei Rückübertragungen nach dem Vermögensgesetz (vgl. auch Urteil vom 30. September 1999 - BVerwG 3 C 35.98 - für § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 VZOG). § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG findet insoweit seine Entsprechung in § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG (vgl. Urteil vom 2. Mai 1996 - BVerwG 7 C 16.95 - Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 7 S. 22).

Zur letztgenannten Vorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. November 1998 - BVerwG 7 C 5.98 - (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 18) entschieden, daß ihre Anwendung keine ins einzelne gehende Überprüfung der Rechtswirksamkeit des der gewerblichen Nutzung zugrundeliegenden, vor dem Beitritt der DDR erfolgten Grundstückserwerbs voraussetzt. Für die Annahme, daß das gewerblich genutzte Grundstück dem Unternehmen auf Dauer zugehört und dieses daher durch eine Restitution erheblich beeinträchtigt werden kann, genüge vielmehr ein äußerlich abgeschlossener Erwerbstatbestand, wie z.B. eine Grundbucheintragung nach Abschluß eines notariellen, behördlich genehmigten Vertrages. Diese Auslegung folge aus dem Sinn der Bestimmung, der dahin gehe, bestehende Arbeitsplätze zu schützen und den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern zu fördern. Es bestehe ein wirtschaftspolitisch motiviertes öffentliches Interesse an der Erhaltung lebensfähiger Unternehmen im Beitrittsgebiet.

Der erkennende Senat macht sich diese Erwägungen zu eigen und hält sie auch im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG für uneingeschränkt anwendbar. Das besagt, daß auch bei nicht vollständig geklärten Eigentumsverhältnissen auf Seiten des derzeitigen Nutzers eine Vermögensrückübertragung an den Alteigentümer ausscheidet, wenn dadurch das Unternehmen erheblich beeinträchtigt würde. Selbst wenn also die Beigeladene als juristische Person nicht wirksam entstanden sein sollte und deshalb der von der Zuordnungsbehörde ausgesprochenen Zuordnung des Vermögensgegenstandes wie auch der Registereintragung die materielle Grundlage fehlen sollte, würde dies der Anwendbarkeit des hier in Rede stehenden Restitutionsausschlußgrundes nicht entgegenstehen. Die Beigeladene sowie die U.-GmbH, die deren Anteile übernommen hat, haben über Jahre hinweg ein Unternehmen betrieben, rechtliche Verpflichtungen begründet, Menschen beschäftigt und entlohnt und sich auch ansonsten im Rechtsverkehr verhalten wie andere Rechtsträger, deren Entstehung und Vermögenserwerb über jeden Zweifel erhaben sind. Eine Restitution des streitgegenständlichen Grundstücks an den Kläger hätte somit dieselben unerwünschten Konsequenzen, deren Eintritt durch die §§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG und 5 Abs. 1 Buchst. d VermG gerade verhindert werden sollen. Das von der Beigeladenen zumindest faktisch betriebene Unternehmen wäre zum Zeitpunkt der Entscheidung über das klägerische Restitutionsbegehren in seiner Existenz gefährdet, wenn nicht zerstört worden, wenn dem Begehren entsprochen worden wäre. Die Klage ist daher ohne weitere Sachaufklärung abweisungsreif.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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