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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 30.01
Rechtsgebiete: VZOG


Vorschriften:

Einigungsvertrag (EV) Art. 21 Abs. 1
Einigungsvertrag (EV) Art. 22 Abs. 4
VZOG § 2 Abs. 1 Satz 6
VZOG § 2 Abs. 1 Satz 7
Die Wirksamkeit einer "Einigung der Beteiligten" (§ 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG) hängt nicht davon ab, dass die Beteiligten die Person des zu begünstigenden Prätendenten benennen. Ausreichend ist insoweit der Verzicht auf die Geltendmachung eigener Ansprüche.

Die im Rahmen des Einigungsverfahrens gegenüber der Zuordnungsbehörde abgegebenen Erklärungen, mit denen auf die weitere Geltendmachung von Eigentumsansprüchen und/oder die Beteiligung am Verfahren Verzicht geleistet wird, sind bis zum Erlass des Zuordnungsbescheides jedenfalls dann widerruflich, wenn sie nicht im Einzelfall als Vertragsbestandteil zu werten sind.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 30.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 18. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Der klagende Freistaat und die beigeladene Stadt streiten über die Rechtsverhältnisse an einem Grundstück, das die Beklagte der Beigeladenen zugeordnet hat.

Das Grundstück stand vor der Wiedervereinigung im Eigentum des Volkes und in der Rechtsträgerschaft des VEB Gebäudewirtschaft Meerane. Auf dem Grundstück befand sich ein Gebäude, das am 1. Oktober 1989 zu 30 % als Polizeistation und zu 70 % für Wohnzwecke, am 3. Oktober 1990 zu 30 % als Polizeistation, zu 40 % als Notariat sowie zu 30 % für Wohnzwecke genutzt wurde.

Am 3. Januar 1992 beantragte der Kläger die Zuordnung des Grundstücks an sich, wobei er angab, das Objekt habe hälftig als Polizeistation, im Übrigen Wohnungs- und Gewerbezwecken gedient.

Am 9. Juni 1992 stellte die Beigeladene einen auf Art. 22 Abs. 4 EV Einigungsvertrag (EV) gestützten Vermögenszuordnungsantrag. Am 12. Oktober 1992 erklärte der Bürgermeister der Beigeladenen auf einem entsprechenden Formblatt der Beklagten, dass die Stadt keinen Anspruch auf das Eigentum geltend mache und auf die weitere Beteiligung am Verfahren sowie auf das Widerrufsrecht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 7 VZOG verzichte. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1992 zog der Bürgermeister seine Einverständniserklärung zu diesem sog. Negativattest mit der Begründung zurück, die vom Kläger angegebenen Nutzungsverhältnisse hätten sich als unrichtig herausgestellt.

Mit Bescheid vom 28. Mai 1997 lehnte die Beklagte den Zuordnungsantrag des Klägers ab und stellte fest, dass die Beigeladene am 3. Oktober 1990 Eigentümer des strittigen Flurstücks geworden sei. Dem Bescheid liegen folgende Annahmen zugrunde: Eine die Beklagte bindende Einigung der Beteiligten sei nicht erzielt worden. Der Anspruch der Beigeladenen auf Zuordnung der Liegenschaft als Finanzvermögen ergebe sich aus Art. 22 Abs. 4 EV. Die Verwaltungsnutzung durch den klagenden Freistaat habe mit nur 30 % nicht überwogen. Die Tätigkeit des Notariats habe keine Verwaltungsaufgabe des Landes dargestellt.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, bei einem Zusammentreffen von administrativer und fiskalischer Nutzung eines Vermögensgegenstandes sei auch dann von Verwaltungsvermögen auszugehen, wenn die Verwaltungsnutzung nicht überwogen habe. Die Beigeladene habe im Übrigen ihre Verzichtserklärung nicht wirksam zurücknehmen können. Der gleichwohl erklärte Widerruf sei unbeachtlich.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 28. Mai 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass das Eigentum am Grundstück Flurstück-Nr. 977 der Gemarkung Meerane am 3. Oktober 1990 ihm zugestanden hat.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gemäß den Anträgen der Beklagten und der Beigeladenen mit Urteil vom 30. Januar 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses habe eine Einigung der Zuordnungsprätendenten nicht (mehr) vorgelegen, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG für die Beklagte nicht gegeben gewesen seien. Die Beklagte habe die Nutzungsverhältnisse bei der umstrittenen Liegenschaft zu Recht dahingehend gewertet, dass eine Zuordnung an den Kläger als Verwaltungsvermögen nicht in Betracht komme. Auch bei einer gemischten Nutzung eines Vermögensgegenstandes sei dieser nur dann dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen, wenn er überwiegend Verwaltungszwecken gedient habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers, die wie folgt begründet wird: Die Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG stelle eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die nach Zugang nicht mehr frei widerruflich sei, unabhängig davon, ob ein entsprechender Zuordnungsbescheid bereits ergangen sei oder nicht. Es handele sich um eine Erklärung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages.

Nach Ansicht der Beklagten ist das Negativattest als einseitige Willenserklärung für die Behörde bestimmt und entfaltet Einigungswirkung ohne Kenntnis oder Mitwirkung anderer Beteiligter. Seien diese aber verfahrensrechtlich nicht weiter betroffen, so könne ein schutzwürdiges Interesse nicht vorliegen, das dem Widerruf der Einigungserklärung im Zuordnungsverfahren gegenüber der Verwaltung entgegenstehe.

Die Beigeladene verteidigt ebenfalls das angegriffene Urteil. Nach ihrer Ansicht kann sich der Kläger auf § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG schon deshalb nicht berufen, weil die dort vorausgesetzte Einigung im vorliegenden Fall zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. Zu einer wirksamen Einigung gehöre nämlich auch die Festlegung auf einen bestimmten Verfahrensbeteiligten als künftigen Eigentümer des in Rede stehenden Vermögensgegenstandes. Die Beigeladene habe aber niemals erklärt, dass das umstrittene Grundstück gerade dem Kläger zugeordnet werden solle. Auf die Widerruflichkeit der abgegebenen Erklärung komme es mithin nicht an.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass das Eigentum an dem Grundstück ab dem 3. Oktober 1990 der Beigeladenen zustand und ihr von der Beklagten trotz des Widerrufs des Negativattests zugeordnet werden durfte.

1. Soweit der Kläger das Grundstück wegen der partiellen Nutzung für Polizeizwecke als Verwaltungsvermögen i.S. von Art. 21 Abs. 1 und 3 Einigungsvertrag (EV) beansprucht, verkennt er die für Fälle dieser Art geltenden Verteilungsregeln. Bei Nutzung eines beanspruchten Vermögensgegenstandes zu verschiedenen Zwecken ist im Vermögenszuordnungsrecht generell darauf abzustellen, für welche Aufgaben er "überwiegend" bestimmt war bzw. genutzt wurde (vgl. Art. 21 Abs. 1 und 2; Art. 22 Abs. 2 EV), sofern nicht ausnahmsweise eine Realteilung in Betracht kommt (stRSpr des BVerwG, vgl. zuletzt Urteil vom 13. September 2001 - BVerwG 3 C 31.00 - VIZ 2002, 88 = ZOV 2002, 94). Maßgeblich ist danach allein die quantitative tatsächliche Nutzung. Eine Differenzierung nach eventuell unterschiedlichen Wertigkeiten der verschiedenen Nutzungsarten findet dabei nicht statt. In dem vorstehend angeführten Urteil des Senats konkurrierten beispielsweise Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung gleichberechtigt mit einer Gaststättenbewirtschaftung durch einen privaten Verein. Dies muss im Prinzip auch für das Verhältnis zwischen Verwaltungsnutzung (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV) und Wohnungsversorgungsnutzung (Art. 22 Abs. 4 EV) gelten, und zwar hier erst recht, da insoweit von einer unterschiedlichen Wertigkeit keine Rede sein kann (vgl. etwa die Restitutionsausschlussgründe in § 11 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 und 2 VZOG). Da auf den Kläger am 1. Oktober 1989 (s. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV) nur ein Nutzungsanteil von 30 % entfiel, ist ihm eine Zuordnung als Verwaltungsvermögen zu Recht versagt worden.

Damit erweist sich der Klageantrag insoweit als unbegründet, als er auf die Feststellung zielt, das Grundstückseigentum habe am 3. Oktober 1990 (kraft gesetzlichen Eigentumsübergangs) dem Kläger zugestanden. Als möglicher Zuordnungsgrund kommt nur noch das spätere Negativattest der Beigeladenen in Betracht, das die Beklagte zu der begehrten Feststellung bzw. Regelung aber allenfalls mit Wirkung für die Zukunft verpflichten könnte. Der Senat geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass im Klageantrag ein hierauf gerichteter Hilfsantrag konkludent enthalten ist.

2. Die Widerruflichkeit des Negativattests könnte dahingestellt bleiben, wenn die Ansicht der Beigeladenen zuträfe, eine Bindungswirkung sei schon deshalb nicht eingetreten, weil es zu der in § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG verlangten "Einigung der Beteiligten" mangels konkreter Benennung des Klägers als Begünstigten nicht gekommen sei. Einer solchen Festlegung des Zuordnungsberechtigten bedarf es im Rahmen der Einigung aber nicht:

Welche Mindestelemente die Einigung zu enthalten hat, ergibt sich aus ihrer Bezogenheit auf den "dieser Absprache entsprechende(n) Bescheid". Der Bescheid muss in seinen wesentlichen Elementen gedeckt sein durch die vorausgegangenen Erklärungen und darf ihnen jedenfalls nicht widersprechen. Zu den Essentialien des Bescheids gehört zweifellos die absprachegemäße Bestimmung des künftigen Eigentümers. Ein Widerspruch läge z.B. vor, wenn die Beigeladene seinerzeit unter der Bedingung verzichtet hätte, das Grundstück dürfe keinesfalls dem Kläger zufallen. Äußert sich ein Beteiligter in dieser Hinsicht aber nicht, sondern begnügt sich - wie hier - mit der Kundgabe des Desinteresses an einer Zuordnung an sich selbst, so ist dadurch die Zuordnung an jeden anderen Beteiligten gedeckt. Aus der Sicht des Verzicht Leistenden und insoweit verfügungsbefugten Prätendenten ist die behördliche Bestimmung des Zuordnungsempfängers allenfalls noch insoweit essentiell, als er selbst nicht bedacht werden will (z.B. bei der unerwünschten Zuordnung einer Mülldeponie).

Die Forderung, eine Einigung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG müsse eine Individualisierung des Begünstigten einschließen, stünde in einem Wertungswiderspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach sich ein aus Rechtsgründen ausgeschlossener Prätendent nicht gegen die Zuordnung des Vermögensgegenstandes an einen vermeintlich unberechtigten Dritten zur Wehr setzen kann (vgl. Urteil vom 21. Mai 1997 - BVerwG 3 C 31.96 - Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 13 S. 28). Da die Rechtsordnung typischerweise der Verfolgung eigener Rechte und Belange zu dienen bestimmt ist, spricht nichts für die Annahme, eine Einigung nach § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG liege nur vor, wenn sie über die Verneinung eigener Ansprüche hinausreiche. Ein solches, von der Wahrnehmung eigener Interessen losgelöstes Einigungserfordernis annehmen zu wollen hieße, die Erreichung des Zwecks des Einigungsverfahrens unnötig zu erschweren.

Im vorstehenden Sinne hat sich der Senat bereits in seinem Beschluss vom 22. Februar 2002 (- BVerwG 3 B 144.01 -) geäußert. Er hat dort ohne "den geringsten Zweifel" die Frage bejaht, ob es für die Annahme einer Einigung ausreiche, dass eine Stadt (als eine von zwei möglichen Berechtigten) in Kenntnis des Zuordnungsantrags des Landkreises durch den Bürgermeister gegenüber der Zuordnungsbehörde schriftlich erklärt, sie mache an dem betreffenden Grundstück keine Eigentumsrechte geltend und verzichte auf das Recht zum Widerruf des noch zu erlassenden Bescheides.

3. Ob eine Einigung zwischen den Beteiligten anzunehmen ist, konnten die Beklagte und das Verwaltungsgericht nicht unentschieden lassen, denn das Verfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG hat Vorrang vor der ansonsten anzuwendenden Verfahrensweise. Der Wortlaut der Bestimmung, demzufolge ein dieser Absprache entsprechender Bescheid "ergeht", ist dahingehend zu verstehen, dass bei Vorliegen seiner Voraussetzungen ein solcher Bescheid zu ergehen hat. Aus der Bindung der Behörde resultiert ihre Verpflichtung zu prüfen, ob im Einzelfall von einer Einigung auszugehen ist oder nicht. Schwierigkeiten bei der Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals entbinden sie von dieser Verpflichtung nicht. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist von der Verwaltung generell von Amts wegen zu ermitteln (§ 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und zu würdigen, auch dann, wenn dies aufwändig ist. Dazu kann auch die Klärung zivilrechtlicher - oder in Analogie zum Zivilrecht zu entscheidender - Vorfragen gehören, hier etwa die Frage nach der Wirksamkeit einer zurückgenommenen Willenserklärung.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass nur eine im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorliegende Einigung für die Behörde beachtlich sein könne. Es liegt auf der Hand, dass von einer zuvor unwirksam gewordenen Einigung keine Bindungswirkungen mehr ausgehen. Die Einigung allein hat vor ihrem Widerruf auch noch keine Änderung der Eigentumsverhältnisse bewirkt, vielmehr hätte es hierzu noch der Umsetzung in Form des Zuordnungsbescheids bedurft (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 63.94 - Buchholz 428 § 17 VermG Nr. 1 S. 10).

4. Nach Rücknahme der Einverständniserklärung der Beigeladenen lag eine für die Beklagte beachtliche Einigung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG nicht mehr vor.

4.1 Ob und ggf. inwieweit eine Einverständniserklärung zurückgenommen, widerrufen oder angefochten werden kann, ist im Gesetz nur ansatzweise geregelt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 7 VZOG ist ein Widerruf innerhalb einer bestimmten Frist zulässig, falls der Bescheid einen entsprechenden Vorbehalt aufweist. Der Wortlaut der Norm könnte dahingehend verstanden werden, als sei Gegenstand des Widerrufs nicht die Einverständniserklärung, sondern der Bescheid. Dies kann so aber nicht gemeint sein (vgl. Schmidt-Räntsch/Hiestand, RVI Bd. III B 170 § 2 VZOG Rn. 17). Zum Widerruf eines Verwaltungsaktes kann nur eine Behörde befugt sein, und zwar diejenige, die ihn erlassen hat. Eine solche Widerrufsmöglichkeit stünde der Zuordnungsbehörde ohnehin nach § 49 VwVfG i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 VZOG zur Verfügung.

Sieht die Bestimmung somit eine Widerruflichkeit der Erklärung sogar nach Erlass des Zuordnungsbescheides vor - wenngleich konditioniert durch einen ausdrücklichen Vorbehalt -, so spricht dies für eine weitergehende Widerruflichkeit vor diesem Zeitpunkt. Der Senat versteht § 2 Abs. 1 Satz 7 VZOG insoweit als eine durch den Bescheid ausgelöste Einschränkung des zuvor bestehenden Widerrufsrechts.

4.2 Ein freies Widerrufsrecht ist allerdings für den Fall in Frage zu stellen, dass die Einverständniserklärung als Bestandteil eines Vertrages zu gelten hat. Der Senat geht nicht davon aus, dass der Gesetzgeber den gemeinrechtlichen Grundsatz "pacta sunt servanda" hier hat einschränken wollen. Dies kann aber dahingestellt bleiben, denn der Kläger bewertet die Verzichtserklärung der Beigeladenen zu Unrecht als Vertragselement. Die in § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG vorausgesetzte "Einigung" ist nicht gleichbedeutend mit "Vertrag". Darauf deutet schon der stattdessen verwendete - eher unbestimmte - Begriff "Absprache" hin. Zum Wesensmerkmal eines Vertrages gehört zwar eine Einigung, jedoch führt nicht jede Einigung zu einem Vertrag. Ein Vertrag bedeutet eine durch wechselseitige Abgabe aufeinander bezogener Willenserklärungen zustande gekommene einvernehmliche Regelung zwischen mindestens zwei Kontrahenten (vgl. Flume, Allg. Teil des Bürgerl. Rechts, 2. Bd., Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl., S. 618). § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG sieht nur das Zustandekommen einer irgendwie gearteten Einigung vor, verlangt aber nicht, dass diese im Rahmen eines Vertrages erfolgt.

Im vorliegenden Fall war der Beigeladenen von der Beklagten routinemäßig ein Formblatt übersandt worden, das unterhalb der Bezeichnung des streitgegenständlichen Grundstücks die Formulierung enthielt:

"Die Beteiligten erklären, daß sie keinen Anspruch auf das Eigentum geltend machen und auf die weitere Beteiligung am Verfahren sowie auf das Widerrufsrecht gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 (sic !) VZOG verzichten."

Der Beitrag der Beigeladenen zur Einigung erschöpfte sich in der Unterzeichnung dieser Erklärung durch den Bürgermeister und in der Rücksendung des Formblatts an die Beklagte. Eine vertragliche Bindung ist die Beigeladene dadurch jedenfalls nicht eingegangen. Zu einem Vertrag mit dem Kläger ist es nicht gekommen, weil zwischen ihnen keine wechselseitigen Willenserklärungen ausgetauscht und angenommen wurden. Die Erklärung der Beigeladenen war vielmehr an die Beklagte gerichtet und nur für sie bestimmt. Von einem "einheitlichen Vertragswillen" (vgl. Flume a.a.O.) kann hier nicht die Rede sein.

4.3 Das Negativattest ist stattdessen als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung zu werten. Im Allgemeinen beginnt bei solchen Willenserklärungen die im Sinne einer Unwiderruflichkeit zu verstehende Bindungswirkung (vgl. Kramer, Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl. 1984, § 145 Rn. 11) gemäß § 130 BGB mit ihrem Zugehen beim Empfänger. Auch die gegenüber einer Behörde abzugebenden Willenserklärungen werden in diesem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 3 BGB). Insofern steht außer Frage, dass die Erklärung der Beigeladenen zunächst wirksam war und von der Beklagten vor der Rücknahme zum Erlass eines sofort bestandskräftigen Zuordnungsbescheids (s. § 2 Abs. 1 Satz 7 VZOG) hätte genutzt werden können. In bestimmten Fällen sieht die Rechtsordnung jedoch die Widerruflichkeit einseitiger empfangsbedürftiger Willenserklärungen auch nach deren Wirksamwerden vor. Dies gilt z.B. gemäß § 183 BGB für Zustimmungserklärungen; diese sind bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich. Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke bestätigt nach Ansicht des Senats die schon in § 2 Abs. 1 Sätze 6 und 7 VZOG angelegte Widerruflichkeit des streitgegenständlichen Negativattests vor Erlass des Zuordnungsbescheids.

Das Einigungsverfahren des § 2 Abs. 1 Satz 6 VZOG ist geschaffen worden, weil in der Praxis ein erhebliches Bedürfnis dafür bestand, Zuordnungsbescheide entsprechend einem von den Beteiligten ausgehandelten Ergebnis erlassen zu können, auch wenn dieses den materiellen Zuordnungsregeln nicht entspricht (BTDrucks 12/6228, S. 108). Soll also das Einigungsverfahren den Bedürfnissen der Praxis dienen, so ist im Zweifel einer Auslegung der Vorzug zu geben, die diesen am ehesten entspricht. Zu diesen Bedürfnissen gehört vor allem auch eine möglichst schnelle Durchführung und Erledigung des Verfahrens (s. § 2 Abs. 1 Satz 7 VZOG). Im Widerstreit hierzu würde es stehen, wenn es der Zuordnungsbehörde bei Rücknahme von Negativattesten obläge, die Stichhaltigkeit vorgebrachter Anfechtungsgründe zu überprüfen und den Erlass des Bescheides hiervon abhängig zu machen. Dies könnte zu Rechtsstreitigkeiten nur über die Frage führen, ob eine Einigung zu Recht bejaht oder verneint worden ist. Damit würde der mit der Bestimmung angestrebte Beschleunigungseffekt vereitelt.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Beigeladene ihren Einigungsbeitrag wirksam widerrufen hat, so dass die Beklagte zutreffend vom Nichtvorliegen einer Einigung zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ausgegangen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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