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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 30.04
Rechtsgebiete: EntschG, EV
Vorschriften:
EntschG § 3 Abs. 1 | |
EntschG § 3 Abs. 3 | |
EV Art. 19 |
Für die Berechnung eines Hilfswertes in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 EntschG ist in diesem Fall kein Raum.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 3 C 30.04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Entschädigung unter Einbeziehung der auf dem Grundstück vor der letzten Einheitswertfestsetzung erfolgten Bebauung.
Der Einheitswert für das als "Gartengrundstück" eingestufte Grundstück wurde mit Bescheid des Rates des Kreises O. zum 1. Januar 1973 auf 400 M/DDR festgesetzt. Der Rat der Gemeinde S. erteilte dem Rechtsvorgänger der Klägerin am 27. Mai 1980 die Zustimmung zur Errichtung eines Bungalows auf dem Grundstück. Als geschätzte Bausumme waren im Bescheid 9 000 M/DDR angegeben; die überbaute Fläche durfte 40 m² nicht überschreiten. 1980 wurde das Gebäude errichtet, außerdem wurde das Grundstück an die Wasser- und Stromversorgung angeschlossen. 1981 wurde die Klägerin durch Erbschaft Eigentümerin des Grundstücks.
Zur Ermöglichung ihrer 1984 erfolgten Ausreise in die Bundesrepublik schenkte die Klägerin das Grundstück im Mai 1983 ihrem Cousin. Wegen dieses Eigentumswechsels wurde der Einheitswert neu festgesetzt. Es blieb - bezogen auf den Stichtag 1. Januar 1983 - bei der bisherigen Höhe. Im Bescheid wird als Art des Grundstücks "Gartenland" angegeben.
Den Antrag der Klägerin auf Rückübertragung des Grundstücks lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 2. Juli 1993 wegen redlichen Dritterwerbs bestandskräftig ab und stellte fest, dass ihr dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung zustehe.
Die Höhe der Entschädigung setzte das Landratsamt mit Bescheid vom 18. Februar 1997 auf 2 000 DM fest. Die Bemessungsgrundlage für sonstige bebaute Grundstücke ergebe sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 EntschG aus dem 7-fachen des zuletzt festgestellten Einheitswertes, hier also von 400 M. Danach betrage die Bemessungsgrundlage 2 800 DM. Nach Abrundung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 EntschG ergebe sich ein Entschädigungsbetrag von 2 000 DM.
Den Widerspruch der Klägerin wies das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1999 zurück. Trotz der 1980 erfolgten Errichtung eines Bungalows und der Erschließung mit Wasser und Strom sei von dem 1983 festgesetzten Einheitswert auszugehen. Da der Einheitswert auch nach der Bebauung unverändert geblieben sei, sei anzunehmen, dass diese Bebauung nach dem Reichsbewertungsgesetz zu keiner Erhöhung des Einheitswertes geführt habe.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin eine höhere Entschädigung. Sie macht geltend, es sei zu Unrecht auf die Einheitswertfestsetzung von 1983 abgestellt worden, stattdessen habe nach § 3 Abs. 3 EntschG ein Hilfswert zugrunde gelegt werden müssen.
Mit Urteil vom 15. Januar 2004 hat das Verwaltungsgericht Leipzig die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt: Eine Hilfswertberechnung nach § 3 Abs. 3 EntschG habe nicht erfolgen müssen. Die Feststellung des Einheitswertes zum 1. Januar 1983 sei wirksam. Selbst wenn sie rechtswidrig sein sollte, sei sie jedenfalls nicht nichtig. § 3 Abs. 3 EntschG toleriere Abweichungen von 1/5 und bis zu 1 000 DM, daher könne bei einem zu niedrig festgestellten Einheitswert regelmäßig nicht auf die Nichtigkeit des Bescheides geschlossen werden. Die zutreffende Ermittlung des Einheitswertes habe bei der Festsetzung der Entschädigung nicht weiter geprüft werden müssen. § 3 Abs. 3 EntschG lasse die Tatbestandswirkung einer Einheitswertfestsetzung nur unter engen Voraussetzungen entfallen. Sie lägen hier nicht vor. Die tatsächlichen Veränderungen hätten nicht zwischen der Feststellung des Einheitswertes und der Schädigung stattgefunden, sondern bereits vor der Feststellung des Einheitswertes. Einer erweiternden Auslegung stehe der Wortlaut der Regelung entgegen. Abgesehen davon sei nur bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen im Sinne von § 580 ZPO ein Hilfswert zu bilden. Solche Wiederaufnahmegründe habe die Klägerin nicht dargetan. Es sei nicht ersichtlich, dass die Bebauung bei der Einheitswertfestsetzung unbekannt gewesen sei. Aus der Bezeichnung als Gartenland im Bescheid von 1983 folge dies nicht. Nach dessen Nr. 8 gehörten zum Grundvermögen auch Gebäude auf fremden Grund und Boden, was die Möglichkeit der Bebauung eigenen Bodens einschließe. Eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 3 EntschG scheide ebenfalls aus, da es an einer Regelungslücke fehle.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Zur Begründung bringt sie vor: Durch die Bebauung des Grundstücks im Jahr 1980 sei eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten, gleichwohl sei 1983 bei der Fortschreibung des Einheitswertes dessen Höhe gleich geblieben. In einem solchen Fall müsse in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 3 EntschG ein Hilfswert errechnet werden. Dass sich das Verwaltungsgericht auf den engen Wortlaut von § 3 Abs. 3 EntschG berufe, sei nicht sachgerecht. Ebenso wenig sei seine Auffassung nachvollziehbar, aus der Bezeichnung des Grundstücks als Gartenland folge nicht, dass die Bebauung bei der Einheitswertfestsetzung unbekannt gewesen sei.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts ebenfalls für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass für die Berechnung der der Klägerin zustehenden Entschädigung der 1983 zuletzt festgestellte Einheitswert zugrunde zu legen war.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 EntschG ist Bemessungsgrundlage der Entschädigung für Grundvermögen bei sonstigen bebauten Grundstücken das 7-fache des vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG berechnet das Amt oder das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen einen Hilfswert nach den Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 in der Fassung des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. September 1970, wenn weder ein Einheitswert noch ein Ersatzeinheitswert vorhanden ist oder zwischen dem Bewertungszeitpunkt und der Schädigung Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sind, deren Berücksichtigung zu einer Abweichung um mehr als ein Fünftel, mindestens aber 1 000 Deutsche Mark führt. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 EntschG ist bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen im Sinne des § 580 ZPO auf Antrag ein solcher Hilfswert zu bilden.
1. Stellt § 3 Abs. 1 EntschG für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf den zuletzt festgestellten Einheitswert ab, setzt dies die rechtliche Wirksamkeit dieser Einheitswertfestsetzung voraus. Nur dann können hieran Rechtsfolgen geknüpft werden. Die Festsetzung darf demnach nicht nichtig und damit unwirksam sein (vgl. Urteil vom 26. August 1999 - BVerwG 3 C 31.98 - Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 6).
Die Wirksamkeit der 1983 durch den Rat des Kreises O. vorgenommenen Einheitswertfestsetzung richtet sich nach Art. 19 EV. Nach Satz 1 dieser Regelung bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik wirksam. Sie können nach Satz 2 aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind. Im Übrigen bleiben gemäß Satz 3 die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.
a) Bei der Einheitswertfestsetzung handelt es sich um einen "Verwaltungsakt" im Sinne von Art. 19 EV. Darunter fallen jedenfalls solche Verwaltungsentscheidungen von ehemaligen Behörden der DDR, die Regelungscharakter haben und auf eine unmittelbare Rechtswirkung im Einzelfall gerichtet sind (Beschluss vom 25. Januar 1994 - BVerwG 11 B 53.93 - Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 1).
b) Art. 19 Satz 1 EV stellt darauf ab, dass vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte wirksam "bleiben". Damit setzt deren Fortgeltung voraus, dass sie nicht bereits vor dem Beitritt als unwirksam anzusehen waren.
Für die Beurteilung, ob die 1983 erfolgte Einheitswertfestsetzung fehlerhaft oder gar nichtig war, ist auf die zum Zeitpunkt der Einheitswertfestsetzung für die Festsetzung geltenden Vorschriften des DDR-Rechts abzustellen (vgl. Urteil vom 26. August 1999 - BVerwG 3 C 31.98 - Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 6; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 44 Rn. 211 m.w.N.).
Zwar kannte das in der ehemaligen DDR geltende Recht keine ausdrückliche Regelung über die Nichtigkeit von so genannten Einzelentscheidungen. Doch war anerkannt, dass Einzelentscheidungen mit der Folge der Unwirksamkeit nichtig sein konnten. Voraussetzung für die Nichtigkeit war, dass der Verstoß gegen die rechtlichen Anforderungen besonders schwerwiegend und für den Adressaten objektiv unzweifelhaft erkennbar war (DDR-Verwaltungsrecht, Lehrbuch, 2. Aufl. 1988, S. 138; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 44 Rn. 209 m.w.N.).
c) Rechtlicher Maßstab für die Festsetzung des Einheitswertes zum 1. Januar 1983 waren das Bewertungsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik in der Fassung vom 18. September 1970 (Sonderdruck Nr. 674 des Gesetzblattes) - im Folgenden DDR-BewG - und die dazu ergangene Richtlinie des Ministers der Finanzen vom 3. Oktober 1975.
Das Grundstück der Klägerin war danach als Grundvermögen im Sinne von § 50 Abs. 1 DDR-BewG zu bewerten. Die Regelungen für die Bewertung von bebauten Grundstücken waren nicht im DDR-Bewertungsgesetz selbst enthalten. Vielmehr erließ nach § 52 Abs. 1 DDR-BewG der Minister der Finanzen die erforderlichen Vorschriften für die Bewertung der bebauten und der im Bau befindlichen Grundstücke in der Richtlinie zur Vereinfachung des Bewertungsverfahrens und zur Ermittlung des Einheitswertes des Grundvermögens vom 3. Oktober 1975. Nach deren Nr. 3.2.1. war die Bewertung von Einfamilienhäusern und Wochenendhäusern nach m³ umbauten Raums vorzunehmen. Dabei war für Wochenendhäuser in einfachster Bauausführung ein Wert von 17 M/m³, für Einfamilienhäuser in einfachster Bauausführung (Wasserleitung, ohne Bad, Ofenheizung, elektrisches Licht, Doppelfenster, z.T. unterkellert) ein Wert von 20 M/m³, für Einfamilienhäuser in Bauausführung mit üblicher Komfortausstattung (Bad, WC, Fliesen in Bad und Küche, Zentralheizung, z.T. Parkett, Gas, elektr. Licht) ein Wert von 24 M/m³ und für Einfamilienhäuser in exklusiver Bauausführung ein Wert von 30 M/m³ zugrunde zu legen.
Die Fortschreibung der Einheitswerte war in § 22 DDR-BewG geregelt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 DDR-BewG war der Einheitswert neu festzustellen (Wertfortschreibung), wenn der Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergab, um mehr als den fünften Teil, mindestens aber um 1 000 M von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes abwich. Nach Satz 2 dieser Regelung war, wenn bei einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, einem Grundstück oder einem Betriebsgrundstück die Abweichung auf einer Bestandsveränderung beruhte, der Einheitswert schon dann neu festzustellen, wenn der Wert infolge der Bestandsveränderung allein um mehr als den zwanzigsten Teil, mindestens aber um 500 M, abwich. Eine Bestandsveränderung lag nach Satz 3 unter anderem dann vor, wenn der Gebäudebestand durch Neubau, Anbau oder Aufbau oder durch Abbruch, Abbrand u. dgl. verändert wurde. Hier handelte es sich um eine solche Bestandsveränderung, so dass die hierfür geltenden niedrigeren Grenzen für die Fortschreibung des Einheitswertes maßgeblich sind.
Selbst wenn man für die hier erfolgte Bebauung von der untersten Kategorie der genannten Richtlinie ausgeht und weiter annimmt, dass die nach der Zustimmung zur Errichtung des Gebäudes zulässige überbaubare Fläche von 40 m² ausgeschöpft wurde, ergibt sich - eine Geschosshöhe von 2,50 m zugrunde gelegt - ein umbauter Raum von 100 m³ und damit ein für das Gebäude anzusetzender Einheitswert in Höhe von 1 700 M. Sogar bei einem nur hälftigen Ausschöpfen der zulässigerweise überbaubaren Fläche beträgt dieser Einheitswert bereits 850 M. Auch bei für die Klägerin ungünstigen Annahmen hätte somit wegen der Überschreitung des Schwellenwertes nach § 22 BewG-DDR eine Fortschreibung und Erhöhung des Einheitswertes erfolgen müssen.
d) Erweist sich damit die 1983 erfolgte Einheitswertfestsetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls als fehlerhaft, so liegen doch nicht zugleich die Voraussetzungen für deren Nichtigkeit und Unwirksamkeit vor.
Möglich ist, dass der Rat des Kreises O. 1983 einen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde legte, indem die 1980 erfolgte Bebauung nicht zur Kenntnis genommen wurde. Der Annahme eines solchen Fehlers steht der im Bescheid enthaltene Zusatz nicht entgegen, dass zum Grundvermögen auch Gebäude auf fremdem Grund und Boden gehörten. Damit wird nur die Regelung in § 50 Abs. 3 BewG-DDR wiedergegeben, einen Rückschluss auf Kenntnis oder Unkenntnis der Behörde von der Bebauung im konkreten Fall trägt dies nicht. Ein solcher Fehler bei der Sachverhaltsermittlung wäre hier aber nicht so gravierend, dass er zur Nichtigkeit des festgesetzten Einheitswertes führte. Möglich ist aber auch, dass die Behörde von der Bebauung Kenntnis hatte; dann wäre die Annahme, dass jedenfalls der für eine Fortschreibung des Einheitswertes nach § 22 DDR-BewG maßgebliche Schwellenwert nicht überschritten sei, rechtsfehlerhaft. Auch ein solcher Fehler erfüllte allerdings nicht die Voraussetzung eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die rechtlichen Anforderungen, ebenso wenig wäre er objektiv unzweifelhaft erkennbar. Auch ansonsten ergeben sich aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einheitswertfestsetzung nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR nicht als wirksam angesehen wurde (vgl. Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108).
2. Art. 19 Satz 2 EV hindert eine Heranziehung der Einheitswertfestsetzung 1983 ebenfalls nicht. Weder war diese mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar noch ist sie deshalb aufgehoben worden.
Eine Unvereinbarkeit der DDR-Einheitswertfestsetzung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne dieser Regelung setzt mehr voraus als deren "einfache" Rechtswidrigkeit wegen der Verletzung bewertungsrechtlicher Vorschriften. Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Aufhebung von rechtstaatswidrigen DDR-Verwaltungsakten regelt zum einen das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 7 B 4.96 - Buchholz 111 Art. 41 EV Nr. 2). Es ist allerdings nach seinem § 1 Abs. 1 Satz 2 auf Verwaltungsentscheidungen in Steuersachen - wie hier - nicht anwendbar. Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen an die Obersten Finanzbehörden der neuen Länder vom 8. August 1991 (BStBl I S. 793) kommt eine Aufhebbarkeit aber in Betracht, wenn das Steuerrecht nachweislich willkürlich und im Ergebnis unrichtig angewendet worden ist, z.B. um einen politisch Andersdenkenden nur wegen seiner Gesinnung zu verfolgen, nicht aber, wenn die Verwaltungsentscheidungen elementaren Anforderungen an Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit genügen. Auch diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es ist nicht erkennbar, dass der Einheitswert absichtlich zu niedrig festgesetzt worden wäre, um die Klägerin zu diskriminieren, zumal der Adressat des Bescheides nicht die Klägerin, sondern der Beschenkte war. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt, dass eine Aufhebung der Einheitswertfestsetzung erfolgt ist.
3. Nach Art. 19 Satz 3 EV bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt. Es kann offen bleiben, inwieweit die Einheitswertfestsetzung auch an § 44 VwVfG oder - als Steuerverwaltungsakt - an § 124 Abs. 3 AO zu messen wäre. Jedenfalls wäre auch nach den dort enthaltenen Kriterien keine Nichtigkeit der Einheitswertfestsetzung anzunehmen.
4. Einer der Fälle, in denen nach § 3 Abs. 3 EntschG trotz des Vorliegens einer wirksamen Einheitswertfestsetzung ein Hilfswert zu errechnen ist, liegt ebenfalls nicht vor.
a) Anders als dies § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG voraussetzt, ist die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks hier nicht zwischen dem für die letzte Einheitswertfestsetzung maßgeblichen Bewertungszeitpunkt (1. Januar 1983) und der Schädigung eingetreten. Die Bebauung, deren Berücksichtigung die Klägerin begehrt, ist bereits im Jahr 1980 erfolgt. Eine erweiternde Auslegung von § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG auf den hier vorliegenden Fall scheitert am klaren Wortlaut der Regelung. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer zu schließenden Regelungslücke. Haben sich die tatsächlichen Verhältnisse vor der letzten Einheitswertfestsetzung verändert, kommt es darauf an, ob diese Veränderung - insbesondere im Hinblick auf die maßgeblichen Schwellenwerte - bei der zeitlich nachfolgenden Einheitswertfestsetzung zu berücksichtigen war. Ist das fehlerhaft unterblieben, führt dies bei der gestuften Heranziehung von Einheitswert, Ersatzeinheitswert und Hilfswert gemäß § 3 EntschG nur dann zum Übergang auf den subsidiären Wert, wenn der Fehler die Nichtigkeit und Unwirksamkeit der nach der Stufenfolge vorrangigen Festsetzung zur Folge hat. Damit hat diese Frage bereits im Rahmen der Anwendbarkeit von § 3 Abs. 1 und 2 EntschG ihre Regelung gefunden. Für die von der Klägerin befürwortete Analogie ist daher kein Raum.
b) Wiederaufnahmegründe im Sinn von § 580 ZPO, die nach § 3 Abs. 3 Satz 3 EntschG auf entsprechenden Antrag zur Bildung eines Hilfswertes führen, sind von der Klägerin weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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