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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.09.2004
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 32.03
Rechtsgebiete: AusglLeistG, EntschG


Vorschriften:

AusglLeistG § 2 Abs. 1 Satz 2
EntschG § 7 Abs. 1
EntschG § 7 Abs. 2 Satz 3
EntschG § 7 Abs. 2 Satz 4
Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG ist derjenige, der durch die den Entschädigungsanspruch oder den Anspruch auf Ausgleichsleistung auslösende Maßnahme unmittelbar geschädigt wurde. Die Anteilsdegression nach dieser Vorschrift setzt nicht voraus, dass der unmittelbar Geschädigte als "Stichtagsberechtigter" auch noch zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes gelebt hat.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 32.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 16. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. April 2003 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Berechnung des ihnen zustehenden Anspruchs auf Ausgleichsleistung für ein im Zuge der Bodenreform im September 1945 entschädigungslos enteignetes Rittergut.

Zum Zeitpunkt der Enteignung standen die betroffenen Vermögenswerte zu 1/6 im Bruchteilseigentum von D. v.S., dessen Rechtsnachfolger am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt ist, sowie zu 5/6 im Bruchteilseigentum der v.S.'schen Erbengemeinschaft, die sich aus weiteren 5 Personen mit einem Erbanteil von jeweils 1/5 zusammensetzte. Die Mitglieder dieser Erbengemeinschaft sind jeweils vor dem 29. September 1990, dem Tag des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes, verstorben; die Kläger sind ihre Rechtsnachfolger.

Mit Bescheid vom 25. September 2002 setzte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg die gekürzte Bemessungsgrundlage für den Ausgleichsleistungsanspruch der Kläger auf 289 561,68 DM fest. Der Beklagte legte für die Erbengemeinschaft einen anteiligen Einheitswert in Höhe von 662 700,00 RM zugrunde, den er gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 EntschG mit dem Faktor 3 multiplizierte. Daraus ergab sich nach Abzug der langfristigen Verbindlichkeiten gemäß § 3 Abs. 4 EntschG ein Betrag in Höhe von 1 875 616,80 RM für die Erbengemeinschaft, der als Gesamtbetrag entsprechend § 7 Abs. 1 EntschG gekürzt wurde. Eine Anteilskürzung nach § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG komme demgegenüber nicht in Betracht, weil Berechtigter im Sinne dieser Vorschrift der unmittelbar Geschädigte sei. Nach den einschlägigen Erlassen des Bundesministeriums der Finanzen werde eine gesonderte Kürzung jedes Anteils nach § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG nur bei solchen Anteilen vorgenommen, die einem Berechtigten im Zeitpunkt der Schädigung und am Stichtag, dem Tag des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes, zugestanden hätten. Hier seien die ursprünglichen Mitglieder der Erbengemeinschaft am Stichtag jedoch bereits verstorben gewesen.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat diesen Bescheid mit Urteil vom 24. April 2003 teilweise aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die Bemessungsgrundlage auf 510 123,35 DM festzusetzen. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus: Die Bemessungsgrundlage sei für den Anteil jedes Stammes gesondert, also ohne vorherige Addition der Anteile, der Degression zu unterwerfen. Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG sei der unmittelbar Geschädigte, hier also die v.S.'sche Erbengemeinschaft. Eine Personengleichheit von geschädigten Anteilsberechtigten und Stichtagsberechtigten verlange diese Vorschrift nicht. Eine Privilegierung allein der "Erlebnisgeneration" sei auch aus § 7 Abs. 2 Satz 4 EntschG nicht ableitbar. Schon der Wortlaut der Regelung widerspreche daher der Auslegung des Beklagten. Sie werde auch nicht vom Regelungszweck des § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 EntschG getragen. Die Regelung solle verhindern, dass die Belastung des Entschädigungsfonds durch eine nach der Schädigung eingetretene Vermehrung der Zahl der Berechtigten wachse. Die Gesetzesbegründung stütze die Auffassung des Beklagten ebenfalls nicht. Sogar der Erlass des Bundesministeriums der Finanzen, auf den sich der Beklagte berufe, widerspreche der von ihm vertretenen Auslegung.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Revision und trägt zur Begründung vor: Wenn - wie hier - der zu entschädigende Vermögensgegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft zugestanden habe, die sich zu 1/6 aus einer natürlichen Person und zu 5/6 aus einer ungeteilten Erbengemeinschaft zusammengesetzt habe, könne nicht jede der zur Erbengemeinschaft gehörenden natürlichen Personen bzw. deren Rechtsnachfolger eine gesonderte Anteilsdegression nach § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG in Anspruch nehmen. Aus § 7 Abs. 2 Satz 4 EntschG sei zu entnehmen, dass nur die "Erlebnisgeneration" von der gesonderten Degression profitieren solle. Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG sei nur das unmittelbar geschädigte Einzelmitglied einer unmittelbar geschädigten und damit nach dem Vermögensgesetz berechtigten Erbengemeinschaft. Dabei beziehe sich die Norm auf den Schädigungszeitpunkt. Eine Anteilsdegression nur der "Erlebnisgeneration" zuzuerkennen, sei auch geboten, um eine Kollision mit dem Erfordernis der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG zu vermeiden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 VermG sei nach dem Wortlaut der Norm der Zeitpunkt der Entschädigung. Hiervon weiche der vom Verwaltungsgericht für die Anteilsdegression als maßgeblich erachtete Zeitpunkt der Schädigung ab. Nicht ersichtlich sei, wie dann gleichzeitig dem Erfordernis der Gesamtschau Rechnung getragen werden könne, die sachlogisch der Degression vorausgehen müsse. Die Auslegung durch das Verwaltungsgericht führe außerdem zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Ein Einzelner erhalte für einen enteigneten Vermögenswert von 100 000 DM eine Entschädigung in Höhe von 47 000 DM; dagegen ergebe sich, lege man die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, bei einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft ein Anspruch in Höhe von 64 000 DM, bei einer fünfgliedrigen Erbengemeinschaft sogar von 85 000 DM. Sachliche Gründe hierfür gebe es nicht. § 7 Abs. 1 EntschG bestimme, dass alle Bemessungsgrundlagen bis 10 000 DM nicht zu kürzen seien. Diesen Freibetrag habe der Gesetzgeber in Anlehnung an den Einheitswert eines Einfamilienhauses konzipiert. Beziehe man diesen Freibetrag auf "Stämme" von Erben, komme Rechtsgemeinschaften ein Vielfaches hiervon zu Gute. Es sei daher konsequent, die Privilegierung durch Anteilsdegression nur demjenigen zukommen zu lassen, der zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes selbst noch Entschädigungsansprüche habe geltend machen können ("Erlebnisgeneration"). Da hier alle selbst geschädigten Mitglieder der Erbengemeinschaft bereits vor dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes verstorben seien, sei diese Erbengemeinschaft als Inhaber eines Anteils anzusehen und somit für die Degres-sion von dem auf die Erbengemeinschaft entfallenden Gesamtbetrag auszugehen.

Die Kläger treten der Revision entgegen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes. Die Ausgleichsleistungen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AusglLeistG - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen §§ 3 und 5 AusglLeistG - nach Maßgabe der §§ 1 und 9 des Entschädigungsgesetzes zu erbringen. Sie werden gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG nach den §§ 1 bis 8 des Entschädigungsgesetzes bemessen und erfüllt, soweit das Ausgleichsleistungsgesetz nicht besondere Regelungen enthält.

Streitig ist allein, ob der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 EntschG von der Bemessungsgrundlage abzuziehende Kürzungsbetrag nach § 7 EntschG entsprechend der Auffassung des Beklagten auf der Grundlage des Gesamtbetrags oder aber - wie das Verwaltungsgericht entschieden hat - nach § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG anteilsbezogen zu berechnen ist. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG ist, wenn ein Vermögenswert zu entschädigen ist, der zum Zeitpunkt der Entziehung mehreren Berechtigten zu Bruchteilen oder zur gesamten Hand zugestanden hat, die nach § 7 Abs. 1 EntschG vorzunehmende Kürzung auf jeden Anteil gesondert anzuwenden. Nach § 7 Abs. 2 Satz 4 EntschG steht bei mehreren Rechtsnachfolgern eines Berechtigten diesen nur ihr Anteil an der nach § 7 Abs. 1 gekürzten Entschädigung zu.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass im vorliegenden Fall § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG anzuwenden ist. Es geht zu Recht davon aus, dass Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG derjenige ist, der durch die den Entschädigungsanspruch oder den Anspruch auf Ausgleichsleistung auslösende Maßnahme unmittelbar geschädigt wurde, und es nicht zusätzliche Voraussetzung für die Anteilsdegression nach dieser Vorschrift ist, dass der unmittelbar Geschädigte - wie es der Beklagte fordert - als "Stichtagsberechtigter" auch noch im Zeitpunkt des In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes, am 29. September 1990, gelebt hat.

1. Im vorliegenden Fall waren die Rechtsvorgänger der Kläger in (ungeteilter) Erbengemeinschaft zu 5/6 an der Bruchteilsgemeinschaft beteiligt, in deren Eigentum das im Zuge der Bodenreform entschädigungslos enteignete Rittergut zum Zeitpunkt der Enteignung stand.

Auch wenn damit den Mitgliedern dieser Erbengemeinschaft gemäß § 2032 Abs. 2 BGB ihr Anteil am entzogenen Vermögenswert innerhalb der (Gesamt-) Bruchteilsgemeinschaft bis zur Auseinandersetzung zur gesamten Hand zustand und sie deshalb gemäß § 2039 BGB die Leistung auf einen zum Nachlass gehörenden Anspruch nur an alle Erben fordern konnten, steht dies einer Anteilsdegression nicht entgegen. § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG sieht die gesonderte Anwendung der Kürzung nach § 7 Abs. 1 EntschG auf jeden Anteil ausdrücklich auch für den Fall vor, dass der zu entschädigende Vermögenswert zum Zeitpunkt der Entziehung mehreren Berechtigten zur gesamten Hand zugestanden hat, also auch für den Fall einer Erbengemeinschaft nach § 2032 BGB.

Die ungeteilte Erbengemeinschaft ist hier neben dem weiteren Bruchteilsberechtigten nicht als Inhaber nur eines Anteils anzusehen. Dagegen spricht, dass eine solche Zusammensetzung des Kreises der Erben wie im vorliegenden Fall eher ungewöhnlich ist. Für den offensichtlich auch für den Gesetzgeber näher liegenden Fall, dass der Vermögenswert als solcher nach einem Erbfall einer (ungeteilten) Erbengemeinschaft zur gesamten Hand zusteht, wird ausdrücklich die Anteilsdegression nach § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG vorgegeben. Der Gesetzgeber löst damit trotz der gesamt-händerischen Zuordnung des geschädigten Vermögenswertes den gesamthänderischen Verbund zum Zweck der Berechnung von Entschädigung und Ausgleichsleistung auf. Es ist weder aus dem Wortlaut der Norm noch ist sonst ein Gesichtspunkt zu erkennen, weshalb sich an dieser Berechnungsweise etwas dadurch ändern sollte, dass zum Kreis derjenigen, denen der Vermögenswert zugestanden hat und die damit unmittelbar geschädigt wurden, neben der Gesamthandsgemeinschaft noch ein weiterer Bruchteilsberechtigter gehört.

Einer Anteilsdegression steht auch die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rückübertragung von Vermögenswerten an Erbengemeinschaften und zur Zuordnungsfähigkeit volkseigener Anteile an ungeteilten Erbengemeinschaften nicht entgegen. Zwar ist der entzogene Vermögensgegenstand nach § 2a Abs. 4 i.V.m Abs. 1 VermG der Erbengemeinschaft als solcher zurückzuübertragen, die durch eine Maßnahme nach § 1 VermG geschädigt worden ist, und sie ist mithin kraft Gesetzes Berechtigte (vgl. Urteil vom 27 Februar 1997 - BVerwG 7 C 22.96 - Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 3). Dies hat nach dem Beschluss vom 30. November 2000 (BVerwG 8 B 206.00 - Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 22) unter anderem zur Folge, dass der Antrag durch einen der Miterben genügt und die nachträgliche Konkretisierung, dass die Leistung an die Erbengemeinschaft gehen soll, nicht am Fristablauf scheitert. Nach dem Beschluss des erkennenden Senats vom 13. März 2000 (BVerwG 3 B 19.00 - Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 30) unterliegt wegen der in einer ungeteilten Erbengemeinschaft für die Miterben hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstände bestehenden Verfügungsbeschränkungen der volkseigene Anteil am Eigentum einer ungeteilten Erbengemeinschaft nicht der Vermögenszuordnung nach Art. 22 Abs. 4 EV. Doch betrifft all dies andere Aspekte der Berechtigtenstellung in einer ungeteilten Erbengemeinschaft. Die ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Anteilsdegression gerade auch für den Fall, dass der Vermögenswert zum Zeitpunkt der Entziehung mehreren Berechtigten zur gesamten Hand zusteht, bleibt davon unberührt.

2. Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, eine Anteilsdegression nach § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG komme nur für die "Erlebnisgeneration", also nur für die Mitglieder einer unmittelbar geschädigten Erbengemeinschaft, und nur unter der zusätzlichen Voraussetzung in Betracht, dass dem in dieser Weise unmittelbar Geschädigten der entsprechende Anteil auch noch zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes, also am 29. September 1990, zugestanden habe ("Stichtagsberechtigung"). Dem ist das Verwaltungsgericht zu Recht nicht gefolgt.

a) Die Auffassung des Beklagten findet bereits im Wortlaut der Regelung keine Stütze. § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG ist zu entnehmen, dass "Berechtigter" im Sinne dieser Regelung der Berechtigte am geschädigten Vermögenswert im Zeitpunkt der Entziehung ist, sei es als einzelner Eigentümer oder als Mitglied einer Bruchteils- oder einer Gesamthandsgemeinschaft. Dagegen findet sich im Wortlaut der Regelung kein Hinweis darauf, dass diese Berechtigung des unmittelbar Geschädigten am betroffenen Vermögenswert auch noch im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes fortbestanden haben muss, um die Rechtsfolge des § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG auszulösen.

b) Mit der Systematik der Regelungen in § 7 EntschG lässt sich die Auffassung des Beklagten ebenfalls nicht begründen.

§ 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 EntschG bilden insoweit eine Einheit, als beide Sätze die Anwendung der Degressionsregelung in § 7 Abs. 1 EntschG bei Personenmehrheiten zum Gegenstand haben. Nach der Gesetzesbegründung wird bei Personenmehrheiten auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Schadenseintritts abgestellt: Ist der Erbfall vor dem Schadenseintritt eingetreten, ist jeder Miterbe selbst ein Berechtigter, so dass sein Anteil gesondert zu betrachten und ggf. gesondert zu kürzen ist. War der Erblasser selbst der unmittelbar Geschädigte, wird für die Bemessung der Entschädigung die Erbengemeinschaft als Einheit angesehen (BTDrucks 12/4887 S. 36). Somit unterscheiden sich die Anwendungsbereiche der Sätze 3 und 4 nach der zeitlichen Reihenfolge von Erbfolge und Schaden: Während Satz 3 den Fall regelt, dass bereits zum Zeitpunkt des Schadenseintritts der Erbfall eingetreten war, betrifft Satz 4 die Fälle eines Eintrittes des Erbfalles erst nach dem Zeitpunkt der Schädigung. Dementsprechend wird im Fall des Satzes 3 die Kürzung nach § 7 Abs. 1 EntschG gesondert für jeden Anteil berechnet (Anteilsdegression), im Fall des Satzes 4 ist hingegen der auf die Erbengemeinschaft entfallende Betrag insgesamt der Degression zu unterwerfen (Gesamtdegression). Da in den Sätzen 3 und 4 unterschiedliche Fälle geregelt werden, kann aus Satz 4 nicht, wie der Beklagte meint, übergreifend für den Anwendungsbereich des Satzes 3 der Gedanke entnommen werden, hier sei ebenfalls eine getrennte Kürzung für die Rechtsnachfolger eines unmittelbar Geschädigten ausgeschlossen.

Dass in § 7 Abs. 3 Satz 4 EntschG neben dem Berechtigten auch die Rechtsnachfolger gesondert genannt werden, legt nicht die vom Beklagten gezogene Schlussfolgerung nahe. Der Grund hierfür ist vielmehr darin zu sehen, dass der "Berechtigte" im Sinne von § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EntschG der im Zeitpunkt der Schädigung hinsichtlich des betroffenen Vermögensgegenstandes Berechtigte, mithin - wie auch der Beklagte selbst annimmt - der unmittelbar Geschädigte ist. Damit wird gerade nicht auf den Begriff des Berechtigten im Sinne des Vermögensgesetzes abgestellt, der nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 VermG auch die Rechtsnachfolger der natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften umfasst, die von Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind. Vielmehr waren die Rechtsnachfolger in Satz 4 gesondert zu nennen.

Ebenso wenig lässt sich die Auffassung des Beklagten darauf stützen, dass in der Gesetzesbegründung die Rede davon ist, im Fall des Eintretens des Erbfalles vor dem Schadenseintritt sei der Anteil jedes Miterben "ggf.", also nicht in jedem Fall, zu kürzen. Diese Einschränkung findet ihre Erklärung darin, dass § 7 Abs. 1 EntschG Kürzungen erst für Entschädigungen vorsieht, die einen Betrag von 10 000 Deutsche Mark übersteigen.

Es besteht auch nicht die Gefahr einer Kollision mit dem Erfordernis der Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG. Der Beklagte macht hierzu geltend, der maßgebliche Zeitpunkt für die Gesamtschau nach § 7 Abs. 2 Satz 1 VermG sei der Zeitpunkt der Entschädigung. Hiervon weiche der vom Verwaltungsgericht für die Anteilsdegression als maßgeblich erachtete Zeitpunkt - der der Schädigung - ab. Beides steht jedoch nicht in Widerspruch zueinander. Eine Addition von Ansprüchen für mehrere Vermögenswerte nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist ohne Weiteres auch dann möglich, wenn der für die Zusammenrechnung maßgebliche Zeitpunkt von dem Zeitpunkt differiert, auf den für die Anwendung der Anteilsdegression im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG abzustellen ist.

c) Die Auslegung des Verwaltungsgerichts steht auch mit Sinn und Zweck der Degressionsregelung in § 7 EntschG in Einklang.

Die Kürzung nach § 7 Abs. 1 EntschG beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, vermögende Personen könnten einen vergleichsweise höheren Solidarbetrag leisten, der auch in der Kürzung ihres Entschädigungsanspruches bestehen könne (BTDrucks 12/4885 S. 36). Das damit verfolgte Ziel, bei der Entschädigung soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, findet - wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat - seine verfassungsrechtliche Begründung im Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG und rechtfertigt deshalb die durch § 7 Abs. 1 EntschG bewirkten Differenzen zwischen dem Wert des verloren gegangenen Vermögens und der Höhe der Entschädigungsleistung (BVerfGE 102, 254 <314>).

Diesen Gedanken nimmt die Gesetzesbegründung auch für die Regelungen in § 7 Abs. 2 EntschG auf. Auch dort wird darauf verwiesen, dass demjenigen, dem vergleichsweise viel zustehe, am ehesten eine Kürzung zugemutet werden könne. Hinsichtlich der Beteiligung von Personenmehrheiten wird in § 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EntschG auf die Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes abgestellt (BTDrucks 12/4885 S. 36). Dies verhindert, dass die Höhe der Entschädigung oder Ausgleichsleistung - und damit die Belastung des Entschädigungsfonds - durch eine nach der Schädigung erfolgte Vermehrung der durch die Schädigung Betroffenen wächst. Der von dem unmittelbar Geschädigten abgeleitete Anspruch seiner Rechtsnachfolger soll nicht weiter reichen als der, den er selbst gehabt hätte, wenn er im Zeitpunkt der Schädigung noch selbst gelebt hätte (vgl. Kuhlmey in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Stand April 2004, § 7 EntschG Rn. 54; Broschat in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand Januar 2004, § 7 EntschG Rn. 39).

Auch gemessen an dieser Zielrichtung ist es aber folgerichtig, wenn für die Anwendung der Degressionsregelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG nicht noch zusätzlich darauf abgestellt wird, dass die unmittelbar Geschädigten auch den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes noch erlebt haben. Das Vermögensgesetz selbst zählt im Übrigen zu den Berechtigten nach § 2 Abs. 1 VermG auch die Rechtsnachfolger derer, deren Vermögenswerte von Maßnahmen nach § 1 betroffen waren, und beschränkt die vermögensrechtlichen Ansprüche damit nicht auf die "Erlebnis-generation".

d) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hat ebenso wenig eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Einzelnen und Erbengemeinschaften zur Folge.

Zwar führt der Umstand, dass der Anspruch auf Entschädigung oder Ausgleichsleistung statt einem Einzelnen einer Erbengemeinschaft zusteht, in der Tat bei einer Anteils- statt einer Gesamtdegression dazu, dass sich ein insgesamt höherer Entschädigungsbetrag ergibt. Doch findet dies eine hinreichende sachliche Rechtfertigung darin, dass einem unmittelbar geschädigten Einzelberechtigten der ungeteilte Anspruch auf Entschädigung oder Ausgleichsleistung für den betroffenen Vermögenswert zusteht. Dieser Anspruch ist höher als der dem einzelnen Miterben nach Auseinandersetzung der unmittelbar geschädigten Erbengemeinschaft zukommende Wiedergutmachungsanspruch, der auf der Schädigung seines Anteils beruht. Unter dem für die Degressionsregelung maßgeblichen sozialstaatlichen Gesichtspunkt, dass vermögende Personen einen vergleichsweise höheren Solidarbeitrag leisten können (vgl. BTDrucks 12/4887 S. 36 und BTDrucks 12/7588 S. 38), ist es dem Alleinberechtigten eher zumutbar, eine stärkere Kürzung und damit einen niedrigeren Entschädigungsbetrag hinzunehmen. Im Übrigen ergäbe sich die vom Beklagten gerügte Ungleichbehandlung bei der Höhe von Entschädigung oder Ausgleichsleistung für ein und denselben Vermögenswert auch dann, wenn die Anteilsdegression nur in den auch vom Beklagten anerkannten Fällen eines Fortlebens der unmittelbar Geschädigten einer unmittelbar geschädigten Erbengemeinschaft bis zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Vermögensgesetzes angewendet würde. Sie beträfe freilich nur eine geringere Zahl von Fällen.

e) Schließlich bleibt bei dem vom Beklagten zusätzlich geforderten Kriterium der Stichtagsberechtigung ungeklärt, wie bei unmittelbar geschädigten Erbengemeinschaften oder sonstigen Personenmehrheiten hinsichtlich der Frage einer Anteils- oder Gesamtdegression zu verfahren sein soll, wenn nur ein Teil der unmittelbar geschädigten Personen das In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes noch erlebt hat.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 112 995 € festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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