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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.09.2002
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 37.01
Rechtsgebiete: ApG, BApO, VwGO


Vorschriften:

ApG § 2 Abs. 1 Nr. 4
ApG § 4 Abs. 2
BApO § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BApO § 6 Abs. 2
VwGO § 137 Abs. 2
Einem (selbständigen) Apotheker ist die Approbation mit der Folge zu entziehen, dass er auch nicht als angestellter Apotheker tätig sein darf, wenn ihm Abrechnungsbetrügereien oder sonstige Abrechnungsunregelmäßigkeiten gegenüber Kassen nachgewiesen werden können, die nach Zahl und Gewicht der Verstöße die Prognose zulassen, der Apotheker könne auch zukünftig schwerwiegende Berufspflicht-Verletzungen begehen.

Zur Verwertbarkeit von in rechtskräftigen Strafbefehlen und gerichtlichen Vergleichen enthaltenen Feststellungen für verwaltungsbehördliche und -gerichtliche Verfahren.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 37.01

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger, dem im Jahre 1988 die Approbation als Apotheker erteilt worden und der seit 1991 als selbständiger Apotheker tätig war, wendet sich gegen den im Jahre 1995 verfügten Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit.

Der Beklagte (Regierung von Unterfranken) nahm vor allem einen rechtskräftigen Strafbefehl vom 3. August 1994, durch welchen der Kläger wegen etwa 70 im Zeitraum Dezember 1993/Januar 1994 begangener Vergehen des Betrugs zum Nachteil der AOK mit einem Schaden von insgesamt über 1 000 DM zu einer Gesamtgeldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 150 DM verurteilt worden ist, zum Anlass für den Approbations-Widerruf. Der Bescheid enthält im Wesentlichen folgende Begründung: Der Kläger habe in schwerer ("grober") Weise gegen seine Berufspflichten verstoßen, indem er seiner Verpflichtung zuwidergehandelt habe, bewusste vermögensschädigende Falschabrechnungen mit den Kassen zu unterlassen und die Solidargemeinschaft vor Schaden zu bewahren. Während der vom Strafbefehl erfasste Sachverhaltskomplex als im "mittleren Bereich" befindlich zu bewerten sei, sei diese Bewertung infolge neuerer Erkenntnisse nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die abgeurteilten Taten seien nur die "Spitze des Eisbergs". Der Schaden, der vom Kläger insbesondere der AOK (aber auch anderen Kassen) zugefügt worden sei, belaufe sich auf ca. 200 000 DM. Dem entspreche, dass der Kläger mit der AOK einen Vergleich über 70 000 DM zur Abgeltung etwaiger Ansprüche geschlossen habe. Sei mithin die Schadenssumme als erheblich zu bezeichnen, so wiege auch schwer, dass der Kläger über einen langen Zeitraum (beginnend im Jahre 1991) seine betrügerischen Manipulationen in gewinnsüchtiger Absicht begangen habe. Wegen dieser in der Vergangenheit dokumentierten erheblichen kriminellen Energie des Klägers sei zu befürchten, dass er nicht nur als selbständiger Apotheken-Betreiber, sondern auch in einer abhängigen Funktion Möglichkeiten suchen werde, um sich ungerechtfertigte Vermögensvorteile auf Kosten der Solidargemeinschaft zu verschaffen; mangels milderer Mittel zum Schutz des Erhalts der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der öffentlichen Gesundheitsversorgung rechtfertige dies den Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit.

Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1995 zurück, wobei zusätzlich auf den Widerrufsgrund der Unwürdigkeit abgehoben wurde. Entscheidende Zweifel an den zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen ergäben sich nicht, denn selbst bei Unterstellung der Möglichkeit, dass die Schadenssumme nur 150 000 DM betragen habe, müsse "von in großem Stil" vorgenommenen betrügerischen Handlungen die Rede sein, die nicht nur die Solidargemeinschaft erheblich geschädigt hätten, sondern auch das erforderliche Ansehen und Vertrauen, das die Bevölkerung einem Apotheker entgegenbringe.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 25. März 1996 abgewiesen mit der Begründung, bereits die strafrechtlich geahndeten Verfehlungen des Klägers rechtfertigten den Widerruf.

Die Berufung des Klägers, der sich zwischenzeitlich mit der AOK gerichtlich (Vergleich vom 14. April 1999 vor dem Sozialgericht) auf einen von ihm zu erbringenden Erstattungsbetrag von - anstatt, wie von der AOK ursprünglich gefordert, 70 000 DM - 15 000 DM sowie mit zwei anderen Krankenkassen außergerichtlich auf Erstattungsbeträge von 2 750 DM bzw. 1 000 DM geeinigt hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 15. Februar 2000 mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Weil nachträglich eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO für die Erteilung der Approbation weggefallen sei, sei sie gemäß § 6 Abs. 2 BApO zu widerrufen. Im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung habe sich der Kläger eines Verhaltens schuldig gemacht, das so schwer wiege, dass sich aus ihm sowohl die Unzuverlässigkeit als auch die Unwürdigkeit des Klägers zur weiteren Ausübung des Apothekerberufs ergebe. Tatsachen rechtfertigten sowohl die Annahme, der Kläger werde entsprechend seinem bisherigen Verhalten auch in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten, als auch diejenige, er genieße infolge seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen der Öffentlichkeit, welches für die Ausübung des Apotheker-Berufs unabdingbar nötig sei. Für den entscheidungswesentlichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ergebe sich dies vor allem aus den durch Strafbefehl geahndeten Handlungen des Klägers, aber auch aus seiner Abrechnungspraxis mit den gesetzlichen Krankenkassen.

Zum einen berechtige das klägerische Vorbringen nicht zu Zweifeln an der Richtigkeit der im Strafbefehl festgestellten Tatsachen, wonach der Kläger in betrügerischer Absicht Leistungen gegenüber der AOK abgerechnet habe, die nicht den Preisen der jeweils auf den Rezepten verordneten und vom Kläger an die Patienten abgegebenen Mengen von Arzneimitteln entsprochen hätten. Zum anderen könne der Kläger auch nicht mit dem Einwand gehört werden, mit seinen Erstattungsleistungen habe er nicht eingestanden, Schäden in entsprechender Höhe bewusst verursacht zu haben. Im Streitfall dürften Behörden und Gerichte den Kläger an seinen eigenen Handlungsweisen festhalten und diese zu seinen Ungunsten auslegen. Insbesondere habe der Kläger die Gelegenheit zur Klärung im sozialgerichtlichen Verfahren bewusst vergeben. Der Vergleichsabschluss sei plausibel nur so zu erklären, dass der Kläger befürchtet habe, eine weitere Sachaufklärung werde einen noch höheren Schaden der AOK belegen.

Stehe damit ein durch den Kläger verursachter Gesamtschaden von mindestens ca. 20 000 DM fest, so könne nicht nur dahinstehen, ob ein noch höherer Schaden verursacht worden sei, sondern auch, ob und inwieweit es sich durchgängig um vorsätzliche Betrugshandlungen gehandelt habe oder um sonstige Abrechnungsunregelmäßigkeiten. Unter allen Voraussetzungen liege insgesamt ein schwerwiegender Verstoß gegen berufsspezifische Vorschriften und Pflichten vor, weil jedenfalls auch - wie der Kläger sie bezeichne - "Falschtaxierungen" bei gehäuftem Auftreten den Vorwurf der Unzuverlässigkeit rechtfertigen könnten.

Es komme hinzu, dass der Kläger, wie er eingeräumt habe, in einer unbestimmten Anzahl von Fällen - etwa, wenn die verordnete Packungsgröße nicht vorrätig gewesen sei - Patienten bewusst größere Mengen von verordneten Medikamenten abgegeben (und diese abgerechnet) habe, wenn er der Meinung gewesen sei, dass die Patienten die Medikamente auch in der größeren Menge hätten brauchen können. Ein derartiges eigenmächtiges Vorgehen eines Apothekers sei nicht nur sehr gefährlich, sondern zeige auch eine große Verantwortungslosigkeit auf. Soweit sich der Kläger schließlich darauf berufe, einige Unregelmäßigkeiten seien auf Handlungen von Angestellten zurückzuführen, müsse er sich eine mangelnde Überwachung vorhalten lassen.

Nach allem sei auch der Hinweis des Klägers nicht beachtlich, es sei ausreichend, ihm durch Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis die Möglichkeit zu nehmen, als selbständiger Apotheker Abrechnungsunregelmäßigkeiten zu begehen. Das bisherige Verhalten des Klägers rechtfertige nämlich auch die Annahme, er werde als angestellter Apotheker womöglich Mittel und Wege finden, Vorteile zu Lasten der Krankenkasse zu erlangen.

Die unverändert auf Aufhebung des Approbations-Widerrufs zielende Revision rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts sowie Verfahrensrechts.

Was den Begriff der Unzuverlässigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO angehe, hätten die Bescheide und Urteile verkannt, dass es sich bei den Tätigkeiten des selbständigen Apothekenleiters einerseits und des angestellten Apothekers andererseits nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung um zwei verschiedene Berufe handele, die auch getrennter und unterschiedlicher Beurteilung bedürften. Sei im Streitfall nichts gegen einen Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis zu erinnern, wodurch der Kläger zuverlässig daran gehindert werde, zukünftig Abrechnungsverstöße zu begehen, so rechtfertigten die - soweit sie dem Kläger zu Recht vorgehalten worden seien - Verfehlungen die mit einem uneingeschränkten Berufsverbot verbundene Entziehung der Approbation nicht; nur in besonders schwerwiegenden Fällen dürfe einem Apotheker die Approbation mit der Folge entzogen werden, dass er nicht einmal als angestellter Apotheker tätig sein dürfe. Für den Streitfall bedeute dies, dass es mit einem Entzug der Apothekenbetriebserlaubnis sein Bewenden hätte haben müssen, weil die Einbindung in das System der Gesundheitsversorgung und die Gewährung der Honorarsicherheit gerade nicht angestellte Apotheker, sondern lediglich Apothekenleiter betreffe und zudem ein angestellter Apotheker aus einer Falschtaxierung zu Lasten der Krankenkasse auch keinen eigenen Vorteil ziehen könne.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Seine Annahme, zum entscheidungswesentlichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids hätten Umstände die Annahme gerechtfertigt, der Kläger habe sich als unzuverlässig zur Ausübung des Apothekerberufs im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundes-Apothekerordnung vom 5. Juni 1968 (BGBl I S. 601) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1989 (BGBl I S. 1478, 1842) - BApO - erwiesen, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Deshalb war gemäß § 6 Abs. 2 BApO die Approbation und nicht lediglich die Apothekenbetriebserlaubnis nach §§ 4 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über das Apothekenwesen vom 20. August 1960 (BGBl I S. 697) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl I S. 1993) mit späteren Änderungen - ApG - zu widerrufen.

Obgleich die Revision zu Recht rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe aus dem gerichtlichen Vergleich zwischen dem Kläger und der AOK vor dem Sozialgericht unzulässige Folgerungen abgeleitet, ergeben die verbleibenden unstreitigen sowie verfahrensrechtlich bedenkenfrei vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Tatsachen, an die der erkennende Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, dass der Kläger sich nach der Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ergibt. Er hat lang anhaltend in gravierender Weise gegen seine Berufspflichten verstoßen, so dass er bei Erlass des Widerspruchsbescheides nicht die Gewähr bot, künftig die Berufspflichten eines Apothekers einzuhalten. Es kann daher dahinstehen, ob der Kläger auch im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO unwürdig ist (vgl. hierzu Beschluss vom 4. August 1993 - BVerwG 3 B 5.93 - Buchholz 418.20 Nr. 28; vgl. zur Unwürdigkeit als Arzt: Beschlüsse vom 9. Januar 1991 - BVerwG 3 B 75.90 - Buchholz 418.00 Nr. 80, vom 2. November 1992 - BVerwG 3 B 87.92 - Buchholz 418.00 Nr. 83, vom 28. August 1995 - BVerwG 3 B 7.95 - Buchholz 418.00 Nr. 91 und vom 14. April 1998 - BVerwG 3 B 95.97 - Buchholz 418.00 Nr. 100).

1. Die einschlägigen Bestimmungen über den Widerruf einer Approbation als Apotheker wegen Unzuverlässigkeit sind vom Verwaltungsgerichtshof in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ausgelegt worden.

a) Allerdings greift ein Berufsverbot regelmäßig tief in das Recht der freien Berufswahl und zugleich in die private und familiäre Existenz ein; es kann Lebenspläne von Betroffenen zunichte machen, die von Berufen ausgeschlossen werden, für die sie sich ausgebildet und die sie für sich und ihre Angehörigen zur Grundlage der Lebensführung gemacht haben. Solche Einschränkungen sind verfassungsrechtlich nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind; insbesondere darf gerade in diesen Zusammenhängen die Fähigkeit des Menschen zur Änderung und zur Resozialisierung nicht gänzlich außer Acht gelassen werden (vgl. BVerfGE 66, 337, <353, 359 f.>; 72, 51 <63>).

b) In Überstimmung hiermit hat der erkennende Senat den Widerruf einer ärztlichen Approbation mit Blick auf den Schutz des Gemeinschaftsgutes der Gesundheitsversorgung des einzelnen Patienten und der Bevölkerung als verfassungsgemäß beurteilt (vgl. Urteil vom 16. September 1997 - BVerwG 3 C 12.95 - BVerwGE 105, 214 m.w.N.); nichts anderes gilt hinsichtlich des Widerrufs einer Approbation als Apotheker, sofern sich ein Apotheker eines Verhaltens schuldig gemacht hat, welches zwar nicht - wie dies bei der unzulässigen Abgabe von Arzneimitteln der Fall sein kann - unmittelbar die Gesundheit von Einzelnen oder Gruppen, aber das normativ begründete und ausgestaltete sozialversicherungsrechtliche Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und hierzu Rengeling, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 2. Aufl. 1999, § 100 Rn. 190 f. m.w.N.) schädigt, weil die Solidargemeinschaft der Versicherten für Leistungen aufzukommen hat, welche überhaupt nicht oder so, wie abgerechnet, nicht erbracht worden sind, was zur Folge hat, dass die erbrachten Mittel in anderen Zusammenhängen fehlen.

Darüber hinaus liegt es auf der Hand und bedarf daher keiner vertieften Begründung, dass Nutzer von Apotheker-Leistungen ebenso darauf vertrauen können müssen, dass ihre berechtigten Vermögensinteressen gewahrt bleiben, wie sie dies zu Recht bei der Inanspruchnahme beispielsweise ärztlicher oder sonstiger Leistungen erwarten, die in die Berufsfelder freier Berufe einzuordnen sind. Gilt dies wie selbstverständlich für Leistungen, die von Ärzten und Apothekern gegenüber sog. Privatpatienten erbracht werden, so gilt dies erst recht, wenn die gleichen Leistungen von solchen Patienten und Kunden in Anspruch genommen werden, die gesetzlichen Krankenkassen angehören und deshalb nicht direkt mit Ärzten und Apothekern abrechnen, sondern vermittelt über ihre Kassen-Beiträge und die Abrechnungen der Kassen. Denn die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen ist ein wesentlicher Pfeiler unseres Gesundheitswesens. Die Gefährdung ihrer finanziellen Basis durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang stellt daher eine schwerwiegende Verletzung der Berufspflichten dar.

c) Aus den vorstehenden Darlegungen folgt, dass das Verhalten eines Apothekers, soll es zur Bewertung seiner zum Approbations-Widerruf führenden Unzuverlässigkeit führen, die auf die Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten zu gründende Prognose zum Abschluss des behördlichen Verfahrens rechtfertigen muss, der Apotheker biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei ist die gesamte Persönlichkeit des Apothekers und seiner Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zu würdigen (vgl. Urteil vom 16. September 1997 a.a.O. S. 220).

aa) Entgegen der Annahme der Revision muss die anzustellende Prognose nicht darauf beschränkt sein, ob die nach Art, Zahl und Schwere beachtlichen Verstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lassen, der Betreffende werde gleiche (oder zumindest ähnliche) Berufspflichten in der Zukunft schwerwiegend verletzen; vielmehr kann aus dem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen Berufspflichten manifest gewordenen Charakter (vgl. Urteil vom 16. September 1997 a.a.O. S. 220) des Apothekers auch die Befürchtung abzuleiten sein, es seien andere, aber ähnlich schwerwiegende Verstöße gegen Berufspflichten ernsthaft zu besorgen. Im Kern geht es bei solchen Prognosen nämlich oftmals darum, ob eine aus den begangenen Verstößen ableitbare Sorg- oder gar Bedenkenlosigkeit im Hinblick auf ausdrücklich gesetzlich normierte oder als selbstverständlich anzusehende Berufspflichten die begründete Befürchtung zulässt, ähnlich sorg- bzw. bedenkenlos werde der Betreffende auch zukünftig im Hinblick auf Berufspflichten verfahren. Zwar versteht es sich in diesem Zusammenhang von selbst, dass der sorg- bzw. bedenkenlose Umgang mit Grundpflichten eines Apothekers im Vordergrund stehen muss und am ehesten zu einem Widerruf einer Approbation führt. Dies schließt aber keineswegs aus, dass beispielsweise Handlungen, die auf einen übersteigerten Erwerbssinn schließen lassen, wie dies bei Abrechnungsbetrügereien der Fall sein kann, nicht nur die Erwartung rechtfertigen können, auch das zukünftige Verhalten des Apothekers könnte von solchem falschen Gewinnstreben beeinflusst und gekennzeichnet sein und sich in ähnlichen Vermögensdelikten ausdrücken, sondern auch die begründete Annahme, die insoweit zutage getretene Bedenkenlosigkeit könne auch einmünden in vergleichbar schwerwiegende Verstöße gegen ausdrücklich normierte Pflichten, wie beispielsweise die unzulässige Abgabe von Arzneimitteln.

bb) Hieraus erhellt, dass die Revision unangemessen die Prüfung von vornherein auf die Frage verengt, ob im Streitfall zu besorgen war, der Kläger könne auch zukünftig mit Abrechnungsunregelmäßigkeiten in Erscheinung treten, wogegen es womöglich ausreichend sei, ihm nur die Apotheken-Betriebserlaubnis zu entziehen und damit Abrechnungsunregelmäßigkeiten als selbständiger Apotheker zu verhindern.

Vielmehr setzt im vorliegenden Zusammenhang eine zutreffende Prüfung der Frage, ob im Sinne des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein anderes Mittel als der Widerruf einer Approbation als milderes Mittel zulässig und geeignet ist, berechtigterweise gehegten Befürchtungen zu begegnen, eine Herausarbeitung der gesamten aus dem feststehenden Verhalten ableitbaren Gefährdungslage voraus, die bezüglich aller Teilgefahren und -befürchtungen einer spezifischen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Erst dann, wenn berechtigterweise davon ausgegangen werden kann, dass sich ein anderes Mittel als der Widerruf der Approbation hinsichtlich aller berechtigterweise gehegten Teilbefürchtungen nicht nur als zulässiges und milderes, sondern auch als gleich- oder vergleichbar geeignetes Mittel erweist, ist der Vorwurf gerechtfertigt, der Widerruf einer Approbation sei unverhältnismäßig.

cc) Deshalb ist es im Streitverfahren im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof in seine Prognoseüberlegungen auch Umstände einbezogen und verwertet hat, die sich als Verletzungen von Berufspflichten darstellen können, ohne als betrügerische Falschabrechnungen gegenüber Kassen qualifiziert werden zu müssen. Das kann der Fall sein bei der vom Verwaltungsgerichtshof für maßgeblich gehaltenen Abgabe und entsprechender Abrechnung größerer Arzneimittel-Packungen als verordnet sowie bei der mangelnden Überwachung von Angestellten; beide Verhalten, ihre Erwiesenheit unterstellt, können andere spezifische Befürchtungen rechtfertigen als die dem Kläger im Schwerpunkt vorgehaltene Abrechnung größerer Arzneimittel-Packungen als verordnet und abgegeben.

2. Der unstreitige Sachverhalt sowie die vom Berufungsgericht zulässig festgestellten Tatsachen rechtfertigen nach den vorstehenden Maßstäben die Entziehung der Approbation des Klägers. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass zum einen das Berufungsurteil von einer nicht unwesentlich veränderten belegten Tatsachengrundlage im Vergleich zu den Annahmen des Widerrufsbescheids ausgeht und zum anderen ein Teil der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Tatsachengrundlage gebildeten Überzeugung unzulässig zustande gekommen ist.

a) Allerdings ist die tatsächliche Grundlage, auf die das Berufungsurteil des Jahres 2000 gründet, eine nicht unwesentlich andere als die im Widerspruchsbescheid des Jahres 1995 zugrunde gelegte. Bescheid und Widerspruchsbescheid sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass die durch den Strafbefehl des Jahres 1994 abgeurteilten Taten nur "die Spitze des Eisbergs" seien. Von einem kriminellen Abrechnungsverhalten "im mittleren Bereich" könne nicht mehr die Rede sein, weil der Schaden, der insbesondere der AOK zugefügt worden sei, zumindest 150 000 DM betrage und für die Behörde feststehe, dass der Kläger - beginnend im Jahre 1991 - über mehrere Jahre Abrechnungsbetrügereien gegenüber Krankenkassen begangen habe. Dagegen lässt das Berufungsurteil dahinstehen, ob der Kläger einen Schaden von insgesamt über 20 000 DM verursacht hat, der zudem auch nicht durchgängig auf bewussten (kriminellen) Falschabrechnungen beruhen müsse, sondern auch auf sonstige Abrechnungsunregelmäßigkeiten (mehr oder minder fahrlässige bzw. vorsätzliche "Falschtaxierungen") zurückzuführen sein könne.

Die Abweichung der vom Berufungsgericht festgestellten von den in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Tatsachen stellt die Rechtmäßigkeit des Berufungsurteils jedoch nicht in Frage. Das Merkmal der Unzuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnet. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist daher die Frage, ob die im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung festgestellten Tatsachen die rechtlichen Kriterien der Unzuverlässigkeit erfüllen. Das ist hier der Fall.

b) Freilich hat der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Bezug auf den vom Kläger verursachten Mindestschaden einen rechtlich beachtlichen Fehler begangen, wie die Revision zu Recht rügt, so dass das Bundesverwaltungsgericht an diese getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist. Im Hinblick auf die übrigen entscheidungstragenden tatsächlichen Annahmen des Berufungsurteils sind indessen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht.

aa) Die Gründe des Berufungsurteils lassen nicht die Bewertung zu, dass der Verwaltungsgerichtshof gleich dem Verwaltungsgericht bereits die strafrechtlich geahndeten Handlungen des Klägers als für den Widerruf der Approbation ausreichend angesehen hätte; vielmehr lässt der Begründungszusammenhang nur die Annahme zu, dem Verwaltungsgerichtshof sei es entscheidend auch um den vom Kläger verursachten Gesamtschaden von ca. 20 000 DM gegangen, welcher erheblich über der strafrechtlich geahndeten Schadenssumme von ca. 1 000 DM liegt. Deshalb kann die Rüge der Revision, der Verwaltungsgerichtshof habe aus den vom Kläger abgeschlossenen gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen mit Krankenkassen nicht auf eine tatsächlich verursachte Schadenssumme von mindestens 20 000 DM schließen dürfen, nicht als entscheidungsunerheblich unbeschieden bleiben. Diese Rüge ist auch begründet:

(1) Den Gründen des Berufungsurteils ist die Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs zu entnehmen, Behörden und Gerichte dürften die mit dem Kläger ausgehandelten Vergleichssummen als Belege für tatsächlich vorgekommene Schädigungen heranziehen und bewerten; gerade im Streitverfahren seien die vorgekommenen Vergleichsabschlüsse plausibel nur so zu erklären, dass der Kläger befürchtet habe, eine weitere Sachaufklärung könne einen noch höheren Schaden der Kassen belegen.

(2) Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, ob und inwieweit der Verwaltungsgerichtshof insoweit von (allgemeinen oder besonderen) Erfahrungssätzen oder Beweiswürdigungsregeln ausgegangen ist oder geglaubt hat, sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu halten. Sollte der Verwaltungsgerichtshof insoweit einen allgemeinen Erfahrungssatz angenommen haben, könnte ein solcher jedenfalls nicht anerkannt werden, weil er mit den rechtlichen Grundlagen eines Vergleichs, zumal eines gerichtlichen Vergleichs, sowie dessen rechtlicher Bedeutung nicht übereinstimmen würde.

Unabhängig davon, ob und inwieweit in der jeweiligen Prozessordnung die Voraussetzungen eines gerichtlichen Vergleichs geregelt sind oder nicht, sind gerichtliche Vergleiche dadurch gekennzeichnet, dass sie Ausdruck - erstens - eines gegenseitigen Nachgebens und - zweitens - eines beiderseitigen Verzichts auf eine der Rechtskraft fähige Entscheidung sind (vgl. lediglich BGHZ 39, 60 <63>). Soweit ein Vergleich - wie im Streitfall - einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, ist er Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und insoweit Urteilsersatz (vgl. für das sozialgerichtliche Verfahren: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 101 Rn. 11 f.), nicht aber in Bezug auf die anderen Wirkungen eines Urteils, weil er der Rechtskraft fähige materielle Feststellungen über die verglichene Sache gerade nicht trifft (vgl. Jauernig, Zivilprozessrecht, 27. Auflage, § 48 V). Mit anderen Worten steht aufgrund des vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleichs des Klägers mit der AOK lediglich fest, dass der Kläger der Kasse einen Betrag von 15 000 DM (nicht mehr und nicht weniger) zu leisten hat(te), nicht aber worin der Rechtsgrund für diese Verpflichtung zu sehen ist. Entsprechendes - mit Ausnahme des Aspekts des Titels - gilt für die außergerichtlichen Vergleiche des Klägers mit zwei anderen Kassen.

Diese rechtlich bedingten Grenzen der Auslegung gerichtlicher und außergerichtlicher Vergleiche sowie der Ermittlung ihres Bedeutungsgehalts dürfen nicht durch Annahmen überschritten bzw. relativiert werden, wie sie der Verwaltungsgerichtshof gebildet und verlautbart hat.

Statt dessen hätte der Verwaltungsgerichtshof bezüglich der abgeschlossenen Vergleiche zugunsten des Klägers von der für diesen günstigsten Möglichkeit ausgehen müssen, der Kläger habe sich zu den Leistungen verpflichtet, obgleich diesen kein materiell berechtigter Anspruch zugrunde gelegen habe, etwa mit der Erwägung, der Abschluss der Verfahren und das Freisein von weiterer Ungewissheit sei ihm dieses Opfer wert.

bb) Unbegründet sind dagegen die Revisionsrügen, die im Zusammenhang mit den tatsächlichen und rechtlichen Herleitungen aus dem Strafbefehl durch den Verwaltungsgerichtshof stehen.

(1) Allerdings ist ein Strafbefehl kein im ordentlichen Strafverfahren ergehendes Urteil, sondern eine in einem besonders geregelten summarischen Verfahren getroffene richterliche Entscheidung. Weil das Strafbefehlsverfahren vornehmlich der Vereinfachung und Beschleunigung dient, kann ein Strafbefehl regelmäßig nicht das Maß an Ergebnissicherheit bieten wie ein Urteil (vgl. Urteil vom 8. Juni 2000 - BVerwG 2 C 20.99 - Buchholz 237.7 § 51 Nr. 1 NWLBG). Die in einem Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen Feststellungen vermögen deswegen keine Bindungswirkung etwa für ein Disziplinarverfahren zu erzeugen (Beschluss vom 21. Februar 2002 - 2 WD 40.01 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 37 = DokBer B 2002, 189).

Weil der Strafbefehl jedoch aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Gericht (§§ 407, 408 StPO) ergeht, einen strafrechtlichen Schuldspruch enthält sowie eine strafrechtliche Rechtsfolge gegen den Beschuldigten festsetzt und - erhebt der Beschuldigte nicht rechtzeitig Einspruch oder nimmt einen Einspruch zurück - gemäß § 410 Abs. 3 StPO die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils erlangen kann (vgl. BGHSt 29, 305 <307>), entspricht es gleichwohl ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1994 - BVerwG 1 C 31.92 - BVerwGE 97, 245 <248 ff.> m.w.N.), dass namentlich im Ordnungsrecht die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (vgl. Beschluss vom 12. Januar 1977 - BVerwG VII B 190.76 - Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 51 S. 45). Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat auch für die Zusammenhänge von Approbations-Widerrufen.

(2) Vor diesem Hintergrund ist es - erstens - nicht zu beanstanden, dass das Berufungsurteil die im Strafbefehl geahndeten Handlungen des Klägers für belegt hält, und sind - zweitens - die Rügen der Revision nicht geeignet, gewichtige

Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der getroffenen Feststellungen aufzuzeigen.

Zur Begründung der entsprechenden Rügen führt die Revision - vergleichbar dem Vorbringen vor den Tatsachengerichten - aus, zwar sei die strafgerichtliche Verurteilung in einigen Fällen zu Recht erfolgt, überwiegend jedoch nicht, weil einige der ihm vorgehaltenen Abrechnungsunregelmäßigkeiten teils überhaupt nicht und teils nicht vorsätzlich von ihm begangen worden seien; der Kläger habe jedoch auf anwaltlichen Rat und um ein weiteres durch strafrechtliche Ermittlungen hervorgerufenes Aufsehen zu vermeiden den Strafbefehl akzeptiert. Damit sind jedoch keine Gründe dargelegt, die im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO den erkennenden Senat berechtigen, seiner Beurteilung nicht die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen zugrunde zu legen. Denn einerseits hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung des Strafbefehls zutreffend darauf abgehoben, dass dieser auf einem ausdrücklichen Geständnis des Klägers basierte. Zum anderen hat der Kläger keinerlei nachprüfbare Umstände dargelegt, die die Unrichtigkeit der im Strafbefehl getroffenen Feststellungen belegen könnten. Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof ohne Rechtsverstoß die im Strafbefehl aufgeführten Handlungen für erwiesen und als regelmäßig vorsätzlich begangen erachtet.

c) Zur Überzeugung des erkennenden Senats rechtfertigen die unstreitigen bzw. nach den vorstehenden Darlegungen bedenkenfrei im Berufungsurteil festgestellten Tatsachen die Bewertung der zum Approbations-Widerruf berechtigenden Unzuverlässigkeit des Klägers als Apotheker.

aa) Dem Kläger durfte hiernach zu Recht vorgehalten werden, in einer verhältnismäßig sehr kurzen Zeit (laut Strafbefehl im Dezember 1993 sowie Januar 1994) ca. 70 Vergehen des Betrugs zu Lasten der AOK begangen zu haben. Wenngleich die jeweiligen Einzelschäden als eher gering und auch der Gesamtschaden von ca. 1 000 DM als nicht besonders erheblich bezeichnet werden müssen, lassen zum einen die Häufung der Taten in kurzer Zeit und zum anderen der unstreitige bzw. gerichtsbekannte Umstand, dass zur damaligen Zeit den betrogenen Kassen kaum zureichende Mittel zur Verfügung standen, entsprechende Unregelmäßigkeiten zeitnah aufzudecken, die Bewertung zu, dass sich der Kläger bedenkenlos und ohne ein großes Risiko des Entdecktwerdens über die selbstverständliche Berufspflicht erhoben hat, nicht die Solidargemeinschaft der Versicherten zum eigenen Vorteil zu schädigen.

Es widerspräche zudem allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit anzunehmen, solche und ähnliche Unregelmäßigkeiten hätten sich ausschließlich in den beiden vorgenannten Monaten ereignet. Dementsprechend enthält der Strafbefehl auch die Aussage, der Kläger habe spätestens zu Beginn des Jahres 1993 den generellen Entschluss gefasst, in seiner Apotheke von Kunden eingereichte Rezeptformulare gegenüber der AOK falsch abzurechnen, wobei er jeweils so vorgegangen sei, dass den Kunden kleinere Packungen ausgehändigt, gegenüber der AOK aber größere Packungen abgerechnet worden seien. Diese Feststellungen stehen zudem in Übereinstimmung mit den Einlassungen des Klägers, über einen längeren Zeitraum als in den vorbenannten zwei Monaten in der vorbeschriebenen Weise vorgegangen zu sein.

bb) Es kommt hinzu, dass der Kläger auch eingeräumt hat, in einer unbestimmten Anzahl von Fällen fahrlässig falsch abgerechnet zu haben, wobei er hierfür verschiedene und zum Teil sogar einigermaßen nachvollziehbare Erklärungen vorgebracht hat. Mit dem Verwaltungsgerichtshof ist der erkennende Senat der Überzeugung, dass auch eine Vielzahl fahrlässig begangener Falschabrechnungen im Zusammenwirken mit anderen Unregelmäßigkeiten den Vorwurf der Unzuverlässigkeit eines Apothekers begründen kann.

Deshalb ist im Streitfall die der Sache nach vom Verwaltungsgerichtshof gebildete Annahme gerechtfertigt, gerade in der in Rede stehenden Zeit, in der Kassen nur unzureichende Möglichkeiten zu Gebote standen, Abrechnungsunregelmäßigkeiten aufzudecken, seien die Kassen und die hinter ihnen stehenden Versicherten in besonderer Weise darauf angewiesen gewesen, den Angaben von Apothekern vertrauen zu können, die im Zusammenhang der Abrechnungen von Leistungen gemacht worden sind, weshalb auch die Enttäuschung dieses Vertrauens durch fahrlässiges Handeln rechtlich beachtlich ist.

cc) Schließlich durfte als ein das Bild der Unzuverlässigkeit abrundender Teilaspekt auch verwertet werden, dass der Kläger in Abweichung von ärztlichen Verordnungen eigenmächtig größere Arzneimittel-Packungen abgegeben und diese abgerechnet hat. Wenngleich die in den Urteilsgründen enthaltene Darlegung, es sei einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass hierdurch keine Gesundheitsgefährdungen hervorgerufen worden seien, ohne zureichende tatsächliche und rechtliche Grundlage ist, teilt der erkennende Senat die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass auch ein solches Verhalten auf eine allgemeine Sorglosigkeit, wenn nicht sogar Gleichgültigkeit des Klägers im Umgang mit seinen Berufspflichten hindeutet. Dies gilt umso mehr, als das Verbot der Abgabe größerer Mengen von Arzneimitteln als verordnet keine bloße Nebensächlichkeit darstellt. Es ist Ausdruck der Tatsache, dass die Verantwortung für die Therapie primär beim behandelnden Arzt liegt, wozu auch die Entscheidung über Umfang und Dauer der Medikamentierung gehört. Ein Verstoß des Apothekers stellt also eine eindeutige Grenzüberschreitung dar. Aus dem entsprechenden Verhalten des Klägers durften daher zu Recht ungünstige prognostische Erwägungen abgeleitet werden.

d) Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass im Streitfall ein Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis allein ein zwar zulässiges und aus der Sicht des Klägers milderes, aber gerade kein gleich oder vergleichbar geeignetes Mittel dargestellt hätte.

Die dargelegte Sorg- und Bedenkenlosigkeit des Klägers im Umgang mit Berufspflichten drohte sich in allen Zusammenhängen auszuwirken, die mit den Berufsbildern von approbierten Apothekern verbunden sind, und zwar unabhängig davon, ob der Kläger als selbständiger oder als unselbständiger Apotheker tätig sein würde. Ein Apotheker, der sich entweder aus übersteigertem Gewinnstreben, aus Existenznot oder auch aus schlichter Gleichgültigkeit in erheblichem Umfang über Berufspflichten hinweggesetzt hat, ist aller Erfahrung nach regelmäßig entweder nicht willens oder nicht in der Lage, diesen sorg- bzw. bedenkenlosen Umgang allein deswegen zuverlässig abzustellen, weil ihm durch den Entzug einer Apothekenbetriebserlaubnis die Folgen seines Tuns drastisch vor Augen geführt worden sind. Insbesondere trifft die Annahme der Revision nicht zu, als angestellter Apotheker wäre dem Kläger gar keine Möglichkeit zu gravierenden Pflichtverletzungen geblieben. Dies trifft schon für den Abrechnungsbereich nicht zu. Der Umfang der vorgekommenen Pflichtverletzungen gab darüber hinaus im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung Anlass zu der Befürchtung, der Kläger werde auch im Übrigen künftig die einem Apotheker obliegenden Pflichten nicht in der gebotenen Weise erfüllen.

e) Zwar dürfen die dem Kläger zu Recht vorgehaltenen Handlungen nicht zu einem lebenslangen Berufsverbot führen, weil dies eine übermäßige Folge im Sinne der vorstehenden Darlegungen wäre. Das bedarf schon deshalb keiner weiteren Ausführungen, weil der Beklagte bereits im Verlaufe des tatsachengerichtlichen Verfahrens für den Fall der Akzeptanz des in Rede stehenden Widerrufs die Wiedererteilung der Approbation angeboten hatte und kein vernünftiger Grund ersichtlich ist, weshalb dem Kläger heute die Wiedererteilung der Approbation verweigert werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 30 677,51 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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