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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 38.05
Rechtsgebiete: AusglLeistG
Vorschriften:
AusglLeistG § 1 Abs. 4 |
Die zu einem Unternehmen vorliegenden Informationen sind im Lichte der allgemeinkundigen zeithistorischen Erkenntnisse zur damaligen Situation von Zwangsarbeitern sowie Kriegs- und Strafgefangenen zu würdigen.
Eine Verletzung der Kriegsgefangenenkonventionen dadurch, dass in einem Rüstungsbetrieb Kriegsgefangene auch zu Arbeiten eingesetzt wurden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Kriegshandlungen standen, begründet nicht zugleich einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit.
Der Einsatz von Zwangsarbeitern sowie von Kriegs- und Strafgefangenen in einem Unternehmen und dadurch erzielte Gewinne stellen noch keinen Missbrauch der Stellung als Unternehmensverantwortlicher zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil Anderer dar.
Die Herstellung von Rüstungsgütern ist nicht als erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zu werten.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 3 C 38.05
Verkündet am 28. Februar 2007
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Ausgleichsleistung für die entschädigungslose Enteignung eines Grundstücks auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Sie wird ihr von der Beklagten verweigert, weil der frühere Eigentümer des Grundstücks einen Ausschlusstatbestand verwirklicht habe.
Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks war bis zu seinem Tod im Mai 1946 der Schwiegervater der Klägerin. Er wurde von seiner Ehefrau und seinem Sohn beerbt. Alleinerbe seiner Mutter wurde nach deren Tod im November 1992 ebenfalls der Sohn; dessen Alleinerbin wurde 1996 seine Ehefrau, die Klägerin.
Der Schwiegervater der Klägerin, der 1937 NSDAP-Mitglied wurde, war Vorstandsmitglied und Betriebsleiter der E.-AG. Das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in H. hatte, stellte u.a. Funk- und Funkmessgeräte für die Luftwaffe her. In den Werken des Unternehmens wurden während des Zweiten Weltkriegs auch Straf- und Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter beschäftigt. Der Schwiegervater der Klägerin wurde im Mai 1946 von den Sowjets wegen angeblicher Sabotage ohne Gerichtsverfahren hingerichtet.
Das Grundstück wurde auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 124 sequestriert und gemäß dem Beschluss der Deutschen Wirtschaftskommission vom 21. September 1948 entschädigungslos in Volkseigentum überführt.
Der Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks wurde auf der Grundlage von § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG bestandskräftig abgelehnt.
Den hier verfolgten Antrag auf Gewährung von Ausgleichsleistungen lehnte der Landkreis Sächsische Schweiz mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 ab. Dazu heißt es: Maßgeblich für die Unwürdigkeit nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG sei die Zugehörigkeit zur Gruppe der Hauptschuldigen oder Belasteten im Sinne der Kontrollratsdirektive Nr. 38. Der Schwiegervater der Klägerin habe durch seine Tätigkeit als Betriebsführer und Vorstandsvorsitzender, die zu einer erheblichen Ausweitung der Rüstungsproduktion geführt habe, dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet. Der Einsatz von Arbeitskräften aus den besetzten Gebieten und von Kriegsgefangenen sowie sein großes Engagement für den Einsatz von Strafgefangenen stützten diese Einschätzung.
Den Widerspruch der Klägerin wies das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 9. Juli 2003 zurück. Zur Begründung heißt es: Es liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit vor. Der Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern erfülle diesen Ausschlussgrund, wenn weitere Anhaltspunkte, wie die Anforderung von Zwangsarbeitern durch das Unternehmen, deren Einsatz in der Rüstungsproduktion oder eine menschenunwürdige Behandlung hinzukämen. Bei der E.-AG sei eine Vielzahl von Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und Häftlingen aus Gefängnissen beschäftigt worden, die das Unternehmen teilweise selbst angefordert habe. Mit der Rüstungsproduktion seien erhebliche Gewinne erzielt worden. Der Schwiegervater der Klägerin habe dem nationalsozialistischen System auch erheblichen Vorschub geleistet. Nach der Kontrollratsdirektive Nr. 38 sei er wegen seiner Tätigkeit als Unternehmer in der für das nationalsozialistische System besonders bedeutsamen Rüstungsindustrie als Belasteter einzustufen. Durch das Engagement für die Rüstungsproduktion bereits seit 1933 und seinen persönlichen Einsatz für die Beschäftigung und Ausbeutung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen, Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeitskräften habe er sich nicht nur gelegentlich, sondern über einen längeren Zeitraum für eine Festigung des NS-Systems eingesetzt.
Das Verwaltungsgericht Dresden hat die Bescheide mit Urteil vom 25. Januar 2005 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass der Klägerin dem Grunde nach eine Ausgleichsleistung zusteht. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG seien nicht nachgewiesen; dies gehe zu Lasten der Beklagten. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit könne nur bei einer sich jedermann aufdrängenden nachhaltigen Verletzung der Menschenwürde in ihrem Kernbestand angenommen werden. Voraussetzung sei in der Regel eine besonders unmenschliche Verletzung des Rechts, bei der zu der Rechtsverletzung noch eine besondere Menschenverachtung, Grausamkeit oder gezielte Erniedrigung von Menschen zum bloßen Objekt hinzukomme. Die Beschäftigung von Straf- und Kriegsgefangenen sowie Zwangsarbeitern an sich erfülle diesen Tatbestand (noch) nicht. Eine Misshandlung, die eine andere Beurteilung nahelegen könne, sei dem Schwiegervater der Klägerin nicht nachgewiesen. Selbst die Enteignungsunterlagen aus der Besatzungszeit enthielten einen solchen Vorwurf nicht. Die Klägerin habe mehrere Gesprächsniederschriften von ehemaligen Werksangehörigen beigebracht, aus denen sich ergebe, dass er die Beschäftigten ausnahmslos anständig behandelt habe. Abgesehen davon fehle es an dem erforderlichen Bezug zum System des Nationalsozialismus. Ebenso wenig sei nachgewiesen, dass der Schwiegervater der Klägerin dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet habe. Ein solches Vorschubleisten sei regelmäßig jedenfalls zu vermuten, wenn jemand zu den Hauptschuldigen oder Belasteten im Sinne der Kontrollratsdirektive Nr. 38 zu rechnen sei. Das sei aber nicht schon wegen der NSDAP-Mitgliedschaft und der Tätigkeit als Vorstandsmitglied eines rüstungswichtigen Betriebs der Fall. Diese Umstände führten nach der Kontrollratsdirektive nur dazu, dass sorgfältig zu prüfen sei. Die Stellung als Vorstandsmitglied habe dem Schwiegervater der Klägerin kein Mitspracherecht in Fragen der allgemeinen politischen Entwicklung und keinen Einfluss auf die Entscheidung wirtschaftspolitischer Fragen verschafft. Er habe möglicherweise dazu beigetragen, einen rüstungswichtigen Betrieb zu leiten und zu fördern; das politische System als solches habe er dadurch allenfalls mittelbar gefördert. Für den eng auszulegenden Ausschlusstatbestand in § 1 Abs. 4 AusglLeistG genüge das nicht.
Zur Begründung ihrer Revision macht die Beklagte geltend: Das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, da es die Dokumentation "Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus" nicht berücksichtigt habe. Daraus hätten sich Hinweise auf die Anforderung von KZ-Häftlingen durch das Unternehmen und Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung ergeben. Es sei nicht zu erkennen, worauf das Verwaltungsgericht seine Behauptung stütze, dass die Beschäftigung von Straf- und Kriegsgefangenen sowie von Zwangsarbeitern an sich noch kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit sei. Das verletze den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO). Die Beschäftigung von Kriegsgefangenen mit Arbeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit militärischen Operationen stünden, verstoße gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907 und damit zugleich gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit. Allgemein bekannter Stand der Forschung sei, dass die Mehrheit der ausländischen Zwangsarbeiter, insbesondere die sog. Ostarbeiter, gegen ihren Willen zum Einsatz im Deutschen Reich gezwungen worden seien und dass sie dort unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt hätten. Ihre Behandlung habe rassistischen Prinzipien unterlegen, Misshandlungen seien systemimmanent gewesen. Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge seien den Unternehmen nur auf Anforderung zugeteilt worden. Deshalb verstoße die Beschäftigung solcher Personen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Die Rüstungsproduktion weise wegen der Lebensraumpolitik der Nationalsozialisten den erforderlichen Systembezug auf. Auch der Ausschlussgrund des erheblichen Vorschubleistens sei erfüllt, da jeder Rüstungsbetrieb in erheblicher Weise das System des Nationalsozialismus gestützt habe.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Sie macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Es habe nicht berücksichtigt, dass das Unternehmen im Haftstättenverzeichnis des Internationalen Suchdienstes (ITS) als Beschäftigungsstelle für ein Außenkommando des Konzentrationslagers Flossenbürg genannt werde. Dies decke sich mit dem Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos in der Anlage zur Sechsten Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes. Anlass zur Sachaufklärung hätte außerdem das Gedenkstättenverzeichnis für die Opfer des Nationalsozialismus geben müssen. Dort werde ausgeführt, dass es in H. ein Massengrab für Kriegsgefangene und Häftlinge gebe. Darüber hinaus hätten das einschlägige zeithistorische Schrifttum und die im Sächsischen Hauptstaatsarchiv und im Bundesarchiv verwahrten Unterlagen zur E.-AG einbezogen werden müssen. Danach habe der Schwiegervater der Klägerin das Unternehmen zum Rüstungsbetrieb umgestaltet, seit 1942 habe es 100 % des Umsatzes durch Rüstungsaufträge erzielt. Während des Zweiten Weltkriegs seien Umsätze und Gewinne fulminant gewachsen. Zur Aufrechterhaltung der Produktion habe sich das Unternehmen entschlossen, auch KZ-Häftlinge einzusetzen. Es stehe nicht mit Sicherheit fest, ob die angeforderten 500 jüdischen Ungarinnen dort eingetroffen seien, doch habe auch eine unbekannte Anzahl von Häftlingen eines Außenkommandos in Z. für das Unternehmen arbeiten müssen. Die Beschäftigung von KZ-Häftlingen verstoße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit, ebenso der Einsatz der sonstigen Zwangsarbeiter. Insbesondere die Arbeiter aus Osteuropa seien gegen ihren Willen zum Einsatz gezwungen worden, hätten unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt und seien bis an die Grenze des physisch Leistbaren und darüber hinaus ausgebeutet worden. Das Verwaltungsgericht habe die zeithistorischen Erkenntnisse zur allgemeinen Lage der zwangsweise Beschäftigten übergangen und daher seine Entscheidung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis getroffen. Es habe sich nicht auf die von der Klägerin beigebrachten Unterlagen beschränken dürfen, sondern deren Vereinbarkeit mit zeitgeschichtlichen Erkenntnissen überprüfen müssen. Die Kriegsgefangenen seien gezwungen worden, Rüstungsgüter herzustellen, die auch gegen ihre jeweiligen Heimatstaaten zum Einsatz gekommen seien. Darin liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit, zu denen das Völkerrecht, insbesondere Art. 6 der Anlage zum Haager Abkommen von 1907 gehörten. Seien - wie hier - durch die Beschäftigung von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Häftlingen massive Gewinne erzielt worden, liege außerdem der Ausschlussgrund des schwerwiegenden Missbrauchs der Stellung zum eigenen Vorteil und zum Nachteil Anderer vor. Schließlich falle dem Schwiegervater der Klägerin ein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems zur Last. Der massenhafte Einsatz von Zwangsarbeitern und deren Ausbeutung habe zu den Stützpfeilern des NS-Systems gezählt. Die Mitverantwortung der Unternehmer beginne spätestens da, wo sie die bestehenden Spielräume, ob und in welchem Umfang sie Rüstungsproduktion betrieben, nicht genutzt hätten.
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts steht im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG erhalten natürliche Personen, die Vermögenswerte im Sinne des § 2 Abs. 2 des Vermögensgesetzes durch entschädigungslose Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) verloren haben, oder ihre Erben oder weiteren Erben (Erbeserben) eine Ausgleichsleistung nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war das hier in Rede stehende Grundstück Gegenstand einer solchen entschädigungslosen Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage. Es stand zum Zeitpunkt der Enteignung im Jahr 1948 nicht mehr im Eigentum des Schwiegervaters der Klägerin, der bereits 1946 von den Sowjets hingerichtet worden war, sondern war Eigentum seiner Frau und seines Sohnes. Die Klägerin ist jedoch auch deren Erbin und kann daher - vorbehaltlich eines Anspruchsausschlusses nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG - einen Anspruch auf Ausgleichsleistung geltend machen.
2. Gemäß § 1 Abs. 4 AusglLeistG werden Leistungen nach diesem Gesetz nicht gewährt, wenn der nach den Absätzen 1 und 2 Berechtigte oder derjenige, von dem er seine Rechte ableitet, oder das enteignete Unternehmen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen, in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil Anderer missbraucht oder dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat.
Unmittelbar geschädigt durch die entschädigungslose Enteignung wurde nicht der zum Zeitpunkt der Enteignung bereits verstorbene Schwiegervater der Klägerin, sie traf vielmehr bereits seine Erben. Er ist gleichwohl deshalb in die Prüfung der Ausschlusstatbestände einzubeziehen, weil die Enteignung mit seiner Tätigkeit als Betriebsleiter und Vorstandsmitglied eines Rüstungsbetriebes begründet wurde und daher gegen ihn gerichtet war (vgl. Urteile vom 24. Februar 2005 - BVerwG 3 C 16.04 - und vom 23. Februar 2006 - BVerwG 3 C 22.05 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 4 und 6).
Der enteignete Vermögenswert gehörte zum Privat-, nicht aber zum Firmenvermögen. Daher kommt es in erster Linie darauf an, ob der Schwiegervater der Klägerin selbst einen der Ausschlusstatbestände erfüllt hat. In die nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorzunehmende Würdigkeitsprüfung ist sein Verhalten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens einzubeziehen. In beiden Fällen erstreckt sich ein Ausschluss auch auf Ansprüche auf Ausgleichsleistung wegen der Enteignung von Privatvermögen. Bei einem Unternehmensverantwortlichen kann jedoch nicht nur eigenes Handeln zu einem Anspruchsausschluss führen. Auch wenn Dritte für das Unternehmen gehandelt haben, kann er von einem Anspruch auf Ausgleichsleistung ausgeschlossen werden. Hierzu kommt es dann, wenn ihm das Handeln dieser Dritten wegen seiner leitenden Stellung im Unternehmen zuzurechnen ist. Eine solche Zurechenbarkeit kann sich etwa daraus ergeben, dass eine zum Anspruchsausschluss führende menschenunwürdige Behandlung von im Unternehmen Beschäftigten auf betriebsinterne Anweisungen zurückzuführen ist, die der Unternehmensverantwortliche selbst erlassen oder mitbeschlossen hat. Außerdem resultieren aus einer Leitungsfunktion im Unternehmen, wie hier als Betriebsleiter und Vorstandsmitglied, Aufsichts- und Überwachungspflichten gegenüber dem nachgeordneten Personal sowie eine Verpflichtung zum Einschreiten, soweit dem Unternehmensverantwortlichen Missstände bekannt geworden sind. Solche Pflichten bestanden insbesondere auch gegenüber Firmenmitarbeitern, die für die im Unternehmen eingesetzten Zwangsarbeiter sowie Kriegs- und Strafgefangenen zuständig waren. Verletzt der Unternehmensverantwortliche diese Aufsichts- und Kontrollpflichten in vorwerfbarer Weise, ist ihm auch das einen Ausschlusstatbestand erfüllende Handeln der Firmenmitarbeiter, also etwa eine Misshandlung von Zwangsarbeitern, zuzurechnen. Ein sich aus dieser Zurechnung ergebender Anspruchsausschluss erfasst auch Ausgleichsleistungen für enteignetes Privatvermögen.
Dagegen folgt die Relevanz einer auf das Unternehmen zurückzuführenden Unwürdigkeit nicht schon daraus, dass § 1 Abs. 4 AusglLeistG bei der Angabe derjenigen, die in die Unwürdigkeitsprüfung einzubeziehen sind, auch das enteignete Unternehmen selbst nennt. Dies gilt nämlich schon nach dem Wortlaut nur, soweit Unternehmensvermögen entzogen wurde. Die nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorzunehmende Überprüfung auch des Unternehmens selbst steht in Zusammenhang mit der Erweiterung der Ansprüche auf Ausgleichsleistung in § 1 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG. Danach liegt ein Eingriff auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage auch bei der Enteignung von Vermögen einer Gesellschaft oder einer Genossenschaft vor, wenn diese zu einer Minderung des Wertes der Anteile an der Gesellschaft oder der Geschäftsguthaben der Mitglieder der Genossenschaft geführt hat. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht.
3. Bei seiner Entscheidung ist das Revisionsgericht an die in dem angefochtenen Urteil vom Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Verfahrensrügen vorgebracht sind (§ 137 Abs. 2 VwGO).
a) Eine solche Verfahrensrüge hat die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung vom 9. März 2006 nicht erhoben. In einem vorangegangenen Schriftsatz hat sie allerdings auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde verwiesen, so dass auch eine dort enthaltene Rüge zu berücksichtigen ist. Jedoch wurde im Beschwerdeverfahren der behauptete Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nicht schlüssig dargelegt.
Die Beklagte hat dort gerügt, dass das Verwaltungsgericht eine sich aufdrängende Sachverhaltsaufklärung nicht vorgenommen habe. In der Dokumentation "Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus" werde ausgeführt, es gebe dokumentarische Belege dafür, dass die Betriebsleitung des Unternehmens KZ-Häftlinge angefordert und zugesprochen erhalten habe. Wegen der unmenschlichen Behandlung der Häftlinge in den Konzentrationslagern habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsaufklärung aufdrängen müssen. Entsprechende Beweisanträge hatte die auch erstinstanzlich bereits anwaltlich vertretene Beklagte allerdings nicht gestellt. In der Begründung der Aufklärungsrüge wird nicht dargelegt, weshalb sich dem Verwaltungsgericht eine Heranziehung der Gedenkstätten-Dokumentation gleichwohl hätte aufdrängen müssen. Im Verwaltungsverfahren und den angefochtenen Bescheiden war ebenso wenig wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Einsatz von KZ-Häftlingen behauptet worden. Die dem Verwaltungsgericht vorgelegte Beschäftigtenübersicht hatte ebenfalls nur Zwangsarbeiter sowie Justiz- und Kriegsgefangene, nicht aber KZ-Häftlinge aufgeführt. Auch die nun nachträglich benannte Gedenkstätten-Dokumentation hätte im Übrigen noch nicht weitergeführt. Dort wird eine Anforderung von KZ-Häftlingen zwar erwähnt, aber zugleich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Einsatz dieser KZ-Häftlinge in H. nicht belegt sei. Schließlich fehlen in der Beschwerdebegründung jegliche Angaben dazu, welche Beweismittel dem Verwaltungsgericht, hätte es die Gedenkstätten-Dokumentation beigezogen, für die geforderte weitere Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestanden hätten, nachdem bereits im Verwaltungsverfahren Anfragen an die einschlägigen Archive erfolgt waren. Die Aufklärungsrüge genügt auch deshalb nicht den Darlegungserfordernissen.
b) Dieses Fehlen einer Verfahrensrüge der Beklagten kann die Vertreterin des Bundesinteresses nicht durch eine eigene Rüge ersetzen. Sie sieht einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht das Bundesgesetzblatt und das Haftstättenverzeichnis des Internationalen Suchdienstes (ITS) mit Hinweisen zu einem KZ-Außenkommando in H., das Gedenkstättenverzeichnis des Bundes und zeitgeschichtliche Publikationen sowie im Sächsischen Hauptstaatsarchiv und im Bundesarchiv vorhandene Unterlagen zum Unternehmen nicht berücksichtigt habe.
Die Vertreterin des Bundesinteresses ist insoweit nicht rügebefugt. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann sich der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht außer an Verfahren vor den Wehrdienstsenaten an jedem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beteiligen. Er ist, wenn er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht, gemäß § 63 Nr. 4 VwGO Verfahrensbeteiligter. Nach § 35 Abs. 2 VwGO gibt ihm das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur Äußerung. Diese Rechtsstellung ermächtigt den Vertreter des Bundesinteresses aber nicht, anstelle der Parteien Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Seine Aufgabe besteht - nicht anders, als dies früher beim Oberbundesanwalt der Fall war - darin, als qualifizierte Einrichtung der Rechtspflege das Bundesverwaltungsgericht bei der Rechtsfindung zu unterstützen und im öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des Rechts mitzuwirken (Urteile vom 15. April 1964 - BVerwG 5 C 172.62 - BVerwGE 18, 205 <207> und vom 9. August 1994 - BVerwG 7 C 44.93 - BVerwGE 96, 258 <261>). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war geklärt, dass der Oberbundesanwalt weder zur Einlegung der Revision (Beschluss des Großen Senats vom 24. Oktober 1966 - BVerwG Gr. Sen. 3.65 - BVerwGE 25, 170 <174 f.>) noch der Anschlussrevision (Urteil vom 9. August 1994 a.a.O.) berechtigt war. Zur Begründung wurde unter anderem darauf abgestellt, dass eine aus der Rechtsmittelbefugnis resultierende Rolle als Streithelfer der Verwaltung oder eines anderen Beteiligten seiner eher beratenden, der Objektivität verpflichteten und nicht vom Interesse einer Partei geleiteten Funktion als "unbeteiligter Mittler" widerspräche (Urteil vom 9. August 1994 a.a.O. <262>). Aus diesem Grund verfügte er ebenso wenig über ein eigenes Rügerecht in Bezug auf mögliche Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts. Auch in einem solchen Rügerecht hätte ein Stück Verfügung über den Verfahrensgegenstand gelegen, die ihm grundsätzlich verwehrt war (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 35 Rn. 5). Dagegen sprach auch der Gesichtspunkt der Waffengleichheit, da sich ansonsten eine Partei zwei Prozessgegnern gegenübergesehen hätte, von denen der eine die verfahrensrechtlichen Unterlassungen des anderen hätte überspielen können. Diese Rechtsprechung und die für sie angeführten Gründe sind unverändert auf den zwischenzeitlich an die Stelle des Oberbundesanwalts getretenen Vertreter des Bundesinteresses übertragbar.
Abgesehen davon wäre die Verfahrensrüge der Vertreterin des Bundesinteresses jedenfalls verfristet. Insoweit wäre die 2-Monatsfrist des § 139 Abs. 3 VwGO entsprechend anzuwenden. Der Vertreterin des Bundesinteresses sind der Beschluss über die Zulassung der Revision und die angefochtene Entscheidung am 27. Januar 2006 zugegangen, sie hat den vermeintlichen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen § 86 Abs. 1 VwGO jedoch erst mit ihrem Schriftsatz vom 29. Januar 2007 und damit erst rund ein Jahr nach Zugang geltend gemacht.
4. Die von der Vertreterin des Bundesinteresses im Revisionsverfahren neu vorgetragenen Tatsachen können der Revisionsentscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Sie betreffen die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, außerdem wird neu geltend gemacht, dass es auch zu einer Beschäftigung von KZ-Häftlingen im Unternehmen gekommen sei.
a) Zwar können auch von der Tatsacheninstanz nicht festgestellte Tatsachen berücksichtigt werden, wenn sie allgemeinkundig sind und keines Beweises bedürfen. Insbesondere kann das Revisionsgericht seiner Entscheidung geschichtliche Tatsachen zugrunde legen, die in der Öffentlichkeit als feststehend erachtet werden oder sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 12.00 - BVerwGE 114, 68 <72> m.w.N.). Um solche allgemeinkundigen Tatsachen handelt es sich jedoch bei den von der Vertreterin des Bundesinteresses im Revisionsverfahren vorgetragenen Einzelheiten zu Produktion und Umsätzen der E.-AG während der Kriegsjahre und zur dortigen Beschäftigung von Kriegs- und Strafgefangenen sowie Zwangsarbeitern und - wie nun ergänzt wird - KZ-Häftlingen nicht. Zu allgemeinkundigen und unbestrittenen geschichtlichen Tatsachen werden diese Umstände nicht bereits dadurch, dass sie in als historischen Quellen nutzbaren Dokumenten erwähnt werden. Daraus ergibt sich noch nichts Hinreichendes über den Wahrheitsgehalt der Information. Erst wenn ein Sachverhalt als derart gesichert angesehen werden kann, dass er vernünftigerweise von niemandem mehr in Zweifel gezogen werden kann, liegt darin eine revisionsgerichtlich verwertbare allgemeinkundige Tatsache.
b) Insbesondere konnte für die Revisionsentscheidung nicht davon ausgegangen werden, dass bei der E.-AG auch KZ-Häftlinge beschäftigt wurden.
Soweit sich die Vertreterin des Bundesinteresses für die Annahme, dass es in H. ein Außenkommando des Konzentrationslagers Flossenbürg gegeben habe, auf einen "Auszug aus dem geheimen Vorstandsbericht vom 3. Dezember 1944" beruft, macht nicht bereits dieses Dokument diese Information zu einer allgemeinkundigen unbestrittenen geschichtlichen Tatsache. Zudem wird auch in diesem Bericht lediglich angekündigt, dass KZ-Häftlinge zur Verfügung gestellt würden. Ihm ist nicht zu entnehmen, ob sie im Unternehmen je eingetroffen sind und eingesetzt wurden.
Selbst wenn man in dem Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos in der Anlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Sechsten Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes (2. ÄndV-6. DVO-BEG, BGBl 1977 I S. 1811) eine ausreichende Grundlage für eine allgemeinkundige geschichtliche Tatsache des Inhalts sieht, dass es ein solches Außenlager in H. gab, lässt sich diesem Verzeichnis nicht entnehmen, dass Häftlinge von dem genannten Außenkommando aus gerade bei der E.-AG zum Einsatz kamen; denn ein Unternehmen wird in diesem Verzeichnis nicht genannt.
Aus den von der Vertreterin des Bundesinteresses ebenfalls vorgelegten Verzeichnissen des Internationalen Suchdienstes (ITS) ergibt sich zwar eine Verknüpfung des Außenkommandos H. mit der E.-AG. Allerdings ist - wie auch die Vertreterin des Bundesinteresses einräumt - nicht geklärt, ob Häftlinge in dem Außenlager eingetroffen sind. Erste Zweifel ergeben sich schon daraus, dass in den ITS-Verzeichnissen gerade für H. die sonst üblichen Angaben zur Einsatzstärke sowie zur Eröffnung und Schließung des Außenkommandos fehlen. Ein Historiker der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg geht, wie die Vertreterin des Bundesinteresses selbst mitteilt, davon aus, dass die Häftlinge bis Kriegsende aufgrund der zunehmend chaotischen Verhältnisse H. nicht erreicht haben. Dies deckt sich mit der Angabe in dem von der Vertreterin des Bundesinteresses in anderem Zusammenhang zitierten Artikel zu Z. im 2006 erschienenen Buch "Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager". Dort wird ausgeführt, dass ein eigenständiges Außenlager in H. geplant gewesen, aber nicht mehr zur Ausführung gekommen sei (a.a.O. Band 4 S. 278). Auch Brenner (Der "Arbeitseinsatz" der KZ-Häftlinge in den Außenlagern des Konzentrationslagers Flossenbürg - ein Überblick, in: Herbert u.a., Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, 1998) teilt mit, dass bislang nicht geklärt sei, ob in dem Unternehmen noch 500 weibliche KZ-Häftlinge eingesetzt wurden (a.a.O. S. 698).
Ebenso wenig ist es eine allgemeinkundige geschichtliche Tatsache, dass - wie im Revisionsverfahren von der Vertreterin des Bundesinteresses weiter vorgetragen wurde - jedenfalls KZ-Häftlinge aus einem Außenkommando in Z. bei der E.-AG eingesetzt gewesen seien. In dem von ihr als Beleg herangezogenen Buch "Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager" findet sich zwar die Angabe, dass in H. eine unbekannte Zahl von Häftlingen des Außenlagers Z. für das Unternehmen habe arbeiten müssen (a.a.O. Band 4 S. 278). Doch macht nicht bereits diese Angabe den berichteten Sachverhalt zur allgemeinkundigen geschichtlichen Tatsache, schon weil nicht ersichtlich ist, auf welchen Quellen diese Angabe beruht und wie fundiert sie ist. Im Aufsatz von Brenner (s.o.) wird ein solcher Einsatz von KZ-Häftlingen nicht erwähnt.
Danach ist für die Entscheidung im Revisionsverfahren davon auszugehen, dass bei der E.-AG während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter sowie Kriegs- und Strafgefangene, jedoch keine KZ-Häftlinge beschäftigt wurden.
5. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nicht bereits in der Beschäftigung von Zwangsarbeitern, Kriegs- und Strafgefangenen als solcher gesehen werden kann. Ein solcher Verstoß liegt erst dann vor, wenn sie im Unternehmen menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen unterworfen waren.
a) Ebenso wie für den Ausschlusstatbestand des erheblichen Vorschubleistens (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - BVerwGE 123, 142 <144>) kann auch für den Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit an die Rechtsprechung zu vergleichbaren Ausschlussklauseln angeknüpft werden.
aa) Die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, die wie schon zuvor in anderen Wiedergutmachungsgesetzen auch in § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht näher präzisiert werden, ergeben sich aus dem Sittengesetz und den jeder Rechtsordnung vorgegebenen natürlichen Rechten der Einzelperson, die auch in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Geltung geblieben sind. Zur Konkretisierung kann der Katalog der Menschenrechte in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 685, 953) herangezogen werden (Urteil vom 23. September 1957 - BVerwG 5 C 488.56 - Buchholz 412.3 § 3 BVFG Nr. 1). Anhaltspunkte für die rückschauende Betrachtung, ob ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzunehmen ist, gibt auch Art. 1 Abs. 2 GG. Dort wird auf die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt verwiesen. Hierzu zählt allerdings nicht jedes, etwa in internationalen Konventionen niedergelegte Menschenrecht, sondern nur ein unverzichtbarer Kern (vgl. etwa Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog, GG <Erstbearbeitung 1958>, Art. 1 GG Rn. 58). Zu solchen allgemein anerkannten und unveräußerlichen Menschenrechten gehört vor allem, aber nicht nur, das Recht jedes Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf eine menschenwürdige Behandlung. Dieses Recht vor staatlicher Willkür, auch vor unrechtmäßigen Kriegshandlungen, zu schützen, ist ein Gebot der Menschlichkeit und zugleich der Rechtsstaatlichkeit (Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - BVerwGE 31, 337 <338> m.w.N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 24. November 2005 - B 9a/9 V 8/03 - BSGE 95, 244).
Ausgehend davon erfüllt nicht jedes unter dem Schutz der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft begangene Unrecht diesen Ausschlusstatbestand; es muss sich um eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit gehandelt haben (vgl. Urteil vom 16. Januar 1964 - BVerwG 8 C 60.62 - BVerwGE 19, 1 <3>). Anhaltspunkte hierfür gibt - zumal die Gesetzesbegründung insofern auf die in den westlichen Besatzungszonen geltenden Maßstäbe verweist (BTDrucks 12/4887 S. 38) - Art. II Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes Nr. 10 des Alliierten Kontrollrates über die Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben (Amtsblatt 1946 S. 50). Danach sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit Gewalttaten und Vergehen, einschließlich der folgenden den Tatbestand jedoch nicht erschöpfenden Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung begangene unmenschliche Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, ohne Rücksicht darauf, ob sie das nationale Recht des Landes, in welchem die Handlung begangen wurde, verletzen. Dies entspricht weitestgehend der Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Art. 6 Buchst. b des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof. Danach war der Internationale Militärgerichtshof, der nach dem Londoner Viermächte-Abkommen vom 8. August 1945 zur "Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse" eingerichtet worden war, unter anderem für die Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig, nämlich: Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an irgendeiner Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges, Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, begangen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist, unabhängig, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß, in dem die Handlung begangen wurde.
Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Verhalten durch die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus geltenden Gesetze oder solche obrigkeitlichen Anordnungen oder Befehle, denen nach nationalsozialistischer Ideologie Gesetzesrang zuerkannt wurde, formal erlaubt oder von der Strafverfolgung ausgenommen war (Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. <341> m.w.N.). Es kommt nicht auf die formale Gesetzmäßigkeit, sondern auf den materiellen Unrechtscharakter des Verhaltens an (Urteil vom 16. Januar 1964 - BVerwG 8 C 60.62 - a.a.O. <4>).
bb) Für den entsprechenden Ausschlusstatbestand in anderen Wiedergutmachungsgesetzen ist anerkannt, dass sie auch eine subjektive Komponente in Form eines zurechenbaren, vorwerfbaren - mithin schuldhaften - Verhaltens voraussetzen (BVerfG, Beschluss vom 15. März 1961 - 2 BvL 8/60 - BVerfGE 12, 264 <270> zu § 3 Nr. 3a G 131; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1963 - BVerwG 8 C 67.62 - BVerwGE 15, 336 <339> zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 HHG). Dabei handelt es sich nicht um den strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Verschuldensbegriff; ausreichend ist eine willentliche und wissentliche Mitwirkung an Verstößen gegen die genannten Grundsätze (Urteil vom 18. Oktober 1966 - BVerwG 6 C 80.63 - BVerwGE 25, 128 <135> zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131). Diese ist dann anzunehmen, wenn dem Betroffenen die Tatsachen bekannt waren, aus denen sich der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ergibt, und wenn ihm der Verstoß bewusst war oder bei der ihm zumutbaren Gewissensanspannung hätte bewusst sein müssen und wenn nicht besondere Gründe seine Schuld ausschließen (Urteile vom 26. Januar 1967 - BVerwG 2 C 102.63 - BVerwGE 26, 82 <83 f.>, vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. <342> und vom 18. Dezember 1969 - BVerwG 2 C 37.66 - BVerwGE 34, 331 <341 f.> alle zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131; vgl. auch BSG, Urteil vom 24. November 2005 - B 9a/9 V 8/03 - a.a.O.). Hiervon ist - ebenso wie für die entsprechenden Ausschlusstatbestände im Beruflichen und im Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (Urteile vom 8. März 2002 - BVerwG 3 C 23.01 - BVerwGE 116, 100 <101 f.> und vom 19. Januar 2006 - BVerwG 3 C 11.05 - Buchholz 428.7 § 16 StrRehaG Nr. 2 <S. 6> = ZOV 2006, 178 <180>) - auch für die Anwendung von § 1 Abs. 4 AusglLeistG auszugehen.
cc) Der Ausschlussgrund des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in § 1 Abs. 4 AusglLeistG setzt schließlich einen "Systembezug" im weitesten Sinne voraus. Es genügt ein allgemeiner Zusammenhang mit dem Staats- und Gesellschaftssystem; das Handeln muss in einem öffentlichen Kontext gestanden haben. Daher reichen, wie der 5. Senat bereits zum entsprechenden Ausschlussgrund in § 5 Nr. 1 Buchst. b BVFG entschieden hat (Urteil vom 27. März 2006 - BVerwG 5 C 30.05 - BVerwGE 125, 344), ohne einen solchen Bezug selbst schwerwiegende Straftaten, die der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen sind, nicht aus. Andererseits muss der "Systembezug" beim Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit - schon um diesem Ausschlussgrund einen eigenen Anwendungsbereich gegenüber dem des erheblichen Vorschubleistens zu erhalten - keineswegs dieselbe Ausrichtung und Intensität aufweisen wie beim erheblichen Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems. Dort muss sich die Unterstützung gerade auf dessen spezifische Ziele bezogen haben (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - a.a.O. <146>). Der erforderliche "Systembezug" entfällt nicht schon dann, wenn es entsprechende Verstöße auch in anderen Staaten gegeben hat. Dass etwa auch unter Stalin gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen wurde, kann nicht dazu führen, dass ein solches Handeln unter dem Regime des Nationalsozialismus seine Relevanz für einen Anspruchsausschluss verliert.
dd) Es spricht viel dafür, den Ausschlussgrund des Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit in § 1 Abs. 4 AusglLeistG als Einheit zu verstehen (in diesem Sinne zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131 bereits Urteil vom 19. März 1969 - BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. <338>). Eine Differenzierung bliebe auch folgenlos. Selbst wenn nämlich gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit nur staatliches Handeln verstoßen könnte, so bliebe für privates Handeln - auch eines Wirtschaftsunternehmens -, genügender "Systembezug" im soeben dargestellten Sinne vorausgesetzt, doch ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit möglich.
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts scheidet ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nicht bereits deshalb aus, weil die Beschäftigung von Zwangsarbeitern sowie der Einsatz von Kriegs- und Strafgefangenen durch ein Privatunternehmen nicht den erforderlichen Systembezug aufweist. Ein solcher allgemeiner "Systembezug" ergibt sich zum einen daraus, dass diese Personen ohne ein vorangegangenes dem NS-Staat zuzurechnendes Handeln (Rekrutierung von Zwangsarbeitern bzw. Gefangennahme und Inhaftierung von Kriegs- und Justizgefangenen) schon gar nicht in die Betriebe gelangt wären. Ihr Einsatz dort erfolgte zudem in einer staatlich gelenkten Wirtschaft unter staatlich vorgegebenen Bedingungen und mit staatlicher Einflussnahme. Zum anderen ist im zeithistorischen Schrifttum anerkannt, dass ohne den massiven Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern insbesondere seit 1941, als nach dem Ausbleiben des erwarteten raschen militärischen Erfolges gegen die Sowjetunion eine neue Einberufungswelle deutscher Beschäftigter zur Wehrmacht einsetzte, die deutsche Wirtschaft eingebrochen wäre und damit letztlich auch der Zweite Weltkrieg nicht mehr hätte weitergeführt werden können.
c) Dagegen verstößt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Beschäftigung von Zwangsarbeitern an sich noch nicht den Ausschlusstatbestand eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG erfülle, nicht gegen Bundesrecht.
aa) Der Begriff "Zwangsarbeiter" erfasst eine erhebliche Bandbreite in sich durchaus heterogener Fälle. Die Art und Weise der Rekrutierung sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der größtenteils zwangsweise ins Deutsche Reich verbrachten ausländischen Arbeiter wiesen, wie die einschlägigen zeithistorischen Studien belegen, in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Rekrutierung und des Arbeitseinsatzes und insbesondere von der Nationalität und der Glaubenzugehörigkeit der Betroffenen erhebliche Unterschiede auf (vgl. etwa die unterschiedlichen Fallgruppen bei Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001, S. 9 ff., m.w.N.). So lagen etwa zwischen den Lebens- und Arbeitsbedingungen der zivilen Arbeitskräfte aus den mit dem Deutschen Reich verbündeten Staaten, aber auch denen eines französischen Zivilarbeiters und denen eines sog. Ostarbeiters in der Regel Welten (vgl. etwa Herbert, Fremdarbeiter, Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, 1999, S. 409 ff.). Bereits in den damals geltenden rechtlichen Regelungen, etwa den Polen- und Ostarbeitererlassen, war eine Ungleichbehandlung angelegt und - insbesondere bei den sog. Ostarbeitern - eine bewusste Diskriminierung und Schlechterbehandlung gegenüber anderen Personengruppen vorgesehen. Hinzu kamen teilweise erhebliche Unterschiede in den einzelnen Branchen der Wirtschaft, außerdem war die im konkreten Unternehmen verfolgte Linie von wesentlicher Bedeutung für das Schicksal des Einzelnen. Die Tätigkeit auf einem Bauernhof war in aller Regel nicht mit der Sklavenarbeit zu vergleichen, die beispielsweise bei den Aktionen zu leisten war, mit denen noch kurz vor Kriegsende Rüstungsbetriebe zur Sicherung vor Luftangriffen untertage verlagert werden sollten und die Tausende der dort eingesetzten Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge das Leben gekostet haben (vgl. dazu zum Ganzen auch Heß in: Fremd- und Zwangsarbeit in Sachsen 1939 - 1945, 2002, S. 107 ff. ).
Die Unternehmen hatten bei der Behandlung der bei ihnen eingesetzten Zwangsarbeiter Spielräume, die sich zu deren Gunsten oder zu deren Ungunsten nutzen ließen und die, wie eine Vielzahl von betriebsbezogenen, lokalen und regionalen Fallstudien belegt, durchaus sehr unterschiedlich ausgefüllt wurden (vgl. etwa Spoerer, a.a.O. S. 233 ff.; Herbert, a.a.O. S. 420 ff. jeweils m.w.N.). Das widerlegt zugleich die Behauptung, die Art des Zwangsarbeitereinsatzes sei allein oder auch nur in erster Linie auf die Weisungen der NS-Behörden zurückzuführen (vgl. dazu auch Heß, a.a.O. S. 137). Die bei der Behandlung der Zwangsarbeiter festzustellenden Unterschiede betrafen neben der Ausgestaltung der eigentlichen Arbeitsbedingungen insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Bekleidung, deren Unterkunftsbedingungen und deren medizinische Versorgung. Auch bei den in der Industrie beschäftigten sowjetischen Zwangsarbeitern waren die Unterschiede in der Behandlung und in der Ernährung eklatant, vor allem seit Ende 1942 (vgl. Herbert, Der "Ausländereinsatz" in der deutschen Kriegswirtschaft 1939 - 1945 in: Herbert, Arbeit, Volkstum, Weltanschauung, 1995, S. 121 <127>). Dementsprechend ist auch bei der Anwendung der Ausschlusstatbestände in § 1 Abs. 4 AusglLeistG eine differenzierende Betrachtung angezeigt.
bb) Die Rekrutierung der Zwangsarbeiter in ihren Heimatländern fand, insbesondere bei den Arbeitskräften aus Polen und den sog. Ostarbeitern, vielfach unter menschenverachtenden Umständen statt. Doch kann ein darin liegender Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit regelmäßig nicht den Unternehmen zugerechnet werden, bei denen sie später beschäftigt wurden. Es muss zwischen der meist unter Anwendung von Zwang vorgenommenen und teilweise brutalen Aushebung und Verschleppung der Zwangsarbeiter durch staatliche Stellen oder die SS einerseits und deren späterem Einsatz in Betrieben oder an sonstigen Beschäftigungsstellen (etwa in der Landwirtschaft, bei Kommunen, aber auch in privaten Haushalten) unterschieden werden.
In der zwangsweisen Rekrutierung und Verschleppung der ausländischen Arbeiter ist, wie bereits das Statut des Internationalen Militärgerichtshofes und das Kontrollratsgesetz Nr. 10 nahelegen, regelmäßig ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit zu sehen. Der Internationale Militärgerichtshof führt in seinem Urteil gegen die Hauptkriegsverbrecher unter dem Anklagepunkt Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit neben der Ermordung und Misshandlung von Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung, der Plünderung öffentlichen und privaten Eigentums und der Judenverfolgung auch die Politik der Zwangsarbeit auf. Dabei lag der Schwerpunkt des Vorwurfs auf der zwangsweisen Aushebung und Deportation. Dementsprechend wurde unter anderem Sauckel, der von Hitler im März 1942 zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt worden war, wegen der von ihm zu verantwortenden rücksichtslosen Methoden bei der Rekrutierung dieser Arbeitskräfte im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
Dagegen hatten die späteren Beschäftigungsstellen regelmäßig keinen Einfluss auf die Art und Weise der Rekrutierung von Zwangsarbeitern. Es trifft auch nicht zu, dass erst die Anforderung durch ein konkretes Unternehmen die Rekrutierung der Zwangsarbeiter auslöste, es also ohne diese Anforderung nicht zu den Menschenrechtsverletzungen bei der Rekrutierung und der zwangsweisen Verbringung ins Deutsche Reich gekommen wäre. Vielmehr wurden die Zwangsarbeiter erst dann einem bestimmten Unternehmen zugewiesen und traten damit in Beziehung zu ihm, wenn sie sich bereits im Deutschen Reich befanden. Zuzurechnen ist den Unternehmen somit - abgesehen von Sonderfällen, z.B. wenn die späteren Beschäftigungsstellen auch bereits direkt auf die Rekrutierung der Arbeitskräfte und deren Umstände Einfluss nahmen - regelmäßig erst die spätere Beschäftigungsphase, bei der die Unternehmen auch konkrete Gestaltungsmöglichkeiten besaßen.
cc) Aus der Anforderung von Zwangsarbeitern zum Einsatz im Unternehmen kann der Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ebenfalls noch nicht hergeleitet werden. Die an staatliche Stellen gerichtete Anforderung von Arbeitskräften war im geregelten Arbeitsmarkt des Dritten Reichs mit seinem bereits in der Anfangsphase eingeführten staatlichen Monopol zur Vermittlung der Arbeitskräfte und erst recht unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft der einzige Weg, um Arbeitskräfte zu erhalten (vgl. dazu u.a. Pfahlmann, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft 1939 - 1945, 1968, S. 11 ff.). Die Anforderung von Arbeitskräften gehörte somit zu den staatlich vorgegebenen Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Unternehmen zu agieren hatten. Deshalb führt noch nicht bereits die Anforderung von Arbeitskräften als solche, sondern erst eine menschenunwürdige Behandlung im Betrieb zu einem Anspruchsausschluss.
d) Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ebenso wenig daraus hergeleitet werden, dass in dem vom Schwiegervater der Klägerin geleiteten Unternehmen Kriegsgefangene beschäftigt wurden. Eine Verletzung des in den Kriegsgefangenenkonventionen enthaltenen Verbots, sie zu Arbeiten mit unmittelbarer Relevanz für die Kriegsführung einzusetzen, begründet noch keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne dieses Ausschlusstatbestandes.
Nach Art. 6 der Anlage zum Haager Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (RGBl 1910 S. 107), ist der Staat befugt, die Kriegsgefangenen mit Ausnahme der Offiziere nach ihrem Dienstgrad und nach ihren Fähigkeiten als Arbeiter zu verwenden. Diese Arbeiten dürfen nicht übermäßig sein und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen. Nach Art. 27 des Genfer Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl II 1934 S. 227) können die Kriegführenden die gesunden Kriegsgefangenen, ausgenommen Offiziere und Gleichgestellte, je nach Dienstgrad und Fähigkeiten als Arbeiter verwenden. Diese Befugnis unterliegt jedoch u.a. der Beschränkung des Art. 31. Nach Satz 1 dieser Regelung werden die von den Kriegsgefangenen zu leistenden Arbeiten in keiner unmittelbaren Beziehung zu den Kriegshandlungen stehen. Nach Satz 2 ist es insbesondere verboten, Gefangene zur Herstellung und zum Transport von Waffen oder Munition aller Art sowie zum Transport von Material zu verwenden, das für kämpfende Truppen bestimmt ist. Art. 32 dieses Abkommens verbietet es, Kriegsgefangene zu unzuträglichen oder gefährlichen Arbeiten einzusetzen. Zwischen dem Deutschen Reich und insbesondere seinen westlichen Kriegsgegnern galt die Konvention von 1929, zwischen dem Deutschen Reich und u.a. der Sowjetunion, die das Abkommen von 1929 nicht ratifiziert hatte, galten dagegen die Regelungen des Haager Abkommens von 1907 und die in der Zwischenzeit entstandenen gewohnheitsrechtlichen Regeln zum Schutz der Kriegsgefangenen (vgl. Fischer in: Fleck <Hrsg.>, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, 1994, S. 261 f.).
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurden bei der E.-AG unter anderem Funk- und Funkmessgeräte für die Luftwaffe hergestellt. Auch wenn man im Einsatz von Kriegsgefangenen zu deren Produktion eine konventionswidrige Beschäftigung sieht, folgt daraus noch nicht zugleich ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Anhaltspunkte für die Wertung, wann bei einer solchen Völkerrechtsverletzung zugleich die Schwelle zum Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit überschritten ist, lassen sich dem III. Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen vom 12. August 1949 (BGBl 1954 II S. 781) entnehmen. Es enthält in seinem Art. 129 die Verpflichtung der Vertragsparteien, alle notwendigen Maßnahmen zur Festsetzung von angemessenen Strafbestimmungen für solche Personen zu treffen, die eine der im folgenden Artikel umschriebenen schweren Verletzungen des Abkommens begehen oder zu einer solchen Verletzung den Befehl erteilen. Zu solchen qualifizierten schweren Verletzungen zählt Art. 130 des Abkommens im hier relevanten Zusammenhang jedoch erst die Nötigung von Kriegsgefangenen zur Dienstleistung in den Streitkräften der feindlichen Macht, nicht aber auch deren Einsatz zu einer sonstigen Arbeit, selbst wenn sie nach Art. 50 des Abkommens verboten ist.
Dem zu § 3 Satz 1 Nr. 3a G 131 ergangenen Urteil vom 19. März 1969 (BVerwG 6 C 115.63 - a.a.O. <338>) lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vertreterin des Bundesinteresses nicht entnehmen, dass ein Verstoß gegen die Kriegsgefangenenkonventionen immer zugleich als ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit anzunehmen ist. Dort hat das Gericht die von Hitler zum Zweck der Vergeltung angeordnete Tötung eines kriegsgefangenen französischen Generals, an der der damalige Kläger mitgewirkt hatte, als unmenschlich und rechtsstaatswidrig angesehen, weil das Gebot verletzt worden sei, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit vor staatlicher Willkür zur schützen. Daraus lässt sich für die konventionswidrige Beschäftigung von Kriegsgefangenen nichts gewinnen.
e) Aus der vom Verwaltungsgericht festgestellten Beschäftigung von Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen kann ebenfalls kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit hergeleitet werden. Grundlage für den Einsatz von Strafgefangenen war die Anordnung des Reichsjustizministeriums vom 7. Juni 1938 (Deutsche Justiz 1938 S. 887), wonach möglichst alle Strafgefangenen - auch Untersuchungshäftlinge - zur Arbeit herangezogen werden sollten. Das heute geltende Strafvollzugsgesetz sieht in seinem § 41 ebenfalls eine grundsätzliche Arbeitspflicht von Strafgefangenen vor. Gegen eine Verletzung der Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit spricht ebenso Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Europäischen Menschenrechtskonvention (BGBl 1952 II S. 685). Hiernach gilt als unzulässige Zwangs- oder Pflichtarbeit nicht die Arbeit, die im Rahmen einer rechtmäßigen Haft zu leisten ist.
6. Nach den das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist eine Misshandlung der im Unternehmen beschäftigten Gefangenen und Zwangsarbeiter nicht nachgewiesen worden, das Verwaltungsgericht stellt vielmehr fest, diese seien anständig behandelt worden.
a) Das Verwaltungsgericht stützt seine Feststellung darauf, dass selbst die von der Beklagten herangezogenen Konfiskationsunterlagen aus der Besatzungszeit, obwohl sie eine kritische Distanz zum Schwiegervater der Klägerin erkennen ließen, einen solchen Vorwurf nicht enthielten. Die Klägerin habe zudem mehrere Gesprächsniederschriften von ehemaligen Werksangehörigen beigebracht, aus denen sich ergebe, dass er die Beschäftigten ausnahmslos anständig behandelt habe. Diese Feststellung betrifft nicht nur sein persönliches Verhalten gegenüber den im Unternehmen Beschäftigten, sondern schließt - wie sich aus dem Zusammenhang ergibt - auch die Wahrnehmung seiner Funktionen als für das Unternehmen Verantwortlicher ein.
Damit hat das Verwaltungsgericht nicht nur verneint, dass dem Schwiegervater der Klägerin in dieser Hinsicht Verfehlungen anzulasten seien, es hat vielmehr darüber hinaus auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren durch Anfragen bei Archiven ermittelten Unterlagen sowie der von der Klägerin beigebrachten Gesprächsniederschriften - im Sinne der Klägerin positive - Feststellungen zur Behandlung der im Unternehmen Beschäftigten getroffen. Trotz der missverständlichen Wortwahl des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der von ihm getroffenen Entscheidung daher keineswegs um eine bloße Beweislastentscheidung.
b) Die Beklagte und die Vertreterin des Bundesinteresses verweisen demgegenüber darauf, dass nach dem allgemein bekannten Stand der Forschung die Mehrheit der ausländischen Zwangsarbeiter, insbesondere die sog. Ostarbeiter, gegen ihren Willen zum Einsatz im Deutschen Reich gezwungen, dort unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt und beim Arbeitseinsatz bis zur physischen Leistungsfähigkeit und darüber hinaus ausgepresst worden seien.
Zwar hat die vom Tatsachengericht vorzunehmende Würdigung des konkreten Einzelfalles auf der Grundlage der allgemeinkundigen geschichtlichen Erkenntnisse zu erfolgen. Sie gehören, auch ohne dass es insoweit einer förmlichen Sachaufklärung, insbesondere einer Beweisaufnahme bedarf, zur Tatsachengrundlage der gerichtlichen Entscheidung. Diese Erkenntnisse ergänzen die heute regelmäßig nur noch spärlich und lückenhaft vorhandenen Zeugnisse zu der Frage, wie die Zwangsarbeiter sowie Kriegs- und Strafgefangenen in einem bestimmten Wirtschaftsunternehmen während des Zweiten Weltkriegs behandelt worden sind.
Auch insoweit genügt die Sachwürdigung des Verwaltungsgerichts aber noch den nach § 108 Abs. 1 VwGO zu stellenden Anforderungen. Das Gebot der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. Außerdem verlangt § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblich gewesen sind. Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat. Nicht erforderlich ist, dass sich das Gericht mit allen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des festgestellten Sachverhaltes in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinandersetzt. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände kann daher regelmäßig nicht geschlossen werden, das Gericht habe sie bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen (Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 ff.> m.w.N.).
Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht hier unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO die allgemeinkundigen Erkenntnisse zur Behandlung der im Deutschen Reich eingesetzten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, insbesondere der sog. Ostarbeiter, "ausgeblendet" hat, gibt es jedoch nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der angefochtene Ausgangsbescheid noch ausschließlich auf ein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems durch Rüstungsproduktion gestützt war. Der Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2003 stellte zwar ergänzend auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit ab, dieser Verstoß wurde aber nicht aus einer menschenunwürdigen Behandlung der im Unternehmen Beschäftigten hergeleitet, sondern aus der Anforderung von Zwangsarbeitern sowie von Kriegs- und Strafgefangenen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind - im Übrigen zunächst von der Klägerseite selbst - die vielfach menschenrechtswidrigen Umstände der Rekrutierung und Verschleppung von Zwangsarbeitern, insbesondere aus Polen und der Sowjetunion, ausdrücklich angesprochen worden. Hingewiesen wurde auch auf die häufig menschenunwürdige Behandlung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen an ihren Arbeitsstellen, denen oft schwere körperliche und gesundheitsschädliche Arbeit unter unzumutbaren Bedingungen abverlangt wurde. Allein daraus, dass das Verwaltungsgericht diese Tatsachen in den Entscheidungsgründen nicht gesondert erwähnt, kann aber nicht geschlossen werden, dass es den Sachvortrag und die dahinter stehenden allgemeinkundigen Erkenntnisse zur damaligen Situation von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen nicht zur Kenntnis genommen und bei der Würdigung der konkreten Situation in dem vom Schwiegervater der Klägerin geleiteten Unternehmen nicht berücksichtigt hat. Dagegen spricht bereits, dass das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen selbst auf Kommentarliteratur Bezug nimmt, in der die Misshandlung von Zwangsarbeitern und das Betreiben von Zwangsarbeiterlagern während des Zweiten Weltkriegs unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit angesprochen wird (vgl. Meixner in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 1 AusglLeistG Rn. 276 f.).
Es stellt ebenfalls keinen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO oder eine Verletzung allgemeingültiger Würdigungsgrundsätze dar, wenn das Verwaltungsgericht, gestützt auf die damaligen Enteignungsunterlagen und die ihm von der Klägerin vorgelegten Äußerungen von ehemaligen Werksangehörigen, festgestellt hat, dass die im Unternehmen Beschäftigten anständig behandelt worden seien. Auch wenn insbesondere sowjetische Kriegsgefangene und die sog. Ostarbeiter an ihren Einsatzstellen im Deutschen Reich vielfach außerordentlich harten Lebens- und Arbeitsbedingungen unterworfen waren (vgl. etwa Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001, S. 71 ff. und Herbert, Fremdarbeiter, Politik und Praxis des "Ausländer-Einsatzes" in der Kriegswirtschaft des Dritten Reichs, 1999, S. 158 ff.), so ist im zeithistorischen Schrifttum doch auch anerkannt, dass die Unternehmen bei der Behandlung der bei ihnen eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte durchaus Handlungsspielräume hatten. Diese Spielräume hat jedenfalls ein Teil der Unternehmen - mag dies bei dem unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft herrschenden Arbeitskräftemangel auch nicht zuletzt im eigenen Interesse geschehen sein, um deren Arbeitsfähigkeit für das Unternehmen zu erhalten - zugunsten der bei ihnen beschäftigten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter genutzt (vgl. u.a. Spoerer, a.a.O. S. 233 ff.; Herbert, a.a.O. S. 420 ff.). Danach ergeben sich gegen die Würdigung, die das Verwaltungsgericht auf der Grundlage von auf das konkrete Unternehmen bezogenen Unterlagen vorgenommen hat, keine revisionsrechtlich durchgreifenden Bedenken. Das Revisionsgericht überprüft insoweit, ob die Vorinstanz bei der Würdigung der ermittelten Geschichtstatsachen die Denkgesetze und die aus allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmenden Sätze der Geschichtserfahrung beachtet hat (Urteil vom 12. September 1968 - BVerwG 8 C 99.67 - BVerwGE 30, 225 <228>). Die zeitgeschichtlichen Erkenntnisse zur damaligen Situation von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen in deutschen Unternehmen schließen die vom Verwaltungsgericht angenommene anständige Behandlung der ausländischen Beschäftigten in dem vom Schwiegervater der Klägerin geleiteten Unternehmen aber keineswegs aus. Ebenso wenig sind die Feststellungen des Verwaltungsgerichts wegen eines Verstoßes gegen die Denkgesetze zu beanstanden. Das ist erst dann der Fall, wenn ein tatsächlicher Schluss aus Gründen der Logik nicht gezogen werden kann, nicht aber wenn das Tatsachengericht einen nach Meinung der Revision unrichtigen oder fernliegenden, gleichwohl aber möglichen Schluss gezogen hat (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 6. Februar 1975 - BVerwG 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <361> und vom 18. September 1985 - BVerwG 2 C 30.84 - Buchholz 237.5 § 14 LBG Hessen Nr. 2 m.w.N.).
Soweit die Vertreterin des Bundesinteresses darauf abstellt, dass im Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" vom 2. August 2000 (BGBl I S. 1263) bei den sog. Ostarbeitern "haftähnliche Bedingungen" bzw. "vergleichbar besonders schlechte Lebensbedingungen" vermutet würden, wäre eine solche Vermutung auf die Ausschlusstatbestände in § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht übertragbar. Bei den von der Stiftung an ehemalige Zwangsarbeiter zu erbringenden Zahlungen handelt es sich um die Gewährung einer Leistung. Dies rechtfertigt es, geringere Beweisanforderungen zu stellen als im Fall der Anwendung von § 1 Abs. 4 AusglLeistG, der den Ausschluss von einer Leistung zur Folge hat.
7. Die Klägerin ist von einem Anspruch auf Ausgleichsleistung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ihrem Schwiegervater ein schwerwiegender Missbrauch seiner Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil Anderer im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG zur Last fällt.
Wie § 1 Abs. 4 AusglLeistG insgesamt, soll auch der Missbrauchstatbestand verhindern, dass die am geschehenen Unrecht Mitverantwortlichen in den Genuss einer Ausgleichsleistung kommen. Dabei will der Missbrauchstatbestand, anders als etwa der Ausschlussgrund des erheblichen Vorschubleistens, weniger die für das jeweilige Unrechtsregime selbst Mitverantwortlichen erfassen, sondern vielmehr diejenigen, die sich in dessen Windschatten in rechtsmissbräuchlicher Weise selbst bereichert oder dafür gesorgt haben, dass andere - ohne dass dabei bereits die Grenze eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit überschritten sein müsste - erhebliche Nachteile erlitten haben.
Der Schwiegervater der Klägerin hat seine Stellung als Vorstandsmitglied und Betriebsleiter des Unternehmens nicht in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ausgenutzt.
Ein solcher Missbrauch kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass er das Unternehmen auf Rüstungsproduktion umgestellt hat, im Unternehmen hierfür auch Zwangsarbeiter sowie Kriegs- und Justizgefangene eingesetzt und dadurch Gewinne erzielt wurden. Denn Inhalt und Zweck seiner Stellung im Betrieb war es gerade, für den Erfolg des Unternehmens zu sorgen.
Die Produktion von Rüstungsgütern ist auch nicht per se als missbräuchlich anzusehen. Ebenso wie beim Ausschlussgrund des erheblichen Vorschubleistens führt auch beim Missbrauchstatbestand des § 1 Abs. 4 AusglLeistG die Unterstützung des Ziels, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen (vgl. Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - a.a.O. <146> m.w.N.), nicht zum Anspruchsausschluss. An dieser Wertung ändert sich - entgegen einer in der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten geäußerten Auffassung - nichts, wenn die Rüstungsproduktion zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Zweite Weltkrieg für das Deutsche Reich objektiv nicht mehr zu gewinnen war und es somit allenfalls noch darum gehen konnte, eine sich abzeichnende Niederlage hinauszuzögern.
8. Schließlich hat der Schwiegervater der Klägerin dem nationalsozialistischen System auch nicht im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG erheblichen Vorschub geleistet.
Der Anspruchsausschluss wegen erheblichen Vorschubleistens nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG setzt, wie der Senat in seinen Urteilen vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - (a.a.O.), vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 - und vom 14. Dezember 2006 - BVerwG 3 C 36.05 - bereits entschieden hat, in objektiver Hinsicht voraus, dass nicht nur gelegentlich oder beiläufig, sondern mit einer gewissen Stetigkeit Handlungen vorgenommen wurden, die dazu geeignet waren, die Bedingungen für die Errichtung, die Entwicklung oder die Ausbreitung des nationalsozialistischen Systems zu verbessern oder Widerstand gegen dieses System zu unterdrücken, und dies auch zum Ergebnis hatten. Der Nutzen, den das Regime aus dem Handeln gezogen hat, darf nicht nur ganz unbedeutend gewesen sein. Die subjektiven Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes sind erfüllt, wenn die betreffende Person dabei in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihr Verhalten könne diesen Erfolg haben.
Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes im Ergebnis zutreffend verneint. Allerdings setzt ein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems, anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, kein Mitspracherecht in Fragen der allgemeinen politischen Entwicklung oder einen Einfluss auf die Entscheidung wirtschaftspolitischer Fragen voraus. Dafür ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Handeln von nicht unbedeutendem Nutzen für das NS-Regime gewesen ist. Das Vorschubleisten im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG muss sich nach der Rechtsprechung des Senats aber gerade auf spezifische Ziele des nationalsozialistischen Systems bezogen haben. Eine Unterstützung von nicht spezifisch durch die nationalsozialistische Ideologie geprägten Bestrebungen, wie etwa des Ziels, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, genügt dagegen nicht (Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 3 C 20.04 - a.a.O. <146> m.w.N.). So verhält es sich bei der hier in Rede stehenden Herstellung von Rüstungsgütern.
Die seit 1937 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft des Schwiegervaters der Klägerin ist ebenfalls nicht ausreichend für diesen Ausschlusstatbestand (vgl. Urteil vom 19. Oktober 2006 - BVerwG 3 C 39.05 -). Ebenso wenig führt, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, das anlässlich der Grundsteinlegung für eine Werkshalle verfasste Gedenkblatt zu einem Anspruchsausschluss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Ende der Entscheidung
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