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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.09.1999
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 39.98
Rechtsgebiete: VwGO, Frischzellen-Verordnung


Vorschriften:

VwGO § 43 Abs. 1
Frischzellen-Verordnung § 1
Frischzellen-Verordnung § 2
Leitsatz:

Die Klage auf Feststellung, daß die beklagte Behörde eine vom Kläger für verfassungswidrig gehaltene Rechtsverordnung nicht anwenden dürfe, ist unzulässig, wenn das Bundesverfassungsgericht die Anwendung der Verordnung bis zur Entscheidung über die dagegen bei ihm anhängigen Verfassungsbeschwerden ausgesetzt hat.

Urteil des 3. Senats vom 30. September 1999 - BVerwG 3 C 39.98 -

I. VG Koblenz vom 11.12.1997 - Az.: VG 5 K 1473/97.KO - II. OVG Koblenz vom 13.11.1998 - Az.: 6 A 11327/98.OVG -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 39.98 OVG 6 A 11.327/98

Verkündet am 30. September 1999

Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es den verstorbenen früheren Kläger zu 1) betrifft. Insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. Dezember 1997 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. November 1998 mit Ausnahme der Entscheidungen über die Kosten unwirksam.

2. Die Revision des Klägers zu 2) gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. November 1998 wird zurückgewiesen.

3. Die Erben des Klägers zu 1) und der Kläger zu 2) tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte.

Gründe:

I.

Der Kläger zu 2) ist Arzt. Er wendet bei seinen Patienten seit Jahren die Frischzellentherapie an, indem er ihnen von ihm selbst hergestellte, aus Schafen gewonnene Frischzellensuspensionen injiziert. In gleicher Weise verfuhr der Kläger zu 1), der während des Revisionsverfahrens verstorben ist.

Durch § 1 Abs. 1 der Verordnung über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe zur Herstellung von Arzneimitteln (Frischzellen-Verordnung) vom 4. März 1997 (BGBl I S. 432), in Kraft getreten am 8. März 1997, untersagte der Bundesminister für Gesundheit, bei der Herstellung von Arzneimitteln, die zur Injektion oder Infusion bestimmt sind, Frischzellen zu verwenden. § 2 Abs. 2 der Verordnung erklärt einen Verstoß gegen dieses Verbot für strafbar nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG).

Am 10. März 1997 haben verschiedene Ärzte, die ebenfalls die Frischzellentherapie anwenden, Verfassungsbeschwerde gegen die genannten Vorschriften der Frischzellen-Verordnung eingelegt. Auf ihren Antrag hat das Bundesverfassungsgericht durch einstweilige Anordnung vom 18. März 1997 - 1 BvR 420.97 - die Anwendung von § 1 Abs. 1 der Verordnung längstens bis zum 20. September 1997 einstweilen insoweit ausgesetzt, als die Herstellung der dort genannten Arzneimittel zur Injektion oder Infusion für eigene Patienten der herstellenden Ärzte erfolgt. In den Gründen des Beschlusses heißt es, möglicherweise stehe der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Es sei denkbar, daß die Beschwerdeführer zur Sicherung und Durchsetzung der geltend gemachten Rechte in der Fachgerichtsbarkeit Rechtsschutz erhalten könnten. In Betracht komme eine gegen die zuständige Aufsichtsbehörde gerichtete Klage auf Feststellung, daß die beschwerdeführenden Ärzte befugt seien, in der bisher geübten Weise Frischzellenpräparate herzustellen. Die Frage, ob die angedeutete Rechtsschutzmöglichkeit bestehe, lasse sich jedoch - jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - nicht mit hinreichender Sicherheit beantworten. Die Beschwerdeführer würden nunmehr klären zu lassen haben, ob der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegenstehe.

In der Folgezeit - zuletzt am 22. Juli 1999 - hat das Bundesverfassungsgericht die einstweilige Anordnung jeweils für die Dauer von 6 Monaten, längstens bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde verlängert. Für den 9. November 1999 hat es Termin zur mündlichen Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde anberaumt.

Am 12. Mai 1997 haben die Kläger Klage auf Feststellung erhoben, daß sie auch nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht in der einstweiligen Anordnung gesetzten Frist befugt seien, bei der Herstellung von Arzneimitteln, die zur Injektion oder Infusion bei eigenen Patienten bestimmt sind, Frischzellen zu verwenden, hilfsweise, daß der Beklagte nicht berechtigt sei, hiergegen einzuschreiten. Dazu haben sie vorgetragen, sie hätten ein dringendes Interesse, ihr Recht zur weiteren Anwendung der Frischzellentherapie im Verwaltungsrechtsweg feststellen zu lassen. Es sei anzunehmen, daß der Beklagte nach Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist Maßnahmen wegen der verbotswidrigen Herstellung von Frischzellensuspensionen ergreifen werde. Vor allem sei ihnen nicht zuzumuten, nach dem Auslaufen der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung auf sich zu nehmen.

Das Verbot der Eigenherstellung von Frischzellensuspensionen durch den therapierenden Arzt sei verfassungswidrig, weil die Bundeskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG sich nur auf den Verkehr mit Arzneien erstrecke, aber keinen Eingriff in die ärztliche Therapie zulasse. Im übrigen verletze die Unterbindung der Frischzellentherapie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Feststellungsklage sei unzulässig. Dazu hat er darauf hingewiesen, daß er keinerlei Maßnahmen zur Durchsetzung der Frischzellen-Verordnung gegen die Kläger ergriffen habe, und erklärt, vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängige Verfassungsbeschwerde werde er weder mit Verwaltungsmaßnahmen noch mit einer Strafanzeige gegen die Kläger vorgehen. Es fehle daher sowohl ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen ihm und den Klägern als auch das erforderliche Feststellungsinteresse. In der Sache hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die Vorschriften der Frischzellen-Verordnung seien verfassungsgemäß und rechtswirksam.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 11. Dezember 1997 als unzulässig abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Kläger durch Urteil vom 13. November 1998 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die erhobene Feststellungsklage sei mit Haupt- und Hilfsantrag nach § 43 Abs. 1 VwGO unzulässig. Zum einen fehle es an einem konkreten Rechtsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung, weil die begehrte Feststellung eine erst künftig relevante, zunächst nur abstrakte Rechtsfrage betreffe. Die erforderliche Konkretisierung ergebe sich auch nicht aus einem Meinungsstreit zwischen den Beteiligten. Der Beklagte habe bisher keine auf § 1 Abs. 1 Frischzellen-Verordnung gestützten Maßnahmen ergriffen oder wenigstens angekündigt, sondern im Gegenteil ausdrücklich versichert, daß zunächst die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde abgewartet werde. Die Überprüfung der im vorliegenden Fall vor allem streitigen Verfassungsmäßigkeit von § 1 Abs. 1 Frischzellen-Verordnung laufe daher auf eine "verkappte Normenkontrolle" hinaus.

Darüber hinaus fehle den Klägern auch das für den begehrten vorbeugenden Rechtsschutz erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse. Dieses sei nicht gegeben, wenn es an einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung eines Klägers fehle. Aufgrund der ausdrücklichen Duldung durch das beklagte Land drohten den Klägern bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde keine Sanktionen. Auch hätten sie bis zu diesem Zeitpunkt die für die Kontinuität ihrer Arbeit erforderliche Dispositionssicherheit. Die Ansicht der Kläger, die §§ 68 und 69 AMG machten die Duldungserklärung des Beklagten rechtswidrig und unwirksam, gehe fehl.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Nach dem Tod des Klägers zu 1) haben dessen Erben den Rechtsstreit in bezug auf ihn für erledigt erklärt.

Der Kläger zu 2) ist der Auffassung, das angefochtene Urteil verletze § 43 Abs. 1 VwGO. Durch das unmittelbar geltende Verbot der Herstellung von Frischzellenpräparaten in § 1 Abs. 1 Frischzellen-Verordnung werde ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem für die arzneimittelrechtliche Überwachung zuständigen Beklagten hergestellt. Er habe auch ein qualifiziertes Feststellungsinteresse, weil ihm nicht zumutbar sei, sich nach einem Auslaufen der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Die Zusicherung des Beklagten, vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde nichts zu unternehmen, biete auch deshalb nicht den erforderlichen Schutz, weil keineswegs sicher sei, daß das Bundesverfassungsgericht in der Sache selbst entscheide.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.

II.

1. Da die Beteiligten den Rechtsstreit in bezug auf den verstorbenen Kläger zu 1) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren insoweit in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO einzustellen; die vorinstanzlichen Urteile sind in diesem Umfang gemäß § 269 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO für unwirksam zu erklären.

Die Kosten des erledigten Teils sind gemäß § 161 Abs. 2 VwGO den Erben des verstorbenen Klägers zu 1) aufzuerlegen, weil sein Begehren ohne den Eintritt der Erledigung ohne Erfolg geblieben wäre.

2. Die Revision des Klägers zu 2) ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß die erhobene Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO unzulässig ist. Dabei kann offenbleiben, ob es schon an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne dieser Bestimmung fehlt (2.1); jedenfalls ist zum - nunmehr maßgeblichen - Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat das erforderliche Feststellungsinteresse nicht gegeben (2.2).

2.1 Es mag fraglich sein, ob sich die Klage - wie die Revision meint - auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses richtet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben sich rechtliche Beziehungen nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. u.a. Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG VI C 57.66 - BVerwGE 38 S. 346, 347; vom 16. November 1989 - BVerwG 2 C 23.88 - NJW 1990 S. 1866; vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89 S. 327, 329 f.; vom 26. Januar 1996 - BVerwG 8 C 19.94 - BVerwGE 100 S. 262, 264 f.). Das Erfordernis einer Verdichtung der Rechtsbeziehungen zu einem "konkreten" Rechtsverhältnis rechtfertigt sich aus dem Anliegen, den Verwaltungsgerichten nicht die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen aufzubürden (vgl. Urteil vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77 S. 207, 211). Die Beantwortung solcher abstrakter Rechtsfragen, von denen unsicher ist, ob und wann sie für die Rechtsstellung des Betroffenen relevant werden, ist nicht Teil des den Gerichten vom Grundgesetz erteilten Rechtsschutzauftrages.

Bei Anwendung dieser Kriterien steht in tatsächlicher Hinsicht außer Frage, daß der Kläger mit der Feststellungsklage einen konkreten Sachverhalt zur Beurteilung unterbreitet hat. Die begehrte Feststellung bezieht sich auch auf die Anwendung einer bestimmten Norm, nämlich des § 1 Abs. 1 Frischzellen-Verordnung, auf diesen Sachverhalt. Fraglich kann daher nur sein, ob die Anwendung der Norm auf diesen Sachverhalt zwischen den Beteiligten streitig ist.

Das Berufungsgericht hat dies verneint unter Hinweis auf die Erklärung des Beklagten, bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängige Verfassungsbeschwerde keine Maßnahmen gegen den Kläger ergreifen zu wollen. Demgegenüber könnte aber zum einen ins Gewicht fallen, daß der Beklagte in diesem Rechtsstreit keinen Zweifel daran gelassen hat, daß er das Verbot der Herstellung von Frischzellenpräparaten durch den therapierenden Arzt für verfassungsmäßig und rechtswirksam hält. Grundsätzlich sieht der Beklagte sich damit - vorbehaltlich des Auslaufens der einstweiligen Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts - zum Einschreiten gegen den Kläger als berechtigt an. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß dem Beklagten nach § 68 Abs. 1 AMG schon bei dem Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Arzneimittelrechts die Information der übrigen für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Stellen und Behörden, so auch der Strafverfolgungsbehörden, obliegt. In seinem Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG I C 86.64 - (Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31) hat das Bundesverwaltungsgericht zwar die dort ausgesprochene Androhung einer Strafanzeige als den Umstand angesehen, der die erforderliche Konkretisierung des Rechtsverhältnisses herbeiführte. Das bedeutet aber nicht notwendig, daß nicht auch schon unter den hier gegebenen Umständen ein konkretes Rechtsverhältnis zu bejahen sein könnte.

2.2 Diesen Fragen braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, weil es - wie bereits gesagt - jedenfalls an dem nach § 43 Abs. 1 VwGO für die Zulässigkeit der Klage weiter erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.

Mit der Feststellungsklage erstrebt der Kläger vorbeugenden Rechtsschutz. Sein Antrag zielt ausdrücklich auf die Feststellung, daß er nach einem etwaigen Auslaufen der einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zur Fortsetzung der bisher von ihm praktizierten Frischzellentherapie berechtigt ist. Ein solcher vorbeugender Rechtsschutz erfordert das Vorhandensein qualifizierter Rechtsschutzvoraussetzungen. Es muß ein spezielles auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse bestehen. Dieses Interesse ist nicht gegeben, wenn es an einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung eines Klägers fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - a.a.O.).

Das ist hier angesichts der besonderen durch das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingetretenen Verhältnisse der Fall.

Derzeit wird der Kläger durch die angegriffenen Regelungen der Frischzellen-Verordnung nicht belastet. Das in § 1 Abs. 1 dieser Verordnung ausgesprochene Verbot ist durch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts für den hier gegebenen Fall der Eigenherstellung durch den therapierenden Arzt außer Anwendung gesetzt. Damit geht auch die Strafbarkeitsbestimmung des § 2 Frischzellen-Verordnung ins Leere. Dieser Zustand dauert aufgrund der regelmäßigen Wiederholung der einstweiligen Anordnung nicht nur bis zum jetzigen Zeitpunkt an. Er wird sich auch bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängige Verfassungsbeschwerde fortsetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat für den 9. November 1999 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Nach Angaben des Klägers geht die Wirkung der einstweiligen Anordnung über diesen Zeitpunkt hinaus. Der erkennende Senat muß daher davon ausgehen, daß das Rechtsschutzbegehren des Klägers sich auf die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezieht und daß eine Sachentscheidung dementsprechend auch erst nach diesem Zeitpunkt Relevanz gewinnen könnte.

Vor diesem Hintergrund besteht derzeit kein berechtigtes Interesse des Klägers an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte. Bei keiner der denkbaren Entscheidungsalternativen des Bundesverfassungsgerichts drohen dem Kläger unzumutbare Nachteile, wenn er darauf verwiesen wird, verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegebenenfalls nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Anspruch zu nehmen:

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu einer Sachentscheidung, so ist die Rechtslage damit für die Zukunft geklärt. Das gilt sowohl für den Fall, daß die Frischzellen-Verordnung wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz - in Betracht kommt insbesondere eine Verletzung der Kompetenzvorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG - für ungültig erklärt wird, wie auch für den entgegengesetzten Fall, daß das Bundesverfassungsgericht die Norm als rechtswirksam ansieht. Eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hätte demgegenüber nach § 31 Abs. 1 BVerfGG keinerlei Relevanz mehr. Sie wäre schon in dem Zeitpunkt überholt, zu dem sie nach dem Klageantrag ihre Rechtsschutzwirkung entfalten soll.

Selbst für den - unwahrscheinlichen - Fall, daß das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes als unzulässig verwerfen sollte, drohen dem Kläger bei einer Verweigerung vorbeugenden Rechtsschutzes keine unzumutbaren Nachteile. Gegen etwaige Verwaltungsmaßnahmen des Beklagten zur Durchsetzung des Verbots des § 1 Abs. 1 Frischzellen-Verordnung stünde ihm dann der normale und vom Gesetzgeber für den Regelfall als ausreichend angesehene nachträgliche Rechtsschutz zur Verfügung. Außerdem würde sich die Frage nach der Möglichkeit vorbeugenden Rechtsschutzes im Wege einer Feststellungsklage unter diesen Umständen neu stellen. Gegen eine etwaige strafrechtliche Verfolgung könnte ein verwaltungsgerichtliches Urteil ohnehin keinen endgültigen Schutz bieten, weil es die Strafgerichte nicht binden würde. Die Schutzwirkung, die von einem entsprechenden Urteil im Hinblick auf die Beurteilung der strafrechtlichen Schuldfrage ausgehen kann (vgl. Urteil vom 13. Januar 1969 - BVerwG I C 86.64 - a.a.O. S. 2), würde sich hier schon aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergeben. Sollte darin eine vorgängige Klärung der Rechtslage durch die Fachgerichte für notwendig erachtet werden, so wäre damit auch für ein etwaiges Strafverfahren klargestellt, daß die Rechtslage für den Kläger nicht eindeutig erkennbar war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 424 600 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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