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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 40.03
Rechtsgebiete: EV, KVG, VZOG, VwGO


Vorschriften:

EV Art. 21 Abs. 3
KVG § 4 Abs. 2
VZOG § 1 Abs. 4
VZOG § 11 Abs. 1 Satz 2
VZOG § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
VZOG § 13 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
Hat die Treuhandanstalt örtliches Gasvermögen, dessen Restitution eine Gemeinde begehrt, zum Zwecke der Regelung des Restitutionsanspruchs an die Gemeinde verkauft, so sind mit dem Restitutionsanspruch auch mögliche Ansprüche der Gemeinde auf Erlösauskehr nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, § 13 Abs. 2 VZOG ausgeschlossen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 40.03

Verkündet am 11. November 2004

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. März 2003, berichtigt am 11. Juni 2003, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt in Fortsetzung eines behaupteten Restitutionsanspruchs, der nach Veräußerung des Restitutionsgegenstandes untergegangen sei, Auskehr des Erlöses.

Die Gasversorgung im Gebiet der Klägerin wurde bis 1946 durch Stadtwerke sichergestellt, die auch die Strom- und Wasserversorgung betrieben. 1948 wurden die Stadtwerke in ein Kommunalwirtschaftsunternehmen überführt, das im Eigentum des Volkes stand. Dieses wurde 1952/53 in den VEB Energieverteilung Weißwasser überführt, der seinerseits 1982 in dem VEB Energiekombinat Cottbus aufging, dem neben der Gas- auch die Stromversorgung im DDR-Bezirk Cottbus oblag. Dieses Kombinat wurde zum 1. Juli 1990 in eine Aktiengesellschaft - die ESSAG - umgewandelt, aus der 1991 mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Juli 1990 die SpreeGas GmbH, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, abgespaltet wurde. Alleiniger Anteilseigner war zunächst die Beigeladene, die jedoch im Juli 1991 51 v.H. der Geschäftsanteile an der SpreeGas GmbH an private Energieversorgungsunternehmen veräußerte. Mit deren Zustimmung spaltete die Beigeladene im Jahr 1993 sodann aus der SpreeGas GmbH die Fa. Gasversorgung Hoyerswerda GmbH (GVH) ab, der sie das der örtlichen Gasversorgung im Gebiet der Klägerin dienende Vermögen der SpreeGas GmbH übertrug, und verkaufte mit Verträgen vom 25. August 1993 74,8 v.H. der Anteile an der GVH an die Klägerin und die Stadtwerks-GmbH der Klägerin und 25,2 v.H. der Anteile an die SpreeGas GmbH. Im Kaufvertrag mit der Klägerin ist bestimmt, dass der Wert des Anspruchs aus § 4 Abs. 2 KVG sowie ein eventueller Restitutionsanspruch auf den Kaufpreis angerechnet werden.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1997 stellte die Beklagte fest, dass der Klägerin ein Anspruch aus § 4 Abs. 2 KVG auf Beteiligung an der SpreeGas GmbH in Höhe von 6,631 v.H. am Stammkapital von 50 TDM zugestanden habe. Die hiergegen gerichtete Klage wurde als unzulässig abgewiesen; das Urteil ist rechtskräftig.

Bereits am 7. Februar 1991 hatte die Klägerin die Rückübertragung ihres örtlichen Gasvermögens im Wege der Restitution beantragt. Das lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. April 1998 ab, weil die Beigeladene nach dem Anteilsverkauf nicht mehr Eigentümerin der GVH sei. Die Klägerin könne auch keine Erlösauskehr verlangen. Das sei nur bei restitutionsschädigendem Verkauf einzelner Vermögensgegenstände, nicht hingegen beim Verkauf von Geschäftsanteilen vorgesehen.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten festzustellen, dass die Beigeladene verpflichtet sei, den Erlös aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der GVH an sie - die Klägerin - auszukehren. Ihr habe ein Restitutionsanspruch zugestanden, den die Beigeladene durch die Veräußerung vereitelt habe. Gegenstand des Restitutionsanspruchs sei das Gasversorgungsunternehmen gewesen, das die Klägerin bis 1947 als Eigenbetrieb geführt habe und das sie alsdann unentgeltlich dem Zentralstaat der DDR habe überlassen müssen. Trotz der Zentralisierung der Energieversorgung in der DDR habe dieses örtliche Gasversorgungsunternehmen als unterscheidbarer Betriebsteil zunächst des VEB Energieverteilung Weißwasser und später des VEB Energiekombinat Cottbus fortbestanden. Nach der Wende und der Umwandlung des Kombinats in eine Aktiengesellschaft bzw. in die SpreeGas GmbH sei es mit der Abspaltung der GVH organisatorisch und rechtlich wieder verselbständigt worden. Sie hätte daher die Rückübertragung ihres Gasversorgungsunternehmens im Wege der unentgeltlichen Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an der GVH verlangen können. Nach dem Verkauf der Geschäftsanteile setze sich dieser Anspruch in einem Anspruch auf Auskehr des Erlöses fort. Davon gehe auch die Verrechnungsabrede im Kaufvertrag aus.

Mit Urteil vom 27. März 2003, berichtigt am 11. Juni 2003, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der behauptete Restitutionsanspruch habe sich von vornherein nicht auf die Anteile an der GVH gerichtet. Von der GVH sei das Gasversorgungsunternehmen zu unterscheiden. Gegenstand des Anspruchs auf Unternehmensrestitution sei das Unternehmen als die Gesamtheit der materiellen und immateriellen Güter und Werte, die in einer Organisation zusammengefasst und dem Zweck der Gasversorgung zu dienen bestimmt seien, nicht jedoch die Gesellschaft, die Trägerin dieses Unternehmens sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 6 Abs. 5a Satz 1 Buchstabe a VermG, der nicht den Anspruch verändere, sondern nur eine vereinfachte Form seiner Erfüllung zur Verfügung stelle. Habe kein Restitutionsanspruch hinsichtlich der GVH bestanden, so bestehe nach deren Veräußerung auch kein Anspruch auf Erlösauskehr. Für eine erweiternde Auslegung der diesbezüglichen Vorschriften sei kein Raum, da der Gesetzgeber bewusst eine enge und abschließende Regelung getroffen habe.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision führt die Klägerin aus: Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die Grundsätze über die Singularrestitution auf die Unternehmensrestitution übertragen. Der Anspruch auf Unternehmensrestitution lasse sich nach den Regelungen des Vermögensgesetzes durch Übereignung aller Unternehmensgegenstände, aber auch durch Übertragung der Geschäftsanteile an der Trägergesellschaft erfüllen, letzteres gegebenenfalls nach Bildung einer derartigen Gesellschaft, deren einziger Gegenstand das Unternehmen sei. Auch im vorliegenden Falle sei die GVH nur gegründet worden, um das Unternehmen Gasversorgung Hoyerswerda verkehrsfähig zu machen. Die Beigeladene hätte daher die Anteile an der GVH im Wege der Restitution unentgeltlich übertragen müssen, die Beklagte diese Übertragung durch Zuordnung anordnen müssen. Dass die Beigeladene die Anteile stattdessen verkauft habe, könne den Restitutionsanspruch nicht folgenlos vereiteln. Vielmehr stehe der Verkauf einer Gesellschaft, deren einziger Gegenstand der Betrieb eines Unternehmens sei, dem Verkauf des Unternehmens gleich, weshalb die Verkäuferin Auskehr des Erlöses schulde. Dieser Anspruch sei weder durch § 4 Abs. 2 KVG noch durch den Vertrag vom 25. August 1993 ausgeschlossen. Durch § 4 Abs. 2 KVG würden Restitutionsansprüche nicht verdrängt, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden habe; und der Vertrag behalte Restitutionsansprüche ausdrücklich vor und regele nur deren Verrechnung mit dem Kaufpreis.

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Auch er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

1. Dem Erfolg der Klage steht schon der Vertrag vom 25. August 1993 entgegen. Die Klägerin übersieht, dass sie mit dem Vertrag vom 25. August 1993 selbst 74,8 v.H. der Geschäftsanteile der GVH erworben und dem Erwerb der restlichen 25,2 v.H. durch die SpreeGas GmbH zugestimmt hat. Damit haben die Beteiligten zugleich den behaupteten klägerischen Restitutionsanspruch vertraglich geregelt: Die Abspaltung der GVH, deren Ausstattung mit dem örtlichen Gasvermögen - also gerade den Vermögenswerten, deren Restitution die Klägerin beansprucht - und der Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an der GVH an die Klägerin stellen offenkundig eine vertragliche Regelung zur Erledigung der Ansprüche der Klägerin auf Zuordnung ihres örtlichen Gasvermögens dar, und zwar nicht nur der Kommunalisierungsansprüche aus Art. 21 Abs. 1 und 2 EV bzw. der Beteiligungsansprüche aus § 4 Abs. 2 KVG, sondern auch der behaupteten Restitutionsansprüche aus Art. 21 Abs. 3 EV. Das zeigt die Bestimmung des § 2 Abs. 7 des Vertrages, demzufolge auf den Kaufpreis nicht nur der Wert des Anspruchs aus § 4 Abs. 2 KVG, sondern auch der Wert eines eventuellen Restitutionsanspruchs angerechnet werden sollte. Damit verzichtete die Klägerin auf Restitution durch Zuordnung, behielt aber den wirtschaftlichen Wert des ursprünglichen Restitutionsanspruchs.

Hat die Klägerin in eine bestimmte Art und Weise der Erfüllung ihres Restitutionsanspruchs vertraglich eingewilligt, so stellt es keine Vereitelung dieses Anspruchs dar, wenn der Vertrag vollzogen wird. Die Veräußerung der Geschäftsanteile an der GVH aber erfolgte im Vollzug des Vertrages. Sie lässt sich daher nicht als Restitutionsvereitelung würdigen, und zwar weder nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VZOG, wie das Verwaltungsgericht meint, noch nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 VZOG, was die Klägerin für richtig hält. Das erhellt zusätzlich daraus, dass sowohl § 11 Abs. 1 Satz 2 VZOG als auch § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 VZOG Veräußerungen an (private) Dritte und damit einen Konflikt zwischen den kommunalen Interessen und denen des Dritten vor Augen haben. Dabei gibt § 11 Abs. 1 Satz 2 VZOG - vorbehaltlich § 6 ZOEG - der Privatisierung den Vorrang vor der Kommunalisierung (vgl. Urteile vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 34.93 - BVerwGE 95, 301 <306 f.> und vom 29. April 1994 - BVerwG 7 C 30.93 - BVerwGE 96, 1 <4 f.>), während § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 VZOG die Interessen der Kommune dadurch wahrt, dass sie zwar nicht länger Restitution, wohl aber Auskehr des Erlöses verlangen kann. All dies passt nicht, wenn die restitutionsschädliche Veräußerung nicht an Dritte, sondern an die restitutionsberechtigte Kommune selbst erfolgt. Der vom Gesetz geregelte Konflikt mit den Interessen des Dritten - und dem dahinter stehenden öffentlichen Privatisierungsinteresse - besteht dann gar nicht. Es besteht auch kein Bedürfnis für eine gesetzliche Regelung. Der Gemeinde ist vielmehr zuzutrauen, ihre Interessen in dem Vertrage selbst zu wahren.

Ansprüche auf Erlösauskehr scheiden damit aus. Ein solcher Anspruch verliert infolge der vertraglichen Verrechnungsabrede auch jeden Sinn. Bestand nämlich der klägerseits behauptete Restitutionsanspruch hinsichtlich des örtlichen Gasvermögens, so wird dessen Wert dem vereinbarten Kaufpreis ganz oder nahezu entsprechen. Dann aber führt die Verrechnungsabrede dazu, dass der Kaufpreis auf Null oder nahezu auf Null reduziert wird. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin auf Auskehr dieses reduzierten Erlöses keinen Anspruch mehr hat: Sie hat durch die Verrechnung schon alles erhalten, was ihr zusteht, und kann - wenn der Wert des Restitutionsanspruchs hinter dem vereinbarten Kaufpreis zurückbleiben sollte - nicht auch noch Auskehr des unverbrauchten Restes verlangen.

2. Nur vorsorglich sei noch auf Folgendes hingewiesen:

a) Hinter ihrem Prozessvortrag wird deutlich, dass die Klägerin eine behördliche Feststellung zum Bestehen und möglichst auch zum Umfang ihres ursprünglichen Restitutionsanspruchs erhalten möchte. Einen dahingehenden Anspruch gibt es jedoch nicht. Ein Fall von § 2 Abs. 1 Satz 2 VZOG liegt nicht vor.

Die Rechtslage ist damit für (vertraglich abgewickelte) Restitutionsansprüche anders als für (vertraglich abgewickelte) Beteiligungsansprüche aus § 4 Abs. 2 KVG. Wie der Senat im Urteil vom heutigen Tage in der Sache BVerwG 3 C 4.04 dargelegt hat, haben Gemeinden, auch wenn ihnen eine Beteiligung an einer überregionalen Energieversorgungsgesellschaft nicht mehr zugeordnet werden kann, aus § 4 Abs. 2 KVG gleichwohl noch einen fortwirkenden Anspruch auf Feststellung ihrer ursprünglichen Beteiligungsquote. Dieser Anspruch ist vor allem aus der wechselseitigen Verbundenheit der Beteiligungsquoten sämtlicher Gemeinden im Versorgungsgebiet der überregionalen Gesellschaft herzuleiten. An einer derartigen wechselseitigen Verbundenheit fehlt es bei der Restitution. Restitutionsansprüche sind vielmehr stets individuell und von Bestehen und Höhe anderer Restitutionsansprüche nicht abhängig.

Ein Feststellungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Vertrag. Die Klägerin meint zwar, sie habe auf eine behördliche Feststellung des Bestehens und des Umfangs ihres ursprünglichen Restitutionsanspruchs nicht verzichten wollen. Dieser Wille ist jedoch einseitig geblieben; dass die Beigeladene in ihrer (damaligen) Rolle zugleich als Zuordnungsbehörde dem zugestimmt hätte, hat im Text des Vertrages keinen Niederschlag gefunden.

b) Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehlt der Klägerin das Rechtsschutzinter-esse. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass über den Wert und damit inzident über Bestehen und Umfang des behaupteten ursprünglichen Restitutionsanspruchs bei der Ermittlung des Kaufpreises - im Streitfall - von den Zivilgerichten zu entscheiden sei. Das ist richtig. Die Zuständigkeit der Zivilgerichte erstreckt sich auch auf öffentlich-rechtliche Vorfragen. Dem vorzugreifen steht den Verwaltungsgerichten nicht zu. Der Ausnahmefall eines erst während des Verwaltungsrechtsstreits erledigten Verwaltungsaktes über die Vorfrage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) liegt nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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