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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 40.07
Rechtsgebiete: LAG, FG
Vorschriften:
LAG § 349 Abs. 1 Satz 1 | |
LAG § 349 Abs. 2 Satz 2 | |
LAG § 349 Abs. 3 Satz 1 | |
LAG § 349 Abs. 3 Satz 2 | |
LAG § 342 Abs. 3 | |
FG § 21a Abs. 1 | |
FG § 21a Abs. 2 |
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
BVerwG 3 C 40.07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 10. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert und Buchheister ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich zugleich als Erbe nach seiner Mutter und seiner Schwester gegen die Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen in Höhe von insgesamt 6 290,68 € wegen Schadensausgleichs.
Mit Teilbescheid des Ausgleichsamts München vom 6. September 1971 wurde zugunsten des Klägers sowie seiner Mutter und Schwester als den unmittelbar Geschädigten ein Wegnahmeschaden an Grundvermögen (gemischt genutztes bebautes Grundstück in P., N. Straße ...) in Höhe von 5 300,00 Mark-Ost nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz festgestellt. Hiervon entfielen entsprechend den Miteigentumsanteilen an dem Grundstück auf die Mutter 1 325,00 Mark-Ost (1/4) sowie auf den Kläger und seine Schwester jeweils 1 987,50 Mark-Ost (je 3/8). Mit Bescheid des Ausgleichsamts der Beklagten vom 6. November 1975 wurde der festgestellte Schadensbetrag um 3 600,00 Mark-Ost auf insgesamt 8 900,00 Mark-Ost erhöht. Dadurch erhöhten sich der Anteil der Mutter auf 2 225,00 Mark-Ost und die Anteile der Kinder auf jeweils 3 337,50 Mark-Ost. Hierfür wurde den Geschädigten mit Teilbescheiden des Ausgleichsamts München vom 6. September 1971 zunächst Hauptentschädigung in Höhe von 1 330,00 DM (Mutter) und jeweils 1 990,00 DM (Kläger und Schwester) und mit Gesamtbescheiden des Ausgleichsamts der Beklagten vom 27. Januar 1976 Hauptentschädigung in Höhe von weiteren 1 120,00 DM (Mutter) und jeweils 1 350,00 DM (Kläger und Schwester) zuerkannt. Laut Erfüllungsmitteilungen des Ausgleichsamts München vom 5. Oktober 1971, 29. November 1971 und 6. Dezember 1971 wurden der Mutter nebst Zinsen 1 436,40 DM sowie jeweils 2 149,20 DM an den Kläger und seine Schwester ausgezahlt, gemäß den Erfüllungsmitteilungen des Ausgleichsamts der Beklagten vom 20. März 1976 und 20. April 1976 weitere 3 041,50 DM an die Mutter, 2 101,80 DM an den Kläger sowie 2 088,30 DM an dessen Schwester.
Die Mutter des Klägers starb am 9. Juli 1987. Sie wurde vom Kläger und seiner Schwester je zur Hälfte beerbt.
Auf einen vermögensrechtlichen Restitutionsantrag des Klägers und seiner Schwester hin übertrug ihnen das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen P. mit Bescheid vom 2. Juni 1994 lediglich das Eigentum an dem in Volkseigentum überführten Grund und Boden zurück. Die Rückgabe des Gebäudes, für das zwischenzeitlich ein Gebäudegrundbuchblatt angelegt worden war, wurde abgelehnt, weil es bereits weiterveräußert worden war. Stattdessen wurde dem Kläger und seiner Schwester ein Anspruch gegen die Veräußerer auf den Verkaufserlös in Höhe von 8 000,00 DM zuerkannt.
Nachdem das Ausgleichsamt der Beklagten ein Rückforderungsverfahren eingeleitet hatte, machten der Kläger und seine Schwester geltend, ihr Anspruch gegen die Verkäufer des Gebäudes habe sich wegen deren Vermögenslosigkeit nicht realisieren lassen. Insoweit werde die Anerkennung eines Restschadens beantragt. Dennoch forderte das Ausgleichsamt der Beklagten mit Rückforderungs- und Leistungsbescheiden vom 28. März 2003 vom Kläger und seiner Schwester in deren Eigenschaft als unmittelbar Geschädigte zu viel gezahlte Hauptentschädigung in Höhe von jeweils 2 049,25 € zurück. Zudem verlangte es von ihnen als Erben nach ihrer Mutter jeweils weitere 1 096,09 €. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege ein voller Schadensausgleich vor. Dies gelte wegen des zugesprochenen Veräußerungserlöses auch hinsichtlich des auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudes.
Die Schwester des Klägers verstarb am 8. Juli 2003 und wurde durch den Kläger beerbt.
Mit Beschwerdebescheid vom 12. September 2005 wies die Beschwerdestelle für Lastenausgleich die am 11. April 2003 erhobenen Beschwerden des Klägers und seiner Schwester zurück. Der festgestellte Wegnahmeschaden sei vollständig ausgeglichen worden. Der Erlösauskehranspruch sei als Surrogat für das nicht zurückübertragene Wohngebäude anzusehen.
Das Verwaltungsgericht hat der dagegen erhobenen Klage durch Urteil vom 16. März 2007 stattgegeben und die angefochtenen Leistungsbescheide teilweise aufgehoben. Diese seien rechtswidrig, soweit Hauptentschädigung hinsichtlich des Gebäudes zurückgefordert worden sei. Insoweit sei ein Schadensausgleich nicht eingetreten und der Kläger nicht verpflichtet, die ihm und den übrigen Geschädigten gewährte Hauptentschädigung zurückzuzahlen.
Mit seiner Revision gegen dieses Urteil beruft sich die Beklagte darauf, dass mit der Einräumung der Verfügungsbefugnis über den Verkaufserlös der Schaden nach § 349 LAG ausgeglichen worden sei. Da bei Surrogaten die Wiederherstellung des ursprünglichen Rechtszustandes kein Kriterium für den Schadensausgleich sein könne, komme es allein darauf an, ob das Surrogat verfügbar sei oder nicht. Der Annahme eines Schadensausgleichs stehe daher nicht entgegen, dass der Kläger seinen Erlösauskehranspruch nicht geltend gemacht habe. Eine unzureichende Wahrnehmung eigener Rechte könne nicht zu Lasten des Entschädigungsfonds gehen.
Der Kläger ist der Auffassung, allein die Verfügungsbefugnis über eine Forderung könne keinen Schadensausgleich darstellen; dieser sei erst dann eingetreten, wenn der wirtschaftliche Wert realisiert und damit der Ausgleich tatsächlich hergestellt werde.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II
Die Revision ist unbegründet. Das angegriffene Urteil steht im Einklang mit Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide, die insgesamt - also auch soweit sie sich gegen die zwischenzeitlich verstorbene Schwester des Klägers richten - Gegenstand des Verfahrens sind, zu Recht als rechtswidrig angesehen, soweit Hauptentschädigung hinsichtlich des auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudes zurückgefordert wird.
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Hauptentschädigung in den angegriffenen Bescheiden ist § 349 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG -. Nach § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG sind "in den Fällen des § 342 Abs. 3" die zu viel gewährten Ausgleichsleistungen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 zurückzufordern, ohne dass es - wie § 342 Abs. 3 LAG klarstellt - eines ausdrücklichen Wiederaufgreifens des früheren Lastenausgleichsverfahrens bedarf. Was in diesem Sinne als zu viel gewährter Lastenausgleich anzusehen ist, wird durch die Verweisung auf die folgenden Absätze festgelegt und bezieht sich auf den nachträglichen Schadenswegfall (§ 342 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 LAG). Nach § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG gilt bei Rückgaben von Vermögenswerten, die in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet belegen sind, sowie der Wiederherstellung der vollen Verfügungsrechte über solche Vermögenswerte der festgestellte Schaden insoweit stets in voller Höhe als ausgeglichen; Wertminderungen sowie das Fehlen von Zubehör oder Inventar werden nicht berücksichtigt.
Die Anwendung dieser Vorschriften rechtfertigt zwar die Rückforderung der Hauptentschädigung, soweit sie für den entzogenen und mittlerweile zurückübertragenen Grund und Boden gewährt worden ist, jedoch nicht, soweit sie auf das inzwischen weiterveräußerte Gebäude entfällt. In diesem Umfang ist der Schaden weder ausgeglichen worden (1.), noch muss sich der Kläger so behandeln lassen, als habe ein solcher Ausgleich stattgefunden (2.).
1. Ein voller, also auch die Entziehung des Gebäudes abdeckender Schadensausgleich ergibt sich nicht bereits daraus, dass das Grundstück als solches zurückübertragen worden ist und Wertminderungen sowie das Fehlen von Zubehör oder Inventar nach § 349 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 LAG nicht berücksichtigt werden. Bei dem Gebäude handelte es sich weder um Zubehör noch um Inventar, sondern um einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks. Dieser wesentliche Bestandteil ist nicht beschädigt oder zerstört, sondern rechtlich verselbständigt worden. Die Rückgabe des Grundstücks, das wegen dieser rechtlichen Aufspaltung nur noch teilidentisch mit dem entzogenen Vermögenswert ist, führt daher auch nur zu einem teilweisen Ausgleich des durch die Eigentumsentziehung entstandenen Schadens.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der auf die Entziehung des Gebäudes entfallende Schaden auch nicht dadurch ausgeglichen worden, dass das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen dem Kläger und seiner Schwester in analoger Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG den Erlös aus dem Verkauf dieses Vermögenswerts zugesprochen hat. Zwar ist nach § 349 Abs. 3 Satz 4 LAG ein festgestellter Schaden auch bei Schadensausgleichsleistungen nach dem Vermögensgesetz in Geld oder Geldeswert in voller Höhe ausgeglichen. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Berechtigten dieses Surrogat in einer Weise zur Verfügung gestellt wird, die der Wiedereinräumung der vollen Verfügungsrechte über den entzogenen Vermögenswert gleichkommt; denn in der Wiedergewinnung dieser Verfügungsrechte sieht der Gesetzgeber das den Schadensausgleich herbeiführende Element. Eine der Wiederherstellung der Eigentumsrechte an einem entzogenen Vermögensgegenstand vergleichbare Rechtsstellung erlangt der Betroffene mit der bloßen Einräumung einer als Surrogat gewährten Geldforderung jedoch nicht. Ihm bleibt das Risiko ihrer Verwertung. Solange diese nicht geschehen ist, hat der Schadensausgleich nicht stattgefunden.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Senat in seinem Urteil vom 27. April 2006 - BVerwG 3 C 28.05 - (Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 11) die Wiedererlangung der Möglichkeit, eine Forderung dem Schuldner gegenüber geltend zu machen und gegebenenfalls durchzusetzen, als Schadensausgleich im Sinne des § 349 Abs. 3 LAG anerkannt hat. Dort ging es um den Ausgleich für den Wegnahmeschaden an einer Geldforderung. Dieser tritt ein, sobald der Betroffene wieder in die Lage versetzt wird, seine Rechte aus der Forderung geltend zu machen; denn damit erlangt er dieselbe Position zurück, die er seinerzeit eingebüßt hatte. Anders verhält es sich - wie hier - bei einer als Ersatz für einen entzogenen Vermögenswert gewährten Geldforderung, mit der der Wegnahmeschaden erst dann wiedergutgemacht wird, wenn dem Berechtigten der durch die Forderung verkörperte Wert tatsächlich zufließt.
2. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er nicht versucht habe, den Anspruch auf Erlösauskehr durchzusetzen und so den Schadensausgleich für das entzogene Gebäude zu erlangen. Eine solche Pflicht zur Schadensminderung entsprechend dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB, auf die sich die Beklagte sinngemäß mit ihrem Einwand beruft, eine unzureichende Wahrnehmung eigener Rechte dürfe nicht zu Lasten des Entschädigungsfonds gehen, besteht hier nicht. Das gilt ungeachtet dessen, dass nach § 349 Abs. 2 Satz 2 LAG für die Bemessung des Schadens die Vorschriften des Feststellungsgesetzes - FG - und des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes - BFG - in der am 31. Dezember 1991 geltenden Fassung heranzuziehen sind und § 21a Abs. 2 FG ausdrücklich eine solche Schadensminderungspflicht begründet; denn der mit Gesetz vom 24. Juli 1992 (BGBl I S. 1389) eingefügte Satz 2 des § 349 Abs. 1 LAG erklärt gerade diese Vorschrift bei der Rückforderung zu viel gewährter Ausgleichsleistungen nach § 349 Abs. 1 Satz 1 LAG für unanwendbar. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte dem Betroffenen hierdurch ein Wahlrecht eingeräumt werden. Falls es ihm günstiger erscheine, könne er auf anderweitige Schadensausgleichsleistungen verzichten. In diesem Fall bleibe ihm der gewährte Lastenausgleich ungeschmälert erhalten (BTDrucks 12/2170 S. 11). Angesichts dieses Regelungszwecks kommt es auf die Frage, ob der Kläger den als Surrogat eingeräumten Anspruch auf den Verkaufserlös zumutbarerweise hätte realisieren können, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 090,34 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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