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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 5.06
Rechtsgebiete: EV


Vorschriften:

EV Art. 21 Abs. 3
Die Auflösung der Realgemeinden im Gebiet der Gemeinde Amt Neuhaus unter Überführung ihres Vermögens in das Eigentum der politischen Gemeinden in Mecklenburg durch das Gesetz vom 29. April 1948 war nicht rechtsstaatswidrig.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 5.06

Verkündet am 14. Juni 2006

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Dette, Liebler und Prof. Dr. Rennert

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Februar 2005 wird geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Berlin vom 24. Juli 2002 verpflichtet, von dem im Grundbuch von N. - Gemarkung V. - Blatt Nr. 3976 Flur 1 Flurstück Nr. 33/2 eingetragenen Grundstück eine Teilfläche von 2 683 qm in den Grenzen des früheren Grundstücks Flurstück Nr. 248/66 der Klägerin zuzuordnen und den Zuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Zuordnung eines schmalen, langgestreckten Teilgrundstücks von 2 683 qm, als dessen Nutzungsart im Grundbuch für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg "Weg aus der Pferdeweide" ausgewiesen war. Als Eigentümer war 1945 die Realgemeinde V. eingetragen. Das Grundstück liegt im Gebiet der früheren politischen Gemeinde St., deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist. Dieses Gebiet gehörte bis 1867 zum Königreich Hannover und sodann zur preußischen Provinz Hannover, fiel aber nach dem Zweiten Weltkrieg - weil nördlich der Elbe gelegen - in die sowjetische Besatzungszone und gehörte dort zunächst zum Land Mecklenburg. Durch Gesetz vom 29. April 1948 wurden die Realgemeinden in Mecklenburg aufgelöst und ihr Vermögen den politischen Gemeinden übertragen. Das Grundstück wurde sodann 1952 in Volkseigentum überführt.

Mit Sammelbescheid vom 18. Juni 1996 ordnete die Beklagte das Grundstück zusammen mit anderen der Beigeladenen zu. An diesem Verfahren war die Klägerin nicht beteiligt.

Bereits am 15. Juni 1995 hatte die Klägerin Rückübertragung des Grundstücks an sich beantragt. Das lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2002 ab. Die Klägerin könne das Alteigentum der Realgemeinde V. nicht geltend machen, da die Realgemeinde nicht mit der politischen Gemeinde identisch sei. Sie könne einen Restitutionsanspruch auch nicht auf ihr eigenes Alteigentum stützen. Zwar sei das Vermögen der Realgemeinde V. mit deren Auflösung auf sie übergegangen und ihr später wieder entzogen worden. Einem Restitutionsanspruch stehe jedoch entgegen, dass die Auflösung der Realgemeinden entschädigungslos und damit rechtsstaatswidrig erfolgt sei. Die öffentliche Restitution diene nicht zur Wiederherstellung rechtsstaatswidrig begründeter Zustände.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihren Restitutionsanspruch weiter. Die Beigeladene hat vor dem Verwaltungsgericht entgegnet, die Aufhebung der Realgemeinden sei schon deshalb als rechtsstaatswidrig anzusehen, weil sie im Zusammenhang mit der Bodenreform erfolgt sei.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 3. Februar 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin das Eigentum an dem strittigen Grundstück im Zuge der Aufhebung der Realgemeinden im Jahre 1948 erlangt. Der Eigentumserwerb sei unmittelbar kraft Gesetzes erfolgt und habe keines Vollzugsaktes - auch keiner Umschreibung im Grundbuch - bedurft. Durch das Aufhebungsgesetz sei auch volles Eigentum der politischen Gemeinde und kein Volkseigentum begründet worden. Die Gemeinde habe dieses Eigentum durch die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum 1952 wieder verloren. Dem deshalb an sich bestehenden Rückgabeanspruch stehe jedoch entgegen, dass die politische Gemeinde ihr Eigentum auf rechtsstaatswidrige Weise erlangt habe. Den Realgemeinden sei nämlich das Gemeinschaftsvermögen, ihren Mitgliedern seien Nutzungs- und andere Genussrechte hieran entschädigungslos enteignet worden. Diese Beurteilung gelte unabhängig davon, ob die Realgemeinden rechtlich verfasst und ob sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anzusehen seien; auch dann stünden ihnen und ihren Mitgliedern vermögenswerte Rechte zu, die unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stünden. Zur Rechtfertigung der Maßnahme könne nicht die Absicht ausreichen, das überlebte Nebeneinander von Realgemeinde und politischer Gemeinde zu beseitigen; denn dies hätte sich auch unter Wahrung der betroffenen Eigentumsrechte bewerkstelligen lassen, etwa unter Aufteilung des Gemeinschaftsvermögens unter den Genossen. Das Vermögen stattdessen der politischen Gemeinde zu übertragen, erscheine damit als Vergesellschaftung unter gewollter Diskriminierung der bisherigen Eigentümer. Das gelte jedenfalls hinsichtlich großer landwirtschaftlicher Nutzflächen, selbst wenn hinsichtlich bloßer Wege und Gewässer anderes gelten sollte.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin. Zur Begründung macht sie geltend: Die erst 1948 erfolgte Auflösung der Realgemeinden habe in keinem Zusammenhang mit der schon 1945 abgeschlossenen Bodenreform in Mecklenburg gestanden. Im Gegenteil sei das Gemeindeland und der Grundbesitz der Genossenschaften von der Bodenreform ausdrücklich ausgenommen worden. Die Auflösung der Realgemeinden habe denn auch keine bodenrechtlichen, sondern kommunalrechtliche Ziele verfolgt. Die noch aus dem Mittelalter stammenden Realgemeinden seien als nicht mehr zeitgemäß angesehen worden; ihre Aufgaben seien mit allen Aktiva und Passiva - einschließlich der Liegenschaften, aber auch der Unterhaltungslasten - den politischen Gemeinden übertragen worden. Zudem seien die Realgemeinden vielfach nicht mehr handlungsfähig gewesen. Auch heute könnten verbliebene Realgemeinden im Zuge von Flurbereinigungen aufgelöst werden. Schließlich habe das Aufhebungsgesetz von 1948 in besonderen Fällen eine Entschädigung vorgesehen.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

Auch die Beigeladene verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revision hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem an sich gegebenen Restitutionsanspruch der Klägerin aus Art. 21 Abs. 3 EV entgegenstehe, dass die Klägerin das zu restituierende Eigentum ihrerseits auf rechtsstaatswidrige Weise erlangt habe. Das steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

1. Der öffentlichen Restitution unterliegt kein Vermögen, das eine öffentlich-rechtliche Körperschaft zuvor auf rechtsstaatswidrige Weise erlangt hatte. Das wäre mit dem Art. 21 Abs. 3 EV zugrundeliegenden Wiedergutmachungsgedanken unvereinbar. Denn die öffentliche Restitution dient nicht der Wiederherstellung eines rechtsstaatswidrigen Zustandes (stRspr.; vgl. Urteile vom 30. November 1995 - BVerwG 7 C 42.92 - BVerwGE 100, 62 <69>, vom 18. Februar 1999 - BVerwG 3 C 2.98 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 32, vom 24. April 2003 - BVerwG 3 C 15.02 - BVerwGE 118, 119 sowie vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 3 C 40.04 -).

Was rechtsstaatswidrig ist, muss im Einklang mit dem sonstigen Wiedergutmachungsrecht bestimmt werden, dessen gemeinsame Grundlage Art. 19 Satz 2 EV ist. Mit Recht wird daher etwa auf § 1 Abs. 2 VwRehaG verwiesen, wonach im Sinne von Art. 19 Satz 2 EV rechtsstaatswidrig diejenigen Maßnahmen sind, die in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben und die der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben. Ebenso von Bedeutung ist der Blick aufs Vermögensrecht. Es liegt auf der Hand, dass die Gemeinde die öffentliche Restitution nicht verlangen kann, wenn sie den Vermögensgegenstand ihrerseits in einer Weise erlangt hat, die Grund für einen Restitutionsanspruch des früheren Eigentümers nach § 1 VermG wäre. Die Geltendmachung eines öffentlichen Restitutionsanspruchs erschiene gerade dann als unzulässige Rechtsausübung (vgl. Urteil vom 24. April 2003 a.a.O. <121>).

2. Die Auflösung der altrechtlichen Realgemeinden und die Überführung des Gemeinschaftsguts in das Vermögen der jeweiligen politischen Gemeinde durch das mecklenburgische Gesetz vom 29. April 1948 (GVBl S. 77) stellt keine rechtsstaatswidrige Maßnahme im vorbezeichneten Sinne dar. Die Gemeinde ist daher nicht gehindert, Rückgabe solcher Vermögensgegenstände nach Art. 21 Abs. 3 EV zu verlangen, wenn diese ihr später durch den Zentralstaat der DDR entzogen wurden.

a) Die Auflösung der altrechtlichen Gemeinschaften kann nicht deshalb als rechtsstaatswidrig angesehen werden, weil sie in Zusammenhang mit der Bodenreform stünde.

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht Enteignungen im Zuge der sozialistischen Bodenreform als rechtsstaatswidrig angesehen und den hierdurch begünstigten Körperschaften daher den Restitutionsanspruch versagt (Urteile vom 30. November 1995, vom 24. April 2003 und vom 13. Oktober 2005 a.a.O.). Grund hierfür war nicht nur, dass die Enteignungen im Zuge der Bodenreform entschädigungslos und ohne Rechtsschutzmöglichkeit erfolgten, sondern auch, dass sie sich gerade gegen "feudale Großjunker" sowie gegen Nationalsozialisten und deren Angehörige richteten und damit in diskriminierender Weise an persönliche Merkmale der Betroffenen anknüpften. Der Senat hat den Restitutionsausschluss auch auf solche Enteignungen erstreckt, die der eigentlichen Bodenreform zwar nachfolgten, mit ihr jedoch in Zusammenhang standen. Das hat er für Grundeigentum angenommen, das zunächst zugunsten des Bodenfonds enteignet, dann aber als "unbrauchbar" nicht an Neubauern, sondern der politischen Gemeinde zugeteilt worden war (Urteil vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 3 C 40.04 -).

Die Auflösung der Realgemeinden stand mit der Bodenreform jedoch in keinem sachlichen Zusammenhang. Namentlich diente sie nicht der Landbeschaffung für Neubauern. Das wird schon daraus deutlich, um welche Nutzflächen es ging. Das Vermögen der aufgelösten Realgemeinden umfasste nämlich in erster Linie Wege- und Grabengrundstücke, sodann Gemeinschaftsanlagen wie Brücken, Brunnen und Löschteiche sowie Deiche. Nutzbares Acker- und Weideland - wie bei Realgemeinden vielleicht sonst zu erwarten - zählte jedenfalls in den betroffenen ehedem hannoverschen Gebieten nördlich der Elbe nur gelegentlich noch zum Gemeinschaftsvermögen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde nämlich hervorgehoben, dass das nutzbare Land regelmäßig bereits im 19. Jahrhundert unter den Genossen verteilt worden war (mecklbg. LTDrucks 1/181 <S. 634>). Dementsprechend fiel das Gemeinschaftsgut mit der Auflösung auch nicht in den Bodenfonds, sondern ins Eigentum der jeweiligen politischen Gemeinde.

b) Die Auflösung der Realgemeinden und die Überführung ihres Vermögens auf die jeweilige politische Gemeinde war nicht deshalb rechtsstaatswidrig, weil dies entschädigungslos erfolgte.

Zu den Grundsätzen des Rechtsstaats ist zu zählen, dass wohlerworbene private Rechte vom Staat nur gegen Entschädigung entzogen werden dürfen. Das ist seit langem anerkannt (vgl. Einl. §§ 74, 75 des preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794; C.F. v. Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, 2. Auflage 1869, S. 37 ff.; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Auflage 1917, S. 51 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 856 ff.). Die Auflösung der altrechtlichen Realgemeinden durch das mecklenburgische Gesetz vom 29. April 1948 stellt jedoch keine Entziehung wohlerworbener privater Rechte in diesem Sinne dar.

aa) Es liegt schon keine Enteignung im klassischen Sinne vor. Ein Vorgang der staatlichen Güterbeschaffung steht nicht in Rede. Vielmehr handelt es sich um eine Regelung, die nach heutigem Verständnis als Inhaltsbestimmung des Eigentums anzusehen wäre (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 <330 ff., 336 ff.>). Diese eigentumsrechtliche Regelung bildete das unausweichliche Mittel einer Reform der Verwaltungsorganisation im dörflichen Bereich.

Die altrechtlichen Gemeinschaften (Altgemeinden, Realgemeinden, Interessentenschaften) waren Selbstverwaltungseinheiten, die zwischen der bürgerlichen Privatgesellschaft und dem Staat standen. Sie gingen aus den alten Markgemeinden hervor, deren Gemeinheitsgut - die sog. Allmende - sie verwalteten (unverändert grundlegend Gierke, Deutsches Privatrecht, Band 1, 1895, S. 596 - 619). Sie versahen Aufgaben, die im Allgemeininteresse der dörflichen Gemeinschaft lagen. Mit der Bildung der politischen Gemeinde wurden bestimmte Aufgaben auf diese verlagert, während restliche Aufgaben - namentlich solche, deren Erfüllung Grundbesitz erforderte - bei der altrechtlichen Gemeinschaft verblieben. Damit standen im Dorf zwei Selbstverwaltungseinheiten nebeneinander, die sich vor allem nach ihrem Mitgliederkreis unterschieden: Während die Mitgliedschaft in den altrechtlichen Gemeinschaften den Hofbauern im Dorf vorbehalten war, umfasste die Mitgliedschaft in der politischen Gemeinde auch andere Einwohner, also Familienangehörige, Gesinde, landlose Bauern und Angehörige anderer Berufe.

Im beginnenden 20. Jahrhundert erschienen die altrechtlichen Gemeinschaften zunehmend als überlebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in mehreren Ländern der sowjetischen Besatzungszone Gesetze zu ihrer Aufhebung erlassen (Thüringen: Gesetz vom 29. Mai 1947, RegBl S. 52; Mecklenburg: Gesetz vom 29. April 1948, RegBl S. 77; Sachsen: Gesetz vom 30. September 1948, GVBl S. 530; Brandenburg: Gesetz vom 11. Mai 1951, GVBl S. 8). Die Aufhebung der altrechtlichen Gemeinschaften erscheint dabei durchgängig als Verschmelzung mit der politischen Gemeinde. Ihre Aufgaben blieben; auch das Vermögen, das der Wahrnehmung dieser Aufgaben diente, blieb als solches erhalten und wurde nicht etwa zu anderen staatlichen Zwecken entzogen. Es wurde lediglich der Träger ausgewechselt: An die Stelle der altrechtlichen Gemeinschaft trat die politische Gemeinde, an die Stelle der Hofeigentümer traten die Gemeindeeinwohner. Die Hofeigentümer blieben aktivberechtigt, da sie zugleich Gemeindeeinwohner waren; die übrigen Gemeindeeinwohner traten hinzu.

Notwendiges Mittel dieser Neuordnung war eine eigentumsrechtliche Regelung. Denn die Mitgliedschaft in der altrechtlichen Gemeinschaft war an das Eigentum an einem Hof im Dorfgebiet geknüpft. Die beabsichtigte Neuordnung musste daher die Verbindung zwischen dem Hofeigentum und der Mitgliedschaft in der altrechtlichen Gemeinschaft durchtrennen. In eigentumsrechtlicher Sicht liegt darin eine Inhaltsbestimmung des Eigentums: Der Inhalt des Eigentums an einem landwirtschaftlichen Hof wurde neu bestimmt. Das Hofeigentum blieb als solches unangetastet; es vermittelte aber nicht länger die Mitgliedschaft in der altrechtlichen Gemeinschaft.

bb) Allerdings verloren die Hofeigentümer nicht nur die Mitgliedschaft in der altrechtlichen Gemeinschaft, sondern auch das Eigentum an deren Vermögensgegenständen. Das war indes keine enteignungsfähige Rechtsposition.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die altrechtlichen Gemeinschaften, sofern sie nicht - wie teilweise in der preußischen Provinz Hannover (Gesetz vom 5. Juni 1888, GS S. 233) - als öffentlich-rechtliche Körperschaften Rechtsfähigkeit erlangten, zunehmend den Regeln des Privatrechts unterstellt. Sie erschienen nunmehr als Gesamthandsgemeinschaften, deren innere Verfassung sich nach §§ 741 ff. BGB richtet (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 320/02 - VIZ 2004, 79). Damit rückte die eigentumsrechtliche Mitberechtigung an den Gegenständen des Gemeinschaftsvermögens in den Vordergrund.

Dem Gemeinschaftsvermögen fehlte jedoch die Privatnützigkeit. Vielmehr blieb auch unter der zivilrechtlichen Konstruktion die überkommene gemeinheitliche Zweckbindung bestehen. Das Gemeinschaftsvermögen unterlag nicht dem privatautonomen Belieben der Genossen, sondern war für Zwecke gewidmet, die nach herkömmlicher Auffassung zu den allgemeinen Angelegenheiten im Dorf zählten. Das liegt für Wege, Gräben, Brücken, Brunnen und Friedhöfe auf der Hand. Es galt ursprünglich ebenso für Kiesgruben und Wälder; diese waren von der Aufteilung im Zuge der Gemeinheitsteilungen gerade wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit ausgenommen (§ 109 der preußischen Gemeinheitsteilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821, GS S. 53; § 6 des preußischen Gesetzes über gemeinschaftliche Holzungen vom 14. März 1881, GS S. 261).

Mit Recht hält es die Beigeladene für kennzeichnend, ob die Hofeigentümer je für sich oder doch in ihrer Gesamtheit Nichtgenossen von der Nutzung der Gegenstände des Gemeinschaftsvermögens ausschließen durften. Entgegen ihrer Auffassung ist das aber zu verneinen. Zwar ging mit der neuen zivilrechtlichen Konstruktion an sich ein derartiges Ausschließungsrecht einher. Tatsächlich aber stand die Teilhabe am Gemeinschaftsvermögen sämtlichen Dorfbewohnern offen. Für die Nutzung von Wegen und Brunnen ist das selbstverständlich. Es gilt aber auch für Weiden und Wälder. Landlosen Bauern eine Weidegrundlage zu bieten, war gerade der Sinn der Allmende, und es stellte eine unerwünschte Folge der Aufteilung von Weideflächen im Zuge der Gemeinheitsteilungen dar, dass den landlosen Bauern diese Weidegrundlage genommen wurde. Ausgeschlossen waren mithin nicht Nichtgenossen, sondern allenfalls Ortsfremde, ähnlich wie noch nach heutigem Landesrecht Nichteinwohner regelmäßig keinen Anspruch auf Zulassung zu den öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde haben.

cc) Selbst wenn in der Auflösung der altrechtlichen Gemeinschaften ein Entzug enteignungsfähiger Rechtspositionen gesehen würde, so könnte er dennoch nicht als rechtsstaatswidrig angesehen werden. Allerdings begründet der generelle Ausschluss einer Entschädigung schon im Gesetz die Vermutung der Rechtsstaatswidrigkeit; denn eine derartige Regelung war nach dem Selbstverständnis der Rechtsordnung der DDR sowie der vorherigen Länder in der sowjetischen Besatzungszone regelmäßig Ausdruck einer bewussten Diskriminierung bestimmter Personengruppen oder Verhaltensweisen (Urteil vom 13. April 2000 - BVerwG 7 C 5.99 - Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 17 <S. 28 f.> m.w.N.). Diese tatsächliche Vermutung ist indes nicht unwiderlegbar, und sie ist hier widerlegt. Dabei sei noch davon abgesehen, dass das mecklenburgische Aufhebungsgesetz eine Entschädigung keineswegs generell ausschloss, sondern - wenn auch nur in Ausnahmefällen nach billigem Ermessen der Behörde und unter Ausschluss des Rechtsweges - durchaus vorsah (§ 4 Satz 2). Die Materialien des Gesetzes zeigen jedenfalls, dass der Ausschluss einer Entschädigung im vorliegenden Fall nicht aus Gründen der Diskriminierung der Betroffenen geschah.

Richtig ist, dass Mitglieder der aufgelösten Gemeinschaften nur Hofeigentümer waren. Der Ausschluss jeder Entschädigung findet seinen Grund jedoch nicht in einem sozialen Klassengegensatz zu den landbesitzenden Bauern und auch nicht in ihrer wahrscheinlich eher konservativen Gesinnung (vgl. den von der Beigeladenen vorgelegten Vermerk der Abteilung für Bodenkultur der brandenburgischen Landesregierung vom 6. Dezember 1945, S. 4). Dass diese Bauern nicht als politische Gegner der sozialistischen Machthaber angesehen wurden, wird schon daraus deutlich, dass sie von der Bodenreform, die Landbesitz erst ab 100 ha enteignet hatte, verschont geblieben waren. Auch die Auflösung der altrechtlichen Gemeinschaften ließ ihr Hofeigentum als solches unberührt.

Der Ausschluss der Entschädigung wurde vielmehr vornehmlich damit begründet, dass die entzogenen Mitberechtigungen keinen oder doch nur einen ganz geringen wirtschaftlichen Wert aufwiesen. Die entzogenen Mitberechtigungen bestanden nicht an einzelnen Gegenständen des Gemeinschaftsvermögens, sondern an der Gemeinschaft als solcher; sie umfassen nicht nur das Recht zur Mitverwaltung und zur Mitnutzung, sondern auch die Pflicht zur Lasten- und Kostentragung. Dabei wurde der wirtschaftliche Vorteil der Nutzungsberechtigung regelmäßig weitgehend durch die Lasten und Kosten aus der Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen aufgewogen. Zudem waren in den Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsjahren erhebliche rückständige Unterhaltungslasten aufgelaufen, so dass in den einschlägigen Gesetzesmaterialien durchgängig der Missstand einer unzulänglichen Instandhaltung und die hierdurch verursachten administrativen und finanziellen Nachteile für die notfalls eintretende politische Gemeinde hervorgehoben wurden (mecklbg. LTDrucks 1/181 <S. 634 f.>; LTProt. 1/984 f.; vgl. ähnlich den bereits erwähnten bbg. Vermerk vom 6. Dezember 1945 <S. 4>; bbg. LTDrucks 2/16 <S. 129>; thür. LTDrucks 1/017, 1/070; LTProt. 1/384 ff.; sächs. LTProt. 1/1033).

Das gilt auch für die Aufhebung der Realgemeinden in den vormals hannoverschen Landesteilen Mecklenburgs. Wie erwähnt, wurde im Gesetzgebungsverfahren im Landtag von Mecklenburg hervorgehoben, dass auch diese Realgemeinden lediglich noch restliches Gemeinschaftsvermögen verwalteten, das nach Flurbereinigungsmaßnahmen - sog. Koppelungen und Teilungen - unverteilt geblieben war, vor allem Wege, Gräben, Brücken und Siele (LTDrucks 1/181 <S. 634>). Allerdings zählten zum Gemeinschaftsvermögen - wie der vorliegende Fall zeigt - durchaus noch Wiesen, die als Grünland nutzbar waren. Dem standen aber jedenfalls in dem hier angesprochenen Landstrich entlang der Elbe besondere Lasten aus der Unterhaltung der Elbdeiche gegenüber, so dass auch hier die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Mitberechtigung als regelmäßig nicht erheblich angesehen wurde (LTDrucks 1/181 ebd.).

3. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Sache ist entscheidungsreif, da es keiner weiteren Ermittlungen bedarf. Die Beklagte ist unter Aufhebung ihres versagenden Bescheides zum Erlass des begehrten Restitutionsbescheides zu verpflichten. Zugleich ist die Beklagte zu verpflichten, den ersten Zuordnungsbescheid - der zugunsten der Klägerin lautete - zu ändern, soweit er dem entgegensteht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Beigeladene hat zwar nicht im ersten, wohl aber im Revisionsrechtszug einen Sachantrag gestellt.

Ende der Entscheidung

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