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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 06.04.2000
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 6.99
Rechtsgebiete: VwGO, GG, PBefG


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
GG Art. 12
PBefG § 13
PBefG § 25
BerufszugangsVO PBefG § 2
Leitsätze:

1. Der Erfolg der Anfechtungsklage, mit der der abgelehnte Bewerber die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung an seinen Konkurrenten angreift, richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.

2. Bei der Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PBefG sind die zu erwartenden Defizite aus dem zur Genehmigung gestellten Linienverkehr nicht zu berücksichtigen.

Urteil des 3. Senats vom 6. April 2000 - BVerwG 3 C 6.99 -

I. VG Magdeburg vom 17.03.1997 - Az.: VG 1 A 2096/94 - II. OVG Magdeburg vom 07.04.1998 - Az.: OVG A 1/4 S 222/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 6.99 OVG A 1/4 S 222/97

Verkündet am 06. April 2000

Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 7. April 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Erteilung von 42 Linienverkehrsgenehmigungen für Kraftomnibusse im Landkreis S. an die Beigeladene und beansprucht die Genehmigungen für sich.

Die Klägerin wurde im Zuge der Privatisierung von Staatsbetrieben der ehemaligen DDR Rechtsnachfolgerin des VEB Kraftverkehr S., der den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in den damaligen Landkreisen O., S. und H. durchgeführt hatte. Im Mai 1990 erhielt der VEB vier Genehmigungen für den Betrieb von Omnibuslinien in der Stadt S., die bis zum Inkrafttreten des Personenbeförderungsgesetzes in den neuen Bundesländern befristet waren. Im September 1990 erhielt die Klägerin 23 Genehmigungen für Überlandlinien befristet bis zum 19. September 1994. Davon existieren fünf Linien nicht mehr. Für die verbliebenen achtzehn Überlandlinien erhielt die Klägerin im Oktober 1994 neue Genehmigungen, die Gegenstand des Verfahrens BVerwG 3 C 7.99 sind.

Die Beigeladene wurde im April 1992 von den ehemaligen Landkreisen O., S. und H. gegründet zu dem Zweck, regionale private Busunternehmen mit der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs zu beauftragen. Durch Bescheid vom 16. Juni 1993 erteilte der Beklagte der Beigeladenen Linienverkehrsgenehmigungen für die vier Buslinien in der Stadt S., die Gegenstand der dem VEB-Kraftverkehr S. erteilten Genehmigungen gewesen waren, und für 38 weitere Überlandlinien. Zugleich lehnte er den Antrag der Klägerin, ihr diese Genehmigungen zu erteilen, ab.

Die der Beigeladenen genehmigten Überlandlinien hatte die Klägerin bis März 1992 ohne Konzession betrieben. Nachdem der Beigeladenen hierfür einstweilige Erlaubnisse nach § 20 PBefG erteilt worden waren, beauftragte sie die Klägerin bis zum 30. Juni 1993 mit deren Bedienung.

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 16. Juni 1993 wies der Beklagte am 5. April 1994 zurück. Dazu führte er aus, die Auswahlentscheidung unter den Bewerbern habe zugunsten der Beigeladenen ausfallen müssen, weil sie am wenigsten auf eine Komplementärfinanzierung durch die öffentliche Hand angewiesen sei.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, der Beigeladenen hätten keine Genehmigungen erteilt werden dürfen, weil sie keine Unternehmerin sei. Außerdem sei die Klägerin in der Lage, die Verkehrsleistungen am kostengünstigsten zu erbringen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. März 1997 abgewiesen mit der Begründung, die von der Klägerin beanstandete Vergabeentscheidung sei rechtmäßig. Der Beklagte habe seine Auswahlentscheidung zu Recht nach den für die Allgemeinheit entstehenden geringsten Kosten getroffen. Die Kostenunterdeckung betrage bei der Beigeladenen 0,70 DM und bei der Klägerin 1,14 DM je Fahrplankilometer.

Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 7. April 1998 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Anfechtungsklage gegen die der Beigeladenen erteilten Genehmigungen sei unzulässig, weil der Klägerin die erforderliche Klagebefugnis fehle. Da die Anfechtungsklage nur eine Hilfsfunktion zur Durchsetzung des mit dem Verpflichtungsantrag verfolgten Anspruchs auf Erteilung der Genehmigungen an die Klägerin selbst habe, setze sie voraus, daß ein eigener Genehmigungsanspruch hinreichend wahrscheinlich sei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung habe die Klägerin keinen eigenen Genehmigungsanspruch gehabt, weil ihr die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit gefehlt habe. Das folge aus § 2 Abs. 1 der Berufszugangs-Verordnung PBefG vom 9. April 1991 (BGBl I S. 896), wonach die zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Führung des Betriebs erforderlichen finanziellen Mittel verfügbar sein müßten. Allein der Nachweis der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 BerufszugangsVO PBefG genannten Mittel reiche dazu nicht aus. Da die Kalkulation der Klägerin für die streitigen Linien ein Betriebsdefizit ergebe, stehe zu erwarten, daß das Betriebskapital binnen kurzer Zeit aufgezehrt werde. Die von der Klägerin gehegte Erwartung, der Landkreis S. werde wie in der Vergangenheit die Verluste ausgleichen, gewähre nicht die nötige Sicherheit, weil hierauf kein Anspruch bestehe. Nach der Gründung der Beigeladenen, deren Hauptgesellschafter der Landkreis sei, hätte die Klägerin die weitere Unterstützung verbindlich sichern müssen. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz könne sie keinen Anspruch auf den erforderlichen Verlustausgleich herleiten, weil ihr Begehren nicht auf eine Gleichbehandlung mit der Beigeladenen sondern auf deren Verdrängung hinauslaufe.

Das Verpflichtungsbegehren der Klägerin sei gleichfalls unzulässig. Hierfür fehle ein Rechtsschutzinteresse, da die Klägerin die Genehmigungen anstelle der Beigeladenen erstrebe, dieses Begehren aber im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage aussichtslos sei.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin, bei der Beurteilung der Anfechtungsklage sei das Berufungsgericht von einem falschen Zeitpunkt ausgegangen. Maßgeblich sei insoweit die Sach- und Rechtslage bei der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, weil es insgesamt um die Durchsetzung des Genehmigungsanspruchs der Klägerin gehe. Im April 1998 sei die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin jedenfalls gewährleistet gewesen, weil der Landkreis S. im Februar 1997 eine Richtlinie über die Vergabe von Verkehrssubventionen erlassen habe, die den Verlustausgleich sicherstelle.

Außerdem habe das Berufungsgericht zu Unrecht die zu erwartenden Betriebsdefizite in die Beurteilung der Leistungsfähigkeit einbezogen. Die Leistungsfähigkeit ergebe sich aus dem Jahresabschluß vor Erteilung der Genehmigung. Daraus folge, daß der zu genehmigende Verkehr keine Rolle spielen könne.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie hält das Berufungsurteil aber ebenfalls für zutreffend.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ist er der Ansicht, das Berufungsgericht habe den Begriff der Leistungsfähigkeit in § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG und § 2 BerufszugangsVO verkannt.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt mit der Entscheidung über die Anfechtungsklage § 42 Abs. 2 VwGO (1.). Es erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO (2.). Dasselbe gilt für die Verpflichtungsklage (3.). Da die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts eine abschließende Entscheidung nicht ermöglichen, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungsklage als unzulässig angesehen, weil der Klägerin die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehle. Diese Auffassung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.1 Richtig ist allerdings, daß die Klagebefugnis für die Anfechtungsklage erörterungsbedürftig ist. Die Klägerin wendet sich gegen Genehmigungen, die einem Dritten erteilt worden sind. Insoweit ist sie nicht Adressatin des angefochtenen Genehmigungsbescheides.

Die einem Dritten erteilte Genehmigung kann einen Kläger nur dann in seinen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO verletzen, wenn er geltend machen kann, die Genehmigung verstoße gegen eine seinen Schutz bezweckende Norm.

Das Berufungsgericht sieht, wie sein Urteil in der Sache BVerwG 3 C 7.99 zeigt, das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG als Schutznorm an, wenn durch die einem Bewerber erteilte Genehmigung wegen des Verbots der Doppelbedienung nach § 13 Abs. 2 PBefG die Erteilung der Genehmigung an den Konkurrenten ausgeschlossen ist. Das ist im Ergebnis richtig, übersieht indes, daß bereits das einfache Recht eine den Bewerber schützende Norm enthält und es deshalb keines Rückgriffs auf Art. 12 GG bedarf.

Das Bundesverwaltungsgericht hat einem vorhandenen Verkehrsunternehmer ein Klagerecht gegen die Genehmigung für einen weiteren Unternehmer zugestanden, wenn er geltend macht, sein dem öffentlichen Verkehr bereits dienendes Unternehmen werde durch die neue Genehmigung beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1968 - BVerwG VII C 90.66 - NJW 1969, S. 708). Es hat dies aus dem Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen in § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG hergeleitet, der insbesondere auch den Schutz des vorhandenen Verkehrsangebots und der darin tätigen Unternehmer umfasse. Ebenso schützen diese Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes den Bewerber für eine Linienverkehrsgenehmigung, der geltend macht, die Genehmigung habe ihm und nicht dem Konkurrenten erteilt werden müssen. Das ergibt sich aus folgenden Gründen:

Das Personenbeförderungsgesetz normiert zwar nicht ausdrücklich einen Rechtsanspruch auf Erteilung der in § 2 PBefG vorgeschriebenen Genehmigung, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Versagungsgründe eingreift. Gleichwohl ist anerkannt, daß ein solcher Rechtsanspruch besteht (vgl. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand: Dezember 1999, B § 2 Abs. 1 Bemerkung 2; Fielitz/Meier/Montigel/Müller, PBefG, Stand: September 1999, § 13 Rn. 2). Dem liegt zwar die Erkenntnis zugrunde, daß ein Gesetz, das einen solchen Anspruch ausschließen würde, wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG verfassungswidrig wäre (vgl. Urteil vom 29. Juni 1954 - BVerwG I C 161.53 - BVerwGE 1 S. 165). Das führt jedoch generell zu einer entsprechenden Auslegung der einfachgesetzlichen Normen und erfordert nicht jeweils einen unmittelbaren Rückgriff auf die Grundrechtsbestimmung.

Die Gewährung eines Rechtsanspruchs bietet notwendigerweise auch Schutz davor, daß dieser Anspruch durch die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung an einen Dritten vereitelt wird. Zur Wahrung der öffentlichen Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 PBefG gehört es im allgemeinen, daß nicht mehreren Unternehmern für denselben Verkehr parallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird. Das gilt jedenfalls, wenn davon auszugehen ist, daß eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muß ("unstreitig erschöpftes Kontingent"; vgl. Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7 C 65.87 - BVerwGE 80, 270 [272]; vgl. auch Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 10. Aufl., 2000, § 16 Rn. 4). Eine sachgerechte Verkehrsbedienung wäre sonst gefährdet. Ebenso wie ein vorhandener Unternehmer, dessen Betrieb durch die Erteilung einer Genehmigung an einen Konkurrenten beeinträchtigt wird, muß daher auch demjenigen ein Klagerecht eingeräumt werden, der selbst einen Anspruch auf eine Linienverkehrsgenehmigung hat, wenn durch die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung an einen Dritten die Wahrnehmung dieses Anspruchs praktisch verhindert wird. Auch in diesem Fall hat § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG drittschützende Wirkung.

1.2 Das Berufungsgericht verlangt als Voraussetzung der Klagebefugnis für die Drittanfechtung, daß "ein eigener Genehmigungsanspruch hinreichend wahrscheinlich" sei, denn allein dann sei die Anfechtungsklage zur Verwirklichung des subjektiven Rechts auf Zulassung zum Linienverkehr notwendig. Auf dieser Grundlage prüft es im einzelnen, ob die Klägerin im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Genehmigung erfüllte. Es verneint dies, weil die Klägerin nicht die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG erforderliche Leistungsfähigkeit gehabt habe.

Dieses Vorgehen ist mit § 42 Abs. 2 VwGO nicht vereinbar. Nach allgemeiner Meinung reicht es zur Bejahung der Klagebefugnis, wenn nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers eine Verletzung seiner Rechte möglich ist. Die Klage ist unzulässig, wenn unter Zugrundelegung dieses Vorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1986 - BVerwG 7 C 29.85 - BVerwGE 75 S. 285, 291; Urteil vom 16. März 1989 - BVerwG 4 C 36.85 - BVerwGE 81 S. 329, 330; Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., § 14 Rn. 10).

Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ist für die Verneinung der Klagebefugnis kein Raum. Es liegt keineswegs auf der Hand, daß die Klägerin ihrerseits die Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Denn es ist durchaus fraglich, ob bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unternehmers die aus dem zu genehmigenden Verkehr zu erwartenden Defizite zu berücksichtigen sind. Der Bundesminister für Verkehr hat dies - wie die Klägerin - nachdrücklich verneint. Erst recht erscheint zweifelhaft, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die Erwartung hat, die öffentliche Hand werde die entstehenden Defizite ausgleichen. Der Annahme des offensichtlichen Fehlens von Genehmigungsvoraussetzungen steht schon die Tatsache entgegen, daß die Klägerin für 18 andere Überlandlinien vom Beklagten die erforderlichen Genehmigungen erhalten hat, obwohl auch diese defizitär sind und ein Vertrag über die Zuschußgewährung nicht vorlag.

2. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Andere Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage sind nicht ersichtlich. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Entscheidung, die Anfechtungsklage sei unbegründet, weil die angefochtene Genehmigung rechtmäßig oder die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Berufungsgericht hat sich mit der Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten Genehmigungen nicht befaßt. Insoweit ist daher auch in der Revisionsinstanz keine Überprüfung möglich. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Klagebefugnis können aber herangezogen werden für die Beurteilung, ob die der Beigeladenen erteilten Genehmigungen Rechte der Klägerin verletzen. Für eine Verneinung dieser Frage reichen sie jedoch nicht aus.

2.1 Das Berufungsgericht hat der Prüfung, ob die Klägerin ihrerseits einen Genehmigungsanspruch hat, zu Recht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. den 5. April 1994, zugrunde gelegt. Hiergegen wendet sich die Revision mit der Begründung, ebenso wie das Verpflichtungsbegehren müsse auch der Anfechtungsantrag nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht beurteilt werden.

Das Berufungsgericht geht zutreffend von dem Grundsatz aus, daß es für die Begründetheit einer Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt. Den mit dieser Klage verfolgten Anspruch auf Aufhebung einer belastenden Entscheidung mit Wirkung ex tunc hat der Bürger im allgemeinen nur, wenn die angegriffene Entscheidung in dem genannten Zeitpunkt rechtswidrig war. Allerdings steht dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt, daß das materielle Recht einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimmen kann. Eine solche abweichende Regelung ist jedoch hier, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, nicht gegeben.

Die Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz ist kein Dauerverwaltungsakt, bei dessen Beurteilung Änderungen der Sach- und Rechtslage während des Verwaltungsprozesses zu berücksichtigen sind; vielmehr handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, der mit seinem Ergehen die ihm entsprechende Rechtslage herstellt (vgl. Bidinger, a.a.O., § 2 zu Abs. 1 Bemerkung 3 c; Fielitz/Meier/Montigel/Müller, a.a.O., § 2 Rn. 3). Diese Genehmigung wird nicht rechtswidrig, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nachträglich entfallen. Vielmehr sieht § 25 PBefG in einem solchen Fall den Widerruf der Genehmigung vor. Für die Anfechtung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen hat das Bundesverwaltungsgericht aus einer solchen Regelung hergeleitet, daß es bei der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bleibt (vgl. Beschluß vom 11. Januar 1991 - BVerwG 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991 S. 236). Für die hier zu beurteilende Anfechtungsklage kann nichts anderes gelten.

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, daß ihr Verpflichtungsbegehren nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu beurteilen sei. Zwar dient die Anfechtungsklage dazu, den Weg für die Erteilung der streitigen Genehmigungen an die Klägerin freizumachen. Das ändert aber nichts daran, daß der Anfechtungsrechtsstreit eine andere Fragestellung hat als die Verpflichtungsklage. Bei ersterem geht es darum, ob die Behörde durch einen Genehmigungsanspruch der Klägerin gehindert war, der Beigeladenen die streitigen Genehmigungen zu erteilen. War dies im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht der Fall, so war die Genehmigungserteilung jedenfalls insoweit rechtmäßig. Daran kann eine spätere Änderung der Sach- und Rechtslage nichts ändern. Eine rechtmäßig erteilte Genehmigung kann nicht deshalb wieder entzogen werden, weil während des anschließenden Rechtsstreits ein anderer Bewerber die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt.

Eine andere Sicht würde zum einen die Investitionssicherheit des Genehmigungsinhabers in unvertretbarem Maße einschränken. Selbst eine rechtmäßig erteilte Genehmigung könnte ihn nicht davor schützen, daß den erforderlichen umfangreichen Investitionen durch eine außerhalb seines Einflußbereichs liegende Änderung der Sach- oder Rechtslage nachträglich die rechtliche Grundlage entzogen wird. Zum anderen wäre für den zu Recht abgelehnten Bewerber ein starker Anreiz gegeben, durch den Einsatz von Rechtsmitteln die endgültige Entscheidung möglichst lange offen zu halten in der Hoffnung, irgendwann vielleicht doch die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen oder das bessere Angebot vorlegen zu können. Beides stünde im Widerspruch zum Sinn des Genehmigungsverfahrens und des vom Gesetz eingeräumten Drittschutzes.

2.2 Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG die fehlende Kostendeckung des zur Genehmigung gestellten Verkehrs in die Beurteilung einbezogen hat. Die Leistungsfähigkeit ist ein Merkmal, das ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Erfolg des zu genehmigenden Linienverkehrs bestimmt werden muß.

Das folgt aus § 2 der Verordnung über den Zugang zum Beruf des Straßenpersonenverkehrsunternehmers (Berufszugangs-Verordnung PBefG - BZV PBefG -), der auf der Grundlage der Ermächtigung in § 57 Abs. 1 Nr. 4 PBefG die finanzielle Leistungsfähigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG definiert. Zwar bestimmt § 2 Abs. 1 BZV PBefG allgemein, die finanzielle Leistungsfähigkeit sei gewährleistet, wenn die zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Führung des Betriebes erforderlichen finanziellen Mittel verfügbar seien. Absatz 2 konkretisiert diese Bestimmung aber dahin, daß die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit anhand des Jahresabschlusses des Unternehmens und für Antragsteller, die keinen Jahresabschluß vorlegen können, anhand einer Vermögensübersicht erfolgt. Maßstab für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit ist danach die Vermögenssituation des Unternehmens bei Antragstellung, denn nur diese kann Gegenstand des Jahresabschlusses oder der ersatzweise vorzulegenden Vermögensübersicht sein. Die möglichen Defizite des zur Genehmigung gestellten Verkehrs können dagegen logischerweise in dem Jahresabschluß, anhand dessen die finanzielle Leistungsfähigkeit zu beurteilen ist, noch keinen Niederschlag gefunden haben. Bestätigt wird dies durch § 2 Abs. 2 Satz 2 BZV PBefG, der bestimmte Merkmale wie etwa verfügbare Finanzmittel, Betriebskapital, Kosten und Belastungen des Betriebsvermögens aufzählt, die für die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit maßgebend sind. Aufwand und Ertrag des zu genehmigenden Verkehrs, aus denen sich das gegebenenfalls zu erwartende Defizit entnehmen ließe, sind dort nicht genannt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß § 2 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 BZV PBefG zahlenmäßig genau bestimmte Mindestbeträge an Eigenkapital und Reserven des Unternehmers festlegt, bei deren Unterschreiten die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht gewährleistet ist. Eine solche Festlegung wäre sinnlos, wenn in jedem Falle die Prüfung geboten wäre, welches Defizit der zur Genehmigung gestellte Verkehr erwarten läßt und ob die zur Deckung dieser Verluste erforderlichen Mittel vorhanden sind. Für eine solche Abschätzung stellt weder das Personenbeförderungsgesetz noch die Berufszugangs-Verordnung PBefG irgendeinen Maßstab zur Verfügung.

Auch aus Rechtsschutzgesichtspunkten ist die Einbeziehung des zu erwartenden Defizits des zu genehmigenden Verkehrs in die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmers abzulehnen. Erfahrungsgemäß sind sehr viele Linienverkehre im öffentlichen Personennahverkehr defizitär. Der abgelehnte Bewerber für eine entsprechende Linienverkehrsgenehmigung würde mit seiner Klage gegen den bevorzugten Mitbewerber ohne den Nachweis, daß der Ausgleich dieses Defizits auf Dauer gesichert ist, von vornherein wegen fehlender eigener Leistungsfähigkeit scheitern, ohne daß ein Vergleich von Qualität und Kostengünstigkeit der verschiedenen Verkehrsangebote möglich wäre. Praktisch wäre damit die Vergabe von Linienverkehrsgenehmigungen im öffentlichen Personennahverkehr weitgehend der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf Betreiben des übergangenen Bewerbers entzogen. Mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG wäre dies nicht zu vereinbaren.

Andere Gründe, die zu einer Verneinung des Genehmigungsanspruchs der Klägerin führen könnten, sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.

3. Das Berufungsgericht hat auch die Verpflichtungsklage der Klägerin als unzulässig abgewiesen. Zum einen hat es wegen der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit der Klägerin auch insoweit die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO verneint. Dabei hat es jedoch wie bei der Anfechtungsklage verkannt, daß schon die Möglichkeit einer Rechtsverletzung die Klagebefugnis begründet.

Das Berufungsgericht hat weiter das Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage verneint, weil das Begehren der Klägerin dahin gehe, die streitigen Linien alleine betreiben zu dürfen, hierfür wegen der Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage jedoch kein Raum sei. Da die Abweisung der Anfechtungsklage keinen Bestand hat, wird auch dieser Argumentation der Boden entzogen.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts bieten im übrigen keine Grundlage, die Verpflichtungsklage als unbegründet anzusehen. Der Aussage, der Klägerin fehle nach wie vor die erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit, liegt - wie gezeigt - ein unrichtiges Verständnis dieses Begriffs zugrunde.

4. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vermitteln keine ausreichende Basis für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat. Das angefochtene Urteil ermöglicht es nicht, die Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten Genehmigungen und deren Ablehnung gegenüber der Klägerin zu überprüfen. Es ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 630 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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