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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.04.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 22.98
Rechtsgebiete: BauNVO, VwGO


Vorschriften:

BauNVO § 15
VwGO § 42
Leitsatz:

Der nur obligatorisch zur Nutzung eines Grundstücks Berechtigte (hier: Pächter) kann keinen Nachbarschutz aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts geltend machen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

Beschluß des 4. Senats vom 20. April 1998 - BVerwG 4 B 22.98 -

I. VG Neustadt a.d.W. vom 02.09.1996 - Az.: VG 11 K 1548/95.NW - II. OVG Koblenz vom 16.12.1997 - Az.: OVG 8 A 13029/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 B 22.98 OVG 8 A 13029/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 20. April 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch, den Richter Hien und die Richterin Heeren

beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der etwaigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin betreibt auf dem von ihr gepachteten Grundstück ein Autohaus mit Neu- und Gebrauchtwagenhandel, eine Kfz-Werkstatt und eine Tankstelle. Sie wendet sich gegen die der Beigeladenen für das gegenüberliegende Grundstück erteilte Baugenehmigung zur Lagerung von Erdstaub, Mutterboden, Sand, Kies, Steinen und Abbruchmaterial. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, die vom Nachbargrundstück ausgehenden Staubimissionen beeinträchtigten ihren Gewerbebetrieb. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos. Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil die Vorschriften des Baugesetzbuches über die Zulässigkeit von Vorhaben Drittschutz nur dem Eigentümer benachbarter Grundstücke gewährten, nicht aber auch den nur obligatorisch Berechtigten. Es gehe in dem Rechtsstreit nicht um die Frage, ob nach den §§ 22, 24 BImSchG Einschränkungen oder Anordnungen hinsichtlich der Art und Weise des Betriebs der Beigeladenen gerechtfertigt seien, sondern nur um die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit.

II.

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Beschwerde weicht der Beschluß des Berufungsgerichts nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 1997 - BVerwG 4 A 36.96 (zum Abdruck in der Entscheidungssammlung vorgesehen = DVBl 1998, 44 = ZfBR 1998, 46 = ThürVBl 1998, 13) oder von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 1; 95, 267) ab. Das Berufungsgericht stellt nicht in Abrede, daß das Pachtrecht eine vermögenswerte Rechtsposition darstellt, die den Schutz des Art. 14 GG genießt. In dieses Pachtrecht wird jedoch durch die dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung ebensowenig eingegriffen wie in das aus dem Pachtverhältnis folgende Besitzrecht der Klägerin an dem Grundstück. Die Auffassung des Senats in der obben erwähnten Entscheidung vom 1. September 1997, dem Pächter, dessen Pachtgrundstück durch eine fernstraßenrechtliche Planung in Anspruch genommen werden soll, sei die Klagebefugnis gegen den entsprechenden Planfeststellungsbeschluß zuzuerkennen, beruht auf der enteignungsrechtlichen Vorwirkung, die der Planfeststellungsbeschluß auch hinsichtlich dieses obligatorischen Rechts am Grundstück entfaltet. Eine vergleichbare Wirkung kommt der einem Grundstücksnachbarn erteilten Baugenehmigung nicht zu.

Es liegt auch keine Divergenz im oben genannten Sinn vor zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. April 1987 - BVerwG 4 C 41.84 - (NVwZ 1987, 884 = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 117), zu dem Beschluß vom 20. Januar 1989 - BVerwG 4 B 116.88 - (NVwZ 1989, 666 = Buchholz 406.11 § 34 BBauG/BauGB Nr. 129) oder zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92 - NJW 1993, 1580. In der zuletzt genannten Entscheidung des BGH hat sich der Kläger nicht auf ein obligatorisches Recht, sondern auf ein dingliches Nießbrauchsrecht gestützt. Soweit in den beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausdruck kommt, daß die Baugenehmigungsbehörde auch die Anforderungen des § 22 BImSchG zu prüfen habe, weicht die Berufungsentscheidung hiervon nicht ab (vgl. Beschlußabdruck S. 5).

Die Revision ist schließlich auch nicht zur Klärung der - sinngemäß aufgeworfenen - Frage zuzulassen, ob ein Grundstückspächter jedenfalls in seiner Eigenschaft als Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gegen die bauplanungsrechtliche Zulassung eines Bauvorhabens auf dem Nachbargrundstück klagen könne.

Der Senat sieht keinen Anlaß, von seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung abzuweichen, daß der nachbarschützende Gehalt bauplanungsrechtlicher Vorschriften - nur um diese Frage geht es hier - sich wegen der Grundstücksbezogenheit des Bebauungsrechts auf die Eigentümer der Nachbargrundstücke beschränkt, nicht jedoch die nur obligatorisch zur Nutzung des Grundstücks Berechtigten erfaßt (vgl. Urteil vom 11. Mai 1989 - BVerwG 4 C 1.88 - BVerwGE 82, 61 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 29; Beschluß vom 11. Juli 1989 - BVerwG 4 B 33.89 - NJW 1989, 2766 = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 92). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes wird hierdurch entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht verletzt. Der Pächter kann sich bei einer planungsrechtlichen Beeinträchtigung des Pachtgrundstücks zum einen an den Verpächter halten. Liegt die Beeinträchtigung nicht im Bereich des bauplanungsrechtlichen Nachbarschutzes, können dem Pächter oder Gewerbetreibenden zum anderen Abwehransprüche nach anderen Vorschriften zustehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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