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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2005
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 56.05
Rechtsgebiete: BBauG 1960, BBauG 1976, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BBauG 1960 § 9 Abs. 1 Nr. 1 a)
BBauG 1976 § 2 Abs. 8
BBauG 1976 § 9 Abs. 1 Nr. 1
BBauG 1976 § 9 Abs. 1 Nr. 5
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 5
BauGB § 9 a
BauNVO § 1 Abs. 2
BauNVO §§ 16 ff.
Jedenfalls seit In-Kraft-Treten des BBauG 1976 kann das Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan nicht nur für Baugebiete im Sinne der BauNVO, sondern auch für Flächen festgesetzt werden, deren Art der baulichen Nutzung auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 BauGB - hier Nr. 5 (Flächen für den Gemeinbedarf) - bestimmt wird.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 B 56.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 10. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen zu 1 a) und b) tragen als Gesamtschuldner 85 Hundertstel, die Klägerin zu 2 15 Hundertstel der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 28 000 € festgesetzt.

Gründe:

Nachdem der anwaltlich vertretene Kläger H. K. verstorben ist, ist das Verfahren nach § 173 VwGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO mit der Klägerin zu 1 b) als Miterbin fortzusetzen. Die Klägerin zu 1 a) als weitere Miterbin ist als originäre Rechtsmittelführerin ohnehin Prozesspartei.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerinnen beimessen, noch weicht das Berufungsurteil von einer divergenzfähigen Entscheidung ab. Die Rügen, welche die Beschwerde an die Ausführungen des Berufungsgericht zur Wirksamkeit der 1. Änderung des Bebauungsplans 84/3 - Schulzentrum Herkenrath - der Stadt Bergisch Gladbach vom 11. Mai 1978 knüpft, greifen nicht durch. Es kann deshalb offen bleiben, ob bezüglich der vorinstanzlichen Darlegungen zur Wirksamkeit des Bebauungsplans 84/3 der ehemaligen Stadt Bensberg vom 18. Juli 1974, auf die die angefochtene Entscheidung hilfsweise gestützt sind, ein Zulassungsgrund gegeben ist.

1. Die Frage, ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl, Geschossflächenzahl, Zahl der Vollgeschosse) für eine Gemeinbedarfsfläche im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zulässig sind, führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie lässt sich nämlich anhand der gesetzlichen Regelungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung ohne weiteres im bejahenden Sinne beantworten.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 des hier maßgeblichen BBauG 1976 (wortgleich mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen die Art und das Maß der baulichen Nutzung festgesetzt werden. Da die Art der baulichen Nutzung nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1997 - BVerwG 4 BN 23.97 - BRS 59 Nr. 71) nicht nur durch die Festsetzung von Baugebieten im Sinne der BauNVO, sondern auch durch Festsetzungen aufgrund einzelner Bestimmungen des § 9 Abs. 1 BBauG 1976/BauGB bestimmt werden kann, gibt es keinen Grund, die Zulässigkeit von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nach den §§ 16 ff. BauNVO auf Bebauungspläne zu beschränken, die ein Baugebiet im Sinne der BauNVO ausweisen. Der Senat pflichtet daher dem Berufungsgericht und dem überwiegenden Teil des Schrifttums (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 9 Rn. 14; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 9 Rn. 96; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 9 Rn. 9; Bracher, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Aufl. 2004, S. 96, Rn. 237 f.) darin bei, dass der Bebauungsplan Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung auch für Flächen treffen darf, deren Nutzungsart - wie hier - auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 5 BBauG 1976/BauGB festgesetzt worden ist.

Die aufgeworfene Rechtsfrage hat nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil das OVG Bremen in seinem Urteil vom 15. September 1970 - I BA 25/70 - (BRS 23 Nr. 9) angenommen hat, jedenfalls die Vorschriften der BauNVO über das Maß der baulichen Nutzung bezögen sich nur auf Baugebiete und seien ebenso wie die Bestimmungen über die Art der baulichen Nutzung auf Baugrundstücke für den Gemeinbedarf unmittelbar nicht anwendbar, und der VGH Mannheim in seinem Beschluss vom 27. Januar 1972 - II 217/70 - (BRS 25 Nr. 18) die Anwendbarkeit der Vorschriften der BauNVO auf ausgewiesene Baugebiete nach § 1 Abs. 2 BauNVO beschränkt hat. Es bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, um die Feststellung zu treffen, dass die beiden Entscheidungen, die zum BBauG 1960 ergangen sind, jedenfalls nicht der Rechtslage seit In-Kraft-Treten des BBauG 1976 entsprechen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1a) BBauG 1960 setzte der Bebauungsplan für das "Bauland" die Art und das Maß der baulichen Nutzung fest, und es mag sein, dass nur Baugebiete nach der BauNVO Bauland waren (so Gaentzsch, a.a.O., § 9 Rn. 14). Seitdem § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB neu formuliert worden ist, sind Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen freilich generell zulässig und nicht nur in Plänen für ein Baugebiet nach § 1 Abs. 2 BauNVO. Die Rechtsgrundlage für den Erlass der BauNVO, § 2 Abs. 8 BBauG 1976 (jetzt: § 9a BauGB), bleibt dahinter nicht zurück, weil sie die zuständige Stelle in Nr. 1 a) und b) ermächtigte, Vorschriften über Darstellungen und Festsetzungen "in den Bauleitplänen" über die Art und das Maß der baulichen Nutzung zu erlassen. Das Berufungsgericht hebt zutreffend hervor, dass eine Einschränkung auf die "Baugebiete" wie in Nr. 2 nicht erfolgt ist.

2. Wegen der Frage nach der Zulässigkeit einer Doppelfestsetzung in Form einer Ausweisung ein und desselben Bereichs als Gemeinbedarfsfläche und zugleich als Baugebiet ist die Revision nicht zuzulassen, weil sich die Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde. Das Berufungsgericht ist in Auslegung der 1. Änderung des Bebauungsplans 84/3 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rat der Stadt Bergisch Gladbach das Gelände des Schulzentrums Herkenrath entgegen der Bezeichnung "MI" nicht als Mischgebiet, sondern ausschließlich als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen hat. Hieran ist der Senat gebunden, da Bebauungspläne dem irrevisiblen Landesrecht angehören. Revisible Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung stellen sich nicht, weil Auslegungsregeln, die bei der Interpretation von Landesrecht herangezogen worden sind, ihrerseits dem Landesrecht zuzurechnen sind (BVerwG, Urteil vom 15. April 1988 - BVerwG 7 C 125.86 - Buchholz 442.01 § 45 a PBefG Nr. 2; BVerwG, Beschluss vom 6. September 1999 - BVerwG 11 B 13.99 - juris). Dass ausnahmsweise etwas anderes, nämlich eine Zuordnung zum Bundesrecht in Betracht kommt, weil die Auslegung offenbar willkürlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1988 - BVerwG 7 C 125.86 - a.a.O.), lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

3. Die Divergenzrüge bleibt erfolglos, weil sich die angeblich voneinander abweichenden Rechtssätze aus dem Urteil des Senats vom 18. September 2003 - BVerwG 4 CN 3.02 - (NVwZ 2004, 229) und der Berufungsentscheidung nicht auf dieselbe Rechtsvorschrift beziehen (vgl. zum Erfordernis der Identität der Rechtsnormen z.B. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 65.98 - NVwZ-RR 1999, 745). Die Beschwerde entnimmt den Ausführungen unter II. 2. b) des zitierten Senatsurteils den Rechtssatz, dass zur Auslegung des Inhalts eines Bebauungsplans nicht auf die Aufstellungsvorgänge zurückgegriffen werden darf. Die in Bezug genommenen Darlegungen verhalten sich freilich zur Auslegung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB. Um einen solchen Plan geht es hier nicht. Im Übrigen hat der Senat seinerzeit auch nicht den Rechtssatz formuliert, den die Beschwerde dem Urteil beilegt, sondern die Aussage getroffen, dass zur Auslegung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht auf den Durchführungsvertrag zurückgegriffen werden darf, weil er nicht Bestandteil der Bauleitplanung ist und von anderen Planbetroffenen nicht eingesehen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO, § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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