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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 57.04
Rechtsgebiete: VwVfG
Vorschriften:
VwVfG § 76 | |
VwVfG § 77 | |
VwVfG § 78 |
Entscheidung wurde am 20.12.2004 korrigiert: das Aktenzeichen BVerwG 4B 57.04 enthielt zwischen '4' und 'B' kein Leerzeichen und wurde durch BVerwG 4 B 57.04 ersetzt
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
BVerwG 4 B 57.04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 10. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama und Dr. Jannasch beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe:
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.
1.1 Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf,
ob bei Zusammenfassung mehrerer gesondert planfeststellungsbedürftiger Maßnahmen in einem Planfeststellungsbeschluss die Aufhebung einer der Maßnahmen immer nur in einem neuen alle zusammengefassten Maßnahmen erfassenden Planfeststellungsverfahren möglich ist oder ob auch eine isolierte Teilaufhebung einer der Maßnahmen ohne formelles Planfeststellungsverfahren in Betracht kommt.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der vom Beschwerdeführer formulierten weiten Fassung würde sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Revisionsgericht hätte nicht darüber zu befinden, ob es bei der Aufhebung einer der Maßnahmen "immer" eines neuen Planfeststellungsverfahrens bedarf. Nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts (OVG Schleswig, NordÖR 2004, 290) handelt es sich vorliegend um die Zusammenfassung zweier Straßenbauvorhaben (einer Kreisstraße und einer Landesstraße), die in ihrem Verlauf teilweise gemeinsam geführt werden sollen. In diesem Bereich ist die Unterquerung einer Bahnstrecke vorgesehen. Nach dem jetzt maßgeblichen "Aufhebungs- und Änderungsbeschluss" vom 4. Juni 2003 soll auf die ursprünglich vorgesehene Verlegung der Landesstraße auf die östliche Seite der Bahnlinie verzichtet werden, so dass die neu zu errichtende Bahnunterführung nur noch vom Verkehr auf der Kreisstraße genutzt wird. Das Oberverwaltungsgericht hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich um eine wesentliche Änderung im Sinne von § 143 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein (LVG SH, wortgleich § 76 VwVfG) handele. Nur für einen derartigen Fall wäre die von der Beschwerde angesprochene Frage entscheidungserheblich.
Davon abgesehen bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass in einem Fall wie dem vorliegenden sowohl dem Gebot, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben (§ 144 LVG SH = § 77 VwVfG), als auch den Anforderungen an Planänderungen (§ 143 LVG SH = § 76 VwVfG) Rechnung zu tragen ist.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass betroffene Eigentümer oder Anlieger einen Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses haben, wenn ein Straßenbauvorhaben endgültig aufgegeben wird. Die früher in § 18c FStrG und jetzt in § 77 VwVfG enthaltene Verpflichtung, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, erstreckt sich über den Wortlaut hinaus nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch auf diejenigen Fälle, in denen mit der Durchführung des Vorhabens noch nicht begonnen worden ist. Mit dem Aufhebungsbeschluss wird förmlich entschieden, dass eine Enteignung der für das Vorhaben benötigten Grundstücke sowie die weiteren aus ihm folgenden Einschränkungen (Anbauverbote etc.) nicht mehr zulässig sind (vgl. Senatsurteil vom 11. April 1986 - BVerwG 4 C 53.82 - DVBl 1986, 1007 = Buchholz 407.4 § 18 c FStrG Nr. 1). Folgerichtig hat das beklagte Landesamt im vorliegenden Fall den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss aufgehoben, soweit er die Straßenbaumaßnahme "Verlegung der Landesstraße ..." betrifft.
Dies entbindet die Planfeststellungsbehörde indes nicht von der Einhaltung der für Planänderungen geltenden Regelungen in § 76 VwVfG (§ 143 LVG SH). Dies gilt auch, wenn die Planänderung durch eine Teilaufhebung herbeigeführt wird. Durch die Planänderung wird im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Gesamtkonzeption des ursprünglichen Vorhabens berührt. Daher ist sie nach seiner Einschätzung nicht nur von unwesentlicher Bedeutung im Sinne von § 76 Abs. 2 VwVfG (§ 143 Abs. 2 LVG SH). Damit wendet das Oberverwaltungsgericht den im Gesetz vorgesehenen Maßstab auf den Einzelfall an. Insoweit erhebt auch die Beschwerde keine Einwände. Sie meint indessen, die beiden gesondert planfeststellungsbedürftigen Maßnahmen - Aus- und Neubau der Kreisstraße sowie Verlegung der Landesstraße - seien nur formell zusammengefasst worden und könnten daher wieder voneinander getrennt werden, ohne dass die darin liegende Änderung nach § 76 VwVfG (§ 143 LVG SH) zu beurteilen wäre. Dem ist jedoch nicht zu folgen, ohne dass es für diese Schlussfolgerung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Mit der Zusammenfassung zweier Straßenbauvorhaben, die - möglicherweise - auch getrennt voneinander planfestgestellt werden könnten, erfolgt eine verfahrensmäßige und inhaltliche Verknüpfung. Die zu treffende Abwägungsentscheidung hat die zusammengefasste Maßnahme insgesamt in den Blick zu nehmen. Unter Umständen lassen sich Eingriffe nur im Hinblick auf die mit dem gesamten Vorhaben erreichbaren verkehrlichen Wirkungen rechtfertigen. Mit der Durchführung eines gemeinsamen Planfeststellungsverfahrens wird nicht nur - wie die Beschwerde meint - eine formelle Verbindung vorgenommen; vielmehr erfolgt auch eine inhaltliche Verknüpfung. Dies gilt in besonderer Weise in Fällen wie dem vorliegenden, in dem ein neu zu errichtendes Straßenstück von beiden Vorhaben gemeinsam genutzt werden soll und überdies - hier wegen der in diesem Bereich vorgesehenen Bahnunterführung - einen besonderen Stellenwert aufweist. Wird das Vorhaben, von dem die Ausgestaltung des gemeinsamen Straßenstücks maßgeblich abhängt, nachträglich aufgegeben, so darf nicht ungeprüft bleiben, ob an dem Restvorhaben unverändert festgehalten werden kann. Die Einhaltung des für Planänderungen vorgesehenen Verfahrens schließt allerdings die Verwertung der im früheren Planfeststellungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und eingeholten Gutachten nicht aus.
1.2 Das Oberverwaltungsgericht gelangt ferner zu der Schlussfolgerung, eine bloße Teilaufhebung ohne Einhaltung der Regelungen über die Planänderung scheide zumindest in denjenigen Fällen aus, in denen es sich um das Zusammentreffen mehrerer Vorhaben im Sinne von § 78 VwVfG (§ 145 LVG SH) handele.
Die Beschwerde wirft hierzu sinngemäß die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen eine Zusammenfassung in einem Planfeststellungsverfahren nach § 78 Abs. 1 VwVfG geboten ist. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren jedoch nicht stellen, denn das beklagte Landesamt hat sich für ein derartiges Planfeststellungsverfahren nach § 78 Abs. 1 VwVfG entschieden. Auf der Frage, ob es von dieser Verfahrensweise auch hätte absehen und über die beiden Vorhaben in zwei voneinander getrennten Planfeststellungsverfahren - eventuell zeitlich gestaffelt - hätte entscheiden können, beruht das angegriffene Urteil daher nicht. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht die Maßstäbe für die Anwendung von § 78 Abs. 1 VwVfG bereits in seinen Urteilen vom 18. April 1996 - BVerwG 11 A 86.95 - (BVerwGE 101, 73) und 27. November 1996 - BVerwG 11 A 99.95 - (NVwZ 1997, 684 = Buchholz 316 § 78 Nr. 8) sowie jüngst im Beschluss vom 4. August 2004 - BVerwG 9 VR 13.04 - (juris) näher dargestellt. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit diese Rechtsprechung weiter zu entwickeln wäre; sie setzt sich vielmehr mit diesen Entscheidungen überhaupt nicht auseinander.
Die Beschwerde wirft ferner sinngemäß die Frage auf, ob bei zwingender Zusammenfassung zweier Maßnahmen nach § 145 Abs. 1 LVG SH nach Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses wegen Aufgabe einer der Maßnahmen immer ein neues Planfeststellungsverfahren erforderlich ist. Auch insoweit fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit (vgl. unter 1.2); im Übrigen ist auf die Ausführungen unter 1.1 zu verweisen. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
2. Auch die Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde rügt eine Verletzung der Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) sowie aktenwidrige Feststellungen. Dabei bezieht sie sich auf eine Formulierung im angegriffenen Urteil, wonach ein isolierter Ausbau der Kreisstraße "womöglich" auch ohne Bahnunterführung denkbar gewesen wäre. Sie verweist demgegenüber auf die Vorschriften des Eisenbahnkreuzungsgesetzes, wonach eine höhengleiche Bahnkreuzung ausscheide. Die Rüge bleibt schon deswegen ohne Erfolg, weil das angegriffene Urteil nicht auf der tatsächlichen Feststellung beruht, wonach eine (neu zu errichtende) höhengleiche Kreuzung ernsthaft in Betracht komme. Vielmehr bewegen sich die Überlegungen des Berufungsgerichts ersichtlich, wie die Formulierung "womöglich" zeigt, im Spekulativen und sollen lediglich veranschaulichen, dass ein anderes Abwägungsergebnis nicht von vornherein ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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